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Veröffentlicht am 17.12.2017

Pilgerjahre

Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki
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Haruki Murakami - "Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki"
Dumont-Verlag
Fünf Freunde waren es einmal, vier davon wenden sich eines Tages ohne weitere Erklärung von dem Fünften ab, er soll sich nicht ...

Haruki Murakami - "Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki"
Dumont-Verlag
Fünf Freunde waren es einmal, vier davon wenden sich eines Tages ohne weitere Erklärung von dem Fünften ab, er soll sich nicht mehr blicken lassen, seine Anwesenheit wäre nicht mehr erwünscht, bei Versuchen der Wahrheit auf den Grund zu kommen, schlägt man ihm buchstäblich die Tür vor der Nase zu, Tsukuru hat nicht die gerinste Ahnung, warum ihn seine jahrelangen Freunde zur "Persona non Grata" machen.
Längst ist er ein erwachsener Mann und lebt und arbeitet in Tokio, sein Traum Bahnhöfe zu bauen, ist in Erfüllung gegangen, in seine Heimatstadt will er nicht mehr zurück, seine Freunde von heute auf morgen verloren zu haben, hat ihn stark traumatisiert, er hatte zwar versucht die Freunde darauf anzusprechen, doch ihre Reaktionen schockierten ihn zutiefst.
Tsukuru verliebt sich, die junge Frau bemerkt Tsukuros Melancholie und ermuntert ihn, sich ihr mitzuteilen. Alle Verdrängungen kommen wieder ans Licht, er erzählt ihr von seinem Kummer und sie macht ihm Mut, die Antwort auf seine immerwährende Frage, was damals passiert ist, zu bekommen. Sie wäre gerne mit ihm zusammen, doch sie will nicht mit den "Dämonen" seiner Vergangenheit konkurrieren, wie könnten sie jemals glücklich werden, wenn ihn diese Ungeklärtheit von innen auffrisst.
Er muß seine Freunde wiedersehen und das schon bald, Sara hilft ihm dabei und hat schnell alle Adressen und Fakten, dank des Computerzeitalters bereit.
Die Hoffnung auf eine Antwort, eine Erklärung gibt ihm Trost.
Tsukuro begibt sich auf die Reise..

Dieses Buch war ein wahrer Quell an Meditation für mich, es strömte in mich hinein, wie ein Fluss, ich bin wirklich begeistert, was dieses Buch für eine Wirkung auf mich hatte.
Haruki Murakami ist ein Meister der scheinbaren Emotionslosigkeit, die sich von Seite zu Seite immer mehr in zarten Berührungen und kleinen Empfindungen verliert. Er hat einen einmaligen Instinkt, den Leser nicht mit Schuld oder einem schlechten Gewissen zu beladen.
Von vorne bis hinten eine schöne Geschichte, was bleibt ist ein warmer Sinneseindruck, ein entspanntes Gemüt. ✿❀
Domo Arigato - どうもありがとう - SABO

Veröffentlicht am 17.12.2017

Erste und Letzte Tage

Der erste Tag vom Rest meines Lebens
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Lorenzo Marone - "Der erste Tag vom Rest meines Lebens" - Pendo
Neapel, Italien
Dottore Cesare Annuntiata ist 77 Jahre alt und sagt, er hätte 73 Jahre davon verplempert.
Seit seine Frau Caterina gestorben ...

Lorenzo Marone - "Der erste Tag vom Rest meines Lebens" - Pendo
Neapel, Italien
Dottore Cesare Annuntiata ist 77 Jahre alt und sagt, er hätte 73 Jahre davon verplempert.
Seit seine Frau Caterina gestorben ist, wohnt er allein, die Kinder sind längst flügge.
In dem Mehrfamilienhaus gibt es noch mehr gestrandete Seelen, die das Leben aussortiert hat.
Die ehemalige Lehrerin, die aus ihrer Wohnung ein Katzenasyl gemacht hat. Der freundliche Marino, der seit vielen Jahren sein Appartement nicht mehr verlassen hat, der Tod seiner Frau bremste ihn in seiner Lebenslust aus.
Als ein junges Ehepaar einzieht und es öfter "scheppert", beschließen die drei Rentner der Frau zu helfen, die hübsche Emma läuft ihnen einfach zu oft mit großer Sonnenbrille herum.
Ihr Plan, einem Manöver gleich.
Cesare besitzt mehr Mut und Kaltschnäuzigkeit, als ihm gut tut. Sein Leben lang kam er damit durch, er kann es einfach nicht gut sein lassen, dabei könnte es ihn seine spröden Knochen kosten.
Seine Tochter Sveva - mit der er sich gerne zankt - ist eine erfolgreiche Anwältin, doch mit ihm gewinnt sie keinen Streit. Sein Sohn Dante ist Galerist, seit Cesare ihn in einem korallenroten Hemd gesehen hat, erwartet er sein "Outing" stündlich. Cesare liebt seine Kinder und es dauert lange, bis er es ihnen sagt.
Cesare resümiert und ist mit "seinen" Lesern gnadenlos ehrlich, er verschönt seine Missetaten nicht. Er bereut so einige Seitensprünge, am meisten die, die es nicht gab..
Der alte Herr ist noch rüstig und es steht ihm frei, wie er seiner Einsamkeit den Schwung nimmt, er hat eine Freundin, die an Warmherzigkeit kaum zu überbieten ist.
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Cesare ist ein sympathisches Schlitzohr, der ein wahrer Verwandlungskünstler ist, wenn es gilt, sich und andere aus einer brenzligen Situation herauszuflunkern. Ob Polizeipräsident a.D. oder 3 Sterne-General, Cesare hat ein unerschöpfliches Repertoire.
Ein charmanter Kotzbrocken, den irgendwie die Weisheit am Kragen packt. Cesare zeigt, dass es ohne den Ernst des Lebens keine Freude geben kann.
Ein Roman, der für Lachfältchen und feuchte Augen sorgt. Liebenswert und spannend.
Cesare vor großartiger Kulisse:
"Von jedem Punkt Neapels aus sieht man das Meer - und den Vesuv.."

Ein herrliches Buch! "Cesare" hat mein Herz erobert!
Bitte mehr davon! Da capo!

Autor: Lorenzo Marone

Veröffentlicht am 17.12.2017

Gespenster

Geister
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Nathan Hill - Geister - PIPER

Der Literaturprofessor Samuel Anderson öffnet ein Zeit und Schaufenster zur amerikanischen Pop und Subkultur, aber auch zu einer Nation, die Begeisterung mit Verdrängung ...

Nathan Hill - Geister - PIPER

Der Literaturprofessor Samuel Anderson öffnet ein Zeit und Schaufenster zur amerikanischen Pop und Subkultur, aber auch zu einer Nation, die Begeisterung mit Verdrängung verbindet, einem Volk, das sämtliches Recht von seiner Großartigkeit ableitet, einer Menschenschicht der Extreme, die trotz allem, oder gerade deswegen, sich immer wieder neu erfindet.
Anderson ist spielsüchtig, 40h pro Woche ist er im Internet und verausgabt sich und sein Budget, dadurch wandelt sich der gesunde Ernährungsplan in Käse-Nachos. Dort aber, ist er der Held, der die Drachen tötet, im richtigen Leben foltert er unmotivierte Studenten mit Hamlet. Seine Schüler sind so dreist, nur zu erscheinen, um ihr Punktekonto zu füllen und geben gekaufte Arbeiten ab. Als er eine Studentin durchfallen lässt, bearbeitet sie ihn mit 1000 Ausreden, ihr Erfindungsgeist ist bewundernswert und liefert eine bestaunenswerte Erkenntnis: Amerika - das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wer gut mogelt, kommt damit durch.
Fast, als würde allein diese Befähigung, ein A im Zeugnis rechtfertigen.
Der unerschütterliche Glaube an die Lüge, heiligt sie.

Der Tag ist noch nicht zu Ende und Samuel bekommt einen Anruf aus einer Chicagoer Anwaltskanzlei. Seine Mutter, die er seit 20 Jahren nicht gesehen hat, soll ein Attentat auf einen Politiker verübt haben. Sie hat den republikanischen Präsidentschaftskandidaten beschimpft und mit Steinchen beworfen.

Der ganz normale Wahnsinn - crazy, as usual!
Die Katastrophendichte in diesem Gesellschaftsroman türmt sich stratosphärisch. Von den 68er Demos bis zu Occupy Wall Street.
Unterhaltsam, informativ, zynisch, spannend, erkenntnisreich und ganz und gar zu glauben. Alles ist wahr!

Es ist nur ein kleiner Schritt, von der Erde zum Mond, aber ein großer Sprung, vom wilden Westen, zur Zivilisation.

Dieses Buch hätte Norman Mailer gut gefallen, der zB mit seinem "Epos der geheimen Mächte" ein großartiges Kolorit des kalten Krieges verfasste.
Der deutsche Titel: "Gespenster".