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Veröffentlicht am 07.07.2020

Sehr gelungener medizinhistorischer Roman, in dem skrupellose Morde begangen werden

Die Tinktur des Todes
1

Edingburgh, 1847: Der angehende Mediziner Will Raven beginnt als eine Art „Arzt im Praktikum“ eine Stelle bei Professor Dr. Simpson, der sich im Bereich Geburtshilfe und Frauenheilkunde einen Namen gemacht ...

Edingburgh, 1847: Der angehende Mediziner Will Raven beginnt als eine Art „Arzt im Praktikum“ eine Stelle bei Professor Dr. Simpson, der sich im Bereich Geburtshilfe und Frauenheilkunde einen Namen gemacht hat und momentan nach einem neuen Narkosemittel sucht, welches den umstrittenen Äther ersetzen soll. Durch Zufall kommt Will dahinter, dass kürzlich mehrere Frauen auf mysteriöse Weise ums Leben kamen. Da sie jedoch lediglich Berufe wie Dirne und Hausmädchen bekleideten, hat die Polizei keinerlei weitergehendes Interesse und schließt Mord jeweils aus. Eines der mutmaßlichen Opfer war eine Bekannte von Sarah, die als Hausmädchen im Haus der Simpsons arbeitet und durch ihr starkes Interesse an Medizin und Chemie am liebsten selbst gerne Ärztin wäre, wenn es die Gesellschaft zuließe. Nach einigen anfänglichen Missverständnissen werden Will und Sarah zu einem Team, welches die Morde an den Frauen aufzuklären versucht. Ein Vorhaben, bei welchem es nicht nur einige Hürden zu überwältigen gilt sondern das die beiden auch in tödliche Gefahr bringt.
Mir hat dieses Buch sehr gefallen. Der Klappentext ließ zunächst vermuten, dass eine brutale Mordserie im Vordergrund stünde, was allerdings gar nicht der Fall ist. Vielmehr ist es ein wirklich sehr gut recherchierter medizinhistorischer Roman, in welchen die Aufklärung von vertuschten Morden eingebettet ist. Zudem wirkt der Roman sehr lebendig, als würde man beim Lesen komplett in die damalige Zeit eintauchen.
Überwältigt war ich von den Beschreibungen, wie Prof. Dr. Simspon als Geburtshelfer tätig war. Übrigens eine historisch reale Person. Er war tatsächlich maßgeblich an der Entdeckung des Chloroform beteiligt und sogar die erste Entbindung unter Chloroform-Narkose, welche er durchführte, wird im Roman beschrieben. Amüsant war das Detail, wie er nach dem Abendessen gemeinsam mit befreundeten Medizinern im Salon potentielle Betäubungsmittel im Eigenversuch testete.
Sehr gefallen hat mir die Rolle der Sarah Fisher, welche als hochintelligente Frau von ihrem Arbeitgeber dazu animiert wird, sich autodidaktisch fortzubilden, da er ihr Potential erkennt, sie als eine Art Sprechstundenhilfe einzusetzen. Eine sehr mutige und pfiffige Person. Ihr Wissen ist auch nicht unerheblich bei der Aufklärung der Mordfälle.
Will Raven war mir zunächst weniger sympathisch. Im Laufe des Romans durchlebt er eine starke Charakterwandlung, die es erst ermöglicht, mit Sarah als Team tätig zu werden. In der Konstellation kann ich mir eine Fortsetzung sehr gut vorstellen, wie ich sie auch bereits in der englischen Version entdeckt habe.
Neben vielen medizinhistorischen Details liefert der Roman ausgiebig Einblicke in die gesellschaftliche Stellung der Frau ebenso wie das pro und contra von Ärzten und Kirchenvertretern, wenn es um den Einsatz von Narkosemitteln bei Geburten und chirurgischen Eingriffen geht. Bei einigen der damaligen Argumente möchte man sich wirklich an den Kopf fassen.
Der atmosphärisch sowie inhaltlich sehr gelungene Roman stammt vom unter dem Pseudonym Ambrose Parry schreibenden Ehepaar Christopher Brookmyre, einem erfolgreichen Autor, und Medizinhistorikerin Marisa Haetzman, die jahrelang als Anästhesistin tätig war.
Ein äusserst gelungenes Buch, um eine Zeitreise in die Medizin des früheren Edingburgh zu machen und die Entdeckung des Chloroform mitzuerleben – und nebenbei skrupellose Morde an Frauen aufzuklären.

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Veröffentlicht am 16.06.2020

Zähe Dreiecksgeschichte

Stolen 1: Verwoben in Liebe
1

Die Vollwaise Abby kommt nach Darkenhall, ein Internat für schwererziehbare Jugendliche. Der störrischen Kleptomanin soll dort geholfen werden, nicht endgültig in die Kriminalität abzurutschen. Sofort ...

Die Vollwaise Abby kommt nach Darkenhall, ein Internat für schwererziehbare Jugendliche. Der störrischen Kleptomanin soll dort geholfen werden, nicht endgültig in die Kriminalität abzurutschen. Sofort zeigen die Söhne der Schulleitung Interesse an ihr, was jedoch hauptsächlich an Abbys Seelenweben liegt, welche sie wie eine Aura umgeben und die nur von wenigen Auserwählten gesehen werden können. So wie von Tristan und Bastian Tremblay. Während Tristan den Ruf als Womanizer auslebt und kaum ein Mädchen auslässt, um an deren Seelenweben zu kommen, ist Bastian eher der zurückgezogene Typ und lebt seinen Drang nach den Weben auf andere Weise aus.
In dieser Welt ist jeder Mensch von sogenannten Weben umgeben, wobei Herz- und Erinnerungsweben gut sind, während die düsteren Seelenweben sich in zu hoher Zahl negativ auf die Menschen auswirken. Ein Punkt, der in meinen Augen Klischee pur ist. Denn wer zuviele düstere Seelenweben mit sich herumträgt, also eine zu belastete Seele hat, wird laut Definition im Buch später Straftaten begehen. Schon klar. Und Bastian, selbst kaum älter als die Jugendlichen im Internat, spielt hier den Hobbypsychologen und „behandelt“ die Jugendlichen mit seinem Pseudotraining, wonach sich die Jugendlichen zwar besser fühlen, aber nicht, weil ihnen fürs Leben geholfen wurde, sondern weil er sich einfach an ihren Seelenweben bereichert hat, um seine magischen Batterien aufzuladen. Was sein Bruder Tristan übrigens durch das Küssen der vielen Mitschülerinnen schafft.
Da Abby mit einem immensen Paket an diesen Seelenweben im Internat ankommt, übt sie einen entsprechenden Reiz auf die Brüder aus. Ehrlich gesagt schon traurig, dass die beiden nicht an ihr als Person, sondern nur an ihrer Energie interessiert sind wie Vampire an Blut. Wobei Abby aber auch kaum Eigenschaften hat, die sie mir als Leser liebenswert machen. Sie ist zickig, anstrengend, naiv und hält sich für cool. Vor allem die Abschnitte aus ihrer Sicht sind voller Gedankenkarussells und nervigen Diskussionen, wer wen warum geküsst hat und was das bedeutet – oder nicht. Sie tendiert dazu, alles Mögliche falsch zu verstehen, anderen die Worte im Mund umzudrehen und nebenbei ihren Kaugummi um den Finger zu wickeln. Wobei die Abschnitte aus Bastians Sicht fairerweise ebenfalls viele Gedankenkreisel enthalten, wenn auch nicht so stark übertrieben.
Das Abenteuer, in welches die drei geraten und in dem auch Abbys Familie eine Rolle spielt, klingt von der Idee her gut, allerdings ist der Weg dorthin ziemlich zäh und die vielen, nervigen Diskussionen mit Abby zu anstregend, um die Story als wirklich spannend bezeichnen zu können.

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Veröffentlicht am 16.02.2020

Extreme Abgründe der menschlichen Gesellschaft

Die Fesseln des Bösen
1

Grangé - für mich ein Garant markanter Charaktere und unvorhersehbarer, komplex gestalteter Stories. Ein Autor, der dem Leser schonungslos die brutale Seite der Gesellschaft präsentiert. Diesmal ist es ...

Grangé - für mich ein Garant markanter Charaktere und unvorhersehbarer, komplex gestalteter Stories. Ein Autor, der dem Leser schonungslos die brutale Seite der Gesellschaft präsentiert. Diesmal ist es der Pariser Commandant Stéphane Corso, erwachsen aus zerrütteten Wurzeln, dem die Brutalität der Kindheit noch immer wie ein klebriger Kaugummi anhaftet und der recht unkonventionell im neuesten Mordfall ermittelt. Eine Tänzerin eines Pariser Nachtclubs wird auf grotesk entstellte Weise ermordet aufgefunden. Zunächst ermitteln Corso und sein Team in alle erdenklichen Richtungen. Als die zweite Tänzerin auf dieselbe Weise entstellt gefunden wird, bringen diverse Parallelen der Opfer Corso endlich auf eine Spur. Doch der Hauptverdächtige hat ein stichfestes Alibi. Verbeißt sich Corso in ein Hirngespinst oder stimmt sein Instinkt, als er den Verdächtigen weiterhin durchleuchtet?
Auch diesmal hat der Autor es sich nicht nehmen lassen, den Leser in tiefste Abründe der Gesellschaft zu entführen. Allerdings ging es diesmal ein wenig zu oft ins Extreme. Viele Charaktere haben Neigungen, die für sich allein schon sehr ausgefallen sind. In der Summe und mit dieser geballten Ladung an Details, wie es dem Leser diesmal präsentiert wird, hatte ich das Gefühl, mit dem Buch soll ein von Extremen und Superlativen übersättigtes Publikum unterhalten werden. Weniger wäre mehr und vielleicht auch glaubhafter gewesen.
Der Fall an sich gestaltet sich wie erwartet unduchsichtig und bietet mehrere Wendungen. Die Auflösung fiel dann leider wieder in der Bereich der starken Extreme und ruinierte mir erneut den Spaß an einem brutalen, aber realistisch wirkenden Thriller.
Das Hörbuch wird gelesen von Martin Keßler, der die düstere Atmosphäre und die ruppige Art des Ermittlers hervorragend vermittelt.

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Veröffentlicht am 12.01.2020

Zeitreise und Krimi in einem

1793
1

Im Herbst 1793 fischt Stadtknecht Jean Michael Cardell einen Leichnam aus den städtischen Gewässern Stockholms: Einen männlichen Torso, dessen sämtliche Gliedmaßen fachgerecht abgetrennt wurden. Kriegsveteran ...

Im Herbst 1793 fischt Stadtknecht Jean Michael Cardell einen Leichnam aus den städtischen Gewässern Stockholms: Einen männlichen Torso, dessen sämtliche Gliedmaßen fachgerecht abgetrennt wurden. Kriegsveteran Cardell trifft kurz darauf auf Cecil Winge, einen Juristen, dessen brilliante Intelligenz durch die besondere Grausamkeit der Verstümmelungen angefacht wird und der den Fall für die Stockholmer Polizei aufklären will. Fortan arbeiten die beiden als Team, um das Rätsel des mysteriösen Leichenfunds zu lösen.
Gewisse Parallelen zu Sherlock Holmes und Dr. Watson sind nicht von der Hand zu weisen: Auch hier ist der Ermittler ein höchst brillianter Kopf, dessen Körper statt einer Opiumsucht mit Tuberkulose zu kämpfen hat. Zu seiner Seite ein Kriegsveretan, der statt eines lahmen Beins einen Arm verlor.

"Der morgendliche Regen hat die Straßen in Schlammpisten verwandelt. Lumpengesindel, Armenhäusler und lebende Gerippe drücken sich an den Häuserecken herum und suchen vor der bevorstehenden Ernte des Sensenmanns Deckung." (Zitat S. 119)

Das Buch ist genaugenommen eine Zeitreise ins frühere Stockholm, in der ein Kriminalfall mit eingebaut wurde. Entsprechend der damaligen Zeit gehen die Ermittlungen von Winge und Cardell nur langsam voran, müssen sie doch alles zu Fuß ablaufen. Und kaum einer der Bewohner ist wirklich auskunftsfreudig, manch einer sogar gefährlich. Zudem bleibt es nicht aus, zwischendurch die ein oder andere Wirtschaft aufzusuchen oder einer Hinrichtung beizuwohnen, weil sie grad auf dem Weg liegt. Alles ist beeindruckend realistisch geschildert und führt dazu, die damalige Zeit leserisch miterleben zu können mitsamt ihrem Dreck, der Armut und den vielen Fäkalien in der Stadt. Weiterhin wird der Roman durch Intrigen, Vetternwirtschaft und politische Unruhen interessant erweitert, welche über die Grenzen Schwedens hinaus reichen.
Zwischendurch wird die Spannung des Kriminalfalles etwas gemildert durch die Einschübe zweier Schicksale, welche mehr oder weniger mit dem Ermordeten in Zusammenhang stehen. Die beiden Abschnitte sind durchaus interessant und abwechslungsreich, geben Einblick in weitere Bereiche der damaligen Zeit, verwirrten mich jedoch stellenweise, da sie für die Ermittlungen eher minderrelevant waren. Zum Schluss werden diese Einschübe jedoch mit eingebunden, so dass der Roman zu einem runden Abschluss findet.
Das Buch ist definitiv eine gelungene und realistisch wirkende Zeitreise ins damalige Stockholm. Ein Roman, für den man sich die Zeit nehmen sollte, in die damalige zeit einzutauchen. Wer nur die schnelle Klärung eines Kriminalfalles erwartet, wird hier vielleicht enttäuscht werden. Wer sich jedoch darauf einlässt, Stockholm im Jahr 1793 zu erleben, wird mit erstaunlich vielfältigen und realistischen Eindrücken belohnt.

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Veröffentlicht am 28.08.2019

Macht nur bedingt neugierig auf die Trilogie

Ophelia Scale - Wie alles begann
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Das Prequel zur Ophelia Scale-Trilogie macht einen Sprung zurück ins Jahr 2130, als Ophelia mit 14 Jahren kurz nach der Abkehr mit ihrer Familie nach Brighton gezogen ist. Die Abkehr bedeutet, dass König ...

Das Prequel zur Ophelia Scale-Trilogie macht einen Sprung zurück ins Jahr 2130, als Ophelia mit 14 Jahren kurz nach der Abkehr mit ihrer Familie nach Brighton gezogen ist. Die Abkehr bedeutet, dass König Leopold de Marais dem Volk sämtliche modernen Technologien verboten hat. Und das zu einer Zeit, zu der Androiden den Menschen den Alltag erleichterten und VR-Technologie in der Unterhaltungsbranche großen Absatz fand. Inwiefern medizinische Technologie verboten ist, konnte ich aus dem Prequel nicht herauslesen, doch es gibt weiterhin Elektrizität und diverse Fortbewegungsmittel. Ebensowenig wird erklärt, warum der König diese Technologien verboten hat und ob das Königshaus diese weiterhin nutzen darf. Und es wird nicht klar, warum ein in Frankreich lebender König Einfluss auf England hat, ob es ein König Europas ist oder wie die Staaten aufgeteilt wurden und nun regiert werden.
Ophelia gehört zu den Menschen, welche durch den Verlust der Technologie ihre Zukunftspläne verloren haben. Zufällig gerät sie an „ReVerse“, eine Widerstandsgruppe, welche gegen die Pläne des Königs ist. Viel mehr, als in diese Gruppe aufgenommen zu werden, geschieht aber leider nicht. Lediglich in ein Mitglied der Gruppe, Knox, verliebt sie sich, aber das war es auch bereits.
Klar, es ist nur ein Prequel zur Trilogie. Da ich dieses jedoch als Einstieg in die mir bisher unbekannte Trilogie nutzen wollte, bleibt doch sehr viel im Unklaren zu der Situation an sich und führte bei mir eher zu Verwirrung, als dass es neugierig machte.