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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.01.2022

Intelligent, spannend und berührend erzählt

Perfect Day
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„Oh, it‘s such a perfect day. I‘m glad I spend it with you. Oh, such a perfect day. You just keep me hanging on“ (Lou Reed, Perfect Day)

Wenn Ann mit ihrem Vater einen gemütlichen Abend verbringen will, ...

„Oh, it‘s such a perfect day. I‘m glad I spend it with you. Oh, such a perfect day. You just keep me hanging on“ (Lou Reed, Perfect Day)

Wenn Ann mit ihrem Vater einen gemütlichen Abend verbringen will, gehört neben einer leckeren Pizza auch die geliebte Lou Reed Platte zum familiären Ritual dazu. Und wie sollte es anders sein? Der letzte Titel der Platte ist „Perfect Day“. Dank Romy Hausmanns neuem Thriller befinde ich mich nach wie vor in einem Wechselbad der Gefühle. Und es ist einfach absurd und genial zugleich, wie sich das Hören des Songs mit der Lektüre des Buches verändert. Probiert es mal aus!

Ann, die 24-jährige Germanistikstudentin, die an einem Abend, der doch eigentlich perfekt sein sollte, in einem Albtraum erwacht, der nicht mehr enden will. Ann, die mit einer unglaublichen Kraft, mit Löwenmut und unerschütterlicher Tochterliebe versucht, die Unschuld ihres Vaters zu beweisen.

Tatsächlich habe ich mich in sehr vielen Wesenszügen von ihr wiedererkannt und vielleicht geht mir dieses Buch deswegen auch so nah. Unabhängig davon versteht es Romy Hausmann, ihre LeserInnen von Beginn an in ihren Bann zu ziehen. Diese Story ist vom ersten bis zum letzten Zeichen perfekt durchdacht. So wie Ann, die auf ihrer Suche nach der Wahrheit immer wieder schmerzlich feststellen muss, dass nichts so ist, wie es scheint, lässt Hausmann auch uns nur das sehen, was wir sehen sollen.

Aus drei verschiedenen Perspektiven blickt man in menschliche Abgründe und wird an moralische wie emotionale Grenzen gebracht. Anns Perspektive ist für mich schlüssig, glaubhaft und unumstößlich überzeugend. Während sie auf der Suche nach der Wahrheit ist, öffnen sich in den „Wir“-Abschnitten psychologische Schluchten (anders kann ich es nicht formulieren), die mich erschüttert haben. Und ohne zu spoilern: Ich lag völlig falsch mit meiner Vermutung, wer hier die Stimme ergreift. Ebenso schockierend ist die dritte Perspektive: Die Aufnahmen verdeutlichen, wie manipulativ Menschen sein können. Wer diese Aufnahmen macht? Nun, auch hier lag ich bis zum Ende falsch!

Fazit: Das neue Lesejahr hat gerade erst begonnen, aber „Perfect Day“ von Romy Hausmann ist direkt auf meiner Highlight-Liste 2022 gelandet. Intelligent, spannend und unglaublich berührend wird hier eine Story voller dramatischer Wendungen und einem für mich wirklich überraschenden Ende erzählt. Mich wird dieser Thriller noch eine Weile begleiten. Lesen!

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Veröffentlicht am 10.01.2022

Anspruchsvoll, mit herrlich provokanten Illustrationen

Mademoiselle Baudelaire
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Seit vielen Jahren verschlinge ich Bücher, und ich kann in Hinblick auf die Plots sagen, dass ich schon fast alles gelesen habe. Jedoch war kaum eine Geschichte so anspruchsvoll wie diese hier. Das mag ...

Seit vielen Jahren verschlinge ich Bücher, und ich kann in Hinblick auf die Plots sagen, dass ich schon fast alles gelesen habe. Jedoch war kaum eine Geschichte so anspruchsvoll wie diese hier. Das mag unter anderem daran liegen, dass hier viele Elemente miteinander verknüpft wurden, die für sich allein schon recht komplex ausgearbeitet wurden. Soll heißen: Hier treffen Poesie, Lyrik, Sexismus, Rassismus, Historik und Romantik aufeinander. Was das Werk zugegebenermaßen zu einer Lektüre macht, die nicht leicht zu lesen ist. Andererseits: Wann bekommt man schon mal die Gelegenheit, sich ausgiebig mit seinem Lesestoff auseinanderzusetzen? Tatsächlich nämlich habe ich hierfür einige Stündchen gebraucht. Exklusive der Rezension. Also sitze ich nun hier und überlege, mit welchen Worten ich dem Buch gerecht werden kann...

Vielleicht versuche ich es mal rückwärts (den Rezensionsaufbau betreffend) und verrate euch schon mal, dass mir die Story richtig gut gefallen hat. So schnell wird mein Gedächtnis sie nicht ad acta legen.

Per Retroperspektive und aus Sicht von Jeanne Duval wird erzählt, wie die Muse einst auf den Dichter Charles Baudelaire traf und welche weitreichenden Konsequenzen dieses Aufeinandertreffen für beide hatte. Dabei wird man als Leser durch die verschiedensten Stadien einer toxischen Beziehung manövriert und blickt auf eigene, vielleicht sogar ähnliche, Erfahrungen zurück.

Nun haben wir mit den beiden Hauptprotagonisten zwei grundsätzlich differenzierte Charaktere, die im ersten Moment nicht viel gemein haben. Man kommt nicht umhin, sich zu fragen, wo da eigentlich sprichwörtlich die Liebe hingefallen ist. Während Baudelaire der zurückhaltende, introvertierte Typ ist, der sich mit seiner freischaffenden Kunst abquält, wirkt Jeanne offensiv, taff und insgesamt (gedanklich) sortierter. Zwar hat es mich gewundert, dass sie sich rassistische und sexistische Bemerkungen von anderen gefallen ließ, weil das meiner Meinung nach entgegen ihrer Natur ist, aber ich schiebe es der damaligen Zeit in die Schuhe, in der es Frauen (vor allem niederen Ranges) schlichtweg untersagt war, die Stimme zu erheben, wenn sie nicht darum gebeten wurden. Das Geplänkel der beiden Figuren mündete letztendlich in einem tragisch-romantischen und oft zermürbenden Theaterspiel, an dessen Ende man sich fragt, ob die eine oder andere Situation, die gravierende Ausmaße annahm, nicht hätte verhindert werden können. Und was gewesen wäre, hätte eben jenes schicksalhafte Aufeinandertreffen nicht stattgefunden. Hätte Baudelaire eine andere Muse geküsst? Wäre er nicht seinem eigenen Wahnsinn und verqueren Denken ausgeliefert gewesen? Stünde Jeanne Duval unterm Strich besser oder schlechter da? Und was macht so eine Hassliebe eigentlich mit der Seele eines Menschen? Ihr merkt schon: Man kann sich hier über alles Mögliche seine Gedanken machen.

Das an das 19. Jahrhundert angelehnte Artwork passt hervorragend zur Geschichte und vermittelt ein Gefühl der damaligen Zeit. Einige Illustrationen haben mich ob ihrer Tiefe sehr (positiv) überrascht, wiederum andere hatte ich so nicht erwartet, weswegen mir hier und da die Kinnlade heruntergeklappt ist. Müsst ihr euch ansehen!

Fazit: Eine recht anspruchsvolle Lektüre mit großartigen, teilweise herrlich provokanten Illustrationen, die jeden Blick wert ist. Kann man sich immer wieder zu Gemüte führen und genießen.

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Veröffentlicht am 10.01.2022

Must-Read für alle Hobby-Ermittler

ZEIT Verbrechen 2
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Seit mehreren Jahren ist Sabine Rückert mit ihrem True-Crime-Podcast erfolgreich. Darin berichtet sie kontinuierlich über wahre Verbrechen, die erschreckenden Hintergründe und deren Auswirkungen. Als Journalistin ...

Seit mehreren Jahren ist Sabine Rückert mit ihrem True-Crime-Podcast erfolgreich. Darin berichtet sie kontinuierlich über wahre Verbrechen, die erschreckenden Hintergründe und deren Auswirkungen. Als Journalistin hat Rückert, die stellvertretende Chefredakteurin „der Zeit“ ist, die Fälle selbst recherchiert und veröffentlicht. In diesem Buch berichtet die Autorin über die heikelsten Kriminalfälle und nimmt den Leser erneut mit auf eine spannende Ermittlungsjagd.

Das Faszinierende an diesen echten Kriminalfällen ist ganz klar die Greifbarkeit. Als Leser erlebt man die Schilderung einer Tat ganz anders, wenn diese tatsächlich so passiert ist. Sabine Rückert holt den Leser hier voll ab. Ihre Art der Berichterstattung wirkt keinesfalls überschwänglich, sondern sehr sachlich und pointiert. Ihr Schreibstil ist fesselnd, lebhaft; die Sprache leicht verständlich. Dies und die Tatsache des faktischen Hintergrunds binden den Leser zusätzlich an die Geschichten und sorgen für ein emotionales Chaos im Kopf.

Man spürt deutlich die Erfahrung der Autorin, die seit 2000 auch als ressortunabhängige Gerichtsreporterin arbeitet. Gerade ihre erfahrungsgemäße Berichterstattung hinter den Kulissen der Justiz war für mich ein echtes Highlight. Durch die lebendige Präsentation der einzelnen, gut ausgewählten Fälle fühlt man sich als Leser direkt in die Szenerie hineinversetzt - und sich dem Bösen gegenübergestellt.

Die einzelnen Berichterstattungen beschäftigen sich nicht nur mit der Tat an sich. Rückert schweift aus und geht auch auf die polizeiliche und juristische Ermittlungsarbeit ein. Diese Rundumsicht ist interessant und vermittelt zusätzliche Erkenntnis in Sachen Strafrecht, Psychologie sowie Unterbringung im Maßregelvollzug. Echt faszinierend!

Fazit: Heimtückische und reale Kriminalfälle, gut recherchiert und äußerst packend erzählt. True-Crime-Fans kommen hier definitiv auf ihre Kosten und lernen gerade im juristischen Bereich noch einiges dazu. Ein wahres Must-Read für alle Hobby-Ermittler und die, die es werden wollen!

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Veröffentlicht am 06.01.2022

Tolle Story für Groß und Klein

Mein Freund Toby
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Toby führt ein unbeschwertes Leben. Er genießt es, draußen in der freien Natur herumzustreunen, frische Luft zu schnuppern - und Kühen an die Hufen zu pullern. Versehentlich, versteht sich! 😎

Sein Herrchen ...

Toby führt ein unbeschwertes Leben. Er genießt es, draußen in der freien Natur herumzustreunen, frische Luft zu schnuppern - und Kühen an die Hufen zu pullern. Versehentlich, versteht sich! 😎

Sein Herrchen bedeutet ihm viel. Die Verbindung der beiden spürt man quasi mit jedem Pinselstrich. Und der Vergleich passt hier wie der Knochen ins Mäulchen, denn das Herrchen ist ein talentierter Künstler, dessen Kreativität man in einzelnen Szenen zu sehen bekommt. Dabei wird das klassische - sagen wir... - "Prinzip der Hundehaltung" authentisch und sehr humorvoll dargestellt. Toby jammert gerne mal und tut auf völlig ausgehungert, nur um etwas von Herrchens Mampfi abzubekommen. Das schmeckt ja sowieso viel besser als das eigene. Und weeehe er entdeckt eine Katze! Die geht überhaupt nicht und muss natürlich laut bellend verjagt werden! Außerdem ist es wichtig, überall Pipi zu verteilen! Einige von euch wissen sicher genau, wovon ich spreche...

Im weiteren Verlauf erleben Toby und sein Herrchen die verschiedensten Dinge - schöne, weniger schöne, alltägliche - und immer wird deutlich ihr Zusammenhalt hervorgehoben. Sie durchleben alles gemeinsam. Das hat mich sehr berührt. An manchen Stellen hatte ich Tränchen in den Augen! Und das Ende (hier kommt noch einmal die Katze ins Spiel) ist genau so, wie ich es mir gewünscht habe. Hachz! 💓

Fazit: Es macht echt (Achtung Wortwitz!) "tierisch" Spaß, Toby bei all seinen Erlebnissen zu begleiten. Ich hätte nicht gedacht, dass eine Story, die (abgesehen von einigen Symbolen) rein auf Bildern basiert, so viel zu erzählen hat. Für Groß und Klein geeignet!

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Veröffentlicht am 28.12.2021

Geht unter die Haut

Bis einer stirbt
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„Früher war alles besser“ – wie oft hört man diesen Satz, wie oft hat man ihn vielleicht schon selbst gedacht. Was ich mir immer wieder denke: Früher war vor allem vieles schwerer. Themen zu recherchieren ...

„Früher war alles besser“ – wie oft hört man diesen Satz, wie oft hat man ihn vielleicht schon selbst gedacht. Was ich mir immer wieder denke: Früher war vor allem vieles schwerer. Themen zu recherchieren oder auch verschiedene Produkte zu bestellen war nicht mit einem Klick erledigt, so wie es heute ist. Das macht vieles einfacher, aber auch gefährlicher – denn leider zählen Drogen zu den Dingen, an die man online problemlos gelangen kann. Isabell Beer hat ein Buch über ihre bislang längste Recherche geschrieben, in dem sie die Geschichte von Josh und Leyla erzählt, die sie online in einer Drogen-Community kennengelernt hat.

In vielen Büchern wird der Umgang mit Drogen meiner Meinung nach zu nachlässig gehandhabt. Ermittler, die meist gebrochene Existenzen sind und nur mit Hilfe von Alkohol und Tabak überleben können. Missbräuchlicher Alkoholkonsum, auch bei und von Jugendlichen, wird beschönigt oder verharmlost. Dieses Buch ist das krasse Gegenteil – weil es die Realität darstellt. Dem Leser wird gezeigt, dass es nicht DAS Ereignis gibt, welches einen in die Drogenszene abrutschen lässt. Vielmehr sind es viele kleine Gegebenheiten, die man anfangs nicht damit verknüpft. Die beiden Jugendlichen geben Einblicke in ihre Kindheit und reden generell sehr offen über die Geschehnisse.

Sehr authentisch zeigt dieses Buch, wie einfach es heutzutage ist, an Drogen zu kommen, ohne dass das Umfeld etwas davon mitbekommt. Es ist kein Bahnhof von Nöten, keine Hinterhofgasse und auch kein zwielichtiger Kiosk. Das Internet allein reicht schon aus. Mir selbst war das so gar nicht bewusst; in dieser Hinsicht hat mir die Autorin buchstäblich die Augen geöffnet. Aber auch, dass Josh und Leyla kein Geheimnis aus den Konsequenzen machen: soziale Isolation, den Drang, seine Grenzen immer ein Stückchen weiter zu drücken bis hin zum Kontrollverlust und die Selbstzerstörung, die sich jedoch erst viel später offenbart. Das zeichnet alles ein sehr reales Bild. Um dieses zu komplettieren, kommen nicht nur die beiden drogenabhängigen Jugendlichen zu Wort, sondern auch andere Betroffene und deren Eltern.

Isabell Beer ist es wichtig, Menschen und besonders Jugendliche aufzuklären. Sie möchte mit diesem Buch Lösungen vorgeben, insbesondere auch bereits abhängige Menschen zu schützen und ihnen einen sicheren Raum für den Konsum zu geben. Sie zeigt auf, dass sich die drogenpolitischen Zielsetzungen ändern müssen und auch in der Gesellschaft der Wandel von Stigmatisierung in Akzeptanz vorgenommen werden muss. Durch sogenannte „Konsumräume“ wird zum Beispiel dieser Ansatz in einigen Städten schon verfolgt.

Persönliches Fazit: Dieser Tatsachenbericht geht wirklich unter die Haut und ich brauchte viel länger für das Buch als normalerweise für andere. Ich musste es verinnerlichen, sacken lassen und darüber nachdenken, so sehr hat es mich betroffen gemacht. „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ von Christiane F. kann in den Schulen als Pflichtlektüre nun durch dieses zeitgemäße und nicht weniger erschreckende Buch ersetzt bzw. ergänzt werden.

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