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Veröffentlicht am 10.04.2021

Ein Muss, auch für Nicht-Fantasy-Fans

Das Lied der Krähen
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Der 17-jährige Kaz Brekker ist der Anführer der Dregs, einer der gefährlichsten Gangs in der pulsierenden Hafenmetropole Ketterdam. Seinen Ruf als grausamer Geschäftsmann hat er sich hart erarbeitet. Eines ...

Der 17-jährige Kaz Brekker ist der Anführer der Dregs, einer der gefährlichsten Gangs in der pulsierenden Hafenmetropole Ketterdam. Seinen Ruf als grausamer Geschäftsmann hat er sich hart erarbeitet. Eines Tages tritt der Kaufmann Jan van Eck mit Angebot an ihn heran: Für eine horrende Summe soll er mit einer Crew einen Häftling aus einem absolut sicheren Gefängnis im Norden des Reiches befreien. Was wie ein Ding der Unmöglichkeit erscheint, reizt Kaz ungemein und so entscheidet er sich für fünf Personen, die ihn begleiten sollen.

Inej, das Phantom – eine Artistin und Kletterkünstlerin. Jesper – ein hyperaktiver Scharfschütze mit lockerem Mundwerk. Nina – eine mächtige Grisha (so werden Menschen mit magischen Fähigkeiten in diesem Universum genannt) mit einer Vorliebe für Süßigkeiten. Matthias – ein grummeliger Hexenjäger, der die Grisha eigentlich vernichten soll. Und schließlich Wylan – ein Kaufmannssohn mit jeder Menge Fachwissen über Sprengstoffe.

„Das Lied der Krähen“ hat eine klassische Heist-Handlung, befasst sich also mit einem spektakulären Raub. Die Dynamik zwischen den Figuren ist dabei von großer Bedeutung. Obwohl die sechs nicht unterschiedlicher sein könnten, wachsen sie im Laufe des Buches zu einem loyalen Team zusammen. Neben actionreichen Szenen im Stile von „Ocean‘s Eleven“ kommen auch lustige und emotionale Szenen nicht zu kurz.

Leigh Bardugo ist es gelungen, mit Kaz Brekker einen genialen Gentleman-Schurken zu erschaffen, der zwar extrem grausam sein kann, dafür aber immer einen trifftigen Grund hat. Was ihn auf der einen Seite zu einem perfekten Ränkeschmied macht, erschwert ihm auf der anderen Seite das Leben: Zwischenmenschliche Beziehungen sind ihm fremd, niemand wagt es, ihn zu berühren und nur zu Inej hat er ein gewisses Grundvertrauen aufgebaut. Vor allem an ihm als Protagonisten zeigt sich die Fähigkeit der Autorin, liebenswerte Charaktere mit all ihren Schwächen zu erschaffen. Im Verlauf der Handlung wird sich enthüllen, wie jeder von ihnen zu dem geworden ist, was er ist – und das ist grandios!

Fazit: Ein absolutes Muss, auch für Leser*innen, die keine klassische Fantasy mögen

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Veröffentlicht am 04.04.2021

Eine Reise durch Leben und Sterben

Abschied von Hermine
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„Abschied von Hermine“ ist nach ihrem grandiosen Roman „Marianengraben“ Jasmin Schreibers erstes Sachbuch. In diesem nimmt sie uns mit auf eine Reise durch das Leben – von seiner Entstehung, über den Alterungsprozess, ...

„Abschied von Hermine“ ist nach ihrem grandiosen Roman „Marianengraben“ Jasmin Schreibers erstes Sachbuch. In diesem nimmt sie uns mit auf eine Reise durch das Leben – von seiner Entstehung, über den Alterungsprozess, das Sterben und den Tod an sich bis hin zum Thema Trauer. Auf dieser Reise begleitet uns irgendwie auch Hermine, Jasmin Schreibers Zwerghamsterdame. Für mich als ehemalige Hamsterhalterin ein Pluspunkt und einer, der auch für die eine oder andere Träne sorgte.

Die Autorin hat eine besondere Art zu schreiben - ihr gelingt die perfekte Balance aus Wissensvermittlung, Humor und persönlicher Note. Als studierte Biologin haben alle ihre Erklärungen Hand und Fuß, sind aber auch für Laien gut verständlich und werden durch ihre witzigen Zeichnungen noch illustriert und aufgelockert. Die Sprache ist bildhaft, klar und stellenweise auch ungemein lustig. Wer also eher auf extrem textlastige Sachbücher voller Schachtelsätze und Fachbegriffe steht, wird hier definitiv nicht fündig werden.

Den Rest erwarten spannende Anekdoten aus der Natur, so zum Beispiel über die Königin der Nacktmulle, das widerstandsfähige Bärtierchen oder unsterbliche Quallen. Mit Absicht lenkt die Autorin dabei den Blick auf Arten, die sonst nicht unbedingt zu unseren Lieblingstieren zählen und erstaunt uns mit interessanten Fakten. Wussten Sie zum Beispiel, dass Nacktmulle echte Superheld*innen sind, die überdurchschnittlich alt werden, einen Krebsschutz in ihren Zellen haben und noch dazu schmerzunempfindlich sind? Nein? Ich auch nicht.

„Abschied von Hermine“ umfasst viele wissenschaftliche Passagen, in denen es einiges zu lernen gibt: von Biologie und Genetik zu Kultur und Religion und den jeweiligen Begräbnisritualen. Ein wenig gruselig wird es, wenn sie sich mit all den Tierchen beschäftigt, die nach unserem Ableben unseren Körper aufsuchen. Und auch Persönliches kommt in diesem Buch nicht zu kurz. Trotz ihrer Beschäftigung mit dem Thema, macht auch der Autorin das Sterben immer noch Angst. Auf der anderen Seite ist da für sie aber der Gedanke, dass alles Leben letztendlich nur durch Sterben fortbestehen kann – und das finde ich sehr tröstlich. Einziger Kritikpunkt des Buches? Es ist viel zu schnell zu Ende!

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Veröffentlicht am 03.04.2021

Eine Frage der Identität?

Identitti
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Schon immer weiß Nivedita nicht so richtig, wo sie hingehört. Als Tochter einer Polin und eines Inders lebt sie in Düsseldorf und studiert Postcolonial Studies bei der berühmten (und berüchtigten) Professorin ...

Schon immer weiß Nivedita nicht so richtig, wo sie hingehört. Als Tochter einer Polin und eines Inders lebt sie in Düsseldorf und studiert Postcolonial Studies bei der berühmten (und berüchtigten) Professorin Saraswati. In ihr hat Nivedita ein Vorbild gefunden, an dem sie sich orientieren kann und das ihr eine Identität gibt. Doch dann der Skandal: Saraswati hat mit Indien gar nichts zu tun. Sie ist auch keine PoC (=Person of Colour), sondern weiß. Nivedita ist am Boden zerstört. Warum hat Saraswati sie angelogen? Und was bedeutet das nun für Saraswatis Lehren und Niveditas eigene Identität? Wütend macht sie sich zu Saraswatis Wohnung auf, um sie zur Rede zu stellen.

„Identitti“ ist ein außergewöhnliches Buch – das zeigt eigentlich schon ein Blick auf das Cover. Das stellt übrigens die Göttin Kali dar und schlägt damit einen Bogen zum Inhalt. Immer, wenn Nivedita nicht weiter weiß, begibt sie sich in einen Dialog mit ihr. Auch auf ihrem Blog, den sie als „Identitti“ betreibt, finden diese Gespräche ihren Platz. Der Sprachstil des Romans ist dabei durchaus anspruchsvoll; die Autorin geizt nicht mit Fremdwörtern und Fachbegriffen aus dem Bereich der Rassimus- und Identitätsforschung. Trotz allem kommt dabei aber auch der Humor nicht zu kurz.

Zentrales Thema des Buches ist sicherlich die Frage nach der eigenen Identität. Die Person, die diese Diskussion auslöst, ist dabei nicht einfach zu greifen. Saraswati ist selbstgefällig und arrogant, unerträglich klug und wortgewandt. In ihren Wortgefechten mit Nivedita fragt man sich unweigerlich: „Aber hat sie nicht vielleicht recht?“ Es werden die unterschiedlichsten Fragen aufgeworfen, so zum Beispiel, wann man sich eigentlich einer gewissen Identität zugehörig fühlen darf. Nur als Geburtsrecht? Ändert die Staatsangehörigkeit etwas? Und wieso ist es in Ordnung, sich einen anderen biologischen Geschlecht zugehörig zu fühlen, nicht aber einer anderen Kultur?

Auf all diese Fragen gibt der Roman keine Antworten, sondern lässt durch seine Charaktere und eine fiktive Diskussion in den (sozialen) Medien ein Nebeneinander von Meinungen entstehen. Dabei arbeitete die Autorin übrigens mit realen InfluencerInnen und JournalistInnen zusammen und bat sie, zu diesem fiktiven Diskurs einen Tweet oder Artikel zu verfassen, was der Handlung noch einmal Nachdruck verleiht. Die Antworten auf all die Fragen muss man als LeserIn schließlich selbst finden oder vielleicht gibt es hier auch gar kein „richtig“ oder „falsch“? Unbedingt lesen!

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Veröffentlicht am 01.04.2021

Fantasievolle Geschichte mit wichtiger Botschaft

Amari und die Nachtbrüder
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Die 12- jährige Amari Peters führt kein einfaches Leben. Ihre Mutter ist allein erziehend, Geld ist daher immer knapp. Nur dank eines Stipendiums kann Amari auf eine gute Schule gehen. Dort ist sie die ...

Die 12- jährige Amari Peters führt kein einfaches Leben. Ihre Mutter ist allein erziehend, Geld ist daher immer knapp. Nur dank eines Stipendiums kann Amari auf eine gute Schule gehen. Dort ist sie die Außenseiterin, weil sie nicht nur arm, sondern eben auch Schwarz ist. Noch dazu ist ihr Bruder Quinton, der von allen im Viertel und an der Schule bewundert wurde, schon seit einer Weile verschwunden. Doch dann erhält Amari auf einmal eine Nachricht von ihm, die ihr Leben für immer auf den Kopf stellen wird.

„Amari und die Nachtbrüder“ ist B.B. Alstons erstes Kinderbuch und wird in 23 Sprachen übersetzt. Die Handlung wird aus Amaris Perspektive in der Ich-Form und im Präsens erzählt, was das Gefühl gibt, mitten im Geschehen zu sein. Dabei ist sie eine unglaublich sympathische Protagonistin: mutig, vielleicht ein wenig vorlaut, willensstark und sehr loyal – sei es zu ihrer neuen Freundin Elsie oder ihrem Bruder Quinton. Zudem glaube ich, dass sie ein Vorbild für viele Kinder sein kann, die sich bisher in Kinderbüchern nie repräsentiert gefühlt haben – toll!

Die Geschichte an sich ist recht klassische Fantasy. Durch Quintons Nachricht erhält Amari eine Einladung in die Oberbehörde für Übernatürliches, wo sie an einem Auswahlverfahren teilnehmen soll, um Agentin zu werden. Dort offenbart sich, dass sowohl in Quinton als auch in Amari selbst mehr steckt, als sie dachte. Gemeinsam mit Elsie, einem Drachenmädchen, das nicht Feuer speien kann und ihrem Konkurrenten Dylan van Helsing (ja, DIE van Helsings!) stürzt Amari sich in die neue Aufgabe. Denn neben der Aufnahme in die Oberbehörde will sie vor allem eines: Quinton wiederfinden und retten.

„Amari und die Nachtbrüder“ ist eine spannende Fantasygeschichte mit durchaus wichtigen Themen. In der Oberbehörde hat Amari es aufgrund ihrer Herkunft und ihrer magischen Fähigkeiten ebenso schwer, wie in der realen Welt; nur eben aus anderen Gründen. Wie sie mit diesen Vorurteilen umgeht und sie nach und nach überwindet, ist ein bedeutsamer Bestandteil der Handlung. Diese ist am Ende in sich abgeschlossen, der Autor hat jedoch bereits weitere Bände angekündigt, auf die ich mich sehr freue.

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Veröffentlicht am 27.03.2021

Humorvoll und ernsthaft zugleich

Krötensex
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Amerika, so heißt das Kaff in Mittelsachsen, in dem Frieda ihr Studium beenden wird. Was eigentlich als hippes Auslandssemester geplant war, stellt sich nach einer Lektüre des Kleingedruckten als Katastrophe ...

Amerika, so heißt das Kaff in Mittelsachsen, in dem Frieda ihr Studium beenden wird. Was eigentlich als hippes Auslandssemester geplant war, stellt sich nach einer Lektüre des Kleingedruckten als Katastrophe heraus. Gemeinsam mit ihren Freunden Kenny und Miro findet sich Frieda zwischen „Lääsateschniggaar Dömas“ und „Infommatiggaar Nigglas“ in einem heruntergekommenen Studentenklub wieder – und das passt so gar nicht zu ihrem veganen, feministischen Lifestyle und ihrem Ziel, das ultimative Praktikum zu finden.

Von Franka Frei hatte ich bereits ihr Sachbuch „Periode ist politisch“ gelesen und war nun gespannt, ob sie auch Romane kann. Und ich kann schon vorab verraten: Ja, sie kann. „Krötensex“ besticht durch die Mischung aus lustigen Szenen, die Protagonistin Frieda mit herrlicher Selbstironie schildert und ruhigen Momenten, in denen sie sich durchaus existenzielle Fragen stellt. Die Handlung ist dabei quasi zweigeteilt: Im ersten Teil erleben wir Frieda und ihre Freunde in Amerika, der zweite Teil zeigt sie dann in ihrer WG in Berlin und ihrem Praktikum. Beide Teile sind recht unterschiedlich – der erste eher unterhaltsam und leicht, der zweite deutlich ernsthafter. Mir haben beide gut gefallen, aber ein gewisser Bruch ist nicht zu leugnen.

Frieda ist ein sehr sympathischer Charakter, mit dem man sich als Leserin durchaus identifizieren kann. Sie misst sich und ihren Lebenslauf immer an ihrer Zwillingsschwester Freia. Die ist, ihrer Meinung nach, hübscher, beliebter, selbstbewusster und erfolgreicher. Sich selbst findet Frieda irgendwie immer „zu viel“: zu laut, zu dick, zu viel Make-Up – ihre Wirkung auf andere schätzt sie dabei jedoch völlig falsch ein.

Friedas Suche nach ihrer ganz eigenen Identität führt sie durch ganz Deutschland und Europa, von einer Schwärmerei zur nächsten, von einem Bett ins andere und schließlich als Influencerin vor die Kamera. Zufrieden ist sie dabei nicht, denn eigentlich müsste sie dringend herausfinden, was sie (und nicht die anderen) glücklich macht. Ein Roman, der einen an manchen Stellen lauthals auflachen lässt, an anderen jedoch auch sehr nachdenklich macht.

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