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Veröffentlicht am 07.08.2017

Kurzweiliges Portrait zweier großer Männer

Und Marx stand still in Darwins Garten
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Der schon zu Lebzeiten sehr geschätzte Charles Darwin lebt 1881 ein beschauliches, ruhiges Leben auf seinem geräumigen Anwesen - nicht unweit von Karl Marx, der weniger berühmt und auf finanzielle Zuwendungen ...

Der schon zu Lebzeiten sehr geschätzte Charles Darwin lebt 1881 ein beschauliches, ruhiges Leben auf seinem geräumigen Anwesen - nicht unweit von Karl Marx, der weniger berühmt und auf finanzielle Zuwendungen seines Freundes Engels angewiesen im rußigen London ein vorläufiges Exil gefunden hat.

Dennoch haben die beiden mehr Gemeinsamkeiten, als es auf den ersten Blick scheint. Beiden stand eine religiöse Laufbahn bevor, bis sie mit ihren bahnbrechenden Erkenntnissen an den Grundfesten des bisherigen Glaubens rüttelten und sich mit diesem nicht mehr identifizieren konnten. Die zwei Koryphäen sind trotz ihres Alters nicht willens, ihre wissenschaftliche Arbeit an den Nagel zu hängen und sich zur Ruhe zu setzen.
Außerdem sind beide gesundheitlich angeschlagen und daher bei dem fortschrittlichen jungen Dr. Beckett in Behandlung.
Was wäre also gewesen, hätten sich Darwin und Marx bei einem Dinner getroffen?

Ilona Jerger zeichnet ein sehr liebevolles Portrait der beiden Protagonisten und legt dabei großen Wert auf Details. Dabei liegt der Fokus auf alltäglichen Situationen, der Roman ist sehr ruhig und kommt ohne spektakuläre Wendungen aus. Auch das Aufeinandertreffen von Marx und Darwin nimmt verhältnismäßig wenig Raum ein, wer also auf einen ausufernden Schlagabtausch hofft, wird enttäuscht werden.
Alles wirkt authentisch und historisch korrekt. Auch andere bekannte Zeitgenossen finden am Rande eine kleine Erwähnung.

Anzumerken ist auch, dass Darwin facettenreicher und umfangreicher dargestellt wird als Marx, der vielleicht ein klein wenig zu kurz gekommen ist. Man merkt, dass die Autorin einen klaren Liebling hat, wie sie auch im dem Rezensionsexemplar beiliegenden Interview erwähnt.
Die medizinische Leidensgeschichte der beiden ist für meinen Geschmack etwas zu ausufernd geraten und hätte gern etwas mehr in den Hintergrund geraten können.

Dass Jerger keine Biologin ist, hindert sie nicht daran, Darwins Arbeit sehr genau zu beschreiben, was dem weniger am Fachlichen interessierten Leser vielleicht etwas zu langatmig werden könnte, mir aber gut gefiel. Jedoch unterläuft auch ihr der häufige Schnitzer, von den „fittesten“ Hirschen und Pfauen zu sprechen (S. 62), womit sie sicher auf den Terminus „survival of the fittest“ Bezug nimmt, der allerdings die am besten angepassten Individuen und nicht die körperlich leistungsfähigsten meint.
Sprachlich konnte mich „Und Marx stand still in Darwins Garten“ ansonsten überzeugen, die Lektüre hat mir viel Spaß gemacht.

Positiv hervorzuheben ist ebenfalls, dass die Autorin sich im Nachwort dazu äußert, inwiefern der Roman auf Fakten basiert und wie viel ihrer künstlerischen Freiheit zuzuschreiben ist.

Das Buch hat mich dazu angeregt, mich demnächst ein wenig intensiver mit Darwin und Marx zu befassen, also allein dafür eine klare Empfehlung meinerseits.

Veröffentlicht am 24.05.2017

Hielt leider nicht, was es versprach

Der Brief
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Marie führt mit ihrer Freundin Johanna ein ganz normales, glückliches Leben als Journalistin in Hamburg. Ihr Alltag wird jedoch durcheinandergewirbelt, als sie einen Brief von ihrer alten Schulfreundin ...

Marie führt mit ihrer Freundin Johanna ein ganz normales, glückliches Leben als Journalistin in Hamburg. Ihr Alltag wird jedoch durcheinandergewirbelt, als sie einen Brief von ihrer alten Schulfreundin erhält, der an eine andere Version ihrer selbst gerichtet zu sein scheint. Diese Marie leitet gemeinsam mit ihrem Mann Victor eine Galerie in Paris.
Was anfangs noch wie ein Missverständnis wirkt, wird zunehmend mysteriöser, und so beginnt Marie, nachzuforschen.

Die Grundthematik des Romans, so wird auch die Autorin im Klappentext zitiert, dreht sich um die Frage „Was wäre wenn…?“. Wo stünde man, hätte man sich an bestimmten Punkten seines Lebens für einen anderen Abzweig entschieden? Diese häufig aufgegriffene Überlegung behandelt Carolin Hagebölling auf eine recht erfrischende Art und Weise.
Durch den sehr flüssigen, unkomplizierten Schreibstil (in den Dialogen manchmal für meinen Geschmack etwas zu holprig-umgangssprachlich) war das Büchlein schnell gelesen.

Die Figuren wirkten im Großen und Ganzen glaubhaft und sympathisch, auch wenn sie ab und zu knapp am Klischee vorbeischrammten und auf 220 Seiten natürlich wenig Raum bleibt, sich ihnen sonderlich verbunden zu fühlen.

So gut ich den Ausgangspunkt fand, so vorhersehbar wurde es leider; nach dem ersten Anstoß verlief die Geschichte exakt so wie gedacht.
Lediglich das Ende konnte mich überraschen, doch auf eher unbefriedigende Art. Während der Lektüre fragte ich mich immer wieder, wie die Autorin DAS denn nun am Ende erklären würde – die Antwort lautete schlicht und ergreifend: gar nicht. Sicher ist die Botschaft auch ohne eine „große“ rationale Auflösung klar verständlich, darauf gehofft hatte ich dennoch. Die Fragen, die ich mir nach der Leseprobe stellte und die mich so neugierig auf das Buch machten, blieben unbeantwortet.

Veröffentlicht am 11.05.2017

Die fremde Königin

Die fremde Königin
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Während Rebecca Gablé im ersten Band der Reihe, „Das Haupt der Welt“, die Geschichte Ottos I. von 929-941 beschrieb, umspannt „Die fremde Königin“ die Jahre 951-962.

Adelheid von Burgund, Königin von ...

Während Rebecca Gablé im ersten Band der Reihe, „Das Haupt der Welt“, die Geschichte Ottos I. von 929-941 beschrieb, umspannt „Die fremde Königin“ die Jahre 951-962.

Adelheid von Burgund, Königin von Italien, befindet sich in der Gefangenschaft Berengars, der die Macht über ihr Herrschaftsgebiet an sich reißen möchte. Mit ihrer Rettung wird der junge Panzerreiter Gaidemar beauftragt. Er steht im Dienst König Ottos, an dessen Hof Adelheid eskortiert werden soll und den sie kurz nach ihrer erfolgreichen Flucht ehelicht. Im Laufe ihrer Regentschaft wird die Macht des Königspaares einige Male auf die Probe gestellt, oft auch aus den Reihen der eigenen Familie. Treuer Begleiter der Königsfamilie bleibt Gaidemar, dessen Aufstieg der Leser begleitet.
Bei ihm handelt es sich übrigens um eine fiktive Figur, wie gewohnt verknüpft Rebecca Gablé das Schicksal historisch verbürgter Persönlichkeiten mit dem ihrer Feder entsprungenen Helden. Eine entsprechende Kennzeichnung befindet sich im Personenregister.

Die Autorin schafft es, den Leser sicher durch die Ränkespiele zu führen, ohne dass dieser zwischen den häufig wechselnden Bündnissen und Intrigen den Überblick verliert.

Mit Adelheid hat das Buch eine starke, intelligente Protagonistin, die sich auch in politische Belange einmischt und dabei die Balance zwischen ihren persönlichen Befindlichkeiten und ihrer Stellung als Königin finden muss.
Auch wenn der Titel nahelegt, dass Adelheid die Hauptrolle gebührt, so stand für mich eher Gaidemar im Mittelpunkt des Romans. Dieser ist seiner Zeit vielleicht etwas voraus und trotz kleinerer Makel der strahlende Held der Geschichte, für meinen Geschmack hätte er gern ein paar Kanten mehr haben dürfen.
Besonders die Charakterisierung der Bösewichte war mir leider etwas zu einseitig, an ihnen wurde meist nicht ein gutes Haar gelassen.
Die große Romanze des Buches, die wohl eher zum Mitschmachten angelegt war, hatte für mich einen merkwürdigen Beigeschmack und wäre aus meiner Sicht nicht nötig gewesen – auch das etwas gekünstelte vorhersehbare Happy End erzeugte bei mir eher Stirnrunzeln.
Im Großen und Ganzen wirkten aber die meisten Figuren glaubwürdig und luden dazu ein, mit ihnen mitzufiebern.

Da ich bereits „Das Haupt der Welt“ gelesen hatte, habe ich mich gefreut, auf einige bekannte Gesichter zu stoßen. Aber auch ohne dieses Vorwissen sollte „Die fremde Königin“ gut verständlich sein.
Der flüssige Schreibstil machte die Lektüre sehr angenehm und kurzweilig, sodass ich sie auch Lesern, die sich schnell von der Seitenzahl abschrecken lassen, empfehlen kann.
Auch die Schlachtszenen – für mich in historischen Romanen oft eher ein notwendiges Übel – wurden wenig langatmig und dennoch glaubwürdig abgehandelt.

Als Laie kann ich nicht viel zur historischen Korrektheit der Handlung sagen, mir sind jedenfalls keine groben Schnitzer aufgefallen. Hatte ich mich bisher außerhalb des Geschichtsunterrichts noch nicht mit jener Zeit beschäftigt, so hat mich das Buch doch angeregt, ein paar Dinge nachzuschlagen.
Auch wer sich schon näher damit beschäftigt hat dürfte auf seine Kosten kommen, denn die Rahmenhandlung um die tatsächlichen Begebenheiten wurde gut ausstaffiert.

„Die fremde Königin“ ist zwar nicht mein Lieblingswerk der Autorin geworden, hat mir aber schöne Lesestunden beschert und keinesfalls enttäuscht. Sollte es eine Fortsetzung geben, werde ich auf jeden Fall weiterlesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Charaktere
  • Gefühle
  • Recherche
  • Schreibstil
Veröffentlicht am 26.02.2017

Zwischen Heimat und Neuanfang

Betrunkene Bäume
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Katharina, Abiturientin, ist kürzlich aus der Wohnung ihrer Mutter ausgerissen und weiß nicht so recht, wie ihr weiterer Lebensweg verlaufen soll.
Erich ist jenseits der 80; längst im Ruhestand kann er ...

Katharina, Abiturientin, ist kürzlich aus der Wohnung ihrer Mutter ausgerissen und weiß nicht so recht, wie ihr weiterer Lebensweg verlaufen soll.
Erich ist jenseits der 80; längst im Ruhestand kann er sich nicht von seiner Arbeit und seinen geliebten Bäumen trennen.
Als sich die Wege der beiden kreuzen, erkennen sie, dass sie zwei Dinge verbinden: der Wunsch nach einer Bezugsperson, die weder urteilt noch bevormundet, und die Sehnsucht nach einer nahestehenden Person in Sibirien.

Es dauert eine Weile, bis die beiden zueinander finden, und so kamen mir die Kapitel über Katharinas Alltag etwas zu jugendbuchartig und nicht sonderlich innovativ vor.

Teilweise musste ich bei Sprüngen innerhalb eines Kapitels etwas stutzen, weil mir nicht auf den ersten Blick klar wurde, von wem die Rede war - auch die Grenzen zwischen der Gegenwart und Erichs Vergangenheit wurden so etwas verwischt, was ich aber als recht angenehm empfand.
Gern hätte ich mehr über die Geschehnisse in Sibirien erfahren, anhand der Leseprobe und der Kurzbeschreibung hatte ich mir dahingehend etwas mehr erhofft.
Etwas konstruiert schien mir die Schuld, die Erich auf sich geladen haben sollte, schien doch sein Verhältnis zu Wolodja ebenso wie Wolodjas Beziehung zu Dascha nicht sonderlich innig.
Unklar blieb mir auch, weshalb Erich einen Dolmetscher suchte und sich mit Wolodja nicht verständigen konnte: wie sollte er seine Schullaufbahn und ein anschließendes Studium in der DDR ohne den obligatorischen Russischunterricht bewältigt haben?

Ada Dorian schreibt recht entspannt, zwischen all der Melancholie sieht man stets den Schimmer eines Neuanfangs.
Ein ruhiges Buch, das am Rande sogar noch ein paar kleine interessante Fakten vermitteln kann.

Veröffentlicht am 15.02.2017

Ein Kochbuch der besonderen Art

Saures
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"Saures" führt den Leser nach einer kurzen Einleitung und kleinen Tipps zu je einem größeren Kapitel über eingelegte und fermentierte Speisen sowie einem kleineren mit Saucenrezepten, um dann einen Abschnitt ...

"Saures" führt den Leser nach einer kurzen Einleitung und kleinen Tipps zu je einem größeren Kapitel über eingelegte und fermentierte Speisen sowie einem kleineren mit Saucenrezepten, um dann einen Abschnitt den Rezepten zu widmen, die sich unter Verwendung der zuvor hergestellten Lebensmittel zubereiten lassen. Abschließend finden sich Anleitungen für ausgefallene saure Getränke.

Das Buch ist sehr ansprechend bebildert, so wird fast jedes Rezept von einer entsprechenden Fotografie begleitet.
Alle Anleitungen lesen sich so, als wären sie für Hobbyköche mit durchschnittlichen Fähigkeiten gut zu bewerkstelligen, auch wenn mir (z.B. beim Ausprobieren des F.A.T-Sesam-Kimchi) kleinere Ungereimtheiten aufgefallen sind.
Häufiger werden Zutaten benötigt, die man auch in größeren Supermärkten nicht ohne weiteres finden dürfte (für vieles empfiehlt sich der Besuch eines asiatischen Lebensmittelgeschäfts).
Dementsprechend kann man für die Zubereitung mancher Gerichte etwas tiefer in die Tasche greifen.
Freddie Janssen stellt sowohl Klassiker als auch ausgefallene Eigenkreationen vor - neben Sriracha und verschiedenen Kimchi-Variationen erklärt sie die Zubereitung in Kaffee eingelegter Shiitake-Pilze und Roter Bete in Lakritzlake.
So wird etwas frischer Wind in die Küche gebracht, "Saures" hebt sich in der Auswahl deutlich von dem ab, was man sonst von Kochbüchern gewohnt ist.

Die Grundrezepte sind gegebenenfalls mit kleinen Abwandlungen gut für Vegetarier geeignet, im hinteren Teil mit den komplexeren Rezepten wird es dann sehr fleischlastig. Da aber die eingelegten und fermentierten Bestandteile der eigentliche "Star" dieser Gerichte sind, kann man sie dennoch gut als Basis für fleischfreie Experimente nutzen.

Zwar sind die Zubereitungszeiten meist sehr gering, jedoch muss man bei fermentierten und eingelegten Speisen natürlich eine gewisse Zeit zum Ziehen einplanen, oft 1-2 Wochen, nur weniges ist zum sofortigen Verzehr gedacht.

Meine ersten Versuche stehen jedenfalls schon im Kühlschrank und ich warte ungeduldig darauf, sie bald probieren zu können.