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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.10.2023

Veränderte Weltordnung

Welt in Aufruhr
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Herfried Münklers Sachbuch “Welt in Aufruhr. Die Ordnung der Mächte im 21.Jahrhundert“ kommt gerade zur rechten Zeit, denn die weltpolitische Lage wird immer brisanter. China scheint die USA als vorrangige ...

Herfried Münklers Sachbuch “Welt in Aufruhr. Die Ordnung der Mächte im 21.Jahrhundert“ kommt gerade zur rechten Zeit, denn die weltpolitische Lage wird immer brisanter. China scheint die USA als vorrangige Supermacht abzulösen. Taiwan wird zunehmend bedroht. Nach dem Abzug der USA aus Afghanistan herrscht dort Chaos. Münkler geht auch exakt auf den Ukrainekrieg ein. Nun gibt es auch noch Krieg in Nahost, und wir müssen uns fragen:“ Resultiert daraus eine Gefahr für die Welt“ Welche Rolle kann die EU spielen?
In seinem sehr präzise und durchdacht formulierten Werk liefert uns der Autor einen exakten Ausblick auf die Machtkonstellationen im 21. Jahrhundert.
Als emeritierter Professor für Politikwissenschaft verfügt er über ein perfektes kowhow und kann auch dem wissenschaftlich nicht gebildeten leser ein kenntnisreiches, sehr umfangreiches Werk vermitteln ( ca. 450 Seiten, 50 Seiten Anmerkungen und 20 Seiten Literaturangaben).
Münkler analysiert nicht nur die unmittelbare und auch fernere Zukunft, sondern verweist in Rückblicken in die Geschichte, wie sich politische Szenarien entwickelt haben und wie sich, basierend auf diesen Kenntnissen, die aktuelle politische Lage entwickeln könnte.
Dazu hat er ein perfektes Buchcover gewählt, welches, auf dem Hintergrund einer grau-weiß abgebildeten Weltkarte, in schreiendem rot seinen Haupttitel präsentiert.
Besonders gut gefällt mir Kapitel 6 “Die Weltordnung der großen Fünf“. Das ist eine realistische und mögliche Entwicklung.
Generell konnte ich bei der Lektüre dieses herausragenden Werkes mein Wissen sehr erweitern, indem ich verschiedene Theorien über die Rolle des Staates, der Wirtschaft, aber auch der Bevölkerung und der Funktion von Krieg und Frieden vermittelt bekam.
Autokratien und Demokratien haben unterschiedliche Möglichkeiten beim Expansionsstreben eines Staates. Wie wird unsere Weltordnung in 50 Jahren aussehen?
Ein hochaktuelles und sehr lesenswertes Werk für ein an Historie und Politik interessiertes Publikum.

Veröffentlicht am 05.09.2023

Morde und Intrigen

Der achte Kreis (Ishikli-Caner-Serie 1)
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Der Thriller „Der achte Kreis“ von Philipp Gavenbach ist der Auftakt zu einer Serie um Ishikli Caner. Das Cover in schreiendem gelb auf schwarzem Hintergrund wirkt irgendwie mysteriös und verspricht Spannung.
Der ...

Der Thriller „Der achte Kreis“ von Philipp Gavenbach ist der Auftakt zu einer Serie um Ishikli Caner. Das Cover in schreiendem gelb auf schwarzem Hintergrund wirkt irgendwie mysteriös und verspricht Spannung.
Der Klappentext hat mich in seinen Bann gezogen, denn Vatikan, Mafia und viele Intrigen, dazu alles miteinander verwickelt, das ist ungewöhnlich. Und so fängt es im Prolog gleich an: ein brutaler Auftragsmord an einer Schwangeren im Auftrag des Ordens.
Durch die vielen unterschiedlichen Settings und Figuren hatte ich Einstiegsschwierigkeiten. Allerdings kommt dann langsam Fahrt auf, und in den letzten 150 Seiten geht es actionmäßig so richtig ab. Die Geschichte ist spannungsgeladen umgesetzt. Auf einem Datenträger finden sich Beweise dafür, dass der Vatikan hinter Lügen, Morden, Intrigen und Verschleierungen steckt. Alle möglichen Gruppierungen sind nun also hinter diesen Informationen her.
Die Kriminalkommissarin Ishikli wird von ihrem Onkel gezwungen, für die Grauen Wölfe zu arbeiten. Ihr Plan auszusteigen wird durch die Entführung ihres Bruders vereitelt.
Caner, aber auch die deutschen Ermittler Freundensprung und Roth sind in die Fälle eingebunden. Alle drei sind gut charakterisiert, ebenso wie der Kardinal. Es gibt viele Tote und filmreife, blutrünstige Szenen.
Durch die vielen kurzen Kapitel und Perspektivwechsel wird die Handlung aufgelockert. Hinzu kommt der flüssige und leicht erfassbare Schreibstil, so dass man das Werk verschlingen kann.
Für Thrillerfreunde mit vielen Intrigen und Morden, aber einem gelungenen Ende und actionreicher Handlung ein MUSS !

Veröffentlicht am 12.08.2023

Kollaps

Tasmanien
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Mit der Lektüre von „ Tasmanien“ von Paolo Giordano, den ich bisher nicht kannte, dringen wir in die Welt der intellektuellen Physiker ein, die eine andere, da besser informierte Weltsicht haben als die ...

Mit der Lektüre von „ Tasmanien“ von Paolo Giordano, den ich bisher nicht kannte, dringen wir in die Welt der intellektuellen Physiker ein, die eine andere, da besser informierte Weltsicht haben als die Durchschnittsbürger.
Der Protagonist, studierter Physiker, Journalist und Autor ist, Mitte dreißig und völlig überwältigt von den zunehmenden Treibhausgasen, dem Schmelzen der Gletscher und dem Anstieg der Meeresspiegel. Seine Existenz sieht er bedroht von bewaffneten Konflikten, humanitären Katastrophen wie Erdbeben und Überschwemmungen sowie Terrorismus.
Ist sein Übersteigertes Interesse an den Problemen unserer Zeit Teil seines Evasionsstrebens, da die Kinderlosigkeit seiner Ehe möglicherweise von ihm ausgeht, denn seine etwa 10 Jahre ältere Frau hat bereits einen Sohn im Teenageralter ? Seine Ehe könnte deswegen zerbrechen. Diese persönliche Krise führt zu einer inneren Blockade und Tatenlosigkeit, denn die Wärme einer Familie mit Kindern fehlt ihm. Zur „Ablenkung“ unterrichtet er Post Docs aus den Mint - Fächern in Kommunikationswissenschaften. Studenten, die sich mit kaum fassbaren Phänomenen befasst haben, und teilweise abdriften. Ein Student begeht Selbstmord! Seine Freunde Novelli und Giulio sind, wie der Protagonist, Physiker, haben auch viele Probleme, jedoch genügend Einkommen um ein interessantes, unabhängiges Leben zu führen. Mit einem Freund teilt er das Hobby, sich stundenlang Henkersszenen anzugucken. Sind die drei also auch am Abdriften?
Paolo beginnt ein Buch über die Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki zu schreiben. Warum? Es wird ihm mitgeteilt, es sei doch schon alles zu diesem Thema berichtet worden.
Er und seine Freunde sind mit ihren Ecken / Kanten und Problemen differenziert dargestellt, aber ich kann mich mit ihnen nicht identifizieren. Paolos emotionale Reise zu sich selbst ist bisher auch nicht geglückt.
Der Leser erfährt viel über das Kassandra-Syndrom, das Kessler-Sydrom und diverse, sehr spezielle, physikalische Fragestellungen, die mich nur recht wenig interessieren.
Paolo ist auf der Suche nach einer Zukunft, die ihn glücklich macht. Tasmanien wird ihm als Zufluchtsort genannt. Dieser Ort ist aber synonymisch und symbolhaft anzusehen, denn er kommt in dem Buch fast gar nicht vor. Deshalb bin ich von dem Werk enttäuscht und fühle mich von dem Buchtitel an der Nase herumgeführt.
Zwar stimmen das Cover mit dem einsamen Mann am aufgewühlten Meer und der abwechslungsreiche, teilweise poetische Schreibstil, der von Andeutungen lebt. Die Vielfalt der Themen und das ständige Springen des Autors in seinem Erzählfaden machen die Lektüre aber zeitweise mühsam. Generell ist die Stimmung düster und deprimierend.
Die Themen anderseits sind herausfordernd und höchst aktuell. Das Werk ist geeignet für eine eher intellektuelle, problembewusste Leserschaft. Mein Tasmanien ist mein Garten!

Veröffentlicht am 13.07.2023

Das Nest

Elternhaus
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Ute Mank hat mich mit ihrem Erstlingswerk „Wildtriebe“ sehr fasziniert, denn es ist sehr wirklichkeitsnah.
Sowohl der Titel „Elternhaus“ ihres neuen Romans als auch das Cover mit der geblümten Tischdecke ...

Ute Mank hat mich mit ihrem Erstlingswerk „Wildtriebe“ sehr fasziniert, denn es ist sehr wirklichkeitsnah.
Sowohl der Titel „Elternhaus“ ihres neuen Romans als auch das Cover mit der geblümten Tischdecke und der Trinkschokolade im 70er Jahre Gedeck haben in mir heimelige Gefühle hervorgerufen. Dazu noch die Generation der Eltern mit ihrem Streben nach einem Häuschen und den vielen Entbehrungen der Kriegsgeneration haben mich sehr an meine Eltern und meine Kindheit erinnert. Ute Mank ist ein tiefgründiger wie unterhaltsamer Roman gelungen, der zum Nachdenken anregt, welche Verpflichtungen die junge Generation ihren Eltern gegenüber hat und natürlich auch: „ Wer wird uns später unterstützen und versorgen?“ Wird die Rente einmal ausreichen?
Die Eltern dreier Töchter haben gesundheitliche Probleme, und es wird immer schwieriger im eigenen Haus zu leben. Die vielen Denkanstöße und die Konflikte zwischen den 3 Schwestern sind sehr realitätsnah. Jede ist in ihrer Individualität perfekt gezeichnet, jedoch fühlt sich nur Sanne, die in der Nähe der Eltern wohnt, direkt für deren Wohlergehen und den Umzug in eine kleine Wohnung verantwortlich. Trotzdem hat sie ein schlechtes Gewissen. Petra, die Tochter, die früh ausgezogen ist und ihrer eigenen Wege gegangen ist, wird erst jetzt bewusst, welche Rolle ihr Elternhaus als Nest gespielt hat. .Sie ist gegen den Auszug der Eltern, denn dadurch wird sie auch ihrer Heimat beraubt. Gitti, die Jüngste, verhält sich eher passiv. Sie wirft Sanne aber vor, die Eltern zu entmündigen und Entscheidungen über ihren Kopf hinweg zu treffen.
Obwohl im Großen und Ganzen eher unaufgeregt erzählt, habe ich gerade deswegen zum Nachdenken innegehalten.
Besonders die Rückblenden in die Kindheit haben mich berührt, denn ich konnte mich dadurch besonders gut identifizieren. Durch die anschauliche Erzählweise ist es der Autorin gelungen, dass man sich in jede Person hineinversetzen kann und deren individuellen Lebensweg verstehen lernt.
Aber es geht auch um veränderte Rollenbilder, eine Gesellschaft im Umbruch. Dabei zeichnet sie Lösungswege auf, die gut nachvollziehbear sind.
Dieser Roman ist besonders interessant für die „ältere Generation“, aber auch für mittelalte Kinder und ältere Enkel mit ein wenig Lebenserfahrung.
Ich empfehle dieses anspruchsvolle Werk sehr gerne weiter.

Veröffentlicht am 29.06.2023

Prima Unterhaltung für eine anspruchsvolle Leserschaft

Die Affäre Alaska Sanders
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Das wenig spektakuläre Cover mit der typisch amerikanischen Tankstelle und dem Mann, der Alaska Sanders wohl zuletzt gesehen hat, ist kein Reißer im Buchladen, passt jedoch zur Thematik. Wichtig ist zu ...

Das wenig spektakuläre Cover mit der typisch amerikanischen Tankstelle und dem Mann, der Alaska Sanders wohl zuletzt gesehen hat, ist kein Reißer im Buchladen, passt jedoch zur Thematik. Wichtig ist zu erfahren, dass es sich um die Fortsetzung zu Dickers Weltbestseller „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ handelt, jedoch ist die Lektüre dieses Vorgängerromans für das Verständnis des vorliegenden Werkes nicht notwendig.
Wir treffen hier den Schriftsteller Markus Goldman und seinen Freund, Sergeant Perry Gahalowood, aus „Harry Quebert“, die gemeinsam ermitteln. Im April 1995 wird die Leiche Alaska Sanders geborgen. Zunächst führen die Ermittlungen zu einem schnellen Abschluss des Falles.
Im Juni 2010 erhält Gahalowood jedoch eine anonyme Nachricht, die ihn veranlasst, erneut zu ermitteln, da es einige Ungereimtheiten gibt.
Die Charaktere und Schauplätze wirken sehr authentisch. Die Rahmenhandlung wird in der Ich-Perspektive aus Goldmans Sicht erzählt.
Aber man kann keine einfach gestrickte, lineare Narration erwarten. Somit wendet sich Dicker an eine wache, interessierte Leserschaft, die zum Mitdenken aufgefordert wird, denn es gibt einen sehr wendungsreichen Plot mit vielen Rückblenden in die Vergangenheit. Zeitweise ist unklar, ob Goldman oder Dicker die Geschichte erzählt. Protokolle von Befragungen, Sprünge in den Zeitebenen und Schauplätzen sind gut miteinander verwoben und werden in einem schlüssigen Ende zusammengeführt. Die Vielschichigkeit des Romans führt den Leser oft an der Nase herum. Zum Glück gibt es Kapitelüberschriften, die auf Zeit und Ort des nachfolgenden Teils hinweisen.
Der Spannungsbogen setzt erst nach einer Weile ein, ist aber bis zum Ende existent.
Der sehr flüssige aber einfache Schreibstil erleichtert die anspruchsvolle „Lesearbeit“.
Man findet keinen klassischen, spannenden Kriminalroman vor, sondern wird auch mit einer sehr tragischen Liebesgeschichte konfrontiert. Gesellschaftskritik kommt ebenfalls nicht zu kurz.
Also, prima Unterhaltung für eine anspruchsvolle Leserschaft.