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Veröffentlicht am 18.04.2024

Spannende Romanbiografie

Lorenz
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Ilona Jerger‘s Romanbiografie über den bekannten, wie umstrittenen Verhaltensforscher Konrad Lorenz ist interessant und spannend zu lesen. Geschickt und informativ bettet die Autorin die Lebensgeschichte ...

Ilona Jerger‘s Romanbiografie über den bekannten, wie umstrittenen Verhaltensforscher Konrad Lorenz ist interessant und spannend zu lesen. Geschickt und informativ bettet die Autorin die Lebensgeschichte des Biologen in das Weltgeschehen des 20. Jahrhunderts ein. So verfolgt man ganz nebenher als Leser auch noch andere bekannte Zeitgenossen von Lorenz .

Bekannt geworden ist Konrad Lorenz durch seine Tierbeobachtungen, insbesondere seiner Forschung zu den Graugänsen und der publikumswirksamen Demonstration der Prägung einer Junggans auf ihn selber. Graugans Martina akzeptierte den Forscher als seine „Mutter“ und Lorenz hatte fortan für deren Ernährung und Sicherheit zu sorgen, bis „Martin“ auftauchte und mit „ Martina“ eine Familie gründete. Diese und viele andere tolle Geschichten des talentierten Erzählers und Tiefreundes Lorenz, die er gerne in der Öffentlichkeit zum Besten gab und die ihm viele Sympathien einbrachten, lassen fast seine Mitgliedschaft in der NSDAP und seine nach dem Krieg totgeschwiegenen Äußerungen zu Erbgesundheit und Selektion vergessen. Lorenz, daran ist nicht zu rütteln, war ein überzeugter Nationalsozialist und würde heute wohl keinen Nobelpreis mehr bekommen. 1973 aber bekam der Österreicher gemeinsam mit Nikolas Tinbergen und Karl von Frisch den Nobelpreis für Medizin verliehen. Seine bahnbrechenden Forschungen im Bereich der vergleichenden Verhaltenforschung wurden so gewürdigt.

Ilona Jerger‘s Romanbiografie habe ich ausgesprochen gerne gehört. Ihre ambivalente Haltung zu Lorenz ist nachvollziehbar. Die Autorin schafft es sowohl auf die Verdienste des Biologen einzugehen, als auch seine Vergangenheit während der Hitler Diktatur kritisch zu beleuchten.

Das Hörbuch, gesprochen von Maria Hartmann hat mir gut gefallen.

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Veröffentlicht am 08.04.2024

Die Meerjungfrau

Was das Meer verspricht
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Wir befinden uns hoch im Norden auf einer Insel, die im Roman nur N genannt wird.

Unsere Protagonistin Vida ist hier geboren und will hier auch nicht weg. Im Gegensatz zu ihrem Bruder Zander, der die ...

Wir befinden uns hoch im Norden auf einer Insel, die im Roman nur N genannt wird.

Unsere Protagonistin Vida ist hier geboren und will hier auch nicht weg. Im Gegensatz zu ihrem Bruder Zander, der die Insel Richtung Festland verlassen hat, wird Vida die im kleinen Laden der Eltern mithilft, diesen irgendwann übernehmen. Jannis, den sie von Kindesbeinen an kennt, wird sie bald heiraten und dann wird sie auf den Hof seiner Eltern ziehen. So ist es geplant und Vida ist zufrieden mit der Vorstellung von ihrer Zukunft.

Doch dann zieht Marie ins Nachbarhaus ein, eine quirlige junge Frau, die so gar nicht in die Inselgemeinschaft zu passen scheint, wirbelt Vida‘s Leben komplett durcheinander. Die Inselbewohner sind mehr als irritiert, dass die junge Frau bei jedem Wetter schwimmen geht. Das würde einem Insulaner niemals einfallen. Und dann hat sie dieses Meerjungfrauenkostüm, in das sie schlüpft, bevor sie durch die Wellen gleitet. Ihren Lebensunterhalt verdient Marie mit ihrem Online Shop, wo sie genau diese Kostüme auf Bestellung per Handarbeit anfertigt .

Marie ist so eigensinnig und freiheitsliebend. Vida ist fasziniert von ihr und gibt sich große Mühe,, sich mit ihr anzufreunden. Die Frauen verbringen immer mehr Zeit miteinander und aus Freundschaft wird sogar noch mehr.

Plötzlich stellt Vida ihr tief verwurzeltes Pflichtbewusstsein und auch ihre gesamte Zukunftsplanung inklusive der Hochzeit mit Jannis in Frage.

Der Roman, der gefühlt schon frühzeitig auf ein Drama zusteuert, wird aus der Ich-Perspektive von Vida erzählt. Nicht nur die Geschichte ist sehr besonders, auch die bildhafte Sprache mochte ich sehr. In den kurzen Kapiteln kommen wir Vida sehr nah und können ihre widersprüchlichen Gefühle gegenüber Marie und auch gegenüber ihrem Bruder, der plötzlich zurück auf die Insel zieht und der Nachbarin schöne Augen macht, sehr gut nachfühlen.

Auch das Ende war einfach nur gelungen, ein wirklich toller Roman, den ich wärmstens empfehlen kann.

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Veröffentlicht am 05.04.2024

Beklemmend

Geordnete Verhältnisse
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In diesem Roman geht es um eine toxische Beziehung, die schon in der Kindheit der beiden Protagonisten beginnt.

Philipp ist ein Kind mit vielen Problemen. Er wächst ohne Vater bei seiner alkoholabhängigen ...

In diesem Roman geht es um eine toxische Beziehung, die schon in der Kindheit der beiden Protagonisten beginnt.

Philipp ist ein Kind mit vielen Problemen. Er wächst ohne Vater bei seiner alkoholabhängigen Mutter und zeitweise bei seiner lieblosen und herrischen Tante auf und ist in der Schule ein Außenseiter, der keine Freunde findet.

Als die aus der Ukraine stammende Faina in seine Klasse kommt, beschließt Philipp, dass sie seine Freundin werden soll. Er hilft ihr bei den Hausaufgaben und beim Verbessern ihrer Deutschkenntnisse und bald sind die beiden ein festes Gespann. Diese Freundschaft, die für Philipp eine Seelenverwandtschaft ist, hält bis ins Erwachsenenalter an, bevor sich Faina im Streit von Philipp zurückzieht.

Eines Tages steht sie jedoch wieder vor seiner Tür, schwanger und pleite und bittet ihn um Hilfe. Von der eigenen Familie kann sie sich keine Hilfe erwarten, leider.

Das Buch ist so aufgebaut, dass zunächst Philipp, dann Faina von ihrem Leben in der Ich - Perspektive berichten, bevor der letzte Abschnitt der mit Faina und Philipp überschrieben ist aus einer neutralen Perspektive erzählt wird.

Das ist schlau gemacht, denn man kann sich bei den ersten beiden Abschnitten nicht sicher sein, wie zuverlässig sowohl Philipp als auch Faina als Erzähler sind.

Die Geschichte wird von Seite zu Seite zunehmend beklemmender. Themen wie Mobbing, häusliche Gewalt, Asexualität, Bisexualität, psychische Erkrankungen Drogensucht, Antisemitismus fließen in den Roman mit ein.

Die Vielzahl der Themen ist schon gewagt, wie ich finde. Trotzdem wirkt die Geschichte nicht überladen. Ein bisschen gestört haben mich die Klischees, derer sich die Autorin bedient.

Die finale Zuspitzung des Konflikts der beiden Protagonisten endet für mich mit keiner großen Überraschung. Trotzdem fand ich das Buch stark. Die Autorin analysiert sehr gut diesen Teufelskreis, in den Frauen geraten, die häuslicher Gewalt ausgeliefert sind. Auch das Aufwachsen in einer dysfunktionalen Familie, ohne dass eine psychologische Aufarbeitung der Kindheitserfahrungen erfolgt, kann gravierende Folgen haben, wie die Autorin es hier beispielhaft erzählt. Léna Lux prangert mit ihrem Roman natürlich auch unser gesellschaftliches System an, wie es auf häusliche Gewalt reagiert und wie Frauen alleingelassen werden.

Lesenswert!

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Veröffentlicht am 03.04.2024

Reihenauftakt mit Potenzial

Höllenkalt
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„Höllenkalt“ ist der 1. Band einer neuen Krimireihe ( die Áróra - Reihe), die auf Island spielt.

Die Protagonistin Áróra, die Halbisländerin ist aber in London lebt, wird von ihrer besorgten Mutter angerufen, ...

„Höllenkalt“ ist der 1. Band einer neuen Krimireihe ( die Áróra - Reihe), die auf Island spielt.

Die Protagonistin Áróra, die Halbisländerin ist aber in London lebt, wird von ihrer besorgten Mutter angerufen, die sich Sorgen um die ältere Tochter Ísafold macht, von der sie schon viel zu lange nichts gehört hat.

Sie bittet Áróra nach Island zu reisen, um herauszufinden, ob etwas passiert ist. Áróra selbst hat zur Zeit selbst keinen Kontakt zu der älteren Schwester, verspricht der Mutter aber sich zu kümmern. Sie war schon immer die stärkere Schwester und hat Ísafold schon häufig beschützen müssen. Während Àròra eine zupackende Art hat und rein äußerlich eine richtige „Wikingerfrau“ ist, ist ihre Schwester das genaue Gegenteil. Ìsafold‘s Freund Björn ist auch nicht gerade vertrauenserweckend.

Von Beginn an scheint es nicht unwahrscheinlich, dass Ìsafold einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist.



Àròra hat einen interessanten Beruf. Sie lässt sich anheuern, um nach verschwundenen Geldern zu fahnden. Hinterzogene Steuern oder versteckte Vermögen, die im Ausland auf dubiosen Konten schlummern, jagt sie sehr erfolgreich hinterher und streicht sich satte Provisionen als Lebensunterhalt ein. Während sie auf Island nach Spuren sucht, um ihre Schwester ausfindig zu machen, weckt eine Begegnung auch ihre berufliche Intuition, die sie nicht einfach ignorieren kann.

Ausgesprochen gut hat mir übrigens das Setting gefallen. Island lässt sich wirklich gut fühlen, dieses karge und dünn besiedelte Land, in dem die Menschen schon gewisse Eigenarten entwickeln können.

Áróra bekommt bei ihren Nachforschungen nach der verschwundenen Schwester auch Hilfe von dem sympathischen Polizisten Daniel, der wie die Mutter sagt Verwandtschaft ist.


Ich mochte diesen Krimi ganz gerne, denke aber die Geschichte wird sich im nächsten Band noch entwickeln. Das Buch endet jedenfalls mit einem krassen Cliffhanger, was ich eigentlich nicht so gerne mag. Auf jeden Fall werde ich mich wohl bald dem nächsten Teil widmen.

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Veröffentlicht am 28.03.2024

Schwere Kost

Durch das große Feuer
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„Durch das große Feuer“ von Alice Winn war ein Buch, dass ich ein paar Mal fast abgebrochen hätte und dann doch wieder nicht zur Seite legen konnte. Es weckte zwiespältige Gefühle in mir, hat mich an mancher ...

„Durch das große Feuer“ von Alice Winn war ein Buch, dass ich ein paar Mal fast abgebrochen hätte und dann doch wieder nicht zur Seite legen konnte. Es weckte zwiespältige Gefühle in mir, hat mich an mancher Stelle fasziniert an anderer Stelle angeekelt und erschüttert.

Die Autorin platziert ihre Geschichte kurz vor Beginn des 1.Weltkrieges. Die Eliteschüler Henry Gaunt und Sidney Ellwood leben zu dieser Zeit im renommierten englischen Internat Preshute. Es ist ein Internat ausschließlich für Jungen und was mich beim Lesen gleich zu Beginn irritiert hat, war, dass hier gefühlt jeder homosexuelle Neigungen hatte und diese , natürlich heimlich, ( man durfte sich halt nicht erwischen lassen) auslebte. Das erschien mir schon reichlich übertrieben und unrealistisch.

Auch die Freunde „Gaunt“ und „Elly“ sind verliebt , sind sich gegenseitig aber ihrer Liebe nie ganz sicher. Als sich der etwas ältere Henry Gaunt freiwillig zum Kriegsdienst verpflichtet, obwohl er eigentlich noch zu jung ist, ist Ellwood verzweifelt und will ihm schnellstmöglich nachfolgen. Es war erschütternd zu lesen, mit welchem Enthusiasmus diese jungen Männer damals in den Krieg zogen.

Die Schülerzeitung „The Preshutian“ druckt ab Beginn der Kämpfe immer länger werdende sogenannte „Ehrenlisten“ ab , auf denen die Gefallenen gewürdigt werden und feuert den Wunsch der Jungen sich als Helden zu beweisen nach Kräften an.

Sydney Ellwood schafft es in das Regiment von Henry Gaunt, der durch die vielen Verluste schon im Rang aufgestiegen ist und nun sein Vorgesetzter wird .

Wenn man vom Grauen an der Front liest, darf man nicht zimperlich sein. Die Autorin beschreibt die unzähligen abgerissenen Körperteile und die von Blut durchtränkten Ackerböden nur allzu bildhaft. Sie erzählt auch sehr anschaulich , wie aus den einst fröhlichen jungen Männern seelische Wracks werden. Nach ein paar Monaten, wenn man denn so lange überlebt, gehen fast jedem Soldaten die Nerven durch. Kriegszittern hieß es damals, von posttraumatischen Belastungsstörungen spricht man heute.

Sydney und Henry sorgen sich natürlich auch permanent umeinander und bei einer weiteren furchtbaren Schlacht im „Niemandsland „ wird „Gaunt“ dann auch tatsächlich getroffen und kann nicht einmal mehr in die englische Stellung geborgen werden. Für Sydney, der davon ausgeht, dass sein geliebter Freund tot ist, gibt es von da ab keinen Grund mehr den Krieg überleben zu wollen.

Ich habe diesen Roman, der das Debüt der Autorin ist , als unfassbar intensiv empfunden. Alice Winn fängt, wie ich finde sehr gut die Stimmungen und Gefühle und das furchtbare Grauen, ja die Sinnlosigkeit des Krieges ein, der letztendlich nur Verlierer hinterlässt. Die Frauen, die die zu Hause gebliebenen Männer mit dem Überreichen einer weißen Feder als Feiglinge bloßstellten, stehen am Ende des Krieges alleine in den Trümmern. Die wenigen Männer, die aus dem Krieg zurückkehren sind schwerst traumatisiert. Die zarte Liebesgeschichte zwischen Henry und Sydney bildet ein starkes Gegengewicht zu der Brutalität an der Front.

Es war ein Buch, dass mir einiges abverlangt hat, über dass ich aber sicher noch eine Weile nachdenken werde.

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