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Nadines_Buecher

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Veröffentlicht am 08.04.2017

Zukunftsszenario, Gegenwartskatastrophe und Vergangenheitsdrama

Die Geschichte der Bienen
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Ein viele Generationen umspannendes und die ganze Welt beeinflussendes Thema: Die Leben ermöglichende Arbeit der fleißigen Honigbienen. Während der Forscher William in den 1850er Jahren in England die ...

Ein viele Generationen umspannendes und die ganze Welt beeinflussendes Thema: Die Leben ermöglichende Arbeit der fleißigen Honigbienen. Während der Forscher William in den 1850er Jahren in England die Bienen und ihre Zähmung erforscht, aber anderen Wissenschaftlern immer einen Schritt hinterherzuhinken scheint was ihm nicht nur eine Depression beschert und nicht erkennen lässt, welches seiner Kinder seine Leidenschaft für die Wissenschaft teilt , kämpft Imker George in den 2000er Jahren in den USA gegen das Bienensterben und um die Gunst seines Sohnes Tom, der mehr am Journalismus als an Landwirtschaft interessiert scheint. Tao, die junge Chinesin aus einer unheilvollen Zukunft - dem Jahr 2098-, in der Europa und USA untergegangen und die chinesischen Städte dem Verfall preisgegeben sind, muss ihren Sohn Wei-Wen, der nicht die Eigenschaften seiner Mutter teilt, für China, die ganze Menschheit opfern. Doch um dies zu begreifen muss die verzweifelte Mutter grausames erleben, allerdings kann sie endlich wieder ihren Intellekt und ihre Wissbegierde einsetzen. Ausgerechnet die Neuauflage und Überarbeitung eines Buchs, mit dem George fragte man ihn nach seinem Sohn nie gerechnet hätte, das William im Original kannte und aufgrund dessen er "seinen" Bienenstock entwickelte, der es über Jahrhunderte nicht zum Standard unter den Imkern brachte, nun aber einzig überliefertes und damit hoffnungsvolles Muster ist, bringt Tao auf die richtige Spur.
Eine Geschichte, die zum Nachdenken anregt was Nachhaltigkeit, Ökologie und der Erde bereits zugefügte Schäden betrifft, die in ein unheilvolles Szenario münden. Aber auch eine Geschichte über Eltern und ihre Kinder, Auflehnung und Enttäuschung darüber, über das Erbe der Leidenschaft, der Wissenschaft und des Familiensinns. Sehr gut zu lesen durch den angenehmen Sprachduktus und die Kapitel, die aus den Leben von William, George und Tao berichten - auch wenn das Berichtete gerade wenn es um Tao geht keinesfalls angenehm ist. Gerade die Kapitel ihrer Geschichte brechen die sonst angenehm dahinplätschernde Generationengeschichte auf, brutal und erschreckend.
Das Cover brilliert durch die detaillierte Darstellung der Biene, die auf der Seite liegt, offenbar tot ist. Und gleich möchte man herausfinden, was ihr geschehen ist. Der Titel verspricht dies durch die Geschichte der Bienen - und hält es auch.

Veröffentlicht am 13.03.2017

Generation Selbstzerstörung

Die Zeit der Ruhelosen
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"Ja, lesen ist das Einzige, was mich vollkommen glücklich gemacht hat." Damit rückt die Autorin Karine Tuil das geschriebene Wort, alle Autorinnen und Autoren seit der Verbreitung von literarischen Werken ...

"Ja, lesen ist das Einzige, was mich vollkommen glücklich gemacht hat." Damit rückt die Autorin Karine Tuil das geschriebene Wort, alle Autorinnen und Autoren seit der Verbreitung von literarischen Werken und die lehrende, heilende und euphorisierende Wirkung von Büchern in den Vordergrund.
Ihre Geschichte allerdings ist verstörend, erschreckend und - wie der Titel bereits verrät - ruhelos. Umso krasser, dass sie nur zu wahr sein könnte.
Macht, Geld, Politik in ihren facettenreichen Ausprägungen der Besessenheit, des Reichtums, der Willkür, des psychischen Drucks, der Diskriminierung, der Manipulation, des Opportunismus und der Liebe sind das Schicksal dreier Männer - dem französischen Telekommunikationsmogul Francois Vély, dem Soldaten Romain Roller und dem Nachwuchs-Politiker Osman Diboula, aber auch der Journalistin und Schriftstellerin Marion Decker, deren Wege sich im Roman kreuzen. Sie zerstören sich selbst oder werden zerstört - durch ihre Entscheidungen, die Entscheidungen anderer, das Erbe ihrer Vorfahren und ihrer Vergangenheit. Interessant zu lesen, wer der ruhelosen Protagonisten am Leben bleiben wird und sich auch lebendig fühlen wird.
Eine gesellschaftskritische Studie unserer Zeit, wie sie vielfältiger und abgründiger nicht sein könnte. Bis zur letzten Seite spannend zu lesen.
Das Cover spiegelt die Ruhelosigkeit, von der in Titel und Werk zu lesen ist, anhand der verschwommenen Figuren, wie sie einer der Protagonisten beim Vorbeihasten sehen aber nicht wahrnehmen würde.

Veröffentlicht am 04.03.2017

Aus einer anderen Zeit, clever und sozialkritisch

Es klingelte an der Tür
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Unterhaltsam, clever, aus einer anderen Zeit: 1965 ermittelt Dandy-Detektiv Nero Wolfe von seinem New Yorker Stadthaus aus, während Assistent und Faktotum Archie Goodwin in der Stadt unterwegs ist um mutmaßliche ...

Unterhaltsam, clever, aus einer anderen Zeit: 1965 ermittelt Dandy-Detektiv Nero Wolfe von seinem New Yorker Stadthaus aus, während Assistent und Faktotum Archie Goodwin in der Stadt unterwegs ist um mutmaßliche Täter, Zeugen und Opfer zu befragen, Erkundigungen einzuziehen, Tatorte zu inspizieren und die Damenwelt in Augenschein zu nehmen. Und dies alles herrlich analog: zu Fuß, per Telefon oder handgeschriebener Nachricht. Damit auch schlicht unaufgeregt und gar nicht hektisch, was der Spannung keinesfalls abträglich ist. Im Gegenteil. Autor und Übersetzerin verstehen es, die Leser in längst vergangene Zeiten abtauchen zu lassen, in denen Junggesellen gepflegten Hobbies frönten, nicht ohne Hut und Mantel das Haus verließen und Damen noch unaufgefordert in den Zobel halfen. Dies in gewählter, aber nicht gestelzter Sprache, die in Zeit und Setting passt, aber auch Konzentration beim Lesen erfordert, um keine Facette von Archies Bericht zu verpassen. Der Fall, der eigentlich zunächst keiner ist, zeigt wie FBI und Polizei sich gegenseitig auszutricksen versuchen, oftmals auf Kosten der Bürger. Auch wenn die reiche Mrs. Bruner selbst dazu beigetragen hat, dass der Geheimdienst sie, ihre Familie, ihre Firma und ihre Angestellten näher unter die Lupe nimmt. Schließlich aber gibt es doch noch einen Mordfall, den Nero und Archie aufklären können. Mit viel Aufwand und Trickserei gelingt es ihnen, Polizei und FBI einen Spiegel vorzuhalten. Bis es wieder an der Tür klingelt.
Das Buch kommt im historischen Leineneinband edel daher, ist ganz im Stile der 1960er Jahre gestaltet und passt wunderbar zum Gesamtwerk. Neros und Archies nostalgisch anmutende Fälle landen auf jeden Fall auf meiner Leseliste.

Veröffentlicht am 03.03.2017

Was ist Erinnerung - und was ist sie wert?

Das Buch der Spiegel
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Was ist Erinnerung und was ist sie wert, wenn sie doch rein subjektiv, beeinflussbar und manipulativ austauschbar ist?
Mit diesen Fragen beschäftigt sich das Buch der Spiegel, auch wenn es zunächst scheinbar ...

Was ist Erinnerung und was ist sie wert, wenn sie doch rein subjektiv, beeinflussbar und manipulativ austauschbar ist?
Mit diesen Fragen beschäftigt sich das Buch der Spiegel, auch wenn es zunächst scheinbar um den ungeklärten Mordfall am Princetoner Psychologieprofessor Joseph Wieder aus den 1980er Jahren geht. Richard Flynn, unheilbar krank, sendet Literaturagent Peter Katz den ersten Teil seines Buchs zu, das vermuten lässt, den Mörder des Professors zu enthüllen. Richard erzählt aus den 1980er Jahren, als er mit der Psychologiestudentin Laura Baines zusammenlebte, mit der er eine Liebelei hatte, und die ihm mit dem geheimnisvollen Professor Wieder bekannt machte. Richard vermutet, Laura habe auch eine Affäre mit dem Professor, und Laura wiederum deutet immer wieder gegenüber Richard geheime Untersuchungen an, an denen der Professor arbeite, und dass sie von ihrem Ex-Freund Timothy gestalkt werden würde. Schließlich wird der Professor tot aufgefunden und Laura verschwindet. Peter ist sehr interessiert am Roman, doch Richard verstirbt bevor er ihm den zweiten Teil des Buchs zukommen lassen kann. Also setzt Peter den Journalisten John Keller auf den ungelösten Mordfall an. Doch schon bald vermischen sich auch Kellers Erinnerungen mit den Dingen, die er im Manuskript gelesen hat. Er spricht mit Dr. Laura Westlake, ehemals Baines, die karrierebesessen und skrupellos eine andere Geschichte von ihrer WG-Zeit mit Richard und ihrer Zusammenarbeit mit Professor Wieder erzählt. Was übrig bleibt ist, dass sie nach dem Tod ihres Professors die Chance einer Veröffentlichung kaltschnäuzig genutzt hat. Auch Derek Simmons, des Mordes an seiner Frau beschuldigt und Patient und Hausmeister von Wieder, erzählt seine Version der Geschichte, der damalige Polizist Roy Freeman, während der Ermittlungen damals aufgrund seiner Scheidung alkoholabhängig, berichtet von den Ermittlungen. Schließlich entscheidet Freeman, dass seine Recherche zu Ende ist und Katz kein Buch veröffentlichen wird. Mit der Diagnose Alzheimer belastet und der Meinung, etwas von damals wieder gutmachen zu müssen, recherchiert nun Ex-Polizist Freeman weiter, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Denn plötzlich gesteht ein Strafgefangener den Mord an Wieder. Roy glaubt dies jedoch nicht, spricht mit dem Gefangenen und Simmons, wühlt im Gestrüpp eigener und fremder Erinnerungen, bis er den Fall für sich als erledigt abschließen kann.
Es ist faszinierend, wie es dem Autor gelingt, die Spannung aufgrund der zunächst als klar und deutlich dargelegten Erinnerungen Richards hochzuhalten, die sich im Laufe der Geschichte als subjektiv und manipulierbar darstellen. Schließlich verstricken sich drei Männer im Dickicht der Erinnerungen von anderen und ihren eigenen, die sie auf den Mordfall beziehen. Jeder erzählt seinen eigenen Part der Geschichte um Buch und Mordfall in drei abgetrennten Teilen. Dabei verlieren sich die Männer beinahe selbst, der Fall beeinflusst ihr Privatleben und ihr Umfeld. Ein einziges großes Puzzle entfaltet sich, und erscheint am Ende dennoch nicht gänzlich gelöst. Etwas Geheimnisvolles bleibt. Genau das macht den Thrill des Buchs aus. Unweigerlich beginnt man, selbst über Erinnerungen, was sie bedeuten, wie sie entstehen und wie subjektiv sie sind, nachzudenken.
Das Cover mit dem gespiegelten Princeton-Gebäude, das durch den Farbverlauf zu verblassen scheint, symbolisiert das Ungreifbare der Geschichte.

Veröffentlicht am 11.02.2017

Dunkle Geheimnisse

Perfect Girl - Nur du kennst die Wahrheit
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Zoe Maisey, prinzessinnenhaft wirkende hochbegabte Pianistin, erlebt mit dem Auftauchen eines Mannes während ihres ersten Konzerts mit ihrem Stiefbruder Lucas zum zweiten Mal in ihrem 17-jährigen Dasein, ...

Zoe Maisey, prinzessinnenhaft wirkende hochbegabte Pianistin, erlebt mit dem Auftauchen eines Mannes während ihres ersten Konzerts mit ihrem Stiefbruder Lucas zum zweiten Mal in ihrem 17-jährigen Dasein, wie ihr Leben zusammenbricht. Was ihr Stiefvater Chris nicht erfahren darf: Zoe hat im betrunkenen Zustand den Unfalltod dreier Teenager verursacht, war deswegen im Jugendarrest. Ihr Vater Philip hat sich komplett von ihr abgewandt. Ihre Mutter Maria tut alles dafür, ihr neues Leben mit dem neuen Ehemann Chris und der gemeinsamen Tochter Grace nicht zu gefährden. Sie weiß, was sie ihrer Tochter damit aufbürdet. Schließlich trägt sie dieselbe Last, muss sich verstellen. Doch sie ist bereit, für den Schein in wohlhabenden Verhältnissen und zugunsten Zoes Karriere selbst die Beziehung zu ihrer Tochter aufs Spiel zu setzen. Schließlich aber muss Maria noch in der Nacht nach dem Konzert ihr Leben opfern. Lucas dies geahnt zu haben, denn er trägt das dunkle Geheimnis seines Vaters mit sich herum. Als großer Filmfan gelingt es ihm, sich in einem Drehbuch zu offenbaren. Doch Maria hatte es nicht gelesen. Zoe dagegen fasst anhand der aufgeschriebenen Schilderungen von Lucas den Entschluss, dass sie ein Recht auf ein drittes Leben hat und auf ein Gefühl der Gerechtigkeit. Denn Gerechtigkeit blieb ihr bei ihrem Prozess verwehrt.
Die Geschichte, die an nur zwei aufeinanderfolgenden Tagen spielt, wird abwechselnd von Zoe, ihrer Tante Tessa und Zoes Anwalt Sam, mit dem Tessa ein Verhältnis hat, erzählt. Dies jeweils aus der Ich-Perspektive, was dazu führt dass wir viel über die Charaktere und ihre Denkweise erfahren. Zum Ende der Story kommen auch Tessas Ehemann Richard, der alkoholkrank ist, und als Berichterstatter des Showdown Lucas zu Wort. Schließlich erfahren wir, dass jeder der Charaktere mit seinen eigenen Dämonen kämpft. Ob es ein unerfüllter Kinderwunsch, eine schwere Krankheit, das Hintergehen des Partners, ein Selbstmord oder latente Gewaltbereitschaft ist. Durch die Erzählweise und die kurzen Kapitel lässt sich der Geschichte sehr gut folgen, Gedankenspiele und Entscheidungen lassen sich sehr gut nachvollziehen. Der Thrill liegt darin, Zoe zu entdecken als gebrochene Gestalt inmitten einer hochgefährlichen Illusion.