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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.08.2022

Lesenswertes Debüt

Die Ewigkeit ist ein guter Ort
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Die Endzwanzigerin Elke ist kurz davor, ihre Ausbildung zur Pastorin abzuschließen. Ihr Vater, der ebenfalls Pastor ist, erwartet selbstverständlich, dass sie eines Tages seine Gemeinde übernimmt.
Elke ...

Die Endzwanzigerin Elke ist kurz davor, ihre Ausbildung zur Pastorin abzuschließen. Ihr Vater, der ebenfalls Pastor ist, erwartet selbstverständlich, dass sie eines Tages seine Gemeinde übernimmt.
Elke arbeitet ehrenamtlich in einem Pflegeheim, eine Aufgabe, die ihr sehr viel Freude macht. Selbst während des Kölner Karnevals übernimmt sie gern eine Schicht, damit die Kollegen feiern können. In dieser Nacht passiert es. Eine sterbende Frau bittet sie, mit ihr das Vaterunser zu beten, doch Elke kann sich plötzlich nicht mehr an den Text erinnern. Sie diagnostiziert sich selbst mit „Gottdemenz“. Es bleibt nicht bei dem einen Vorfall und Elke beginnt zu zweifeln, ob sie überhaupt Pastorin werden will und kann.
Ihr äußerst verständnisvoller Partner Jan beruhigt sie damit, es könne sich nur um eine Phase handeln, doch die Ursachen liegen tiefer. Vor Jahren hat Elke ein Trauma erlitten. Ihr Bruder kam ums Leben. Weder sie noch ihre Eltern haben dieses Trauma je überwunden. Als Elkes Vater schwer krank wird, fährt sie nach Hause und beginnt, sich der Vergangenheit zu stellen.
„Die Ewigkeit ist ein guter Ort“ ist sowohl sprachlich als auch inhaltlich überzeugend. Elke ist zwar eine sehr eigenwillige Persönlichkeit und manche ihrer Handlungen sind so skurril, dass ich sie in keinster Weise nachvollziehen konnte, doch habe ich gerne ihre Entwicklung mitverfolgt. Der Roman behandelt ernste Themen und ist gleichzeitig stellenweise urkomisch. Ein ganz bemerkenswertes Debüt, das ich absolut empfehlen kann.

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Veröffentlicht am 18.07.2022

Eine schwere Bürde

Eine Feder auf dem Atem Gottes
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In ihrem autobiographischen Roman „Eine Feder auf dem Atem Gottes“ gibt uns Sigrid Nunez Einblicke in ihre Kindheit und Jugend in New York. Ihre Eltern lernten sich in Deutschland kennen, ihr Vater ein ...

In ihrem autobiographischen Roman „Eine Feder auf dem Atem Gottes“ gibt uns Sigrid Nunez Einblicke in ihre Kindheit und Jugend in New York. Ihre Eltern lernten sich in Deutschland kennen, ihr Vater ein chinesisch-südamerikanischer Soldat, die Mutter aus Süddeutschland. Eigentlich passen sie überhaupt nicht zusammen, trotzdem heiraten sie und ziehen in die USA.
Im ersten Kapitel beschreibt die Autorin ihren Vater, der ihr zeitlebens fremd blieb. Er lernte nie richtig Englisch, einer von vielen Gründen, warum die Mutter auf ihn herabsah. Er arbeitete hart, aß alleine, verbrachte seine knapp bemessene freie Zeit so gut wie nie mit der Familie, kurzum, er blieb ein Fremder. Eine Tatsache, die Sigrid Nunez als Erwachsene schmerzt, da der Vater früh starb und sie so nie die Gelegenheit hatte, das Verpasste nachzuholen.
Die Ehe der Eltern war unglücklich, was für die Kinder sicher eine schwere Bürde darstellt. Die Mutter trauerte noch lange Deutschland und ihrer Jugendliebe nach, die sie regelrecht verklärt. Sigrid wendet sich bald dem Ballett zu und findet darin große Befriedigung, auch wenn sie nicht talentiert genug ist, eine große Ballerina zu werden. Das Kapitel, das den Titel des Buchs trägt und in dem Nunez ihre Faszination mit dem Ballett schildert, hat mich ziemlich befremdet, da ich nicht nachvollziehen kann, wie man freiwillig blutige Zehen und Schmerzen auf sich nimmt, nur um Spitzentanz zu beherrschen und auf der Bühne zu stehen. Den Balletttänzerinnen wird außerdem nahegelegt, so gut wie nichts zu essen, um ihre mädchenhafte Figur zu behalten: institutionalisierte Magersucht. Wahrscheinlich hat sich bis heute nichts daran geändert. Ein für mich sehr verstörendes Kapitel.
Im letzten Kapitel ihres Buchs beschreibt die Autorin ihre Affaire mit dem russischen Einwanderer Vadim, den sie durch ihre Tätigkeit als Englischlehrerin kennenlernt. Von Anfang an ist klar, dass er verheiratet ist und seine Frau nicht verlassen wird. Es ist eine leidenschaftliche Beziehung zu einem Mann mit äußerst zwielichtiger Vergangenheit, wie sie nach und nach feststellt.
Nunez erzählt mit schonungsloser Offenheit aus ihrer Jugend, selbst wenn sie dabei nicht immer in einem guten Licht dasteht. Obwohl mich manches in diesem Buch befremdet und sogar abgestoßen hat, fand ich den Roman faszinierend und lesenswert.

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Veröffentlicht am 11.07.2022

Schatzsuche im Uferschlamm

Die versteckte Apotheke
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Ihre Reise nach London anlässlich ihres 10. Hochzeitstags hatte sich Caroline anders vorgestellt. Anstatt, wie geplant, romantische Touren mit ihrem Ehemann zu unternehmen, reist sie allein, da sie kurz ...

Ihre Reise nach London anlässlich ihres 10. Hochzeitstags hatte sich Caroline anders vorgestellt. Anstatt, wie geplant, romantische Touren mit ihrem Ehemann zu unternehmen, reist sie allein, da sie kurz zuvor erfahren hat, dass ihr Mann sie betrügt.
Traurig und verloren macht sich Caroline am ersten Tag in London auf zu einem Pub, als ihr ein Mann von „Mudlarking“ Touren erzählt, der Suche nach Gegenständen aus längst vergangenen Zeiten im Uferschlamm der Themse. Caroline, die Geschichte studiert hat, schließt sich der Gruppe an und findet prompt ein kleines Glasfläschchen mit der Gravur eines Bären. Fasziniert macht sie sich auf die Suche nach der Herkunft des Fläschchens und lernt dabei Gayle kennen, die im britischen Museum arbeitet und ihr Zugang zu alten Dokumenten verschafft.
In einem zweiten Handlungsstrang, der 200 Jahre früher spielt, lernen wir die Apothekerin Nella und die junge Eliza kennen. Nella betreibt die titelgebende versteckte Apotheke, in der sie hilfesuchenden Frauen allerlei Gifte verkauft, mit denen sie sich beispielsweise eines gewalttätigen Ehemanns entledigen können.
Bis etwa zur Mitte des Buchs habe ich diesen Roman verschlungen, danach wird er leider immer unrealistischer. So findet Caroline einen versteckten Hinterhof und hinter einer verwitterten Tür einen Raum, den seit Jahrhunderten niemand mehr betreten hat. Und das mitten im Finanzzentrum Londons, wo das besagte Grundstück wahrscheinlich Millionen wert ist! Auch kann ich mir nicht vorstellen, dass ein 200 Jahre alter Notizzettel, den eine alte Frau auf ihrem Sterbebett verfasst hat, aufbewahrt wurde und Caroline bzw. Gayle ihn auf Anhieb finden.
Trotzdem ist „Die versteckte Apotheke“ ein kurzweiliger und zumindest am Anfang spannender Roman, der mich gut unterhalten hat.

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Veröffentlicht am 07.07.2022

Nur mäßig spannend

Der Mann in den Dünen
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Lena Lorenzen fängt nach ihrer Elternzeit wieder an zu arbeiten. Ihr erster Fall führt sie nach Sylt, wo ein Reeder aus Hamburg anscheinend entführt wurde. Die Familie erweist sich zunächst als unkooperativ, ...

Lena Lorenzen fängt nach ihrer Elternzeit wieder an zu arbeiten. Ihr erster Fall führt sie nach Sylt, wo ein Reeder aus Hamburg anscheinend entführt wurde. Die Familie erweist sich zunächst als unkooperativ, vor allem ein Sohn gibt sich äußerst arrogant. Die Familienverhältnisse sind etwas schwierig, da der Reeder einen Sohn aus einer anderen Beziehung hatte und der eheliche Sohn den Halbbruder nicht akzeptiert.
Der Verwalter des Reeders Doormann verschwindet ebenfalls und die Polizei geht davon aus, dass ein Zusammenhang besteht.
„Der Mann in den Dünen“ ist bereits der 9. Fall der Inselkommissarin Lena Lorenzen. Ich hatte die vorigen Bände nicht gelesen, doch der Band lässt sich auch gut ohne Vorkenntnisse lesen. Eigentlich hat dieser Krimi alles, was einen Krimi ausmacht, allerdings fehlt das Wichtigste: Spannung. Der Fall plätschert so vor sich hin, es wird in alle Richtungen ermittelt und Spuren verfolgt und wieder verworfen, aber für mich kam einfach keine Spannung auf. Außerdem blieben die Personen blass. Ich habe keinerlei Vorstellung von Lena Lorenzen, ihren Kollegen und ihrer Familie. Der ganze Handlungsstrang um Lenas kleinen Sohn ist äußerst unrealistisch. Welcher Einjährige ist ständig nur am Schlafen und spielt zufrieden, wenn die Mutter nach einem Jahr tagelang weg ist?!
Wer ein wenig Sylter Lokalkolorit erwartet, wird auch enttäuscht. Der Krimi könnte wirklich überall spielen. Außer dass Lena des öfteren den Lister Hafen erwähnt und die Entführung in den Dünen stattfand, ist der Schauplatz Nebensache.
Ich hatte mich wirklich auf die Lektüre gefreut, bin aber ziemlich enttäuscht. Für mich wird dies der erste und letzte Fall der Inselkommissarin sein.

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Veröffentlicht am 01.07.2022

Ein Ende in Würde

Die sieben Schalen des Zorns
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Max Keller hat eine schwierige Kindheit hinter sich, als er nach dem Tod des gewalttätigen Vaters von seiner Tante Maria aufgenommen wird. Die beiden haben ein inniges Verhältnis, deshalb ist es für Max, ...

Max Keller hat eine schwierige Kindheit hinter sich, als er nach dem Tod des gewalttätigen Vaters von seiner Tante Maria aufgenommen wird. Die beiden haben ein inniges Verhältnis, deshalb ist es für Max, der inzwischen Arzt ist, gar keine Frage, als Maria ihn nach einer Alzheimerdiagnose bittet, ihrem Leben ein Ende zu setzen, wenn eines Tages ein Leben in Würde nicht mehr möglich sein sollte.
Max, der inzwischen weitere Schicksalsschläge hinter sich hat, löst sein Versprechen ein und wird prompt der aktiven Sterbehilfe angeklagt.
Ausgerechnet Max Kellers bester Freund aus Jugendtagen, Jonas, der kurz vor der Ernennung zum Generalstaatsanwalt steht, ist der zuständige Staatsanwalt in dem Verfahren gegen seinen alten Freund, in dessen Schuld er steht.
Der Autor und Rechtsanwalt Markus Thiele spricht hier ein brisantes und aktuelles Thema an. Wo verläuft die Grenze zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe? Ist es nicht Teil eines selbstbestimmten Lebens und somit verfassungskonform, wenn man seinem Leben ein Ende setzen will, wenn dieses nur noch aus Siechtum besteht? „Die sieben Schalen des Zorns“ ist ein anspruchsvolles und aufrüttelndes Buch. In Rückblenden erfährt der Leser Einzelheiten aus dem Leben der Hauptpersonen, die für das Verständnis ihrer Handlungsweisen wichtig sind. Allerdings fand ich diese Rückblicke zum Teil sehr langatmig und ausufernd, was bei mir etwas Langeweile aufkommen ließ. Nichtsdestotrotz ist es ein Buch, das ein wichtiges gesellschaftspolitisches Thema anspricht. Klare Leseempfehlung.

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