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Veröffentlicht am 31.03.2019

Klug, tragikomisch und spannend

Zündels Abgang
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Zündels Abgang - Markus Werner

Später lag er im Vollbad, aber er sang nicht. Er sprach: Meine Damen und Herren, wer im Vollbad singt, ist ein Klischeemensch.
Zündels Abgang, Markus Werner, Seite 17


Inhalt:
Der ...

Zündels Abgang - Markus Werner

Später lag er im Vollbad, aber er sang nicht. Er sprach: Meine Damen und Herren, wer im Vollbad singt, ist ein Klischeemensch.
Zündels Abgang, Markus Werner, Seite 17


Inhalt:
Der sonst so pflichtbewusste Lehrer Konrad Zündel verliert einen Zahn und von da an ist alles anders. Dies gipfelt letztendlich darin, dass er verschwindet, was seinen guten Freund, den fiktiven Erzähler Viktor Bosch, dazu bringt, Zündels Geschichte anhand von rätselhaften Indizien und im Alkoholrausch entstandenen Aufzeichnungen zu rekonstruieren. Dabei wird schnell klar, dass sich der verkannte Intellektuelle Zündel nicht nur über sich und sein Leben, sondern auch über die ganze Welt so viele Gedanken macht, dass er zuweilen die Realität und das Jetzt ein wenig aus den Augen verliert.

Ja, es ist anzunehmen, dass die Weltgeschichte ohne uns Zuschauer ins Stocken geriete. Unsere Schaulust ist historische bedeutsam: sie motiviert die Täter zu Taten und sorgt damit für einen bunten, zügigen Geschichtsverlauf.
Zündels Abgang, Markus Werner, Seite 60

Meine Meinung:
Was sich tragikomisch unterhaltend liest, sich aber verheerend für Zündel auswirkt, lässt tief in die Gedankenwelt des sich verlierenden Zündels blicken und dokumentiert einen Absturz und den Verlust jeglichen Realitätsbezugs eines sonst im Leben und seiner Beziehung verankerten Menschen. Schräg, klug, spannend und manchmal ziemlich eklig wird von diesem Abgang erzählt und dabei streift Markus Werner gekonnt die Themen Emanzipation, Ehe, Familie und Verlust, ohne je belehrend oder wertend zu werden.

Wenn die Kranken folgsam verenden, verscharrt man auch die Todesursachen. Wenn die Leidenden untergehen, die Schwächeren sich zurückziehen, die Verrückten eingelocht sind, dann ist die Welt im Lot, dann herrscht das Positive, dann hört man nur noch das dröhnende und pausbackige Halleluja der Tauglichen.
Zündels Abgang, Markus Werner, Seite 88

In seinem Debütroman bedient sich der 2016 verstorbene Markus Werner einer direkten und provokativen Sprache, die spitzfindig auf den Punkt bringt, was in Zündels Gedankenwelt geschieht. Sie chafft es dabei, auf wenigen Seiten die Geschichte eines ganzen Lebens und einer Ehe zu erzählen und dabei auch das Zeitgeschehen, sowie diverse menschliche Unzulänglichkeiten einfliessen zu lassen.


Meine Empfehlung:
Von mir gibt es eine ganz klare Leseempfehlung für diesen kleinen Roman, der definitiv eine grosse Geschichte erzählt und dabei zugleich unterhält und zum Nachdenken anregt.

Veröffentlicht am 31.03.2019

Eine Familiengeschichte, drei Generationen, Liebe, Verlust und Vergebung

Es geht uns gut
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Es geht uns gut - Arno Geiger


Schreibstil und Handlung:
Philipp räumt das Haus seiner Grosseltern aus. Alles kommt in die Tonne. Und während in dieser Gegenwart nichts weiter geschieht, als dass Philipp ...

Es geht uns gut - Arno Geiger


Schreibstil und Handlung:
Philipp räumt das Haus seiner Grosseltern aus. Alles kommt in die Tonne. Und während in dieser Gegenwart nichts weiter geschieht, als dass Philipp sich Notizen über längst vergangene Ereignisse zusammenfantasiert und dabei versucht, seine On-Off-Freundin - für die er eigentlich nur der Geliebte ist - ganz für sich zu gewinnen und dabei zwei Schwarzarbeiter beim Räumen des Hauses zu beaufsichtigen, zieht die Zeit träge vorbei und ein regnerischer Frühling geht dabei in einen warmen Sommer über.
In der Vergangenheit aber beobachten wir Philipps Mutter Ingrid dabei, wie sie krampfhaft versucht ihr beiden Kinder, ihre geliebte Arbeit und eine scheiternde Beziehung voller Distanz, sowie einen Alltag in Armut unter einen Hut zu bringen. Vorbei sind die fetten Jahre unter Vaters Fittichen, vorbei die Zeit, in denen Philipps Grosseltern zwar ein Kind verloren und ein zweites vertrieben haben, in denen aber fröhliche Sommer und die Ruhe zwischen zwei Kriegen für ein wenig Unbeschwertheit und zugleich bange Melancholie gesorgt haben.
Drei Generationen, drei Zeitebenen, drei Figuren, die ins Zentrum gerückt werden. Und während die Zeit in den Vergangenheitssträngen gefühlt viel schneller zerrinnt als in Philipps Gegenwart, wird mit vor sanfter Poesie und schwerer Schönheit triefender Sprache eine Geschichte erzählt, die vom Krieg handelt, von Armut und Reichtum, von innerer und äusserer Leere, Vergeben und Schuld. Von Liebe, die manchmal kaum zu bekommen und begreifen ist und die oft mit dem blossen Vorhandensein von Körperlichkeit verwechselt wird und von einer Einsamkeit, die aus den Menschen heraus entsteht und wie eine lautlose Seuche um sich greift.

Meine Meinung:
Anfangs wusste ich wirklich nicht, was mir dieses Buch sagen wollte und trotzdem war ich fasziniert von dieser Sprache, die manchmal umständlich und manchmal direkt schildert, wie sich ganze Generationen und einzelne Menschen entwickeln können, welches Leid und welche Freuden einer Familie widerfahren können und wie Menschen mit Schicksalsschlägen umgehen.
Dieses Buch hat mich lange für sich eingenommen, es hat viel Lesezeit von mir gefordert und war ein intensiver und berührender Monatsabschluss für den ersten Monat des Jahres 2019.


Meine Empfehlung:
Wahrscheinlich ist dieses Buch perfekt für lange Lesetage in schwüler Sommerhitze, aber auch in den ersten Monat dieses Jahres hat das Buch mit der intensiven und bewegenden Sprache und den drei verschiedenen Zeitebenen wundervoll gepasst. Es hat mich berührt, gefordert und mir spannende Lesestunden beschert.

Veröffentlicht am 02.06.2023

Lesenswert, wenn auch gegen Ende ein wenig zäh

Mädchen, Frau, etc.
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Inhalt:
Zwölf Schicksale, zwölf Lebensgeschichten voller Rassismus, Ausgrenzung, Feminismus, der Suche nach sich selbst, der Rolle als Frau oder nichtbinären Person und auch voller Erfolg, Kampfgeist und ...

Inhalt:
Zwölf Schicksale, zwölf Lebensgeschichten voller Rassismus, Ausgrenzung, Feminismus, der Suche nach sich selbst, der Rolle als Frau oder nichtbinären Person und auch voller Erfolg, Kampfgeist und Mut. Ausserdem beinhaltet das Buch ganz viel sprachliche Finesse, Zusammenhalt, Kunst und Kultur, Freundschaft und Liebe.

Meine Meinung:
"Mädchen, Frau, etc." ist das letzte Buch, das ich im Mai 2023 beendet habe und es hat mich fast den ganzen Monat hindurch begleitet. Vor allem anfangs war ich begeistert von der Sprache, vom Aufbau und den bunten, wilden, freien Figuren. Ich war berührt von den tragischen, brutalen Schicksalen und Lebensgeschichten, von den Beschreibungen, die kein Blatt vor den Mund nehmen und queere Lebensrealitäten so selbstverständlich inkludieren. Ausserdem habe ich mich durch viele unterhaltsame und romantische Szenen auch immer wieder bestens unterhalten gefühlt. Dann aber wurde mir das Ganze ein wenig zu ausschweifend, die Biografien der einzelnen Figuren ähnelten sich gegen Ende gar sehr und hielten - allen Widrigkeiten zum Trotz - doch immer einige zu konstruiert wirkende positive Auflösungen und Wendungen bereit.

Schreibstil und Aufbau:
Ganz besonders fällt - zumindest anfangs - auf, dass der Text nahezu ohne Satzzeichen auskommt. Frage- und Ausrufezeichen finden sich zwar, Punkte jedoch kaum. Stattdessen sorgen strategisch gesetzte Absätze für Lesepausen oder auch einen um so schnelleren Lesefluss. Ich kann mir vorstellen, dass der Text auch Mühe bereiten kann, sofern man sehr stark auf ein einheitliches Schriftbild und Satzzeichen angewiesen ist, ansonsten liest er sich aber enorm flüssig.
Das Buch ist so gegliedert, dass jeweils die Lebensgeschichte dreier zusammengehörender Figuren nacheinander erzählt wird. So gliedert sich das Buch in insgesamt vier grosse Abschnitte (à drei Figuren), dem grossen Finale und einem kurzen Epilog, in dem alle Fäden zusammenlaufen. Mir persönlich hat dieser Aufbau sehr gut gefallen und ich hatte zum Glück auch keine Probleme damit, den Überblick zu behalten, obwohl wirklich sehr viele Figuren auftauchen.

Fazit:
Alles in allem hat mir das Buch, das handwerklich geschickt geschrieben ist und wirklich sehr bewegend und inklusiv mitten aus den unterschiedlichsten Leben und gesellschaftlichen Kreisen erzählt, einiger Kritikpunkte zum Trotz sehr gut gefallen.

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Veröffentlicht am 14.03.2023

Gemütlich und sehr unterhaltsam

Frühlingsglück im kleinen Café an der Mühle
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Inhalt:
In Wümmerscheid-Sollensbach geht es wieder einmal rund. Nicht nur stehen Sophies und Peters standesamtliche und kirchliche Hochzeit bevor, auch Sophies Schwangerschaft schreitet munter voran, Peter ...

Inhalt:
In Wümmerscheid-Sollensbach geht es wieder einmal rund. Nicht nur stehen Sophies und Peters standesamtliche und kirchliche Hochzeit bevor, auch Sophies Schwangerschaft schreitet munter voran, Peter überrascht sie mit einem riesigen Geschenk und in den beiden Dörfern werden nicht nur weitere grosse Feste geplant, sondern Gerüchte um eine Serie, die in der Region gedreht werden soll, sowie einige Pfeile aus Amors Köcher bringen zahlreiche Gemüter in Wallung.

Meine Meinung:
Hier wechseln sich Regen und Schnee mit Sonne ab und da ich gerade viel zu viel unterwegs bin, um mich in die - aktuell spärlich scheinende - Sonne zu setzen, erlese ich mir halt den Frühling und dies klappt mit einem weiteren Band aus der Feder des Autorenduos "Barbara Erlenkamp" hervorragend. Dotties Bistro ist stets eine literarische Reise wert und ich habe mich sehr gefreut, altbekannte und liebgewonnene Figuren wieder anzutreffen. Von Sophies Schwangerschaft habe ich ja schon in den Vorgängerbänden erfahren und leider hat mich diese Entwicklung in diesem dritten Band ein wenig gestört, weil dadurch und durch die zahlreichen Nebenfiguren, welche zwar sehr charmant sind, aber auch viele Seiten für sich in Anspruch nehmen, das Leben und die Arbeit im Café in den Hintergrund rücken. Sogar die zahlreichen Feierlichkeiten werden nicht im Detail beschrieben, die kulinarischen Genüsse werden lediglich kurz gestreift und auch die Arbeit in der Küche wird kaum erwähnt. Ich hoffe in den kommenden Bänden wieder auf mehr Einblicke in diese spannende Welt, schliesslich habe ich Sophies Küchenteam sehr ins Herz geschlossen.

Die liebevollen Beschreibungen, die frühlingshafte Stimmung und auch Sophies bestimmte aber sehr herzliche Art haben mir aber sehr zugesagt. Zwischen den beiden ehemalg konkurrierenden Dörfern wird es immer harmonischer, wenn auch die alten Zwiste nicht komplett vergessen sind, was mir persönlich gut gefällt, da es einfach realistischer wirkt als stets eitel Sonnenschein. Ich hoffe auf sehr viele weitere Bände dieser Reihe und freue mich auch darauf, die weiteren Reihen und Bücher des Autorenduos zu entdecken.

Meine Empfehlung:
Einmal mehr habe ich einen gemütlichen Ausflug in Dottis Bistro unternommen und durfte gemeinsam mit Sophie und ihrem hilfsbereiten Umfeld unterhaltsame und ereignisreiche Momente erleben. Ein wenig gefehlt haben mir die bisher so schön erzählten Einblicke in die Küche und die Arbeit im Bistro. Die vielen kleinen und grossen Dramen und Geplänkel haben ein wenig von den schönen Speisen und dem Leben im Café abgelenkt, ansonsten hat mir aber auch dieser Band wieder sehr gut gefallen.

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Veröffentlicht am 28.02.2023

Höchst wissenschaftlich und - abgesehem vom Anfang - trotzdem kurzweilig erzählt

Die kürzeste Geschichte allen Lebens
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Inhalt:
In diesem Buch findet sich die Geschichte unseres Universum, der Entstehung der Erde und des Lebens. Und wie genau war das noch einmal mit der Rotationsenergie, der Entstehung der Einzeller, den ...

Inhalt:
In diesem Buch findet sich die Geschichte unseres Universum, der Entstehung der Erde und des Lebens. Und wie genau war das noch einmal mit der Rotationsenergie, der Entstehung der Einzeller, den Neandertalern und den ersten Wandmalereien? Das Duo Lesch-Zaun oriertiert sich an den aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen (stand 2009) und gibt kurzweilig wieder, was der Wissenschaft bereits mit grosser Sicherheit bekannt ist und zeigt auch auf, welche Fragen wohl für immer offen bleiben werden.

Meine Meinung:
Vor allem durch den Anfang dieses Buches habe ich mich gequält, weil der Ausflug in die Astrophysik mir ein wenig zu hochstehend war. Dieses anfänglich riesig grosse Feld, die Details rund um die Entstehung unseres Universums und Planetensystems, wird zuerst ganz ausschweifend ausgeführt und dann in kurzen Abschnitten noch einmal zusammengefasst. Es wurde also nach und nach einfacher, das Buch zu verstehen und vor allem wurde es für mich persönlich immer unterhaltsamer. Wie sich das Leben aus dem Wasser entwickelt hat, finde ich generell sehr spannend und je mehr Wesen thematisiert worden sind, desto mehr hat mich das Buch gepackt.
Besonders gut gefallen hat mir die Leidenschaft der Autoren zur Wissenschaft und unserer Entstehungsgeschichte sowie der Wille, ihr Wissen kompakt und mitreissend zu vermitteln, was ihnen in meinen Augen - abgesehen vom Anfang des Buches - auch durchgehend gelungen ist.

Meine Empfehlung:
Das Buch empfehle ich allen weiter, welche sich mit der Entstehung des Lebens und unserer Erde befassen und sich auf ein sehr wissenschaftliches aber spannendes Buch einlassen wollen.

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