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Veröffentlicht am 10.04.2024

Kurzweilige Unterhaltung

Das Resort
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Mila und ihr Mann Ethan wollen zwar kein einsames Liebeswochenende verbringen, als sie sich auf den Weg in die bayerischen Alpen machen, stranden aber trotzdem in einem Bergdorf, das seit Jahrzehnten nicht ...

Mila und ihr Mann Ethan wollen zwar kein einsames Liebeswochenende verbringen, als sie sich auf den Weg in die bayerischen Alpen machen, stranden aber trotzdem in einem Bergdorf, das seit Jahrzehnten nicht mehr bewohnt zu sein scheint. Eigentlich sind die beiden geladene Gäste auf der Hochzeit von Milas Schwester. Doch pünktlich zur Hochzeit zu erscheinen, wird bald das geringste Problem der beiden sein.

Ungefähr die ersten zwei Drittel der Story drehen sich in erster Linie um Mila, die wir bei ihrem verzweifelten Kampf ums Überleben begleiten. Familiäre Verstrickungen und Vorfälle aus der Vergangenheit kommen hauptsächlich dank Milas Gedankenwelt ans Tageslicht, fügen sich aber trotzdem nach und nach zu einem Bild, welches erst am Schluss ganz klar werden wird. Dazwischen stolpert sie, quasi im wahrsten Sinne des Wortes, über Leichen, die niemand jemals finden sollte, und ahnt nicht, dass ihr Leben längst in Gefahr ist.

Erst im letzten Drittel spielen dann besonders die engen Familienmitglieder eine größer Rolle, dennoch kommt dieser Thriller mit wenigen Charakteren aus, die allesamt detailliert und doch undurchsichtig gezeichnet sind. Und das ist richtig cool!

Goodwin versteht es, spannend zu erzählen und ihre Leserschaft bei der Stange zu halten. Dabei setzt sie auf nur wenige Twists. Diese deuten sich erst in letzter Sekunde an, waren dann aber, zumindest für mich, leider ziemlich vorhersehbar. Mich konnte die finale Lösung des „Falls“ nicht hundertprozentig überzeugen. Für sich genommen hatten die einzelnen Handlungsstränge enormes Potential. Die Verstrickung dieser war mir dann aber doch zu unrealistisch.

Fazit: „Das Resort“ unterhält aufgrund seiner spannungsgeladenen Kurzweiligkeit. Auch wenn es mich gänsehauttechnisch nicht vom Hocker gehoben hat, ist die Lektüre doch ein guter Zeitvertreib für zwischendurch und deshalb eine kleine Empfehlung wert.

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Veröffentlicht am 06.04.2024

Absolut einzigartig

Der Ozean am Ende der Straße
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Wir befinden uns im ländlichen England der 60er-Jahre und lernen einen 7-jährigen Jungen kennen, der dort mit seiner Familie in einem baufälligen Haus lebt. Am Ende dieser Straße wohnt die 11-jährige Lettie ...

Wir befinden uns im ländlichen England der 60er-Jahre und lernen einen 7-jährigen Jungen kennen, der dort mit seiner Familie in einem baufälligen Haus lebt. Am Ende dieser Straße wohnt die 11-jährige Lettie Hempstock mit ihrer Mutter und Oma. Beide Kinder sind völlig verschieden: Während der Junge eher introvertiert wirkt und Bücher seinen Mitmenschen vorzieht, ist Lettie wesentlich aufgeschlossener. Und doch merkt der Junge schnell, dass irgendetwas mit dem Mädchen nicht stimmt.

"Wie alt bist du wirklich?"
"Ich bin 11 Jahre alt."
"Wie lange bist du schon 11 Jahre alt?"

Durch diesen kleinen Dialog direkt zu Beginn wird auch dem Leser klar, dass Lettie nicht das ist, was sie zu sein scheint. Eines Tages nimmt das Mädchen den Jungen mit in den Wald und er merkt, dass sich der Himmel verändert. Was ihnen dort im Dickicht begegnet, übersteigt jegliche Vorstellungskraft des 7-Jährigen. Niemals würde er all das Gesehene vergessen.

Man begleitet den Jungen auf einem Abenteuer der fantastischen Art im Kampf gegen etwas Böses, das ihn seither verfolgt. Ob seine Schilderungen jedoch real sind oder seiner kindlichen Fantasie entspringen, bleibt dem Leser überlassen. So kann das Buch auf verschiedene Weisen interpretiert werden und ist poetisch unschlagbar.

Viele Jahre danach zieht es ihn erneut zu der Farm am Ende der Straße. Er sitzt an dem Teich, der angeblich ein Ozean sein soll, und schwelgt in Erinnerungen. An Lettie. An eine Welt, in der Menschen nichts zu suchen haben. Und an das Böse, das immer noch seine Finger nach ihm ausstreckt.
Neil Gaiman hat es geschafft, mich derart an die Seiten zu fesseln, dass ich im Strudel des Ozeans gefangen war. Ich habe gelacht, mich gegruselt, mitgefiebert und die wunderschönen Beschreibungen genossen.

Fazit: Eine meisterhafte Erzählung, die sowohl mystische Fantasy, kindlich naive Geschichte oder auch ein zerrüttetes Elternhaus bedeuten kann - vielleicht aber auch von allem ein bisschen.

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Veröffentlicht am 02.04.2024

Krimi mit authentischem Bezug

Die Sehenden und die Toten
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Kommissarin Clara Seidel ließ sich aufgrund privater Probleme von Hamburg ins ruhige Wendland versetzen. Hier gibt es höchstens eine Schlägerei oder ein Knöllchen zu verteilen und es bleibt endlich Zeit, ...

Kommissarin Clara Seidel ließ sich aufgrund privater Probleme von Hamburg ins ruhige Wendland versetzen. Hier gibt es höchstens eine Schlägerei oder ein Knöllchen zu verteilen und es bleibt endlich Zeit, ihrer hochsensiblen 17-jährigen Tochter Lana gerecht zu werden und ihre eigenen Probleme in den Griff zu bekommen. Zumindest bis der 18-jährige Justus ermordet vorgefunden und Clara unerwartet die Leitung des Mordfalls übertragen wird.

Sia Piontek ist das Pseudonym einer ehemaligen Verlagsprogrammleiterin, die sich mit dem Auftakt zu ihrer ersten Krimireihe vorstellt.

Wie man von einem guten Ermittlerkrimi erwartet, ist die Hauptfigur Carla eine spannende und geheimnisumwobene Protagonistin, deren Innerstes erst im Verlauf der Handlung nachvollziehbar wird. Noch beeindruckender kommt ihre Tochter Lana daher, die mit ihrem Scharfsinn und ihrer besonderen Feinfühligkeit ihre Mutter immer wieder rettet und einschlägige Hinweise in die Ermittlung einbringt.

Die Autorin bedient sich an aktuellen Themen aus der Jugendszene, vor denen sich jedes Elternteil fürchtet.

Zitat S. 10:
"Zärtlich hatte er ihn liebkost und jede andere Hand vergessen lassen. Es hatte keine Demütigungen mehr gegeben und keine Niedertracht – nur Glück und Freude. Er hatte in seine Seele geschaut, ja, genau das. Für ihn war es wie Ankommen gewesen, Frieden finden. Und dann das!"

Der Fall ist recht komplex, lässt aber den Leser vor Nervenkitzel nicht zur Ruhe kommen und offenbart erst spät das ganze Ausmaß und den Hintergrund des Täters.

Fazit: Ein spannender Krimi mit interessantem und authentischem Bezug zur Realität, der Lust auf mehr macht. Mir hat das Buch gut gefallen und ich freue mich schon auf einen weiteren Teil der Reihe.

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Veröffentlicht am 02.04.2024

Spannender Genremix

Böse Mädchen sterben nicht
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Drei Frauen - drei Horrorszenarien. Während Celia sich nicht erinnern kann, wer sie ist, muss Allie in einer abgelegenen Hütte um ihr Leben kämpfen und Maggie einen tödlichen Parcours überstehen. Werden ...

Drei Frauen - drei Horrorszenarien. Während Celia sich nicht erinnern kann, wer sie ist, muss Allie in einer abgelegenen Hütte um ihr Leben kämpfen und Maggie einen tödlichen Parcours überstehen. Werden die Frauen überleben? Und wer steckt dahinter?

Ich konnte mir aufgrund des Klappentextes nicht so richtig vorstellen, um was diese Story gehen wird. Dennoch war ich neugierig. Die Autorin startet mit Celias Geschichte einen seichten Krimi, in dem man schnell merkt, dass hier irgendetwas nicht stimmt.

Zitat Pos. 524:
"Genauso wirkt es, dachte Celia. Wie eine Geschichte. Wie einer der unzähligen Cozy-Krimis, die ich über die Jahre gelesen habe."

In Teil 2 zieht die Spannung an und wir begeben uns mit Allie in einen Horrorthriller, der blutig und beängstigend daherkommt. Durch einzelne Ausschnitte von Chats bekommt man bereits eine Ahnung, worum es in etwa geht. Doch auch in diesem Szenario gerät man schnell ins Grübeln.

Zitat Pos. 3333:
»Das ist es!«, rief Allie und schnippte mit den Fingern. »Es wirkt nicht echt. Das ist es, was ich herauszufinden versucht habe. Das wirkt alles nicht echt. Es ist, als wäre das alles, ich weiß nicht, irgendwie inszeniert oder so.«

In Teil 3 begleiten wir Maggie in einen Parcour, der lebensgefährlich ist. Diese Story ist sehr actionreich und spannend.

Im letzten Teil klärt sich dann nach und nach alles auf. Ich hatte bereits einen Verdacht, der dann auch bestätigt wurde. Die Aneinanderreihung der verschiedenen Storys, der Genremix und die Spannungssteigerung haben mir gut gefallen und waren definitiv mal was anderes. Männer kommen in diesem Buch jedoch sehr schlecht weg, was ich eindeutig zu überspitzt dargestellt fand, passte jedoch zur Geschichte. Tiefere Einblicke in einzelne Charaktere gab es kaum, da es eher um die Kämpferfrau im Allgemeinen ging.

Fazit: Ein abwechslungsreicher und spannender Genremix. An manchen Stellen aber auch recht radikalfeministisch. Mich hat das Buch jedoch gut unterhalten und war definitiv mal etwas anderes.

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Veröffentlicht am 27.03.2024

Macht Bock auf Horrorfilme

Silberne Geister
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Silvia Moreno-Garcia war mir schon vorher ein Begriff; zuletzt habe ich »Der mexikanische Fluch« von ihr verschlungen. Als angehender Fan der Autorin sowie von Okkultismus und Gothik-Geschichten musste ...

Silvia Moreno-Garcia war mir schon vorher ein Begriff; zuletzt habe ich »Der mexikanische Fluch« von ihr verschlungen. Als angehender Fan der Autorin sowie von Okkultismus und Gothik-Geschichten musste ich unbedingt dieses Buch lesen. So habe ich mich in die Seiten gestürzt und war anfangs noch etwas skeptisch, als unerfahrene Individuen versuchten, mit ihren Kräften zu experimentieren, die sie überhaupt nicht beherrschten. Doch diese Skepsis verblasste im Nullkommanix, als die Geschichte sich plötzlich zu einer faszinierenden und einzigartigen Erzählung voller Magie wandelte. Ich war von jetzt auf gleich komplett in den Handlungsverlauf versunken und verfolgte diesen mit Faszination.

Bereits auf den ersten Seiten lernen wir Montserrat kennen, eine kluge Frau mit einem besonderen Namen, die versucht, sich in einer Männerdomäne zu behaupten. Die Filmindustrie, genauer gesagt die Filmbearbeitung ist noch nicht bereit für selbstbewusste Frauen, die jedoch einen ebenso guten Job machen wie die Männer. (Zitat aus dem Buch: Frauen in dem Business sind so selten wie Einhörner.) Im Fall von Montserrat ist es sogar so, dass sie eine ganz fantastische Soundeditorin ist. Und zudem ein großer Horror-Fan, was ihr direkt drölfzig Smypathiepunkte eingebracht hat. Sie macht ihr Ding und bleibt sich dabei selbst treu.

Zitat Pos. 21:

»Du willst mich doch verarschen, oder? Dieses ›Teamentwicklungsseminar‹ bestand darin, Bier aus sehr großen Gläsern zu trinken und Kellnerinnen in den Hintern zu kneifen. Ich muss nicht mit den Jungs ›Sexistischer Höhlenmensch‹ spielen, um meine Arbeit zu machen.«

Den Charakter von Tristán mochte ich noch ein klitzekleines bisschen mehr als Montserrat. Die Beziehung zwischen den beiden ist sehr vertraut und unglaublich intensiv. Sie passen einfach zusammen wie Ars*h auf Eimer (oder wie Regler an Regler) und lassen den Leser an ihren Erlebnissen teilhaben. So lacht man mit ihnen, scherzt, ist traurig, fühlt sich unwohl, möchte, dass sie sich wieder vertragen usw. Ein stetes Auf und Ab, wie es in Beziehungen (oder bei Status "ungeklärt") eben so üblich ist.

Die Autorin schreibt so bildhaft und authentisch, dass ich förmlich den abgestandenen Mief in dem schallgedämmten Raum riechen konnte. Die Soundeditoren, Pizzakartons und Pepsiflaschen vor mir sah und mich gefühlt habe, als wäre ich ein Teil von ihnen, zu diesem nerdigen Team dazugehören.

Das Setting hat mich schier an die Seiten gefesselt. Moreno-Garcia greift die geheimnisvolle, schaurige Atmosphäre gekonnt auf und lässt den Leser die Handlung noch intensiver erleben. Sie hat mich an Orte entführt, die mir eine Gänsehaut beschert hätten, wäre ich Live und in Farbe dort gewesen. Und diese Orte mit mysteriösen Begegnungen gespickt, die den wahren Horror erst real machen.

Zitat Pos. 334:
Tristán blickte auf, sah sich erneut zu Montserrat um. Die vagen Umrisse des Rauchs, die er vor ihr wahrgenommen hatte, hatten sich in eine reale, solide Gestalt verwandelt. Zumindest war es so gewesen, für einen Moment, denn nun schien sie zu flackern, zu verschwimmen wie ein unscharfes Bild. Aber die graue Gestalt hatte Montserrat an eine Wand getrieben.

Die eingebauten okkulten Elemente haben der Story den letzten Schliff verliehen, mich aber auch zum Nachdenken angeregt. So fand ich es faszinierend zu beobachten, in welchem Ausmaß der Okkultismus im Deutschland der Nationalsozialisten verbreitet war, und war gleichzeitig erschrocken darüber, wie tief er doch mit dem Konzept der „arischen Rasse“ verknüpft war.

Ein besonderes Schmankerl sind die Kapitelunterteilungen, beispielweise Eröffnungssequenz und Hauptfilm. Wie passend!

Fazit: Ein faszinierender Roman über Okkultismus, Kulte und die Filmindustrie der früheren Jahrzehnte. Hat mich bestens unterhalten - und Bock auf Horrorfilme gemacht.

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