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Veröffentlicht am 03.01.2017

Eher enttäuschend und unrealistisch

Das Lazarus-Syndrom
2

Joe ist als Chirurg in der Transplantationsmedizin tätig, er entnimmt toten Organspendern ihre Organe. Und er ist Alkoholiker seit seine Frau und sein ungeborenes Kind vor einigen Jahren bei einem Autounfall ...

Joe ist als Chirurg in der Transplantationsmedizin tätig, er entnimmt toten Organspendern ihre Organe. Und er ist Alkoholiker seit seine Frau und sein ungeborenes Kind vor einigen Jahren bei einem Autounfall ums Leben kamen. Kurz: Joe steht an einem Abgrund und ist kurz davor, hinab zu stürzen. Doch er ist trotz allem noch klar genug, um zu bemerken, dass seine Einsätze als Transplantationschirurg sich häufen. Ständig wird er zu einem Einsatz gerufen, es stehen plötzlich immer mehr Spenderorgane zur Verfügung. Joe versucht, den Ungereimtheiten auf den Grund zu gehen und sieht sich plötzlich selbst in größter Gefahr, als ein tödlicher Anschlag auf seinen in der Transplantationsforschung tätigen Kollegen verübt wird.

Ein schwieriges Thema, ein spannender Medizin-Thriller, ein besonderer Protagonist. Mit diesen Erwartungen ging ich an dieses Buch heran und sie haben sich leider nur teils bewahrheitet.

Zumindest hinsichtlich des Protagonisten war ich mit der Ausgestaltung durch den Autor sehr zufrieden. Joe ist nicht der typische Held, der sich in schmutzige Angelegenheiten einmischt und Verbrechern das Handwerk legt. Im Gegenteil, er ist der klassische Anti-Held, ein vom Leben gezeichneter, kaputter und alkoholkranker Mann, der kaum zwischenmenschliche Beziehungen aufrechterhalten kann, für nichts auf der Welt mehr in einem Auto mitfahren würde und der den ganzen Tag über mit seiner namenlosen Katze redet. Er gibt uns spannende Einblicke in die Arbeit eines Transplantationsmediziners und zumindest ich habe durch dieses Buch Einiges über einen Beruf gelernt, den ich so wohl niemals kennengelernt hätte.

Allerdings überzeugte mich die Handlung dann zusehends weniger. Gegen Ende hin entwickelte sich die Geschichte zu einem typisch-amerikanischen Action-Thriller, es wurde wild um sich geschossen, von irgendwelchen professionellen Serienkillern wurde das reinste Blutbad veranstaltet, ein Polizeikommissar macht fröhlich mit und tritt alle Regeln des deutschen (!) Strafprozessrechts mit Füßen. Für meinen Geschmack war das ein bisschen zu viel. Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass da ein Mann zu viele amerikanische Baller-Filme gesehen hat und endlich mal seinen eigenen produzieren wollte. Das hat dem ganzen Leseerlebnis dann nochmal so ein eigenartiges Ende verpasst, das aus meiner Sicht nicht so richtig gepasst hat.

Auch das Thema selbst, die Kriminalität der Organmafia, der Gewissenskonflikt aller Beteiligten, die zum Teil selbst auf ein Spenderorgan für einen geliebten Menschen warteten, die Frage danach, inwieweit ein Arzt „Gott spielen“ darf – all das wurde zwar aufgegriffen und thematisiert, doch so ist das nicht neu. All diese Gedanken hat man irgendwo schon einmal gelesen und dieses Buch hat leider nicht viel zu meiner Sicht auf die Dinge beigetragen. Es war weder besonders emotional, sodass es mich in einen persönlichen Konflikt gebracht hätte noch war es besonders authentisch. Diese ganze Organmafia, diese plötzliche, diffuse Brutalität, das alles ließ mir das Geschehen so fern wirken, dass ich auch einfach dachte „Ach, sowas gibt es doch hier gar nicht“. Richtig wach gerüttelt wurde man dadurch nicht.

Alles in allem war ich leider nicht so begeistert von diesem Buch und würde es eher nicht weiterempfehlen. Da gibt es aus meiner Sicht deutlich bessere Literatur zu diesem Thema.

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