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Veröffentlicht am 04.04.2019

Ein Zeitzeugnis deutscher Geschichte

Was uns erinnern lässt
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Inhalt: Vergangenheit: Das ehemals elegante Hotel Waldeshöh am Rennsteig im Thüringer Wald liegt seit der Trennung Deutschlands zwischen den Grenzzäunen in einer 500 Meter Sperrzone. Das Leben der Bewohner, ...

Inhalt: Vergangenheit: Das ehemals elegante Hotel Waldeshöh am Rennsteig im Thüringer Wald liegt seit der Trennung Deutschlands zwischen den Grenzzäunen in einer 500 Meter Sperrzone. Das Leben der Bewohner, der Familie Dressel, ist stark eingeschränkt, trotzdem wollen sie ihr Zuhause nicht aufgeben. Doch eines Tages im Jahr 1977 werden die Dressels völlig überraschend enteignet und umgesiedelt.
Gegenwart: Auf der Suche nach einem „Lost Place“ für ihren Internet-Account findet die junge Milla in einem Waldstück in Thüringen einen mit Pflanzen überwucherten, aber völlig intakten Keller. Sie ist überglücklich über ihren Fund und möchte mehr darüber erfahren. Sie nimmt Kontakt zu den ehemaligen Besitzern auf und findet in Christine Dressel eine gute Freundin. Gemeinsam versuchen sie die Zwangsenteignung zu beweisen.

Meine Meinung: Der Roman wird auf zwei Zeitebenen erzählt. In der Gegenwart unterstützt Milla die Familie Dressel bei ihren Bemühungen, alte Unterlagen ausfindig zu machen, um eine Zwangsumsiedlung ohne Entschädigung zu beweisen. Vor allem Christine, die bei der Umsiedlung 14 Jahre alt war, hofft auf die Rückgabe des Grundstücks. Aber nicht alle Familienmitglieder sind damit einverstanden.
Die Geschichte in der Vergangenheit, die kurz vor Kriegsende 1945 beginnt und mit der Umsiedlung 1977 endet, fand ich besonders interessant und berührend. Für mich als Westdeutsche sind viele der damaligen Ereignisse und Reglementierungen kaum zu glauben und haben mich sprachlos gemacht. Denn die 500 Meter Sperrzone zwischen Stacheldrähten und Grenzen wurde besonders stark überwacht und die Menschen, die in diesem Gebiet wohnten, waren so gut wie von der Außenwelt abgeschnitten. Bei jedem kleinen Ausflug in den Wald gab es für die Kinder genaue Anweisungen und Ermahnungen.
Durch die bildhaften und ausführlichen Beschreibungen des Hotels, des Waldes und des Sperrgebietes, konnte ich mir alles gut vorstellen. Auch die Charaktere sind alle gut ausgearbeitet und glaubhaft. Besonders die älteren Dressel Frauen habe ich für ihre Stärke und für ihren Optimismus bewundert. Allen Familienmitgliedern bedeutet das Hotel Waldeshöh und der dazugehörige Dressels Forst auch nach so langer Zeit noch sehr viel.

Fazit: Ein gut recherchiertes und berührendes Zeitzeugnis deutscher Geschichte.

Veröffentlicht am 03.03.2019

Welches Geheimnis hüten Emily und Robbie

Das geheime Glück
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Inhalt: Robbie und Emily sind fast fünfzig Jahre glücklich verheiratet und könnten sehr zufrieden sein, wenn da nicht Robbies Diagnose wäre.
Eines Tages trifft er eine schicksalhafte Entscheidung die ...

Inhalt: Robbie und Emily sind fast fünfzig Jahre glücklich verheiratet und könnten sehr zufrieden sein, wenn da nicht Robbies Diagnose wäre.
Eines Tages trifft er eine schicksalhafte Entscheidung die Emily das Herz bricht, doch Robbie will unter allen Umständen ihr lange gehütetes Geheimnis wahren.

Meine Meinung: Der Aufbau des Buches ist sehr ungewöhnlich, denn es wird rückwärts erzählt. Es ist in fünf Teile und ein Postskriptum aufgeteilt. Jeder Teil spielt in einem anderen Jahr, es beginnt mit der Gegenwart und endet mit dem Kennenlernen der beiden Protagonisten im Jahr 1962. So richtig gefallen hat mir der Aufbau nicht, denn in jedem Teil wird nur von einem prägnanten Zeitraum aus dem Leben von Robbie und Emily erzählt. Das hat zwar die Spannung erhöht, andererseits fehlte mir aber auch etwas und einige Fragen blieben offen.
Emily mochte ich während des ganzen Buches, aber Robbie war mir als älterer Mann in den ersten Teilen wesentlich sympathischer als in Teil vier und fünf. Das bedeutet allerdings auch, dass er sich während seiner Zeit mit Emily positiv entwickelt hat. Durch den umgekehrten Aufbau wird das aber nicht so deutlich.
Durch den mitreißenden Schreibstil lässt sich „Das geheime Glück“ sehr flüssig und angenehm lesen und trotz meiner Kritikpunkte hat mich das Buch von Anfang an gefesselt. Ich wurde immer neugieriger auf das Geheimnis, das Emily und Robbie so sorgsam hüten und war dann total überrascht von der Auflösung.

Veröffentlicht am 13.11.2018

Warmherzig und magisch

Ich und der Weihnachtsmann
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Inhalt: Das 11-jährige Kaminkehrermädchen Amelia wohnt seit kurzer Zeit bei dem Weihnachtsmann und seiner Frau Mary in Wichtelgrund. Obwohl es Amelia sehr gut bei den Wichteln gefällt, kann sie sich nur ...

Inhalt: Das 11-jährige Kaminkehrermädchen Amelia wohnt seit kurzer Zeit bei dem Weihnachtsmann und seiner Frau Mary in Wichtelgrund. Obwohl es Amelia sehr gut bei den Wichteln gefällt, kann sie sich nur schwer einfügen. Doch dann wird Wichtelgrund von den Kaninchen und dem Osterhasen bedroht und das kann Amelia nicht zulassen.

„Wunder haben Grenzen, weil es sonst keine Wunder wären“

Meine Meinung: „Ich und der Weihnachtsmann“ ist bereits der dritte Teil von Matt Haigs zauberhafter, fantasievoller und weihnachtlicher Kinderbuchreihe, die nicht nur von Kindern, sondern auch von Erwachsenen gerne gelesen wird.
Diese Geschichte wird aus der Sicht der kleinen Amelia erzählt, die bereits im Vorgängerbuch „Das Mädchen, das Weihnachten rettete“ eine große Rolle spielt. Besonders gefreut habe ich mich über ein Wiedersehen mit vielen liebgewonnenen Geschöpfen, z.B. mit dem Weihnachtsmann, Mary, den fliegenden Flunker Elfen, dem Rentier Blitz und einigen Wichteln. Auch Pixie, die Wahrheitselfe - mein Lieblingscharakter - ist wieder dabei und spielt sogar eine größere Rolle. Pixie MUSS immer die Wahrheit sagen und auf jede Frage antworten, auch wenn sie nicht will, das führt machmal zu witzigen Situationen.
Amelia hat trotz aller Bemühungen Schwierigkeiten, sich dem Leben im Wichteldorf anzupassen, denn alles ist hier anders als in der Menschenwelt und ihr fehlt der Wichtelzauber. Durch eine gemeine Lüge sind plötzlich viele Wichtel gegen sie. Dann sinkt das „Hoffnungsbarometer“ in Wichtelgrund und Amelia will herausfinden, was passiert ist. Zusammen mit Pixie gerät sie in ein gefährliches Abenteuer.
Der Schreibstil von Matt Haig ist sehr bildhaft, voller witziger Ideen und kindgerecht. Auch wenn Amelia in Gefahr gerät und es spannend wird, so weiß man doch, das alles gut enden wird, denn es ist ein Kinderbuch. Auch der Bösewicht, der Osterhase, ist nicht wirklich richtig böse. Und zwischen den Zeilen liest man viele wichtige Botschaften. Es geht um Vertrauen, Vorurteile, Mut und den Glaube an Wunder. Das Buch ist toll mit schwarz-weiß Zeichnungen von Chris Mould illustriert.
Obwohl mir die beiden Vorgängerbücher etwas besser gefallen haben, fand ich auch diese Geschichte wieder ganz wundervoll und magisch.

Veröffentlicht am 08.11.2018

Manchmal halten wir das, was wir haben, für selbstverständlich

Ein Weihnachtsfest in Småland
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Inhalt: Alva ist seit 29 Jahren mit Michael verheiratet und ihre Ehe ist inzwischen etwas langweilig geworden. Als Martin zu Weihnachten die ganze Verwandtschaft einläd und Alva deshalb den geplanten Urlaub ...

Inhalt: Alva ist seit 29 Jahren mit Michael verheiratet und ihre Ehe ist inzwischen etwas langweilig geworden. Als Martin zu Weihnachten die ganze Verwandtschaft einläd und Alva deshalb den geplanten Urlaub zu zweit in Schweden absagen muss, beginnt sie, über ihr Leben nachzudenken. Über ihre Ehe, ihren Beruf und ihre Vergangenheit. Sie erinnert sich an die Sommerurlaube mit ihren Eltern in Schweden und an ihre erste Liebe.

Meine Meinung: Ich wollte vor dem Einschlafen noch ein paar Seiten lesen - zwei Stunden später hatte ich dann dieses kleine Buch (128 Seiten) beendet. Der Schreibstil von Stina Lund lässt sich sehr angenehm und flüssig lesen und ich konnte das Buch nicht zur Seite legen. Alva, die 53-jährige Protagonistin, mochte ich von Anfang an sehr gerne und konnte mich gut in sie hineinversetzen.
Die Geschichte, die nur innerhalb weniger Tage spielt und ein paar Rückblicke enthält, ist eher ruhig und regt zum Nachdenken an. Besonders passend zum Thema fand ich einige Aussagen von Alvas Kollegin Maritt.
Z.B.: „Manchmal halten wir das, was wir haben, für selbstverständlich. Und darüber vergessen wir, wie besonders das ist, was wir haben.“
oder „Man kann nicht einfach fliehen, nur weil einem nicht gefällt, was geschieht - vor allem dann nicht, wenn man selbst die Schuld daran trägt.“
Die winter- und weihnachtliche Stimmung in Schweden mit den alten Bräuchen, dem Schneefall, dem Elch und der Gemütlichkeit im Ferienhaus, hat mir auch gut gefallen. Je weiter ich las, desto warmherziger habe ich die gesamte Stimmung des Buches empfunden. Auch das Ende fand ich schön und sehr passend für ein Weihnachtsbuch.

Fazit: Mir hat diese kleine Weihnachtsgeschichte sehr gut gefallen. Allerdings würde ich sie eher älteren Leserinnen (vielleicht ab 40 Jahren) empfehlen.
Wegen des schönen Covers und des kleinen Formates ist dieses Buch eine schöne Geschenkidee.

Veröffentlicht am 15.10.2018

Eindringlich und schockierend

Grenzgänger
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Inhalt: In den harten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Tod der Mutter, versucht die 14 jährige Henni, den Lebensunterhalt für sich und ihre drei jüngeren Geschwister mit Kaffee-Schmuggel zu verdienen. ...

Inhalt: In den harten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Tod der Mutter, versucht die 14 jährige Henni, den Lebensunterhalt für sich und ihre drei jüngeren Geschwister mit Kaffee-Schmuggel zu verdienen. Ihr Vater ist seit der Rückkehr aus dem Krieg ein gebrochener Mann und kümmert sich nicht mehr um die Kinder. Seine Zeit verbringt er in der Kirche oder im Wirtshaus. Nach einem tragischen Unfall während einer Schmuggel-Tour wird Henni verhaftet und in eine Besserungsanstalt gesteckt. Ihre Geschwister kommen auf Wunsch des Vaters in ein kirchliches Kinderheim, wo Matthias, der älteste Bruder bald darauf an einer Lungenentzündung stirbt.
Erst Jahre später erfährt Henni von den katastrophalen Zuständen im Kinderheim und geht vor Gericht. Das hat ungeahnte Folgen…

Meine Meinung: Der Titel „Grenzgänger“ bezieht sich in diesem Buch auf die Gruppe von Menschen, die die deutsch-belgische Grenze überqueren um Kaffee zu schmuggeln.
Der Roman wechselt zwischen drei verschiedenen Zeitebenen und Personen. Ziemlich schnell erkennt man aber die Zusammenhänge und den Sinn dieser gut gelungenen Struktur.
Die Handlung im Herbst 1970 (im Buch die Gegenwart) wird aus der Sicht von Elsa erzählt, einer ehemaligen Nachbarin und immer noch guten Freundin von Henni. Obwohl es nicht um Elsas Geschichte geht, spielt sie eine wichtige Rolle in diesem Buch und wurde mir immer sympathischer. Einige Monate zuvor, im April 1970, wird um Thomas von seinem Freund Fried, Hennis jüngstem Bruder, gebeten, in der Verhandlung gegen eine Ordensschwester des Heims, auszusagen. Thomas, Fried und Matthias hatten sich im Kinderheim kennengelernt und angefreundet. Durch Thomas Erinnerungen erfährt der Leser von den grausamen Erziehungsmethoden der Schwestern. Der lange Aufenthalt im Heim hat Thomas stark geprägt und verletzlich gemacht. Hennis Geschichte beginnt schon 1945 und erzählt von der großen Verantwortung, die sie nach dem Tod ihrer Mutter für ihre Geschwister übernimmt, und die sie ein Leben lang begleitet. Sie zeigt viel Mut und Stärke und stellt ihre eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund.
Die schwere Nachkriegszeit wird hier sehr eindringlich geschildert. Der Hunger und die Entbehrungen, die schlechte medizinische Versorgung, die psychischen Probleme der Kriegsheimkehrer, der tägliche Kampf ums Überleben und die schlimmen Zustände in einigen Kinderheimen. Der Schreibstil von Mechtild Borrmann ist wie gewohnt flüssig und packend und die Protagonisten wirken absolut authentisch. Auch wenn die Geschichte fiktiv ist, beruht sie auf historischen Hintergründen.

Fazit: Das Buch ist ein Stück Zeitgeschichte, das mich berührt und schockiert hat.