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Veröffentlicht am 21.01.2024

Einblick in das Leben strenggläubiger Juden

Die Hoffnung der Chani Kaufman
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Chani Kaufman ist eine junge Frau, die seit einem Jahr mit ihrem Ehemann Baruch verheiratet ist. Beide wünschen sich sehnlichst ein Kind, und überdies ist ein Kind zu bekommen eine Mizwa, also eine Vorschrift ...

Chani Kaufman ist eine junge Frau, die seit einem Jahr mit ihrem Ehemann Baruch verheiratet ist. Beide wünschen sich sehnlichst ein Kind, und überdies ist ein Kind zu bekommen eine Mizwa, also eine Vorschrift für gläubige Juden. Aus lauter Verzweiflung beschließt das in Jerusalem lebende Paar, in einer Kinderwunschklinik in London vorstellig zu werden. Baruchs Mutter hofft insgeheim, dass Chani unfruchtbar ist, denn dann könnte die ungeliebte Schwiegertochter von Baruch verstoßen werden und dieser wäre frei für eine neue Ehe, dieses Mal hoffentlich mit einer in ihren Augen passenderen Frau.
In einem anderen Handlungsstrang lernen wir die mit einem Rabbi verheiratete Rivka kennen, die das Leben in der jüdischen Gemeinde im Londoner Stadtteil Golders Green mit all seinen Zwängen nicht mehr erträgt und von zuhause ausgezogen ist. Ihr Mann Chaim ist verzweifelt, er liebt sie, kann jedoch als Rabbi unmöglich mit einer Frau zusammen sein, die sich vom Glauben abgewandt hat und – Gott bewahre! – ihr Haar nicht mehr unter einer Perücke versteckt und Jeans trägt. Rivkas Tochter will nichts mehr von ihr wissen, während ihr Sohn seine Mutter schmerzlich vermisst.
Ich habe schon mehrere Bücher gelesen, in denen es um den jüdischen Glauben und die vielen Gesetze und Regeln ging, nach denen orthodoxe Juden leben, doch keines war so interessant und ausführlich wie „Die Hoffnung der Chani Kaufman“. Es ist ein sehr berührendes und informatives Buch, das Einblick in das Leben orthodoxer Juden gibt. Es beschreibt außerdem die Zerrissenheit und Einsamkeit derjeniger, die die Gemeinde verlassen haben und die Verachtung, die ihnen von ihren früheren Nachbarn und Weggefährten entgegengebracht wird.
Das Buch liest sich so spannend wie ein Krimi und hat mich sehr berührt. Erst während der Lektüre habe ich festgestellt, dass es bereits einen Vorgängerband, „Die Hochzeit der Chani Kaufman“ gibt, den ich allerdings nicht gelesen habe. Da die beiden Bände unabhängig voneinander sind, war dies kein Problem. Die vielen im Text vorkommenden hebräischen Begriffe werden in einem ausführlichen Glossar sehr gut erklärt.
Ich kann dieses wundervolle Buch uneingeschränkt empfehlen.

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Veröffentlicht am 20.01.2024

Bauernopfer oder Mörder?

Die Spiele
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Der Titel von Stephan Schmidts Roman „Die Spiele“ bezieht sich auf die Olympischen Spiele und deren Vergabe, über die in Shanghai abgestimmt wird. Der deutsche Journalist Thomas Gärtner will sich dort ...

Der Titel von Stephan Schmidts Roman „Die Spiele“ bezieht sich auf die Olympischen Spiele und deren Vergabe, über die in Shanghai abgestimmt wird. Der deutsche Journalist Thomas Gärtner will sich dort mit dem IOC-Funktionär Charles Murandi aus Mosambik treffen, weil dieser ihm angeblich brisante Dokumente übergeben will. Um ein Visum zu erhalten, macht Gärtner falsche Angaben, was in China keine gute Idee ist. Gärtner und Murandi kennen sich seit 1994, als sich Gärtner als Korrespondent in Mosambik aufhielt. Er lernt dort Murandi als Anführer der sogenannten Madgermanes kennen, mosambikische Staatsangehörige, die als Leiharbeiter in der DDR tätig waren und um einen Großteil ihres Lohns geprellt wurden. Nach der Wiedervereinigung mussten sie die DDR verlassen und seitdem demonstrieren sie in Maputo dafür, den von ihrer Regierung unrechtmäßig einbehaltenen Teil ihres Lohns zurückzubekommen. Es handelt sich hierbei im Übrigen um eine wahre Begebenheit.
Das Treffen mit Murandi erweist sich als ziemlich frustrierend, weshalb Gärtner beschließt, ihn erneut aufzusuchen. Pech nur, dass die Hotelkameras aufzeichnen, wie er Murandis Hotelzimmer verlässt, zumal dieser am nächsten Tag tot aufgefunden wird. Eine Schlüsselrolle spielt auch die Konsularbeamtin Lena Hechfellner, die sowohl Gärtner als auch Murandi von früher kennt.
Die Geschichte ist interessant, aber trotzdem kam über viele Seiten hinweg, vor allem in der Mitte des Buchs, keine Spannung auf. Was mich außerdem irritiert hat, ist die Mischung aus Fakten, Halbwahrheiten und Fiktivem, wobei man sich nie sicher sein kann, was was ist. Manche Personen werden namentlich genannt, beispielsweise Regierungssprecher Seibert oder Horst Seehofer. Heißt das, die beschriebenen Anekdoten und Situationen entsprechen der Wahrheit? Was „die Kanzlerin“ anbelangt, so versichert der Autor, dass es sich um eine fiktive Person handelt. Seltsam nur, dass sie sich Gedanken über das Ende ihrer Amtszeit macht.
Vieles in diesem Kriminalroman wird nur angedeutet und ich habe mich oft gefragt, was denn nun wirklich passiert ist. Nicht nur Gärtner gerät ins Visier der chinesischen Behörden, ein zweiter Journalist wird an der Ausreise aus China gehindert. Über sein weiteres Schicksal erfährt man allerdings nichts, es sei denn ich habe es überlesen, denn zugegebenermaßen wollte ich die letzten Seiten einfach nur hinter mich bringen.
Alles in allem finde ich den Roman durchaus lesenswert, zumal er eine Vielzahl an brisanten Themen anspricht. Aber vielleicht ist genau das auch der Grund, weshalb mir der Roman ziemlich überfrachtet und stellenweise zu langatmig erschien.

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Veröffentlicht am 07.01.2024

Nachspielzeit

Immer noch wach
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Als er sieben Jahre alt war, starb Alex‘ Vater an Magenkrebs. Seitdem schwebt die Diagnose Krebs wie ein Damoklesschwert über Alex, denn er befürchtet, ebenfalls an Krebs zu erkranken. Im Alter von dreißig ...

Als er sieben Jahre alt war, starb Alex‘ Vater an Magenkrebs. Seitdem schwebt die Diagnose Krebs wie ein Damoklesschwert über Alex, denn er befürchtet, ebenfalls an Krebs zu erkranken. Im Alter von dreißig Jahren ist es soweit: auch er wird mit Magenkrebs diagnostiziert. Er erinnert sich nur allzu gut an das langsame und würdelose Sterben seines Vaters und wie schlimm dieser Prozess für die Angehörigen war. Um nichts in der Welt will er seinem besten Freund Bene, mit dem er ein Café betreibt, und seiner Lebensgefährtin Lisa dies zumuten. Solange es ihm noch einigermaßen gut geht, will er bleiben und sich danach für die letzte Zeit ein Hospiz suchen, aber niemandem verraten, wohin er geht.
Obwohl sie seine Entscheidung nicht gutheißen, akzeptieren Lisa und Bene wohl oder übel seinen Entschluss.
Im Hospiz lernt Alex die anderen Gäste kennen, die fast alle schnell versterben. Nur zu Kasper, der wie er schon längere Zeit dort ist und trotz seiner schweren Erkrankung nicht stirbt, baut er eine nähere Beziehung auf. Auch Alex stellt fest, dass ihm mehr Zeit bleibt als angenommen, und er beschließt, eine Löffelliste abzuarbeiten, also eine Liste der Dinge, die er noch tun will, bevor er den Löffel abgibt.
Ich hatte noch nie von dem Autor und diesem Buch gehört, als ich es kürzlich auf einer Empfehlungsliste von Büchern fand, die die betreffenden Redakteure im Laufe des letzten Jahres besonders beeindruckt haben. Auch ich fand den Roman lesenswert. Es ist keine deprimierende Lektüre, wie man vielleicht annehmen könnte, denn man erfährt auch viel über Alex‘ Lebenslust und seine schönen und lustigen Erlebnisse. Leider sind die in kurzen Kapiteln beschriebenen Rückblicke in keinster Weise chronologisch geordnet und man weiß beim Lesen zunächst nie, auf welche Phase von Alex‘ Leben sich ein Abschnitt gerade bezieht. Das fand ich etwas irritierend. Es ist wie ein Mosaik, das man sich selbst zusammensetzen muss.
Dennoch hat mir „Immer noch wach“ gut gefallen. Es ist ein eindrücklicher Roman, der nachdenklich stimmt und noch eine ganze Weile nachhallt.

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Veröffentlicht am 02.01.2024

Eine andere Art von Challenge

Die Schuld, die man trägt
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Seit ihr ehemaliger Kollege Billy Rosén als mehrfacher Mörder entlarvt wurde, ist die schwedische Reichsmord-Kommission ins Kreuzfeuer der Kritik geraten und ihre Auflösung steht im Raum. Kriminalpsychologe ...

Seit ihr ehemaliger Kollege Billy Rosén als mehrfacher Mörder entlarvt wurde, ist die schwedische Reichsmord-Kommission ins Kreuzfeuer der Kritik geraten und ihre Auflösung steht im Raum. Kriminalpsychologe Sebastian Bergman soll die Gruppe künftig nicht mehr beraten. Dann geschieht jedoch ein Mord, in dem der Täter Bergman dazu auffordert, ihn zu finden. Natürlich kann er nun nicht mehr von der Ermittlung ausgeschlossen werden.

„Die Schuld, die man trägt“ ist bereits der achte Band der Reihe um Sebastian Bergman. Seine Leserschaft kennt ihn von jeher als charismatischen, genialen, aber egoistischen Menschen, doch so unsympathisch wie in diesem Band wurde er noch nie dargestellt. Es verwundert daher nicht, dass sich so manche seiner früheren Weggefährten von ihm abgewandt haben.

Seit dem letzten Band der Reihe ist einiges an Zeit vergangen, deshalb fiel es mir zunächst schwer, die ganzen Namen und Vorgänge wieder einordnen zu können. Quereinsteiger in die Reihe dürften mit den vielen Namen sowie den zahlreichen Verweisen auf frühere Fälle ihre Probleme haben.

Obwohl ich den Krimi ausgesprochen spannend fand, ist dies mein Hauptkritikpunkt. Es werden uralte Fälle wieder ausgegraben, nicht zuletzt, weil der Täter das Setting seiner Taten teilweise an frühere Fälle, an denen Bergman mitwirkte, anlehnt. Jedoch wird bis zuletzt nicht geklärt, wie der Täter an dieses Wissen gelangte.

Ich habe diesen Krimi gern gelesen und er hat mich hervorragend unterhalten, aber insgesamt empfinde ich die Story als überfrachtet. Billys Entwicklung fand ich besonders krass. Wie immer endet das Buch offen, dieses Mal gleich mit mehreren Cliffhangern. Und wie immer ist das ziemlich frustrierend. Es bleibt zu hoffen, dass die beiden Autoren Hjorth und Rosenfeldt sich nicht ganz so lange Zeit lassen bis zum nächsten Band! Fans der Reihe sollten das Buch auf jeden Fall lesen.

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Veröffentlicht am 01.01.2024

Die Abteilung für hoffnungslose Fälle im Aufwind

Stille Falle
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Leonore Asker ist eine fähige Ermittlerin im Malmöer Dezernat für Kapitalverbrechen. Sie rechnet damit, in Bälde die Leitung der Abteilung zu übernehmen, als ihr aufgrund einer Intrige unter dem Deckmantel ...

Leonore Asker ist eine fähige Ermittlerin im Malmöer Dezernat für Kapitalverbrechen. Sie rechnet damit, in Bälde die Leitung der Abteilung zu übernehmen, als ihr aufgrund einer Intrige unter dem Deckmantel einer Beförderung die Leitung einer anderen Abteilung übertragen wird, da deren bisheriger Chef nach einem Herzinfarkt im Krankenhaus liegt. Diese Abteilung, die den vielsagenden Spitznamen „Abteilung für hoffnungslose Fälle“ trägt, erscheint ihr zunächst wie eine Strafversetzung, was sie ja auch ist, doch dann stößt sie auf Recherchen des erkrankten Kollegen, die mit dem Entführungsfall in Zusammenhang stehen, mit dem sie sich bis vor kurzem beschäftigte. Gleichzeitig stellt sie fest, dass die meisten Mitarbeiter ihrer neuen Abteilung sehr viel kompetenter sind, als dies zunächst den Anschein hatte.
Sie findet heraus, dass die beiden jungen Entführten aus der URBEXER-Szene stammen, deren Anhänger sogenannte Lost Places, also alte verlassene Fabriken und Stollen etc., erkunden. Da sie offiziell von dem Fall abgezogen wurde und keinen Zugang zu den Ermittlungsakten und offiziellen Quellen mehr hat, wendet sie sich an einen Freund aus Kindheitstagen und bittet ihn um Hilfe, denn sie weiß, dass dieser ebenfalls in der Szene aktiv ist. Gemeinsam kommen sie dem Täter, der sich „Troll“ nennt, immer näher und bringen sich damit selbst in höchste Gefahr.
„Stille Falle“ ist ein äußerst spannender und gelungener Kriminalroman. Er wird in kurzen Kapiteln abwechselnd aus der Sicht der einzelnen Protagonisten erzählt, wodurch immer wieder neue Aspekte, Theorien und Verdächtige auftauchen und die Leser bis zuletzt miträtseln können, wer denn nun der Troll ist. Lediglich gegen Ende des Romans fand ich eine Wendung ziemlich unlogisch, aber meinem Lesegenuss hat dies keinen Abbruch getan. Ich freue mich schon sehr auf die Fortsetzung dieser Reihe um die ungewöhnliche und taffe Leonore Asker und ihre schrulligen Mitarbeiter!

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