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Veröffentlicht am 28.06.2019

Lernen, auf eigenen Beinen zu stehen

Das Leuchten jenes Sommers
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Chloe hat in jungen Jahren beide Eltern verloren und sich fortan um ihren jüngeren behinderten Bruder Danny gekümmert. Als sie den charmanten Arzt Aidan kennenlernt, der sich in sie verliebt und ihr verspricht, ...

Chloe hat in jungen Jahren beide Eltern verloren und sich fortan um ihren jüngeren behinderten Bruder Danny gekümmert. Als sie den charmanten Arzt Aidan kennenlernt, der sich in sie verliebt und ihr verspricht, sich fortan um sie zu kümmern, ist sie zunächst überglücklich. Doch seine Fürsorglichkeit verwandelt sich immer mehr in den Zwang, sie zu kontrollieren und einzusperren.
Eines Tages versucht der Verleger Matt Cooper, Kontakt zu Chloe aufzunehmen. Chloe soll Fotos von Madeleine Hamilton, einer Illustratorin und Autorin von Kinderbüchern, aufnehmen. Chloe war vor ihrer Ehe Fotografin, doch Aidan möchte nicht, dass seine Frau arbeitet. Da Matt Coopers Anruf von Aidan entgegengenommen wird, sagt dieser den Auftrag sofort ab, erzählt Chloe jedoch davon. Chloe kennt die Bücher nur allzu gut, sie waren ein wichtiger Teil ihrer Kindheit und Jugend. Schon allein deshalb möchte sie den Auftrag unbedingt annehmen.
Ohne Aidan davon zu erzählen, nimmt sie Kontakt zu Matt Cooper auf und fährt zu Madeleine. Die beiden Frauen sind sich sympathisch. Natürlich kann Chloe nicht lange geheim halten, dass sie hinter Aidans Rücken zu Madeleine Hamilton gefahren ist, was Aidan ganz und gar nicht gefällt...
In einem zweiten Handlungsstrang erleben wir Madeleine als junges Mädchen zusammen mit ihrer Schwester Georgiana auf dem Landgut der Familie, Summerhill. Auch die beiden haben ihre Eltern verloren und die Ältere der beiden, Georgiana, kümmert sich zusammen mit einer Tante um die jüngere Schwester. Als Georgie nach einer Weile auf dem Kontinent nach Summerhill zurückkehrt, bringt sie ihren Freund Victor und dessen Clique mit. Maddie ist entsetzt über die Oberflächlichkeit von Georgies Freunden im Angesicht des Zweiten Weltkriegs. Doch auch Georgie selbst hat sich verändert.
„Das Leuchten jenes Sommers“ beleuchtet das Leben zweier Frauen, die beide lernen müssen, auf eigenen Beinen zu stehen. Für meine Begriffe handelt es sich um einen reinen Frauenroman, einen richtig schönen Schmöker, perfekt als Ferienlektüre. Dass die Handlung teilweise ziemlich vorhersehbar ist, hat mich nicht allzu sehr gestört.

Veröffentlicht am 23.06.2019

Mut zum Glück

Unsere Seelen bei Nacht
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Unsere Seelen bei Nacht ist ein Buch über zwei mutige alte Menschen, die noch einmal das Glück erleben möchten, egal, was ihre Umgebung davon hält.
Eines Tages macht die über 70jährige Addie Moore dem ...

Unsere Seelen bei Nacht ist ein Buch über zwei mutige alte Menschen, die noch einmal das Glück erleben möchten, egal, was ihre Umgebung davon hält.
Eines Tages macht die über 70jährige Addie Moore dem etwa gleichaltrigen Witwer Louis Waters einen ungewöhnlichen Vorschlag. Sie fragt, ob er nicht ab und zu die Nacht bei ihr verbringen möchte. Es gehe ihr nicht um Sex, nur ums Reden und sich weniger einsam zu fühlen.
Zu diesem Zeitpunkt kennen sich die beiden gar nicht besonders gut, nur, wie man sich als Nachbarn eben so kennt. Doch Louis lässt sich auf den Vorschlag ein und es entwickelt sich eine schöne Freundschaft zwischen ihnen. Natürlich bleibt "das Verhältnis" der beiden Senioren in dem kleinen Ort Holt nicht unentdeckt und die Leute zerreißen sich bald die Mäuler über die beiden, was ihnen aber egal ist. Auch die erwachsenen Kinder von Addie und Louis finden ihre Eltern peinlich. Addies Sohn Gene geht sogar so weit, Louis zu verbieten, weiterhin seine Mutter zu sehen. Dabei ist er derjenige, der so einiges von Addie und Louis lernen könnte. Die eigene Ehe ist nämlich ziemlich kaputt, seine Frau Beverly hat ihn verlassen, weshalb Gene sich gezwungen sieht, seinen kleinen Sohn Jamie für eine Weile zu Addie zu bringen. Jamie, der zunächst an Angstzuständen leidet und sich für nichts als sein Handy interessiert, wird von Louis und Addie liebevoll umsorgt und an die Natur und Sport herangeführt. Es geht ihm dort sehr viel besser als Zuhause bei seinen ewig streitenden Eltern und seinem strengen Vater.
Unsere Seelen bei Nacht ist ein ruhiges kleines Buch, das ich auf einmal gelesen habe. Teilweise erschienen mir die Szenen und Beschreibungen etwas banal, etwa wenn ein Jahrmarkt in allen Einzelheiten beschrieben wird, doch spiegelt der Roman das Leben im Mittleren Westen sehr gut wieder, die endlose Weite, die Getreidefelder, Kleinstädte, in denen jeder jeden kennt und die Engstirnigkeit mancher Leute. Das Ende des Buchs ist ein wenig traurig, aber vielleicht realistischer als ein happy end. Es kommt mir vor, als habe sich Kent Haruf in diesem Buch mit dem eigenen Alter auseinandergesetzt. Es wurde kurz vor seinem eigenen Tod beendet.

Veröffentlicht am 16.06.2019

Ein großer Schritt

Launen der Zeit
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Als Kind ist Willa den Launen ihrer Mutter ausgesetzt. Jedes Mal, wenn die Mutter wieder einmal im Zorn davonfährt, haben Willa und ihre kleine Schwester Angst, dass sie nicht wiederkommt. Kein Wunder, ...

Als Kind ist Willa den Launen ihrer Mutter ausgesetzt. Jedes Mal, wenn die Mutter wieder einmal im Zorn davonfährt, haben Willa und ihre kleine Schwester Angst, dass sie nicht wiederkommt. Kein Wunder, dass Willa den Erstbesten, der ihr einen Antrag macht, heiratet. Ihr Studium gibt sie zunächst auf. Familie geht vor. Den Plan, nach den Schwangerschaften weiter zu studieren, setzt sie nie in die Tat um.
Auch in ihrer Ehe mit Derek ist sie diejenige, die sich um Harmonie bemüht. Derek hat ein aufbrausendes Temperament, das ihm zum Verhängnis wird.
In zweiter Ehe ist Willa mit einem ehemaligen Rechtsanwalt verheiratet, der an allem und jedem etwas auszusetzen hat. Wieder entschuldigt Willa sein Verhalten ihren Mitmenschen gegenüber, so ist er nun einmal. Sie ist nicht sonderlich glücklich und vor allen Dingen nicht ausgelastet.
Dann kommt ein Telefonanruf, der alles verändert. Die ehemalige Lebensgefährtin ihres Sohns Sean wurde angeschossen und liegt im Krankenhaus, und es gibt niemanden, der sich um die neunjährige Tochter Cheryl kümmert. Obwohl es sich nicht um Seans leibliche Tochter handelt und Willa weder Cheryl noch ihre Mutter Denise kennt, beschließt sie, von Arizona nach Baltimore zu fliegen, um zu helfen.
Zum ersten Mal in langer Zeit wird Willa gebraucht und tut etwas Sinnvolles. Und allmählich kommt sie zu der Erkenntnis, dass sie selbst es ist, die ihr Schicksal in die Hand nehmen muss.
Anne Tyler ist mit “Launen der Zeit“ ein warmherziges Buch über Einsamkeit und Freundschaft, über Enttäuschungen und den Mut, einmal etwas ganz Neues zu wagen gelungen.

Veröffentlicht am 15.06.2019

Gemeinsam sind sie stark

Im Freibad
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Das Freibad im Londoner Stadtteil Brixton soll geschlossen werden. Eine große Immobiliengesellschaft hat ein Angebot dafür abgegeben, will das alte Bad zubetonieren und einen Tennisplatz für eine ausgewählte ...

Das Freibad im Londoner Stadtteil Brixton soll geschlossen werden. Eine große Immobiliengesellschaft hat ein Angebot dafür abgegeben, will das alte Bad zubetonieren und einen Tennisplatz für eine ausgewählte Klientel daraus machen. Die Dauerschwimmer wie die 86-jährige Rosemary Petersen sind entsetzt. Die junge Journalistin Kate soll für eine Lokalzeitung einen Artikel über die bevorstehende Schließung schreiben. Da sie auch die Menschen portraitieren möchte, die von der Schließung betroffen sind, nimmt sie Kontakt zu Rosemary auf.
Rosemary ist bereit, mit Kate zu reden, aber nur unter einer Bedingung: Kate soll selbst schwimmen gehen. Kate ist zunächst nicht begeistert, sie ist schon jahrelang nicht mehr geschwommen, doch dann findet sie Spaß daran und merkt, wie im Schwimmbad ihre Sorgen und Ängste von ihr abfallen. Mit der Zeit lernt sie Rosemary und die anderen Schwimmer immer besser kennen und sie beschließen, gemeinsam gegen die bevorstehende Schließung zu protestieren und für dessen Erhalt zu kämpfen.
Kate hat bisher ein sehr einsames und isoliertes Leben in London geführt. Durch Rosemary und ihre Freunde öffnen sich ihr ganz neue Türen. Sie zieht sich nicht mehr in ihr WG-Zimmer zurück, sondern geht unter Leute. Ihr Selbstbewusstsein wächst, auch weil ihre Artikel auf großen Anklang stoßen. Immer mehr Leute schließen sich der Protestaktion an.
„Im Freibad“ ist eine anrührende Geschichte, in der es um mehr als nur die Rettung eines Schwimmbads geht. Rosemary erzählt Kate viel aus ihrem Leben, zum Beispiel, wie sich Brixton im Lauf der Zeit verändert hat, und von ihrem verstorbenen Ehemann George. Auch Kate öffnet sich nach und nach und wächst über sich hinaus. Es ist ein Feel-Good Buch, das mir allerdings manchmal ein bisschen zu naiv daherkommt, zum Beispiel als Kate ein Plastikentchen fragen will, wo all die anderen Leute sind, und ihr dann erst einfällt, dass das Entchen aus Plastik ist.
Die Geschichte ist teilweise ein wenig repetitiv und in die Länge gezogen. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich das Hörbuch gehört habe und die alte Dame Rosemary natürlich sehr langsam und bedächtig spricht. Gelesen ist es übrigens sehr gut von Cathleen Gawlich. Es ist erstaunlich, wie perfekt sie von der Stimme einer jungen Frau oder eines Kindes direkt zu der Stimme einer 86-jährigen wechselt!
Alles in allem habe ich das Buch gerne gehört und gebe 4 von 5 Sternen.

Veröffentlicht am 07.06.2019

Die Großmutter aus der Hölle

Der Zopf meiner Großmutter
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Im zarten Alter von sechs Jahren kommt Maxim mit seinen Großeltern von Russland nach Deutschland. Weshalb er bei den Großeltern und nicht seinen Eltern ist, bleibt lange Zeit unklar.
Die Großmutter ist ...

Im zarten Alter von sechs Jahren kommt Maxim mit seinen Großeltern von Russland nach Deutschland. Weshalb er bei den Großeltern und nicht seinen Eltern ist, bleibt lange Zeit unklar.
Die Großmutter ist eine herrische Person, die Max und ihren Ehemann, an dem sie kein gutes Haar lässt, unter der Fuchtel hat. Ihre Lebensaufgabe besteht in der Erziehung von Max, den sie in ihrer verschrobenen Wirklichkeitswahrnehmung für todkrank und grenzdebil hält. Dies geht so weit, dass ihrer Meinung nach ein Aufenthalt in Menschenmengen (Keime!) für Max ein tödliches Risiko darstellt. Sie serviert ihm eklige Pampen aus gekochtem Gemüse, den jährlich zubereitet Schokoladenkuchen zum Geburtstag isst sie allein, der Enkel darf daran riechen. Für meine Begriffe ist dies alles ein Fall fürs Jugendamt und die Großmutter ein Fall für die Psychiatrie. Der Großvater hat sich längst in seine eigene Welt zurückgezogen und ist vollkommen verstummt, dafür redet seine Frau ohne Punkt und Komma, meistens gibt sie Hasstiraden gegen Juden und Araber oder Beschimpfungen ihres Ehemanns („altes Schlitzauge“, „asiatische Fresse“) von sich.
„Liebenswerte Charaktere“, wie sie im Klappentext versprochen werden, habe ich in diesem Buch nicht gefunden. Max ist eingeschüchtert und lässt sich viel zu lange von seiner Großmutter beherrschen, der Großvater greift nicht ein und macht sich mitschuldig.
Ein Buch, das gut geschrieben ist, mich aber aufgrund der Persönlichkeit dieser Großmutter aus der Hölle zunehmend frustriert hat.