Packend, beklemmend
Kein Teil der WeltMeine Meinung:
Nachdem ich etwa zwanzig Seiten lang nicht genau wusste, wie ich die Geschichte einordnen sollte und auch ein wenig irritiert war, weil ich so mitten im Geschehen landete und keinerlei ...
Meine Meinung:
Nachdem ich etwa zwanzig Seiten lang nicht genau wusste, wie ich die Geschichte einordnen sollte und auch ein wenig irritiert war, weil ich so mitten im Geschehen landete und keinerlei Bezug zu Ort und Zeit hatte - ihr wisst ja, Klappentexte lese ich in der Regel nicht, hier würde ich es aber wirklich empfehlen, weil diese Umstände ansonsten erst nach und nach klar werden, obwohl es meiner Meinung nach wichtig ist, sie zu kennen - zog mich Stefanie de Velasco mit bildhaften, passend gewählten Worten, einer bewegenden Geschichte, zwei starken, jungen Protagonistinnen und weiteren, facettenreichen Figuren in ihren Bann. Dabei geschieht eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Machenschaften und Strategien einer solchen Glaubensgemeinschaft, die auch aufzeigt, wie schwer es Mitgliedern - und dabei vor allem Kindern und Jugendlichen, die bereits in diese Strukturen hineingeboren worden sind - gemacht wird, die sich aus dem emotionalen Gefängnis und der menschgemachten Abhängigkeit dieser Gemeinschaft lösen wollen. Wir erleben ausserdem, wie mit Menschen umgegangen wird, welche hinterfragen und mit Menschenverstand argumentieren, welche damit anecken und gegen herrschende Hierarchien aufbegehren.
Sprache:
Stefanie de Velasco schreibt unendlich wortstark und weiss genau, wovon sie erzählt, hat sie doch auch einen Teil ihrer Kindheit und Jugend bei den Zeugen Jehovas verbracht und den Ausstieg aus dieser toxischen Gemeinschaft geschafft. Ihre Schilderungen sind beklemmend und regen zum Nachdenken an und gleichzeitig ist es mir teilweise sogar gelungen, mich in beide Seiten einzufühlen und - zumindest ganz wenig - zu verstehen, wie solche Sekten funktionieren, wie Menschen "gefischt" werden und was die Beweggründe dahinter sein können. Wie wir alle wissen, dass der Glaube an einen Gott, eine Religion, eine gewisse Spiritualität Halt geben kann und das darf auch so sein und ist sicher sogar gut. "Kein Teil der Welt" regt dazu an, zwischen einem positiven, stärkenden Glauben und einer toxischen, unterdrückenden Gemeinschaft zu unterscheiden, was ich persönlich sehr wichtig finde. Die Beschreibung von Esther und ihrer besten Freundin Sulamith, sowie von den vielen Beziehungen (zu den Eltern, Geschwistern, Lehrpersonen, Freund*innen) möchte ich besonders hervorheben, weil die berührend und sehr vielschichtig gestaltet sind und viel zur Stimmung im Buch beitragen.
Meine Empfehlung:
Nach wenigen Seiten hat mich dieses Buch in seinen Bann gezogen, berührt und schockiert. Dies lag an der grandiosen, bildhaften Sprache und der bewegenden Verknüpfung von autobiografischen Erfahrungen und gekonnten Charakterstudien. "Kein Teil der Welt" ist genau deswegen ein sehr, sehr lesenswertes Buch, das ich euch allen herzlich empfehlen möchte.