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Veröffentlicht am 08.04.2018

Atmosphärisch dicht erzählte Geschichte über die Trockenlegung des Oderbruchs

Die Gleichung des Lebens
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Im Jahr 1747 erhält das Mathematikgenie Leonard Euler von König Friedrich dem Zweiten einen ungewöhnlichen Auftrag. Friedrich will das Oderbruch, ein Sumpfgebiet östlich von Berlin, trockenlegen, um dort ...

Im Jahr 1747 erhält das Mathematikgenie Leonard Euler von König Friedrich dem Zweiten einen ungewöhnlichen Auftrag. Friedrich will das Oderbruch, ein Sumpfgebiet östlich von Berlin, trockenlegen, um dort Flüchtlinge anzusiedeln und Kartoffeln anbauen zu lassen. Euler soll Realisierbarkeit, Dauer und Kosten berechnen – aber nicht in der Akademie, sondern vor Ort. Die Dimension der Aufgabe lasse sich dort erst richtig begreifen. So recht überzeugt ist Euler nicht, doch auf Befehl des Königs macht er sich auf den Weg. Die Arbeiten am neuen Kanal sind schon in vollem Gange und werden vom mysteriösen Tod des leitenden Ingenieurs überschattet. Ob Euler dieses Rätsel nicht lösen könne…? Gleichzeitig betrachten die Bewohner des Gebietes, die von der Fischerei leben, die Entwicklungen mit Sorge. Werden sie die Pläne unterstützen oder Widerstand leisten?

Das ganz in grün gehaltene Cover des Buches zeigt die Sumpflandschaft des Oderbruchs und gibt einen Vorgeschmack auf den Schauplatz der Geschichte. Gleich zu Beginn wird ein Toter gefunden: Der Aufseher des Fischmarkts von Wrietzen findet den französischen Ingenieur für den neues Kanal tot im Wasser treibend. Als Todesursache wird ein Stich ins Herz festgestellt mit einer Waffe, wie sie nur die beiden Einflussreichsten Familien der Brücher besitzen. Beide weisen von sich, etwas mit der Sache zu tun zu haben. Doch die Zukunft des Bruchs führt bei ihnen trotzdem zu hitzigen Diskussionen.

Nach einem ersten Einblick, was im Bruch vor sich geht, springt die Geschichte nach Berlin und man trifft auf den Mathematiker Leonard Euler. Er lebt für die Wissenschaft und hat es bislang aus seiner Sicht erfolgreich vermieden, nach Sanssouci zu reisen. Doch nun muss er seine Forschung für einen Tag pausieren und dem Ruf des Königs folgen. Euler machte für mich den Eindruck eines leicht chaotischen Genies. Er geht an Neues kritisch heran und wird davon angetrieben, Dinge herausfinden zu wollen. Wenn die Sprache auf den König kommt ist er etwas mürrisch, doch im Grunde genommen ist er aufrichtig und wissensdurstig, weshalb ich ihn mochte.

König Friedrich lernt man bei Eulers Besuch als Visionär kennen. Er hat große Pläne und will, dass sie realisiert werden. Aufgeben ist für ihn keine Option. In seinem Plan rund um die Trockenlegung des Oderbruchs, die Ansiedlung von Flüchtlingen und der Nutzung des Bodens für den Anbau der frisch aus Amerika importierten Kartoffel ist Euler ein wichtiges Rad im Getriebe, weshalb er zur Recherche vor Ort ausgesandt wird.

Bald trifft auch Euler im Oderbruch ein und beginnt, sich umzuschauen. Gleichzeitig versucht er, unauffällig mehr über den Tod des Ingenieurs in Erfahrung zu bringen. Dem Autor ist es insbesondere bei allen Szenen im Oderbruch außerordentlich gut gelungen, die Atmosphäre einzufangen. Die schwüle Luft, das Surren der Mücken, das Schmatzen der Kutschenräder auf dem nassen Boden… die Szenerie wurde vor meinem inneren Auge lebendig. Ebenso wurden die Vor- und Nachteile der Trockenlegung gut dargestellt: Der Aufwand der Arbeiten am Kanal, die Verunsicherung der Fischer und die Hoffnung der neuen Siedler.

Als Leser erhält man einen umfassenden Eindruck der Situation. Die Handlung hätte aber noch straffer und schwungvoller erzählt sein dürfen. Viele einzelne Szenen lassen ein umfassendes Gesamtbild entstehen, doch die Ermittlungen zum Mordfall, der meine Neugier gleich zu Beginn weckte, geraten immer wieder in den Hintergrund und auch die Brücher brauchen lange, bis sie eine Entscheidung treffen und nach ihr handeln. Zum Ende hin erlebte ich schließlich einige Überraschungen und es wurde richtig spannend – ein gelungener Abschluss der Geschichte.

In „Die Gleichung des Lebens“ wird Leonard Euler vom König ins Oderbruch geschickt, um Berechnungen anzustellen. Bald ermittelt er darüber hinaus in einem Mordfall und setzt sich mit dem Für und Wider einer Trockenlegung auseinander. Die Handlung hätte noch straffer sein können, während mir die Charaktere und die Darstellung der verzwickten Situation sehr gut gefallen haben. Eine atmosphärisch dicht erzählte Geschichte, die das Oderbruch vor meinem inneren Auge lebendig werden ließ. Historisch interessierten Lesern kann ich das Buch klar empfehlen!

Veröffentlicht am 08.04.2018

Vier Apokalyptische Reiter müssen vereint werden...

Riders - Schatten und Licht
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Gideon Blake hat seinen Schulabschluss in der Tasche und ist seinem Ziel, ein Ranger zu werden, nun ganz nahe. Er nimmt am Auswahlverfahren RASP teil und schlägt sich dort bislang sehr gut. Doch dann geht ...

Gideon Blake hat seinen Schulabschluss in der Tasche und ist seinem Ziel, ein Ranger zu werden, nun ganz nahe. Er nimmt am Auswahlverfahren RASP teil und schlägt sich dort bislang sehr gut. Doch dann geht ein Fallschirmabsprung schief. Gideon müsste tot sein, kommt aber mit schweren Knochenbrüchen ins Krankenhaus. Ein Wunder? Als er nach wenigen Tagen wieder fit ist, weiß er, dass etwas nicht stimmt. Dann taucht ein Mädchen auf, das behauptet, er sei der personifizierte „Krieg“, einer der vier Apokalyptischen Reiter. Und sie diejenige, die alle vier finden muss, damit die Menschheit nicht von Dämonen versklavt wird…

Von Veronica Rossi habe ich bereits die Aria und Perry-Trilogie gelesen und habe mich deshalb sehr über die Nachricht gefreut, dass ein neues Buch von ihr veröffentlicht wird. Dass es um Apokalyptische Reiter geht wird schon durch das Cover signalisiert und klang für mich erst mal schräg, doch der Autorenname hat mich überzeugt. Neugierig, was es mit den Reitern auf sich hat, startete ich ins Buch.

Auf den ersten Seiten trifft man auf Gideon, der gerade aus einer Bewusstlosigkeit erwacht und sich selbst gefesselt und benommen vorfindet. Er wird einem Verhör unterzogen und soll von Anfang an ganz genau berichten, was ihm widerfahren ist. So taucht der Leser in Gideons Erinnerungen ein, beginnend mit seinem eigentlich tödlichen Fallschirmsprung und dem Erwachen mit übermenschlichen Fähigkeiten.

Gideons Geschichte ist temporeich erzählt und konnte mich schnell fesseln. Die Entdeckung seiner neuen Fähigkeiten übte auch auf mich eine Faszination aus und ich wollte mehr darüber erfahren, was er kann und wieso. Vieles findet er zunächst zufällig heraus, zum Beispiel kann er seine Wut auf die Menschen in seiner Umgebung übertragen. Bald trifft er auf Daryn, die behauptet, eine Seherin zu sein und die vier Apokalyptischen Reiter vereinigen zu müssen.

Nach dieser Eröffnung kommt es auch zur ersten Begegnung mit den Dämonen, durch welche Action in die Story kommt. Diese tauchen selten allein auf und bedeuten ordentlichen Ärger. Auch sie besitzen unterschiedliche Kräfte, die sie rücksichtslos einsetzen, um ihre Pläne zu verwirklichen. Die Dämonen tauchen immer wieder auf, für mich wurde allerdings nicht glaubhaft genug erklärt, warum sie sich die ersten Male immer so schnell zurückziehen, obwohl sie Gideon mühelos hätten überwältigen können. Erst im Laufe der Geschichte werden die Kämpfe spannender, wobei sich die Dämonen immer wieder ziemlich dämlich verhalten.

Nachdem Daryn Gideon gefunden hat machen sich die beiden daran, die anderen vier Reiter zu finden. Länger als ich zu Beginn dachte hat das Buch deshalb etwas von einem Roadtrip. Ich fand es interessant, nach und nach die anderen Reiter und ihre Fähigkeiten kennenzulernen. Ich fand die Idee der Autorin, jeden Reiter mit einer Waffe, einer Rüstung, einer Emotion, die sich auf andere auswirkt und natürlich einem Pferd auszustatten, sehr kreativ. Die Pferde spielen übrigens keine zentrale Rolle, sondern gehören einfach dazu. Wer mit Pferde-Büchern nichts anfangen kann, der sollte sich davon auf keinen Fall abschrecken lassen.

Das gemeinsame Training fand ich zunächst interessant, um die einzelnen Fähigkeiten besser kennenzulernen. Bald zog es sich für mich allerdings etwas hin. Während ich die taffe Daryn von Beginn an sehr mochte, verhielt sich vor allem Gideon auch als personifizierter „Krieg“ für mich zu machohaft, was ich nervig fand. Schließlich kommt es zu einem doppelten, spannenden Finale, in denen die Reiter zeigen müssen, was in ihnen steckt. Das Buch ist in sich relativ abgeschlossen, eine sehr wichtige Frage bleibt aber offen, sodass ich mich schon sehr auf den zweiten Teil dieser Dilogie freue!

In „Riders. Schatten und Licht“ erwacht Gideon nach einem Unfall als einer von vier Apokalyptischen Reitern, welche die Menschheit vor Dämonen schützen sollen. Ich fand die Fähigkeiten und Beigaben, mit denen jeder Reiter ausgestattet ist, interessant. Für mich hätten sich die Dämonen aber noch etwas schlauer und Gideon etwas weniger machohaft verhalten dürfen. Wer Lust auf Fantasy mit Action und einem Hauch von Endzeit-Feeling hat, der ist bei diesem Buch richtig!

Veröffentlicht am 08.04.2018

Erschreckender Einblick, was Propaganda auslösen kann

Der Junge auf dem Berg
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In den 1930er Jahren wächst Pierrot als Sohn einer Französin und eines Deutschen in Paris auf. Sein bester Freund ist der taube Anshel, der spannende Geschichten schreiben und mit dem er sich auf Gebärdensprache ...

In den 1930er Jahren wächst Pierrot als Sohn einer Französin und eines Deutschen in Paris auf. Sein bester Freund ist der taube Anshel, der spannende Geschichten schreiben und mit dem er sich auf Gebärdensprache unterhalten kann. Doch dann wird Pierrot zur Waise: Sein Vater begeht Selbstmord, und seine Mutter stirbt an Tuberkulose. Nach einem kurzen Aufenthalt im Waisenhaus holt ihn seine Tante zu sich. Sie arbeitet als Hauswirtschafterin auf dem Berghof, der Adolf Hitler gehört. Gerne möchte Pierrot ihm gefallen, auch wenn er nicht weiß, warum er sich dazu Peter nennen soll und Anshel nicht mehr schreiben darf. Mit der Zeit übernimmt er Hitlers Ansichten immer stärker und trifft folgenreiche Entscheidungen.

Wie hätte es einem Jungen ergehen können, der im Umfeld Hitlers aufwächst? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Buch, in dessen Mittelpunkt Pierrot steht. Zu Beginn der Geschichte ist er sieben Jahre alt und wohnt in Paris. Für sein Alter ist er aufgeweckt, doch seine Familiensituation ist nicht leicht. Sein Vater hat im Ersten Weltkrieg gekämpft und versucht, die Erinnerungen mit Alkohol zu vergessen, was bei ihm aber auch zu Gewaltausbrüchen gegen Pierrots Mutter führt.

Nach der Beschreibung der Umstände, unter denen Pierrot aufgewachsen ist, wird auf wenigen Seiten der Tod beider Elternteile beschrieben und er wird zum Waisen. In der Schule, im Waisenhaus und auf der Fahrt zu seiner Tante erlebt er selbst, wie es ist, von anderen gehänselt und gepeinigt zu werden. Mit diesen Erfahrungen im Gepäck trifft er schließlich auf dem Berghof ein. Bis dahin wirkte Pierrot auf mich für sein Alter recht klug, in einigen Situationen handelt er aber auch unbedarft und naiv.

Pierrot empfindet es als große Ehre, auf dem Berghof wohnen zu dürfen. Er hat häufiger Gelegenheit, mit Hitler zu reden. Dadurch übernimmt er immer stärker dessen Ansichten, ohne sie zu hinterfragen, und entfernt sich dabei von den Personen, die ihm zuvor nahe standen. Ich hätte es gut gefunden, wenn dieser extreme Wandel noch mehr erläutert worden wäre. Wie konnten die Gespräche mit Hitler dazu führen, dass Pierrot sich so schnell und stark von seinen ursprünglichen Überzeugungen entfernt? Bald ist Pierrot nicht mehr wiederzuerkennen. Die Meinungen von anderen will er nicht hören. Schließlich kommt es zu einer Situation, in der er entscheiden muss, wem seine Treue gilt. Er trifft eine schockierende Entscheidung, nach der es kein Zurück mehr gibt.

Danach ist es beklemmend, zu erleben, was die Jahre mit Pierrot machen. Seine Entwicklung hat mich ins Grübeln gebracht darüber, wie intelligente Menschen, denen früh gute Werte vermittelt wurden, sich durch eindringliche Propaganda gänzlich verändern können und zu welchen Taten sie fähig sind. Die Botschaft, die das Buch vermittelt, ist bedrückend. Das Ende ist ein wenig versöhnlich und lässt mich mit gemischten Gefühlen zurück.

In „Der Junge auf dem Berg“ wird Pierrot nach dem Tod seiner Eltern von seiner Tante auf den Berghof von Adolf Hitler geholt, wo sie als Hauswirtschafterin arbeitet. Die Begegnungen mit Hitler machen Pierrot zu einem völlig anderen Menschen, welcher die Propaganda verinnerlicht und in schockierende Taten umsetzt, ohne sie zu hinterfragen. Ich hätte mir noch tiefere Einblicke in Pierrots Wandlung gewünscht. Das Buch gibt einen bedrückenden Einblick, was Propaganda auslösen kann. Ich kann es an Jugendliche und auch an Erwachsene empfehlen.

Veröffentlicht am 08.04.2018

Auf der Suche nach der legendären Gibson Moderne

Vintage
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Der fünfundzwanzigjährige Thomas Dupré ist begeisterter Gitarrist, der sich als Schreiber für kleine Musikzeitschriften etwas Geld verdient. Zusätzlich hilft er gerade in seinem Pariser Lieblingsladen ...

Der fünfundzwanzigjährige Thomas Dupré ist begeisterter Gitarrist, der sich als Schreiber für kleine Musikzeitschriften etwas Geld verdient. Zusätzlich hilft er gerade in seinem Pariser Lieblingsladen „Prestige Guitars“ aus. Der Besitzer überlässt ihm einen besonderen Auftrag: Er soll die wertvollste Gitarre des Ladens bei dessen Käufer in Schottland abliefern. Bei diesem handelt es sich um einen Lord, der mit Thomas einen Deal macht: Wenn er ihm hilft, einen Beweis zu finden, dass die legendäre Gitarre „Gibson Moderne“ tatsächlich gebaut worden ist, erhält er eine Million Dollar. Thomas stürzt sich begeistert hinein in eine abenteuerliche Suche, die zunehmend gefährlicher wird…

Das Cover des Buches zeigt einen Gitarrenkopf, der die Suche nach der legendären „Gibson Moderne“ symbolisiert. Zu Beginn lernt man den Protagonisten Thomas kennen, in dessen Leben sich alles um Musik dreht und der mit fünfundzwanzig Jahren schon so einiges über Vintage-Gitarren weiß. Dementsprechend aufregend ist für ihn das Kennenlernen des schottischen Käufers der teuersten Gitarre des Ladens. Dieser ist ein leidenschaftlicher Sammler und Thomas bei seinem Besuch im siebten Himmel. Ich konnte gut nachvollziehen, warum das Angebot, nach der legendären Gitarre zu suchen, für ihn so verlockend klingt, dass er zusagt.

Auch wenn ich mich mit Gitarren und der Rockmusik der 50er, 60er und 70er nur oberflächlich auskenne, konnte mich Thomas Begeisterung anstecken und ich war neugierig, was seine Suche ergeben wird. Zunächst beginnt er mit intensiver Internetrecherche. Doch bald gibt es eine erste heiße Spur, und sein Sponsor schickt Thomas los, um vor Ort zu recherchieren. Engagiert macht er sich auf den Weg und trifft im weiteren Verlauf auf so manche spezielle Charaktere, die eins verbindet: Die Liebe zur Musik. Die einen agieren höchst professionell, die anderen machen von Beginn einen sehr zwielichtigen Eindruck.

Von Beginn an war klar, dass es keine einfache Aufgabe ist, einen Nachweis für die Existenz der „Gibson Moderne“ zu finden. Viele Gerüchte sind im Umlauf, dazu komplette Fälschungen, aber auch Modelle mit späterem Baujahr, die eben nicht zu jener ersten Auflage gehören, bei der nicht klar ist, ob sie nur auf dem Papier existiert oder gebaut wurde. Beim Lesen lernte ich so einiges über Gitarren und speziell die legendäre Moderne, was zu einem großen Teil auf Fakten beruht. Das meiste verstand ich als Laie, nur manchmal driften Thomas und seine Gesprächspartner in eine Fachsimpelei ab, die mir zu speziell wurde.

Für Thomas ist die Suche zunächst ein tolles Abenteuer, doch bald zeigt sich, dass das Ganze nicht ungefährlich ist. Eine echte Moderne wäre sehr wertvoll, sodass schließlich auch Emotionen wie Gier, Neid und große Enttäuschung eine große Rolle spielen. Hat er die Motive seiner Gesprächspartner richtig eingeschätzt? Wenn jemand für die Moderne über Leichen geht – wie weit ist Thomas dann selbst bereit zu gehen? Er gerät in gefährliche Situationen, welche mich gespannt weiterlesen ließen. Dabei wird die grundlegende Frage aufgeworfen, wie weit Leidenschaft und Begeisterung gehen und wo sie ihre Grenzen haben sollten. Nach einer längeren ruhigen Phase, in der viel recherchiert und schrittweise aufgedeckt wird, hielt der Schluss noch mal rasante Entwicklungen und Überraschungen bereit, was mit sehr gut gefallen hat.

In „Vintage“ sucht Thomas Dupré im Auftrag eines schottischen Lords nach einem Beweis, dass im Jahr 1957 die legendäre Gitarre „Gibson Moderne“ tatsächlich gebaut wurde. Seine Suche lässt ihn Bekanntschaft mit höchst unterschiedlichen Musikliebhabern machen. Trotz gelegentlicher Fachsimpelei konnte ich Thomas‘ Faszination nachvollziehen und begleitete ihn neugierig auf seiner Reise, auf der es mitunter auch gefährlich wurde. Für Fans der Musik-Epoche ist der Roman ein Muss, aber auch wer grundsätzlich Lust auf eine unterhaltsame Suche hat, wird hier fündig.

Veröffentlicht am 08.04.2018

Eine bewegende Flucht aus der Sklaverei

Underground Railroad
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Zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist die Sklaverei in den Südstaaten Amerikas ein fest etabliert. Cora wurde als Sklavin geboren und schuftet auf einer Baumwollplantage in Georgia. Ihre Mutter ist die einzige ...

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist die Sklaverei in den Südstaaten Amerikas ein fest etabliert. Cora wurde als Sklavin geboren und schuftet auf einer Baumwollplantage in Georgia. Ihre Mutter ist die einzige geflüchtete Sklavin der Plantage, die nie gefunden und vor den Augen der anderen zu Tode gefoltert wurde. Cora fühlt sich von ihr im Stich gelassen und ist unter den anderen Sklaven als zu meidender Sonderling bekannt. Bis sie eines Tages von Caesar angesprochen wird: Er habe Verbindungen zur Underground Railroad, einem Netzwerk, das Sklaven bei der Flucht unterstützt. Gemeinsam mit ihr will er die Flucht wagen. Nach einigem Zögern sagt Cora zu und erlebt eine Odyssee, die geprägt ist von vorsichtiger Hoffnung und schweren Rückschlägen.

Das Cover des Buches zeigt ein düsteres, allein stehendes Haus unter einem Sternenhimmel. Etwa so habe ich mir die Stationen der Unterground Railroad vorgestellt, zu denen die Sklaven in der Dunkelheit von ihren Helfern gebracht werden und wo eine versteckte Falltür hinunterführt zu Schienen, auf denen Züge die Geflüchteten gen Freiheit transportieren. Denn der Begriff Underground Railroad wird in diesem Roman wörtlich genommen: Aus dem historisch belegten Netzwerk von Unterstützern, die Sklaven versteckten und sie über geheime Fluchtrouten in Sicherheit brachten wird in diesem Roman ein unterirdisches, in seiner Ausdehnung enormes Schienennetz für die Flucht.

Die Protagonistin Cora lernt man als Sklavin mit starkem Willen kennen, die das Risiko einer Flucht abwägt. Ihre Großmutter wurde in Afrika geraubt und starb als Sklavin, doch ihre Mutter ist vor Jahren geflüchtet und wurde nie gefunden. Andere Beispiele führen Cora jedoch vor Augen, welches schlimme Schicksal all jenen blüht, die gefunden werden. Ist es trotzdem einen Versuch wert?

Während Cora überlegt, lernt man ihren Alltag auf der Plantage kennen. Die kräftezehrende Arbeit, die Intrigen unter den Sklaven, die Grausamkeit und Willkür des Plantagesbesitzers und entsetzliche Strafen, die jeden einmal treffen. Auch wenn mir die historischen Fakten bekannt waren, hat es mich betroffen gemacht, die Szenen durch Coras Augen zu erleben. Dass Cora flüchten wird verrät schon der Titel, doch nach diesen Einblicken konnte ich umso besser verstehen, weshalb ihr die Entscheidung so schwer fällt und warum sie sich schließlich wie so viele vor ihr trotzdem dafür entscheidet.

Mit der Flucht kommt zur Dramatik eine Spannungskomponente hinzu. Wird das Vorhaben erfolgreich sein? Die Erlebnisse während der Flucht zeigten mir noch deutlicher, welches Schicksal den Geflüchteten bei Gefangennahme droht und ebenso denen, die geholfen haben. Immer wieder schöpft Cora vorsichtig Hoffnung, dass sich alles zum Besseren wendet. Dafür sorgen auch viele ganz verschiedene Menschen, die helfen wollen – ein großer Appell an Zivilcourage, die auch unter den widrigsten Bedingungen zum Glück nie gänzlich erstickt werden kann.

Doch der Rassismus und damit verbundene feindselige Übergriffe treiben Cora von einem Ort zum anderen. Ich hatte großen Respekt vor ihrer Stärke, die sie bei all dem zeigt. Ihre Erlebnisse führten mir eindringlich vor Augen, wie Menschen durch Propaganda und Rassendenken zu grausamen Taten getrieben werden, die sie in der vollen Überzeugung ausführen, im Recht zu sein. Kurze Kapitel geben Einblicke in die Gedanken von Menschen, denen Cora auf ihrem Weg begegnet, und ließen mich ihre Motivation besser verstehen, auch wenn sie oft verwerflich ist. Dem Autor gelingt es, dass bei all der Grausamkeit die Hoffnung bis zum recht offenen Ende nie ganz verloren geht, was für mich eine gelungene Botschaft ist.

In „Underground Railroad“ wagt die Sklavin Cora die lebensgefährliche Flucht gen Norden. Ihre Erlebnisse auf der Plantage und auf der Suche nach Freiheit machten mich betroffen. Eindringlich berichtet der Roman von gelebtem Rassismus in seiner schlimmsten Form und Menschen mit Zivilcourage, die heimlich Widerstand leisten und Hoffnung geben. Das Buch lässt den Leser durch die Augen einer Sklavin aufs Geschehen blicken und hat mich ins Nachdenken gebracht nicht nur über die Sklaverei in Amerika, sondern über Rassismus im Allgemeinen. Ich kann die Lektüre klar weiterempfehlen.