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Muehlenkind

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.12.2020

Schnörkellos spannend und psychologisch fein gezeichnet…

Inseldämmerung
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Nach dem Überfall auf einen Geldtransporter fliehen der gerade aus der Haft entlassene Brockhaus und seine zwei mindestens genauso gewaltbereiten Mittäter auf einer kleinen Jacht trotz Wintersturm über ...

Nach dem Überfall auf einen Geldtransporter fliehen der gerade aus der Haft entlassene Brockhaus und seine zwei mindestens genauso gewaltbereiten Mittäter auf einer kleinen Jacht trotz Wintersturm über die Nordsee. Als sie an der Küste Amrums Schiffbruch erleiden, suchen sie Zuflucht in den Ferienhäusern der Insel und geraten so in die Familienweihnacht von Martin, Alexandra, deren beiden halbwüchsigen Kindern Joshua und Daniela und dem jüngsten Spross der Familie, dem kleinen Piet. In kürzester Zeit muss die Familie erfahren, wem Familienvater Martin auf ein Klingeln hin Asyl vor dem Sturm und Hilfe für die Verletzungen angeboten hat. Im Verlauf der Weihnachtsnacht bis hin zum Morgen spitzt sich die Situation immer mehr zu, zumal Brockhaus psychologisch gewieft und überaus manipulativ die familieninternen Spannungen zu nützen weiß. Nur wenige Straßen weiter feiert auch Inselpolizist Nils Petersen mit seiner Familie Weihnachten. Als er im immer wütender tobenden Sturm auf einer Kontrollrunde über die Insel die aufgelaufene Jacht findet und seine Festlandanfrage mit den Ermittlungen der Hamburger Polizei zusammenlaufen, hat sich die Situation im Ferienhaus bereits so entwickelt, dass es für alle Beteiligten um Leben und Tod geht.

„Inseldämmerung“ ist ein durch und durch lesenswerter Krimi, der sich, geradlinig und schnörkellos konstruiert, zum einen durch einen spannenden Plot, aber auch durch das reizvolle Setting auszeichnet. Abgesehen von seinen angenehmen Ermittlerfiguren, die jenseits des aktuellen Zeitgeists nicht mit Depressionen und Alkoholsucht, wohl aber mit ganz normalen familiären Problemen zu kämpfen haben, zeichnet er mit treffendem Blick einen kriminellen Protagonisten, dessen scharfe Intelligenz und Gespür für psychologische Zusammenhänge seine pathologische Persönlichkeit umso interessanter und furchteinflößender wirken lässt.

„Inseldämmerung“ ist der vierte Teil einer Krimi-Reihe um den Inselpolizisten Nils Petersen, den man auch ohne Vorkenntnisse gut lesen kann. Allerdings weckt er im Leser den Wunsch, die ersten drei Teile schnell nachzuholen! Leseempfehlung? Unbedingt!

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Veröffentlicht am 11.12.2020

Kann man hören (oder lesen), muss man aber nicht…

Ohne Schuld
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Die Ermittlerin Kate Linville wechselt vom Scotland Yard zur North Yorkshire Police, um dort mit dem von ihr sehr geschätzten Caleb Hale als ihrem Chef beruflich noch einmal von vorne zu beginnen. Als ...

Die Ermittlerin Kate Linville wechselt vom Scotland Yard zur North Yorkshire Police, um dort mit dem von ihr sehr geschätzten Caleb Hale als ihrem Chef beruflich noch einmal von vorne zu beginnen. Als dieser aber aufgrund seiner Alkoholsucht suspendiert und Kate bereits auf dem Weg in das ihr zum Abschied geschenkte Wellness-Wochenende Zeugin einer Schießerei auf eine Mitreisende wird, gestaltet sich die Ankunft in ihrem zukünftigen Einsatzgebiet anders als erwartet. Als auch noch eine junge Lehrerin Opfer eines Anschlags wird, entschließt sich Kate, das Wellness-Wochenende zu canceln und früher als geplant ihre Ermittler-Tätigkeit aufzunehmen. Bald ergeben sich Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Fällen, die Kates ganzen Einsatz erfordern…

„Ohne Schuld“ ist der dritte Fall der Kate-Linville-Reihe von Charlotte Link und was sich in der Zusammenfassung möglicherweise spannend liest, erweist sich leider als langatmig und vorhersehbar. Zwar ist der Krimi solide und routiniert geschrieben, das zumindest kann man sagen.Die Formulierungen sitzen, sind durchdacht und auf den Punkt. Allein, das genügt nicht, um einen spannenden Krimi zu konzipieren. Auch Charlotte Link bedient sich des derzeit offensichtlich angesagten Ermittlertypus „depressiv, gebrochen, suchtgefährdet“ und bedient im Verlauf des Falls noch weitere gängige Protagonisten-Klischees. Leider ist dieser Brot-und-Butter-Krimi uninspiriert und wenig originell und weckte bei mir als Hörerin den Eindruck, dass er vor allem den Anforderungen des Verlags nach einem baldigen Folge-Band einer Auflage machenden Reihe nachkommt. Auch ein unglückliches Cliffhanger-Ende lässt diese Vermutung durchaus zu. Ein Mangel an Twists und ein bald vorhersehbarer Plot lassen Dankbarkeit für die leicht gekürzte Hörbuchfassung des Krimis aufkommen (man mag sich die Langatmigkeit der Printfassung gar nicht vorstellen). Die routinierte Leseleistung von Claudia Michelsen bot gewohnte Hörbuch-Qualität, weckte bei mir jedoch durch eine Überbetonung der Charaktereigenschaften (unfreundlich, ängstlich) größtenteils ebenfalls Unbehagen.
Insgesamt ein sehr mittelmäßiger Krimi-Hörgenuss, der aber sicher auch Fans finden wird.

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Veröffentlicht am 01.12.2020

Interessante Charaktere ermitteln in Thriller mit vielen Handlungssträngen…

Teufelskreis
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In diesem Thriller mit relativ hoher Sterberate und Personendichte ermitteln gleich zwei Ermittlerteams und das länderübergreifend. Während in Wien Jana Thal und Rainer Wielke zwei Tötungsdelikten nachgehen ...

In diesem Thriller mit relativ hoher Sterberate und Personendichte ermitteln gleich zwei Ermittlerteams und das länderübergreifend. Während in Wien Jana Thal und Rainer Wielke zwei Tötungsdelikten nachgehen müssen (und Rainer Wielke selbst in den Fokus der Ermittlungen gerät), bemühen sich in München Antje Söderstedt und Kollege um die Aufklärung der Ermordung des CEOs eines Big Players der Baubranche und des Verschwindens des bayrischen Innenministers… Nicht lange und es ist klar: (fast) alle Personen hatten irgendwie mit einem geplanten Bau-Großprojekt in Abu Dhabi zu tun, selbst die Entführung des Neffen von Janas Ex-Ehemann scheint mit allem in Verbindung zu stehen, ist dessen Vater doch Architekt und Planer des Projekts. Als sich dann auch noch ein Wirtschaftsjournalist einschaltet und dokumentiert, dass die Bilanz des Baubranchen-Riesen manipuliert wurde, ist der Wirtschaftskrimi perfekt. Hilfe erhält Jana Thal von völlig unerwarteter Seite – und das bringt nicht nur neuen Schwung in ihre beruflichen Ermittlungen…

„Teufelskreis“ ist ein Thriller mit vielen Haupt- und Nebenprotagonisten, mindestens ebenso vielen Haupt- und Nebensträngen und vielen unerwarteten Twists. Das verleiht dem Plot ein hohes Tempo, erfordert aber gleichzeitig auch einige Konzentration, allen Personen überall hin zu folgen und nichts zu verpassen. Insgesamt sehr ambitioniert konstruiert, mag die ein oder andere überraschende Wendung ein wenig zu viel des Guten sein. Trotzdem macht dieser Thriller richtig Spaß und hält in jeder Minute die Spannung hoch – auch und gerade, weil am Ende nicht für alles Aufklärung geleistet wird und viel Potential für den, hoffentlich bald folgenden, Nachfolger bleibt… Empfehlung? Absolut lesenswert!

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Veröffentlicht am 01.12.2020

Erinnern? Ja unbedingt, aber richtig!

Die verratene Generation
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Political correctness ist in. Wer politically correct ist, „hat sich schlau“ gemacht… Leider vergisst der politisch korrekte Mensch heute oft, dass es immer zwei Seiten einer Medaille gibt, und so einiges ...

Political correctness ist in. Wer politically correct ist, „hat sich schlau“ gemacht… Leider vergisst der politisch korrekte Mensch heute oft, dass es immer zwei Seiten einer Medaille gibt, und so einiges zwischen schwarz und weiß. Denn „political correctness“ ist viel zu oft eine Schublade unseres gesellschaftlichen Bewusstseins, die nichts über die Richtigkeit oder Falschheit unseres Denkens und Handelns aussagt, sondern über die Angst vor dem Verlust unseres sozialen Ansehens und über die Angst, uns angreifbar und zum Gegenstand kollektiven Zorns zu machen.

Vielleicht deshalb machen viele Abhandlungen zum Thema der „Frauen im nationalsozialistischen Deutschland“ den weiblichen Teil der Bevölkerung in der Zeit ab 1933 zu glühenden, überzeugten, eifernden Nazis, zu kategorischen Mitwisserinnen und Mittäterinnen, ohne Ansehen der Person, ohne Berücksichtigung der Einzelschicksale, ohne Empathie oder wenigstens den Versuch einer Dokumentation des Leidens, des Grauens und der Entbehrungen, die die meisten Frauen während und nach den Jahren des 2. Weltkriegs in Deutschland durchleben mussten.

Der Geschichts-, Literatur- und Medienwissenschaftler Dr. phil. Christian Hardinghaus nun hat 13 Zeitzeuginnen eine Stimme gegeben und damit einen Raum für ihre Zeitberichte in dem 2. Band seiner Dokumentationsreihe, die sich mit dem 2. Weltkrieg auseinandersetzt (der 1. Band „Die verdammte Generation“ ist mindestens genauso empfehlenswert!), geschaffen.

Alle erzählenden Frauen, Geburtsjahrgänge zwischen 1920 und 1931, haben den 2. Weltkrieg auf ihre ganz individuelle Weise erlebt, individuelle Verluste und individuelle Verletzungen, psychischer wie physischer Natur, erlitten. Was sie jedoch alle eint, ist das Vergessen-Werden durch eine Gesellschaft, die zwischen Schuld und Verantwortung nicht (mehr) unterscheiden kann und damit eine Erinnerungskultur praktiziert, die der Vergangenheit nicht gerecht wird.

In vier Kapiteln, beginnend mit „Die deutsche Angst vor der Erinnerung“ über „Frauen im Zweiten Weltkrieg: verführt, verbraucht, verraten und vertrieben“ und „Flucht und Vertreibung aus den deutschen Ostgebieten“, endend mit dem Kapitel „Bombenkrieg gegen Deutschland“ schreibt Hardinghaus auf 335 Seiten kenntnisreich und differenziert mit unterstützenden Fakten und viel Hintergrund-Information gegen die Verharmlosung des Holocausts durch sich auf gleiche Stufe mit den Holocaust-Opfern stellenden Impfgegner genauso an wie gegen die Vertreter der Kollektivschuldthese, die die Flächenbombardements auf Deutschland als adäquates Mittel gegen „Nazi-Deutschland“ rechtfertigen.

Einzig ein differenzierter Blick in die Vergangenheit unter Berücksichtigung aller Aspekte macht deutlich, dass es in Kriegen nur Verlierer geben kann, bleiben doch Moral und Humanität auf allen Seiten auf der Strecke.
Christian Hardinghaus und seine mutigen Zeitzeuginnen, die sich im Rahmen ihres Erinnerns auch durchaus ideologischen Unbequemlichkeiten zu stellen bereit waren, machen deutlich, wie wichtig eine Erinnerungskultur ist, die den nachfolgenden Generationen weit über eine „Schuld-Frage“ hinaus ermöglicht, ‚die Vergangenheit dieses Landes verstehen und … daraus Erklärungen für aktuelle Krisen und Spannungen gewinnen zu können‘.

In seinem Nachwort fasst der Autor zusammen, was uns alle bewegen und motivieren sollte: das kollektive Erinnern nicht zu verlernen, weiter aufrichtig an den Holocaust und die vielen Verbrechen der Nazis im Dritten Reich zu erinnern, der Fehlsicht und -interpretation sowohl Rechts- als auch Linksextremer keinen Raum zu lassen und dadurch in uns die Fähigkeit zu fördern, zukünftige Kriegsverbrechen und Verbrechen wider die Menschlichkeit zu erkennen und ihnen entgegenzutreten.

Zu dieser notwendigen, differenzierten Erinnerung trägt dieses wichtige Buch bei und gleichzeitig lässt es die Unsäglichkeiten, denen viele Frauen im 2. Weltkrieg ausgesetzt waren, nicht vergessen werden.

„Die verratene Generation“ ist ein „must read“ und eine Empfehlung für die Schullektüre der nachfolgenden Generationen!

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Veröffentlicht am 01.12.2020

Irmas Enkel, der 2. Weltkrieg und die deutsche Teilung… berührend und mitreißend erzählt…

Irmas Enkel
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Irma, ihre Tochter Helene und deren Kinder Annemarie, Alfred und Willi sind die Protagonisten des Romans „Irmas Enkel“, der deutsche Geschichte von der Zeit des 1. Weltkriegs bis in die 80er Jahre des ...

Irma, ihre Tochter Helene und deren Kinder Annemarie, Alfred und Willi sind die Protagonisten des Romans „Irmas Enkel“, der deutsche Geschichte von der Zeit des 1. Weltkriegs bis in die 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts umfasst. Hauptsächlich aber folgt der Leser Annemarie, kurz Anni, und ihren Erinnerungen durch die Kindheit auf dem Land in den 2. Weltkrieg, der sie nach kurzem Eheglück zur Witwe macht und zunächst kinderlos lässt. Weihnachten 1946 erinnert sich Anni an Vergangenes und entschließt sich zu einer neuen Heirat, die ihr jedoch keine neue Geborgenheit durch den Mann an ihrer Seite bietet, sondern die Härte ihres Lebens nur noch mehr steigert, ihr aber auch das ersehnte Kind, eine Tochter, schenkt. Die Teilung Deutschlands und neue politische Wirren stehen bald stellvertretend auch für die Kälte und die unüberbrückbar scheinenden Differenzen zwischen Anni und ihrer Tochter, die sich ein Leben jenseits der ländlichen Arbeit und der Nachkriegsentbehrungen ersehnt und dafür auch den Bruch mit ihrer Familie in Kauf nimmt.

Ein wenig irreführend ist der Titel dieses Romans schon, handelt er doch mehr von Anni denn von irgendeiner anderen Person, auch wenn parallel zu Annis Schicksal noch zwei weitere Frauenschicksale (das ihrer Schwägerin Lotte und der Vertriebenen Edith) detailliert (oft auch in Briefform) erzählt werden.
Trotzdem bleibt Irmas und Helenes Geist in Annis Welt und in ihrem Leben jederzeit spürbar, sind Annis tägliche Verrichtungen, ihre Einstellungen zu der Erde, die sie bestellt, der Kate, die sie bewohnt, dem Verzicht und der Selbstverleugnung ihres Daseins die gleichen wie die ihrer Mutter und Großmutter. Und sie stehen stellvertretend und exemplarisch für die ganze Kriegsgeneration Frauen, die unter Einsatz ihres Lebens, ihrer Arbeitskraft und dem Verzicht auf persönliches Glück durchlitten und durchlebten, wovon wir hoffen, dass es unseren Kindern auf ewig erspart bleibt: Krieg und Gewalt.
Zutiefst berührend, poetisch und mit großer erzählerischer Stärke (dabei aber ohne jede Sentimentalität) schildert Leandra Moor in diesem ruhigen, detailreich erzählten Roman das Schicksal einer Frau, in der so mancher Leser seine eigene Mutter oder Großmutter wiedererkennen wird. Zwar hätte dem Roman ein klein wenig mehr Korrektur gut getan, insgesamt mindert das aber nicht den Lesegenuss und den Eindruck, den dieses wundervolle Buch unweigerlich hinterlässt. Empfehlung? Unbedingt lesen!

(Ich habe dieses Buch als ebook gelesen, finde das Format hier aber nicht.)

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