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Veröffentlicht am 15.04.2017

Schicksalsträchtige Liebesgeschichte

The Sun Is Also a Star
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The sun is also a star von Nicola Yoon war das erste Buch der Autorin, welches ich gelesen habe. Entgegen vieler anderer, die wohl bereits Du neben mir gelesen hatten, hatte ich keinerlei Erwartungen. ...

The sun is also a star von Nicola Yoon war das erste Buch der Autorin, welches ich gelesen habe. Entgegen vieler anderer, die wohl bereits Du neben mir gelesen hatten, hatte ich keinerlei Erwartungen. Naja, keine ist auch übertrieben, oder? Mir war der Beliebtheitsgrad der Autorin durch Du neben mir schon bekannt.

Worum geht’s im Buch? Da ist zum einen Natasha, jamaikanischer Abstammung, die, als sie acht Jahre alt war in die Vereinigten Staaten mit ihrer Mutter eingereist ist. Sie folgten dem Ruf ihres Vaters, der ihnen vorausgereist war, um seinen Traum von einer Schauspielkarriere in den Staaten zu verwirklichen. Wenn man als Leser allerdings in die Geschichte einsteigt, erfährt man schnell, dass dieser Traum mehr oder weniger immer ein Traum blieb und die Familie auf winzigem Raum zusammen lebt. Ja, kurz und schmerzlos, eigentlich sind sie arm. Nun steht die Abschiebung unmittelbar bevor. Denn wir plumpsen in die Geschichte, als Natasha gerade auf dem Sprung ist, um mal wieder, wie seit Tagen, bei den Behörden vor Ort um eine Lösung, einen Aufschieb, was auch immer zu bitten.

Wie der Zufall es will, ist zeitgleich bei Daniel auch einiges im Argen. Er befindet sich auf dem Weg zum Frisör, zu dem ihm seine koreanische Mutter nötigt, weil er wenige Stunden später ein Interview für die Elite-Universität Yale absolvieren soll. Auch wenn Daniel das gar nicht will. Denn das alles soll ihn am Ende zu einem Beruf führen, den er nicht ausüben möchte. Er weiß eigentlich gar nicht, wo es ihn beruflich hinzieht. Vielleicht ist das Dichten ja etwas? Denn das tut er mit Leidenschaft. Seine Eltern würden das aber, nach dem Debakel mit seinem Bruder, der von der Harvard Universität geflogen ist, niemals zulassen.

Lange Rede, kurzer Sinn. Die beiden treffen per Zufall aufeinander. Und instant entwickelt sich eine besondere, ganz zauberhafte und ja, sehr klischeehaft und gewollt, schicksalshafte Begegnung. Denn so verschieden die beiden auf den ersten, zweiten und dritten Blick auch scheinen, da ist etwas. Etwas was beide, aus ihren jeweiligen Überzeugungen nicht erklären können. Denn dazu sei gesagt, Daniel ist ein sehr intuitiver Mensch. Er lässt sich von seinen Gefühlen und Leidenschaften leiten, soweit es ihm in seinen Umständen möglich ist. Und Natasha ist ein kleiner Wissenschafts-Fanatiker, sehr nüchtern und kontrolliert. Dieser Kontrast ist so stark, dass er sich eben auch wunderbar ergänzt. Nicht umsonst heißt es ab und an ja: Gegensätze ziehen sich an.

Und so habe ich im Verlauf der Geschichte mehr als einmal schmunzeln müssen. Denn beide sind keine einfachen Brocken und die Dialoge, die sich die beiden liefern laden einfach zum Lachen ein. Dazu hat Nicola Yoon einen großartigen Schreibstil, der einen als Leser durch das Buch mit Leichtigkeit durch die Seiten zieht. Und trotz schwieriger Situationen und Szenen wirkt The sun is also a star nie düster und aus dem Kontext und der Atmosphäre gerissen. Vielmehr empfand ich so manche Wortwahl als überaus intelligent, ohne das der Lesefluss dabei bricht.

Letztendlich geht es in diesem Buch hauptsächlich um diese außergewöhnliche Liebesgeschichte, die sich innerhalb weniger Stunden, eines Tages, entwickelt und selbst noch lange Zeit später Eindruck in den Leben beider Charaktere hinterlassen hat. Inwieweit das für einen Leser realistisch ist, naja, das muss jeder für sich selbst wissen. Aber vorweg sei gesagt, die Autorin hat da den einen oder anderen Clou in der Hinterhand, die mich am Schluss tatsächlich von der Geschichte an sich überzeugt haben.

Es hat eine ganz besondere Note, weswegen ich das Buch wirklich gerne mag und es definitiv Lesern empfehlen möchte, die eine romantische Geschichte suchen. Unabhängig vom Alter. Das Buch ist eben etwas ruhiger, unaufgeregter, trotz der Spannungsspitzen, die durch die drohende Abschiebung von Natasha, immer mal wieder eingestreut wurden.

Für mich stand die Geschichte um die Abschiebung aber nie wirklich im Fokus – falls man das eventuell glauben mag, wegen des Klappentexts. Sie ist ganz klar ein unübersehbarer Teil der Geschichte, aber wird, meiner Meinung nach, eher nebensächlich behandelt. Was aber nicht schlecht ist, denn so gibt die Autorin dem Buch auch Raum, andere Töne in Richtung Familie, Zukunftsangst, Erwartungsdruck, ethnische Herkunft und unterschiedliche Kulturen anzusprechen.

Kurzum: Die drohende Abschiebung, die Kulturunterschiede zwischen den beiden und die sehr verschiedenen Persönlichkeiten setzen diese aufkeimende Liebe direkt unter einen schlechten Stern. Aber Nicola Yoon schafft es, den Leser, wie Natasha und Daniel, von eben diesem Damoklesschwert abzulenken. Sei es mit wunderbaren Szenen oder eben sehr poetischen und tiefgründigen Sätzen und Nebensträngen in der Handlung. Bis zur letzten Sekunde, bis zur letzten Seite.


FAZIT

The sun is also a star von Nicola Yoon ist ein sehr schönes und leichtes Jugendbuch mit einem gewissen Hang zu wissenschaftlicher Poesie, die das Gesamtbild mit einer ganz besonderen Note versehen hat und mir deswegen noch eine Weile in Erinnerung bleiben wird. Mit Witz und Charme wird hier eine etwas andere, aber sehr moderne Liebesgeschichte einem altersübergreifenden Publikum dargeboten.

Veröffentlicht am 15.04.2017

Ein kreatives Potpourri

Barney Kettles bewegte Bilder
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Barney Kettles bewegte Bilder hat mich schon in der Vorschau wie ein spieltoller Labrador angesprungen. Ich bin verliebt in das Cover und auch unten drunter (huch!) sieht es molto bene aus! Ich muss an ...

Barney Kettles bewegte Bilder hat mich schon in der Vorschau wie ein spieltoller Labrador angesprungen. Ich bin verliebt in das Cover und auch unten drunter (huch!) sieht es molto bene aus! Ich muss an der Stelle einfach mal wieder ein dickes Lob an den Verlag und an die Designerin Suse Kopp aussprechen. Das gesamte Zweisamkeit-Programm sieht großartig aus und ich bin noch immer in jedes einzelne Buch schockverliebt.

Und man mag es erstmal nicht so sehen, aber die Aufmachung zu Barney Kettles bewegte Bilder passt wie die Faust aufs Auge. Warum? Die Geschichte ist minimum genauso kreativ, bunt und anders. Und wenn ich eine Sache über alles liebe, dann das, wenn man dieses besondere Gefühl der Kreativität, diesen Moment, wenn einen die Muse küsst, wenn sich alles in deinem Blickwinkel auf diese eine Idee einschießt, einfängt und zu Papier bringt. Kate de Goldi hat hier ein kleines Wunder geschaffen. Denn schon sehr früh in dem Buch, wenn alles noch neu und frisch ist und noch nicht wirklich alles Sinn ergibt, spürt man dieses Feuer. Diese Leidenschaft. In der oft sehr besonderen Wortwahl, im Schreibstil, einzelnen Stilelementen (z. B. das Hervorheben der Orte, das Aneinanderreihen von Begriffen) und in der Geschichte selbst. In den Dialogen, in den Charakteren. In dem ganzen Setting.

Wenn ich mir vor Augen halte wie bunt und lebensfroh dieses Buch ist, muss ich lächeln. Dieses Lächeln hat sich auf den ersten Seiten von Barney Kettles bewegte Bilder eingeschlichen und geht seitdem nicht mehr weg.
Die Charaktere

Da ist Barney, der junge, zwölfjährige, etwas größenwahnsinnige große Bruder, der vom Filmemachen besessen ist. Er stürzt sich von einer Kurzfilmproduktion in die nächste und er verkörpert, für mich, die meiste kreative Energie. Er ist unglaublich zielstrebig, weiß, dass er später mit Spielberg, Allen und Co. mithalten wird können. Er sieht das. Er sieht seine Zukunft auf einem goldenen Weg gepflastert. Und du nimmst dem Kerl das ab. Du spürst als Leser die Leidenschaft, die AufregendeAlchemie, die da in Barney brennt.

Doch hinter jedem erfolgreichen Mann steht bekanntlich ja eine Frau. In diesem Fall ist das zwar Barneys kleine Schwester Ren, die nur ein Jahr jünger ist als er, aber das tut nichts zur Sache. Denn sie ist Schwester/Assistentin/Organisatorin/Kopfmensch/Schrägstrichkönigin. Zwar kann man hier und da denken, dass Barney mal einen Gang rückwärts einlegen dürfte, gerade wenn es um Ren geht, dennoch habe ich schon bald Gefallen an Barneys diktatorischen Zügen gefunden. Denn im Verlauf des Buchs erkennt man, dass Barney in Wirklichkeit ein sehr aufmerksamer, offener und einfach lustiger Typ ist. Er und Ren ergänzen sich im Buch so gut, wie es für ein Geschwisterpaar und Geschäftspartner der Kettle Productions eben nur geht. Und insgeheim ist Ren die gute Seele des Buches, was ein Gleichgewicht schafft.

Doch mal Butter bei die Fische. Worum geht es denn genau in Barney Kettles bewegte Bilder? War’s das schon mit dem Kreativitäts-Filmgedöhns rund um Barney und Ren?

Nope.


Die Geschichte

In dem Buch geht es im Barney und Ren, die in ihrer Straße, der High Street, einen Dokumentarfilm drehen möchten. Nachdem die letzten Kurzfilme eher auf fiktive Geschichten basiert hatten, fällt es den beiden bei einem ihrer Produktionsmeetings wie Schuppen vor die Augen. Jeder Mensch bietet eine eigene Geschichte. Eine ganze Straße bietet Unmengen an Geschichten, die erzählt werden wollen. Kettle Productions macht sich an die Arbeit. Und was anfangs eher gemächlich anfängt und auf den Leser sehr ruhig, ja, vielleicht langweilig wirken kann, kommt die erste Wendung im Buch.

Als Ren und Barney an einem ihrer Drehtage auf einen Umschlag stoßen, mit der Aufschrift „DU“ und einem darin enthaltenden Zine (gesprochen „Zeen“; wie Teen) beginnt eine ganz eigene und wunderbare Schnitzeljagd, die Charme, Witz und Esprit aufweist. Denn hinter diesen Umschlägen mit dem immer enthaltenden Zine steckt ein Abenteuer mit dem Titel „Orange Boy lebt“. Was es genau damit auf sich hat, das sollte jeder Leser selbst herausfinden. Doch eins sei noch gesagt, die heile und sichere Welt von Ren und Barney bekommt einen Knacks. In ihren jungen Jahren werden die beiden mit einer Thematik konfrontiert, die sehr besonders ist und die Autorin auf leichte, aber doch eindringliche Art übermittelt. Das ist übrigens auch der Grund, weswegen es nicht ein einfaches Kinderbuch ist, sondern ein Buch, was zu Recht den Titel eines Königskindes trägt.

Schlussendlich könnte man meinen, das wäre es dann gewesen und es würde sich nur noch um Barney, Ren, Orange Boy und den Dokufilm drehen. Was es nicht tun wird. Es wird noch eine Wendung im Buch geben, die ich selbst beim Lesen nicht vorhergesehen habe. Und die hat mir tatsächlich den Rest gegeben, die hat das Buch auf einen ganz neues Level gehoben. Zwar war das Buch insgesamt eher ein ruhiges, welches unaufgeregt die verschiedensten Charaktere und Lebensstile und den Dorfcharakter einer ganzen Straße einfängt, und somit könnte man auf den einen dicken Knall warten, aber das tut man nicht.

Ich bin gerne in die High Street eingetaucht, bin den unterschiedlichsten Figuren wie z. B. Brown Betty, Suit oder der Unveröffentlichte Dichter begegnet und habe mich einfach wohl gefühlt.

Barney Kettles bewegte Bilder ist ein buntes Potpourri. Eine junge und wunderschöne Geschichte, die Spaß macht und den Leser zum Schmunzeln bringt, aber dabei nicht den Ernst des Lebens vergisst und dazu einige Überraschungen und großartige Szenen bietet. Außerdem ist dieses Buch ein großartiger Beweis dafür, dass junge Bücher definitiv ohne Lovestory auskommen. Das es nicht immer irgendwelche Love Interests geben muss.


FAZIT

„Molto großartig“! Barney Kettles bewegte Bilder ist ein zartes, unglaublich kreatives Wohlfühl-Buch mit ganz viel Subtext und einer unerwarteten, aber heftigen Wendung. Barney Kettles Geschichte mag unscheinbar wirken, entpuppt sich aber als kleiner Wolf im Schafspelz. Wer auf bunte Charaktere und Dialoge steht, wird hier 1 A bedient.

Veröffentlicht am 15.04.2017

Unglaublich berührend und unvergesslich

Der Koffer
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Vorneweg muss gesagt werden, dass die Themen in Der Koffer für den einen oder anderen Leser auch Trigger darstellen könnten, da manche Szenen gewisse Emotionen sehr bildlich und intensiv an den Leser herantragen. ...

Vorneweg muss gesagt werden, dass die Themen in Der Koffer für den einen oder anderen Leser auch Trigger darstellen könnten, da manche Szenen gewisse Emotionen sehr bildlich und intensiv an den Leser herantragen. Das Buch ist nicht ohne. Es behandelt so einige Themen, die nicht unproblematisch und nicht weniger traumatisch sein könnten. Nicht umsonst ist es erst ab 16 Jahren empfohlen. Bei jemand jüngeren würde ich auch nicht wollen, dass man es „einfach so“ liest.

Und verdammt ja, das macht das Buch zu dem, was es ist. Nämlich eines der besten und bewegendsten Bücher, die ich seit langem gelesen habe. Allein wenn ich an das Buch und einzelne Szenen denke, kommen mir die Tränen oder ich bekomme einen dicken Kloß im Hals. Der Koffer ist ein Buch, was dich als Leser nicht loslässt. Das fängt mit dem Lesen an. Selten lese ich ein Buch mit etwas mehr als 400 Seiten an einem Wochenende durch. Aber hier fiel es mir so leicht. Weil es wirklich gut war. Und ich permanent meine Finger nach dem Buch ausgestreckt habe und es kaum erwarten konnte endlich weiterzulesen.

Klar, das kann man ganz nüchtern und objektiv betrachtet dem sehr flüssigen, wortgewandten und doch klaren Schreibstil der Autorin verdanken. Dass sie es schafft, Worte zu Bildern umzuwandeln, jedem Charakter eine eigene Stimme, eine unverwechselbare Aura zu geben. Dass durch die Perspektivwechsel zwischen Julian und Adam eine dynamische Tiefe in der Geschichte erzielt wird. Man kann auch den Lektoren und den Übersetzern ein Dankeschön zukommen lassen, die diese Geschichte im Feintuning abgerundet haben.

Aber dann ist da noch der nackte Plot. Und der ist jetzt nicht auf Nervenkitzel gepolt oder überraschend. Denn nach den ersten Seiten, nach dem ersten Auftauchen aller Figuren im Buch, weiß man, wo das wohl alles endet. Dass da ein dicker Knall kommt. Und der kommt. Und der pustet deine Emotionen ordentlich durch. Es geht vielmehr darum, dass dieser Plot, diese Geschichte eine bedeutende Geschichte erzählt. Eine Geschichte, die tiefschürfend ist, die grausam ist, die aber auch Hoffnung in den hintersten Winkel deiner Vorstellungskraft aufkeimen lässt.

Der Koffer macht dich fertig. Die Emotionen wechseln zwischen Bedrückung, Trauer, Hoffnung, Witz und Glück und unzähmbare Wut. Oh, diese Wut.

Es ist ganz grausam diese Geschichte zu lesen und nichts tun zu können. Den Figuren dabei zuzusehen, wie sie kleine und große Entscheidungen treffen, die Konsequenzen haben, die ich gar nicht erwähnen mag. Und das absurde ist, dass dich diese Geschichte eben auch so glücklich macht. Mir kullerten nicht selten dicke Tränen das Gesicht runter, während ich stumm lächelte. Es ist eine Achterbahn der Gefühle. So fürchterlich klischeehaft das auch klingt. Das Buch ist es nicht.


Die Charaktere

Julian ist vierzehn und von Seite eins an merkt man ihm einfach an, dass er es nicht leicht hat. Es wäre gemein zu sagen, dass ich ihn bedauere, allerdings war es eben so. Ich konnte mich in ihn zu 100 % hineinversetzen. Julian ist in sich gekehrt, wird von seinen Mitschülern gemobbt und hat eigentlich keinen Platz an dem er sich wirklich zuhause fühlt. Er ist allein. Er ist einsam. Und als wäre das nicht schon genug, hat er eine richtig dicke Niete gezogen, was seinen Vormund angeht. Onkel Russell ist nämlich nach außen hin der erfolgreiche, sehr disziplinierte Kerl, der es ja nur gut mit Julian meint. Ehm. Nein. Dem ist nicht so.

Doch der Zufall, das Schicksal, was auch immer da mitgespielt hat, meint es nach langer Zeit auch endlich mal gut mit Julian. Er begegnet seinem ehemaligen Pflegebruder Adam. Adam ist ein mega Kerl. Und das meine ich zu 1000 %. Er ist all das was Julian braucht. Was jeder in so einer Situation, in der Julian ist, braucht. Adam ist der Balsam, die Seele dieses Buches, die Stimme des Lesers. Er ist für seine 17 Jahre unglaublich gelassen. Wenn ich in seinem Alter so in mir geruht hätte, hätte ich heute wohl die Gelassenheit einer 50-jährigen. Adam lockert die ganze Geschichte mit seinem Wesen auf.

Besonders die Begegnungen zwischen Adam und Julian sind kleine Sonnenscheininseln im Buch. In diesen Situationen erfährt Julian Akzeptanz und Respekt, die er nicht oft erfährt. Adam mag man einfach. Jeder tut das. Alle im Buch. Trotz seiner Hummeln im Popo (er leidet an ADHS). Und im späteren Verlauf spürt man als Leser wie gut Adam die Rolle des großen Bruders steht. Und obwohl die beiden nicht blutsverwandt sind, würde Adam wirklich alles für Julian tun, damit es ihm besser geht (ich bekomme gerade wieder Tränen – es ist irre).

Wie ich schon erwähnt habe, ist Der Koffer eher ruhig. Aber das ist absolut nicht negativ. Denn diese Ruhe ist wohl willkommen. Denn dazwischen liegen ganz viele düstere und bedrückende Szenen und gegen Ende zieht Robin Roe auch spannungstechnisch nochmal an. Was ich persönlich nicht gebraucht hätte. Denn die vielen sehr nahegehenden Szenen sind aufreibend genug für den Leser. Allein das Echo des Buches. Ich hab es jetzt vor fast zwei Wochen ausgelesen und es ist noch alles da. Jede Gefühlsregung.

Ohne groß künftigen Lesern alles vorweg zu nehmen, lässt sich die Geschichte insoweit zusammenfassen, dass es eben um Julian und Adam geht. Beide unterschiedlich in ihren Persönlichkeiten wie Tag und Nacht. Es geht um die unterschiedlichen Facetten ihres Lebens und eine sehr schöne und rührende Verbindung, dieser beiden Leben. Und eben sehr viel Dunkelheit. Entschuldigt, wenn dieser Abschnitt sehr kurz ist, aber jeder sollte seine eigene Erfahrung mit der Geschichte und der Autorin machen. Und ich hoffe, wir bekommen als Leser die Gelegenheit mehr Bücher von der Autorin zu lesen. Denn auch wenn das hier starker Tobak ist, ist das eben die Art von Buch, die mich bis ins Mark erschüttert und die eine unvergleichliche Leseerfahrung mit sich zieht.


FAZIT

Der Koffer von Robin Roe hat mich tief berührt, auf eine ganz besondere Art mitgenommen und wird mir noch lange im Kopf bleiben. Definitiv ein Jahreshighlight. Und so grausam und wunderschön zugleich das Buch auch ist, ich kann es nur jedem empfehlen. Lest es, fühlt es, liebt es.

Veröffentlicht am 04.04.2017

Sehr süße junge Geschichte übers selbstständig werden und die Liebe

To all the boys I’ve loved before
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Wie oft bin ich über dieses Buch bei Instagram und anderen Blogs gestolpert. Und immer wieder waren die Meinungen doch recht positiv. Das erste Mal bin ich vor Monaten auf das Buch gestoßen über eine Leseprobe ...

Wie oft bin ich über dieses Buch bei Instagram und anderen Blogs gestolpert. Und immer wieder waren die Meinungen doch recht positiv. Das erste Mal bin ich vor Monaten auf das Buch gestoßen über eine Leseprobe und fand den Schreibstil da ganz süß und leicht und ich war neugierig, wie sich diese Geschichte mit den Liebesbriefen auf Lara-Jean auswirken wird, was da mit dem Nachbarsjungen und Exfreund ihrer Schwester Margot passieren mag.

Und tatsächlich blieb der Schreibstil in To all the boys I’ve loved before sehr süß und leicht. Jedes Mal, wenn ich das Buch aufschlug, war ich wieder direkt in Lara-Jeans süßer, kleiner Teenie-Welt inkl. derer Probleme. Lara-Jean war von Anfang an ein sehr sympathisches Mädchen, auch wenn sie ein wenig das Graue Mäuschen verkörperte. Sie ist unsicher, zwar sehr kreativ und liebenswürdig, aber fühlte sich viel zu lange im Kokon des Schattens ihrer großen Schwester viel zu sicher.

Als nämlich Margot durch den Antritt ihres Studiums in England wegzieht und nun Lara-Jean deren Platz im Haushalt einnimmt (denn die Familie besteht nur aus den drei Schwestern und dem Vater, die Mutter ist vor einigen Jahren verstorben), wird sie mit ihrer eigenen Unsicherheit stark konfrontiert. Als dann zusätzlich das Problem mit den verschickten Liebesbriefen auftritt, spürt man schon schnell, wie arg sie überfordert mit der Situation ist. Und das ist eben das große Thema in dem Buch. Es ist ein einziges Gefühlschaos und man ist als Leser mittendrin.

Vor hundert Jahren standen Achtzehnjährige auf dem Schlachtfeld, kämpften mit dem Bajonett und hielten das Leben von Menschen in der Hand. Bis jemand in unserem Alter war, hatte er schon eine Menge erlebt. Wir dagegen, was wissen wir denn schon vom Leben und von der Liebe? ─ S. 191

Das bedeutet aber nicht, dass Lara-Jean wie ein Häufchen Elend in sich zusammenfällt. Stattdessen erleben wir als Leser wie sie von einer unglückseligen Situation in die nächste schlittert. Und das oftmals noch auf eine sehr schrullig-liebevolle Art. Ganz oft kam mir hier der Begriff „naiv“ in den Kopf. Unter Berücksichtigung ihres Alters, sie ist noch in der Highschool, ist das kein Wunder bzw. noch nachvollziehbar.

Eben dieses naive und damit auch sehr altersauthentische Verhalten hat Jenny Han gut wiedergegeben. Vielleicht finden es deswegen bei Goodreads und Co. ganz viele junge Leser sehr glaubwürdig, während etwas ältere Leser hier und da eher etwas aufseufzen. Meine Reaktion war so ein Mittelding dazwischen. Ich mag solch junge Literatur sehr gerne, aber etwas Abstand zur Lara-Jeans Alters- und Zielgruppe habe ich dann doch. Und eigentlich will ich nicht altklug schmunzeln und „Hach, die Jugend von heute“ denken, aber irgendwie kann ich es mir auch nicht verkneifen. Lara-Jean schafft sich als Protagonistin Fallen und Stolpersteine, die, wenn sie jemanden mal um Rat fragen würde (was sie ja nicht tut, auch wenn sie immer kurz davor ist) das eine oder andere Fettnäpfchen umschiffen könnte. Es gibt hier konrekte Beispiele, die ich anführen könnte, aber das wären auch Spoiler und deswegen spar ich mir das hier.

Allerdings konnte ich eine Gefühlslage sehr gut nachvollziehen, nämlich dass sich nach dem Weggang ihrer Schwester eine gewisse Distanz aufbaut. Dazu muss man wissen, dass Margot und sie eine sehr innige Schwesternbeziehung haben und die beiden sich alles anvertrauen. Im Verlauf des Buches merkt man einfach immer deutlicher, dass sich diese Schwesternbeziehung durch das „Erwachsenwerden“ von Margot enorm verändert. Die Beziehung, auch in dem Dreiergespann mit der kleinen Schwester Kitty (sehr niedliches, beizeiten aber auch nerviges Ding), bekommt eine neue Dynamik, eine Distanz und ja, auch schattige Gräben, in denen allen klar wird, dass man auch Geheimnisse voreinander hat.

Schlussendlich wird dem Leser früher oder später klar, dass To all the boys I’ve loved before nicht nur eine klassische Liebesgeschichte beinhaltet (und hier gibt es ein paar Wendungen, die ich auch nicht erwartet hätte – aber wieder auf komische Art und Weise gut finde), sondern auch diese Liebe innerhalb der Familie, und zwischen Schwestern ganz besonders, eine ganz eigene ist. Das hat die Autorin wunderbar eingefangen und dafür ein großes Lob. Ähnlich gut fand ich das Setting und die Diversität des Buches, die mit den koreanischen Wurzeln der Song-Schwestern ganz natürlich umgeht und damit wiederum eine Wohlfühl-Atmosphäre schafft.

Kleiner Kritikpunkt ist allerdings, dass Lara-Jean sich ziemlich schnell damit abgefunden hat, dass ihre Briefe da von jemand Anonymen durch die Welt verschickt wurde und sie wohl überhaupt keine Intention hat, herauszufinden, wer das denn war. Dabei war für mich von Sekunde 1 klar, wer das war. Also besonders schwer war das nicht, die entsprechenden Schlüsse zu ziehen. Da hätte ich mir ein wenig mehr Ausarbeitung gewünscht, besonders weil der Klappentext ja ein bisschen mit dieser Briefgeschichte lockt.


Fazit

To all the boys I’ve loved before von Jenny Han hat mich am Ende doch sehr neugierig auf den zweiten Band gemacht, den ich schon zuhause liegen habe und bald nachschieben werde. Das Buch ist eine klasse und junge Unterhaltungslektüre, die aber eben auch mit feinen und glaubwürdigen Beziehungskonstrukten aufwartet, süß aber nicht kitschig ist und mich dahingehend überzeugen konnte.

Veröffentlicht am 14.03.2017

Schöner Auftakt, mit Luft nach oben

Rat der Neun - Gezeichnet
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Was erwartet uns als Leser? Muss man Die Bestimmung gelesen haben?

Nein. Muss man nicht. Rat der Neun von Veronica Roth ist ein eigenständiges Buch, bzw. der Auftakt einer Dilogie, die überhaupt nichts ...

Was erwartet uns als Leser? Muss man Die Bestimmung gelesen haben?

Nein. Muss man nicht. Rat der Neun von Veronica Roth ist ein eigenständiges Buch, bzw. der Auftakt einer Dilogie, die überhaupt nichts mit Die Bestimmung am Hut. Unverkennbar sind dennoch ein paar Stilmittel und der Aufbau, die das Buch als eins von Veronica Roth auszeichnen. Da wäre zum Beispiel Cyra, eine Shotet, die Protagonistin des Buches. Sie ist stark, nicht auf den Kopf gefallen und hat einen unglaublichen Gerechtigkeitssinn und eine enorme Bindung an Traditionen. Und dabei ist sie noch sehr zäh. Ihre Lebensgabe bindet sie an permanenten und unerträglichen Schmerz, der erst durch starke Tränke oder noch später von Akos gelindert werden kann. Doch nicht nur sie leidet unter den Schmerzen, denn sie kann diese Schatten unter der Haut, die der Ursprung des Schmerzes sind, auf andere übertragen. Das macht sie zu einer sehr gefährlichen Gegnerin. Doch verlässt sie sich nicht auf die Gabe, sondern hat es auch im Nahkampf einfach drauf.

Zum anderen ist da noch Akos. Aus Thuve. Das Volk welches mit den Shotet seit Generationen verfeindet ist. Er ist ein umsichtiger und sehr reifer Charakter, der mir von allen Figuren noch am liebsten war. Denn die Geschichte wird aus den Perspektiven beider, Cyra und Akos, erzählt. Abwechselnd, in mehr oder weniger kurzen Kapiteln bekommt man als Leser einen Einblick und eine Bindung zu Cyra oder Akos. Was ich wirklich gut finde. Ich kann es nicht oft genug erwähnen, eine Geschichte bekommt dadurch eine bessere Dynamik. Wie auch hier geschehen. Und die braucht man auch.

Denn das Universum, welches die Autorin dem Leser vor die Füße legt ist ungemein groß, fantastisch, aber auch komplex. Und da ist nichts dran verkehrt. Denn das erste Mal seit gefühlt Ewigkeiten konnte ich mich wirklich in einer Fantasy-Welt hineinversetzen. Sarah J. Maas und ihre Throne of Glass-Reihe schafft da ähnliches. Aber hier hat man ganze Planeten von denen man hin und her springt. Da hat sich für mich eine wunderbar eigene Atmosphäre und auch Sogwirkung entwickelt, weswegen ich immer gespannt war, wie es mit Cyra und Akos weitergeht und was diese Welt bietet, wie die Gesellschaften aufgebaut sind etc.

Ich kann aber dieses Buch nicht rezensieren, ohne zu erwähnen, dass dieses Buch auch unglaubliche Längen mit sich zieht. So interessant und vielseitig ich die Welten und Charaktere (großer Diversitäts-Faktor z. B. durch Homosexualität) auch finde, es gab ebenfalls manche Beschreibungen, die ich unnötig fand und manchmal Szenen, die sehr plötzlich aus dem Lesefluss heraus passierten.

Insgesamt empfand ich Rat der Neun als eher ruhig. Das bedeutet nicht, dass es nicht auch actionlastige Szenen gab, aber die Erklärungen, der Aufbau dieser ganzen Welt vor dem Leser bedarf Zeit. Die nimmt sich Veronica Roth und ich hoffe, dass es sich im zweiten Band auszahlt. Besonders gegen Ende von Rat der Neun hatte ich das Gefühl, dass die ganzen Geschehnisse sich endlich in eine Richtung entwickeln, die den Leser wirklich bei der Stange halten kann und die Lust auf mehr macht. Und in ordentlicher Veronica Roth-Manier scheut sich die Autorin nicht harte Konsequenzen für ihre Charaktere am Ende auszudenken. Und ja, die sind mitunter brutal. Und dazu noch sehr bildlich beschrieben.

Und dann ist da, unter anderem, auch noch die Liebesgeschichte zwischen Cyra, eine Shotet, und Akos aus Thuve, eigentlich verfeindete Völker, die sich im Verlauf der Geschichte entwickelt. Ohne, dass man den Klappentext hätte lesen müssen, wird einem bei der ersten Begegnung der beiden schnell klar, dass da irgendwann was laufen wird. Das fand ich jetzt nicht sonderlich subtil. Aber als dann die ersten Szenen kamen, die diese Entwicklung deutlicher abzeichneten, fand ich es schon überraschend. Weil sich weder Akos oder Cyra in ihren Kapiteln mit dem jeweils anderen auf solch eine Art beschäftigen. Ich hatte da beim ersten Mal einfach das Gefühl einen großen Schritt, einen Aha-Moment verpasst zu haben. Dafür, dass man als Leser doch sehr nah an den beiden Leben dran ist, ist das schon eher lasch. Und obwohl ich beide Protagonisten echt nicht scheiße fand (und ich Kickass-Weiber in Büchern mag) hatte ich nie die Nähe zu beiden. Ihre Gefühle füreinander oder im einzeln wirkten bei mir nicht. Erst gegen Ende, wo sich gewisse Ereignisse überschlagen, bekommt das Buch auch in diesem Part einen Aufschwung. Für manch einen Leser mag das aber zu spät sein.


Fazit

Rat der Neun von Veronica Roth ist ein Buch, welches die schriftstellerische Entwicklung einer Autorin klar markiert. Es hat mich überzeugt, da es eigenwillige, aber auch bunte Charaktere aufweist und dazu Fantasy und Science-Fiction in einem sehr komplex und dabei doch struktruierten Setting vereint. Dennoch denke ich, dass Veronica Roth noch ordentlich Luft nach oben bleibt und bin gespannt, wie sie die Geschichte fortsetzen wird.