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Veröffentlicht am 12.09.2019

Eine letzte Reise durch halb Eurpa, Roadtrip und Abschied zugleich

Die vorletzte Reise der Ewa Kalinowski
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Darum geht es:

Ewa Kalinowski hat Krebs und bittet ihren guten Freund Lukas, sie und ihren Hund Zizou auf eine Reise durch halb Europa zu begleiten. Der junge Mann, der sich trotz abgeschlossenem Studium ...

Darum geht es:

Ewa Kalinowski hat Krebs und bittet ihren guten Freund Lukas, sie und ihren Hund Zizou auf eine Reise durch halb Europa zu begleiten. Der junge Mann, der sich trotz abgeschlossenem Studium von Gelegenheitsjob zu Gelegenheitsjob hangelt, tut ihr den Gefallen und fährt das Wohnmobil, das Ewa sich eigens dafür gekauft hat, sicher durch diverse Länder und Städte Europas. Auf dieser Reise erfährt Lukas viele Geschichten aus Ewas Kindheit in Polen und die beiden diskutieren und philosophieren über Politik, Geschichte, das aktuelle Weltgeschehen und den Tod und nehmen uns Leserinnen und Leser mit auf eine spannende Reise, die uns nicht nur zu historischen Sehenswürdigkeiten, sondern auch ein wenig zu uns selber finden lässt.


Meine Meinung:

Regina W. Egger hat dieses Buch in nur drei Wochen geschrieben, weil sie selber schwer erkrankt war und sie das Buch unbedingt fertigstellen wollte, um es für einen Schreibwettbewerb einzureichen, den sie damit sogar gewann. Dies beeindruckt mich einerseits sehr, wenn auch ich mir doch immer mal wieder ein paar Beschreibungen und Vertiefungen mehr gwünscht hätte, die aber wohl aufgrund des Zeitmangels gar nicht mehr eingebaut werden konnten. Trotzdem ist eine tiefgründige und insgesamt sehr gut ausgearbeitete Geschichte entstanden, die mich in ihren Bann gezogen hat. Ewa war mir sofort sympathisch und die vielen Reiseorte, die sie noch ein letztes Mal besuchen wollte, sind so beschrieben, dass auch bei mir ein sanftes Feriengefühl aufgekommen ist. Besonders gut gefallen haben mir übrigens die detaillierten Beschreibungen von kulinarischen Spezialitäten aus aller Welt. Aber nicht nur die Esswaren selber haben mir das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen, auch die schönen Beschreibungen der gesellschaftlichen Aspekte des gemeinsamen Essens und Geniessens waren meiner Meinung nach wundervoll dargestellt.

Auch wurde zu allen besuchten Orten einiges an (historischem) Hintergrundwissen eingebaut, das beim Lesen sowohl unterhaltsam als auch lehrreich war und mich vor allem die einzelnen Orte in Gedanken noch besser miteinander verbinden liess.



Was mir nicht ganz so gut gefallen hat:

Leider habe ich doch etwas zu bemängeln, das sich durch dieses Buch durchgezogen hat und zeitenweise ein wenig ermüdend war: Ewa kritisiert nämlich Lukas und seinen Lebensstil permanent. Sie hält ihm vor, dass er sich ab und an einen Joint gönnt, dass er nichts aus seinem Studium gemacht und keine Frau und Kinder hat und ist somit nicht besser als all die anderen in Schubladen denkenden alternden Menschen, die ihren eigenen stereotypen Lebensstil mit (Ehe-)Partnern und einer langweiligen Arbeit, die man nur des Prestiges wegen ausübt, der jüngeren Generation aufzwingen wollen. Dass Ewa Lukas dazu bringt, sein Leben und seine Lebensentscheide zu hinterfragen, hat mich überhaupt nicht gestört. Dass sie, die sonst so eine aussergewöhnliche Frau ist, nun aber null Verständnis für ihn zeigt, überhaupt nicht ausserhalb ihres vorgefassten Lebensrasters denken kann und vor allem nicht realisiert, dass er diese Reise mit ihr gar nicht hätte antreten können, wenn er in einer Beziehung gesteckt oder an einen Job gebunden gewesen wäre, ist sehr eindimensional gedacht. Ausserdem werden die politischen Ansichten der Figuren ein wenig zu plakativ aueinanderdividiert, was insgesamt ein wenig plump wirkt.


Schreibstil:

Mit ihrer sehr schlichten Sprache hat es Regina W. Egger geschafft, mich zu berühren, mich zu unterhalten und ein wenig Fernweh bei mir auszulösen. Zufällig haben Ewa und Lukas nämlich Orte und Regionen besucht, die ich selber sehr gut kenne, oder die ich gerne bald einmal besuchen möchte. Die nicht ganz einfachen Unterhaltungen, die man mit todkranken Menschen führt und manchmal führen muss, aber auch der normale und unbeschwerte Alltag während eines Roadtrips werden einfühlsam beschrieben und stimmig kombiniert. Ausserdem ist auch Ewas körperliches Wohlbefinden immer wieder ein Thema, schliesslich gibt sie das Reisetempo vor. Und vor allem gegen Ende spürt man förmlich die Eile, welche Ewa hat (und wahrscheinlich auch unsere Autorin hatte) um zum Ziel zu kommen. Man spürt die Zeit, welche durch Ewas Finger rinnt, was mir persönlich sehr nahe gegangen ist.


Meine Empfehlung:

Trotz kleiner Schwächen empfehle ich euch dieses Erstlingswerk, das mit charmantem Roadtripcharakter aber auch sehr viel Tiefgang zu überzeugen vermag, sehr gerne weiter. Die schönen Beschreibungen der einzelnen Reiseziele und der kulinarischen Höhenflüge haben mir es dabei besonders angetan.

Veröffentlicht am 05.09.2019

Eine aussergewöhnliche Idee sehr überzeugend umgesetzt

Die verlorenen Briefe des William Woolf
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Inhalt:
William Woolf arbeitet in einem Traumberuf und darf im Depot der verlorenen Briefe in London dafür sorgen, dass aufgrund von unleserlichen oder fehlenden Adressen unzustellbare Briefe doch noch ...

Inhalt:
William Woolf arbeitet in einem Traumberuf und darf im Depot der verlorenen Briefe in London dafür sorgen, dass aufgrund von unleserlichen oder fehlenden Adressen unzustellbare Briefe doch noch ihre Empfänger erreichen. Er selber steckt aber in der mittlerweile unglücklichen Ehe mit Clare, die ihn zugleich bemitleidet und ihm auch fehlenden Ehrgeiz vorwirft, fest. Schliesslich ist er es, der damals den Traum einer Schriftstellerkarriere aufgegeben hat und sich nun täglich durch fremde Post wühlt. während sie als erfolgreiche Anwältin viel Geld verdient. So einfach ist die ganze Geschichte aber nicht und als William wunderschöne Briefe findet, die scheinbar an ihn adressiert sind, realisiert er plötzlich, dass er in seinem eigenen Leben nur noch eine Statistenrolle einnimmt und beginnt, unbeholfen aber immer überzeugter die Spur der rätselhaften "Winter" zu verfolgen, während sein eigentliches Leben, seine Ehe und sein ganzes Umfeld erschüttert werden.

Meine Meinung:
Bei Friedelchen finde ich jeweils die wundervollen Bücher aus dem Wunderraum-Verlag und habe bei ihr auch schon "Wenn der Rest der Welt schläft" entdeckt, das mich ebenfalls begeistert hat. Mit William habe ich das Depot der verlorenen Briefe kennengelernt. Ein Ort, der aus Träumen gemacht scheint. Schliesslich darf man dort, was sonst verboten ist: in fremden Briefen schnüffeln. Und als wäre das nicht genug, gelingt es manchmal sogar, diese verlorengegangene Post wieder auf den richtigen Weg zu schicken und so den eigentlichen Empfänger glücklich zu machen. Ist das nicht eine wundervolle Idee?
Weiter bin ich beeindruckt von der Art und Weise, mit der Helen Cullen es schafft, die Entfremdung zwischen Clare und William darzustellen. Es sind kleine Alltagssituationen, fehlende Gesten der Zärtlichkeit, eine fehlende Kommunikation und gewisse Verhaltensweisen, welche sich die beiden angeeignet haben, um einander aus dem Weg zu gehen, die in ihrer Gänze zeigen, wie sehr sich Beziehungen verändern können, auch wenn man das so gar nicht will.
Williams Suche nach "Winter" führt ihn nach Dublin, wo er an glückliche Zeiten erinnert wird, während er einem Phantom hinterherjagt. Dies ist manchmal amüsant, meistens aber sehr schmerzlich und voller Mitgefühl und Hoffnung habe ich atemlos Seite um Seite umgeblättert, um herauszufinden, ob und wie unser - genau wie seine Briefe - verlorener Protagonist doch noch den Platz in seinem eigenen Leben finden kann.

Schreibstil:
Sanft und einfühlsam schildert Cullen einen Mann, der einfach nur irgendwie ein wenig aus seinem Leben gefallen ist, der eigentlich alles hat, aber nicht wirklich glücklich sein kann, weil er gar nicht weiss, was er wirklich will. Immer wieder nutzt Cullen die Briefe, die William nicht nur von "Winter" sondern auch von anderen Absendern findet, als Mittel, William eine Tür zu einer neuen Entscheidung oder einem neuen Abenteuer zu öffnen und hat letztendlich mit diesem Buch eine Hommage an den (hand-)geschriebenen Brief verfasst, die Lust macht, gleich selber zu Papier und Stift zu greifen. Mit viel Liebe zum Detail zeigt sie, was ein Brief alles im Sender und Empfänger bewirken kann und lässt zudem viel Poesie und Humor in eine Geschichte einfliessen, die von der ersten bis zur letzten Seite berührt.

Meine Empfehlung:
Ich bin so froh, dieses Buch gelesen zu haben, weil es mich an viele wundervolle Stunden erinnert hat, in denen ich Briefe geschrieben und gelesen habe und weil es mit einer aussergewöhnlichen Handlung, einem liebenswerten Protagonisten und einer einfühlsamen Erzählsprache überzeugen und berühren kann.

Veröffentlicht am 01.09.2019

Trotz einiger Längen sehr spannend und märchenhaft erzählt

Der verborgene Garten
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Handlung:

In mehreren Zeitebenen wird erzählt, wie die Australierin Cassandra sich auf die Suche nach ihren Wurzeln macht. Der einzige Hinweis ist das Erbe ihrer Grossmutter, ein Haus an der Küste Cornwalls. ...

Handlung:

In mehreren Zeitebenen wird erzählt, wie die Australierin Cassandra sich auf die Suche nach ihren Wurzeln macht. Der einzige Hinweis ist das Erbe ihrer Grossmutter, ein Haus an der Küste Cornwalls. Bei ihrer Reise nach Cornwall muss Cassandra sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen, wie es ihre Grossmutter vor Jahrzehnten auch schon getan hat. Nur ist ihre Grossmutter damals nie dazu gekommen, ihre Suche zu Ende zu bringen. In den Rückblenden erfahren wir, wie es Nell, Cassandras Grossmutter ergangen ist und lesen ausserdem von Eliza, die als Waise mit ihrer Cousine gemeinsam aufwächst und ebenfalls in Cornwall ihr vorübergehendes Zuhause gefunden hat.


Meine Meinung:

Die ersten paar Seiten dieses Buches lasen sich meiner Meinung nach ein wenig zäh. Dann aber habe ich immer besser in die Geschichte hineingefunden und mich selber mehr und mehr auf die Lösung des Rätsels gefreut. In der Mitte fanden sich wieder einige Längen, respektive mir waren die steten Wechsel der Perspektive insgesamt ein wenig zu anstrengend, weil die gleiche (oder sehr ähnliche) Geschichte meistens aus zwei oder sogar gleich drei Sichten geschildert wurde, obwohl schon klar war, worauf das Ganze letztendlich hinauslaufen würde. Aber gegen Ende kam noch einmal Fahrt auf, einige überraschende Wendungen wurden eingestreut und ich habe die letzten Seiten wie im Flug gelesen. Besonders gut gefallen hat mir übrigens immer die Reise in die Vergangenheit und Elizas Sicht. Von diesem kleinen Wirbelwind hätte ich gerne noch mehr erfahren und sie länger durch diese Geschichte begleitet. Leider kam für mich das Ende dann ein wenig überstürzt. Über so viele Seiten hinweg wurde die Geschichte entwickelt und viel Spannung aufgebaut und am Ende war dann alles ein wenig gar schnell erledigt und aufgelöst, was meiner Meinung nach sehr schade war.
Was mir dann aber sehr gut gefallen hat, waren die eingebauten Märchen und die Geschichten, welche sich um die Autorin dieser Märchen und die Verflechtungen ihrer Erlebnisse und Erzählungen mit der restlichen Romanhandlung drehen. Das ist wirklich ausserordentlich gut gelungen und wundervoll eingebaut worden.


Schreibstil:

Die Sprache dieses Buches hat mir sehr gut gefallen und vor allem hat es Kate Morton meiner Meinung nach gut geschafft, die unterschiedlichen Lebensumstände ihrer Protagonistinnen einzufangen und die drei Frauen damit gut durch ihre jeweilige Geschichte zu begleiten. So wird auch klar, warum alles so gekommen ist, wie es wohl kommen musste und weshalb die Figuren handelten, wie sie es eben taten. Besonders schön waren übrigens die Gartenanlagen beschrieben. Sie geben dem Buch zu Recht den Titel und die Beschreibungen davon lassen romantische und verträumte Gefühle sowie eine märchenhafte Stimmung aufkommen.


Meine Empfehlung:

Dieses Buch hat mich trotz einiger Längen aufgrund seiner fesselnden Sprache und den wundervoll geschilderten Gärten, sowie den stimmig erzählten Hintergrundgeschichten der Protagonistinnen überzeugen können, weshalb ich es euch gerne weiterempfehle.

Veröffentlicht am 30.08.2019

Packend und zeitlos

Der Richter
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Inhalt:
Ray und Forrest, die beiden Söhne des schwer kranken Richters Atlee, werden von ihm zu sich nach Hause eingeladen, um gemeinsam das Testament zu besprechen. Beide haben sich vor langer Zeit mit ...

Inhalt:
Ray und Forrest, die beiden Söhne des schwer kranken Richters Atlee, werden von ihm zu sich nach Hause eingeladen, um gemeinsam das Testament zu besprechen. Beide haben sich vor langer Zeit mit ihrem Vater zerstritten. Ray, weil er sich nicht an die Pläne des Richters gehalten und nicht in dessen Kanzlei zu arbeiten begonnen hat und Forrest, weil er mit seiner langjährigen Alkohol- und Drogensucht den Ruf des Richters fast zerstört und dessen ganzes Geld verbraucht hat. Beiden Söhnen hat Richter Atlee nie verziehen und weil beide wissen, dass es mit ihrem Vater wohl bald zu Ende gehen wird, machen sie sich auf den Weg zu ihm. Ray betritt das Haus zuerst und findet seinen Vater tot auf der Couch liegend. Er liest das Testament durch und schaut sich dann ein wenig im Haus um. Zu seinem Entsetzen und seiner Überraschung findet er Geld, sehr viel Geld. Nur merkt er schon bald, dass er nicht der einzige ist, der von dem Geld weiss. Jemand versucht, ins Haus einzubrechen, jemand scheint ihn zu verfolgen und Ray bekommt Drohbriefe. Und bevor er noch Zeit hat, einen Entschluss zu fassen, befindet er sich bereits auf der Flucht. Auf der Flucht vor jemandem, den er nicht kennt, der ihn aber ganz genau zu kennen scheint.

Meine Meinung:
Die Süddeutsche Zeitung sagt über John Grisham: "Warum er so viel besser ist als die Anderen, bleibt sein Geheimnis."
Ich habe eine mögliche Erklärung gefunden, warum er so viel besser ist:
John Grishams Bücher heben sich stark vom teilweise sehr blutig und brutal gehaltenen Mainstream ab. Anstelle von Brutalität treten psychologisches Geschick, genau recherchierte Hintergründe und eine präzise Sprache. Dazu gehört sicher auch, dass er aus mehr als zehnjähriger Erfahrung als Anwalt berichtet. Er beschreibt in erster Linie nicht irgendwelche Gräueltaten, sondern erstellt Psychogramme von Tätern, Opfern und vor allem von Verfolgten und dies alles in einem ausserordentlich durchdachten und sinnvollen Kontext, der sich dem Leser erst am Ende der jeweiligen Geschichte erschliesst. Dies alles macht John Grisham zu einem Autor, welcher sehr zeitnah und zugleich zeitlos schreibt und ich werde auf jeden Fall weitere Bücher von ihm kaufen und lesen.

Veröffentlicht am 29.08.2019

Eine spannende und würdige Fortsetzung der All Souls-Trilogie

Bis ans Ende der Ewigkeit
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Inhalt und Lesegefühl:
Obwohl ich die All Souls-Trilogie schon vor einigen Jahren beendet habe, habe ich mühelos in dieses Buch hineingefunden und kann mir sogar vorstellen, dass es auch gut ohne die Trilogie ...

Inhalt und Lesegefühl:
Obwohl ich die All Souls-Trilogie schon vor einigen Jahren beendet habe, habe ich mühelos in dieses Buch hineingefunden und kann mir sogar vorstellen, dass es auch gut ohne die Trilogie verstanden und gelesen werden kann. Trotzdem ist es natürlich schön, wenn man die "Vorgeschichte" und Protagonisten bereits kennt und weiss, worauf man sich vom Stil her einlässt.
Dieses Buch ist aber nicht einfach "nur" eine Liebesgeschichte, wie der Klappentext vielleicht suggeriert. Vielmehr geht es in "Bis ans Ende der Ewigkeit" um die Verwandlung in einen Vampir und die komplizierte Zeit nach der Wiedergeburt. Es geht um Regeln und Formalitäten, Gepflogenheiten und Traditionen. Vor allem Marcus - nicht immer rühmliche, aber sehr, sehr spannende und wunderbar historisch eingebettete - Vergangenheit spielt im Buch eine grosse Rolle. Und was mir auch besonders gut gefallen hat, waren die vielen Gedanken zu den Beziehungen, die innterhalb einer Familie bestehen. Eigentlich ist das Buch sogar komplett eine Liebesgeschichte an jegliche Modelle von "Familie" und beleuchtet einfühlsam die Beziehung von Söhnen zu Vätern und Töchtern zu Müttern, die Beziehungen zwischen Brüdern und Schwestern und alle Schwierigkeiten und auch wundervollen Momente, die sich daraus ergeben können. Ich denke, dass der Schlüssel zu diesem, wahrscheinlich ziemlich zufällig entstandenen und sehr emotionalen Schwerpunkt, im Nachwort liegt.


Meine Meinung:
Wie gerne bin ich mit Marcus ins achtzehnte Jahrhundert gereist und habe miterlebt, wie Bürgerkriege und die französische Revolution, die Pockenepidemie, Cholera und Gelbfieder gewütet haben und wie die Guillotine erfunden wurde. Marcus hat als Arzt oder vielleicht eher Hilfsarzt gearbeitet und in den Lazaretten der damaligen Zeit einiges erlebt. Ich persönlich liebe es, wenn Bücher in medizinische Gefilde oder auch andere Fachgebiete abdriften und dabei detailliert sind, spannend bleiben und man beim Lesen eine fundierte Recherche der Autorin erkennen kann. Das war hier definitiv der Fall und auch wenn einzelne Schilderungen von kriegsstrategischen Schachzügen dann doch ein wenig langatmig waren, haben mich die Ausflüge in die Vergangenheit und Marcus Familiengeschichte, sowie die Geschichte seiner Verwandlung zum Vampir überzeugt und gefesselt.
Ebenfalls total unterhaltsam, manchmal schräg und witzig, manchmal verstörend, aber trotzdem einleuchtend, war Phoebes Verwandlung zur Vampirin und vor allem die beschwerliche und für sie und ihr Umfeld ziemlich gefährliche Zeit danach geschildert.
Dass ich Diana und Matthew und ihren Zwillingen, sowie dem restlichen Clan begegnet bin, hat mir besonders gut gefallen. Besonders bewundere ich ausserdem die Konsequenz, mit der Harkness auch diesen Band aus der Ich-Perspektive von Diana erzählt und somit klar macht, dass "Bis ans Ende der Ewigkeit" eine Fortsetzung der All Souls-Trilogie ist.


Schreibstil:
Ich weiss nicht, wie genau sie es jeweils macht, aber weit mehr als 500 Seiten fliegen bei Deborah Harkness nur so dahin. Die Auflüge in die Vergangenheit sind spannend, bestens recherchiert und detailgetreu erzählt, ohne vor dem Hintergrund der historischen Ereignisse die Figuren aus den Augen zu verlieren. Weiter kommen ganz grosse Gefühle auf. Aber nicht nur die Romantik und Leidenschaft haben ihren Platz. Vielmehr kommen in diesem Buch diese Gefühle zum Zug, die oft ein wenig an den Rand gedrängt werden: Elternschaft, schwierige familiäre Beziehungen und die brutale Liebe, die Eltern für ihre Kinder empfinden können, aber auch der Stolz und die Grausamkeit, die mit der Bindung an eine gehobene und berüchtigte Familie einhergehen. Dies alles verpackt Harkness in eine spannende, unterhaltsame, manchmal richtig witzige, sehr erwachsene und fordernde Geschichte, die nichts mit "billiger" Vampir-/Nackenbeisser-Fantasy zu tun hat, sondern eine ganz eigene Welt erschaffen hat, in der Hexen, Dämonen, Vampire und Fabelwesen nach ihren ganz eigenen Regeln nebeneinander existieren und manchmal sogar miteinander auskommen können.


Meine Empfehlung:
Ich empfehle euch dieses fesselnde, informative, unterhaltsame und sehr emotionale Buch von Herzen weiter, möchte euch aber bitten, zuerst die All-Souls-Trilogie zu lesen, die noch viel mehr eine Ode an die Wissenschaft und Forschung ist und ausserdem natürlich auch viel zu einem besseren Verstehen der Handlung beitragen kann.