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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.04.2020

Direkte, offene, humorvolle, tabulose Mischung aus Sachbuch und Autobiografie, die einem die Augen öffnet!

Sie hat Bock
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Inhalt

Die Feministin und Autorin stellt weibliches Begehren in den Mittelpunkt und fragt, wie sexistisch unser Sex eigentlich ist.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband (Sachbuch)
Tiere im ...

Inhalt

Die Feministin und Autorin stellt weibliches Begehren in den Mittelpunkt und fragt, wie sexistisch unser Sex eigentlich ist.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband (Sachbuch)
Tiere im Buch: ♥ Es werden im Buch keine Tiere verletzt, gequält oder getötet.
Triggerwarnung: sexualisierte Gewalt (u. a. Vergewaltigung), Sexismus, Body Shaming, Suizid (in einem Nebensatz erwähnt)

Warum dieses Buch?

Als Frau und Feministin interessiere ich mich sehr für feministische Literatur, die auf strukturelle Ungerechtigkeiten zwischen Mann und Frau aufmerksam macht und diese diskutiert und kritisiert. Da ich noch kein Buch zum Thema weibliches Begehren gelesen hatte, weckte „Sie hat Bock“ meine Neugier. Gelesen habe ich es vor allem wegen der vielen positiven Buchbesprechungen und weil unter anderem geschrieben wurde, dass jede/r dieses Sachbuch gelesen haben sollte.

Meine Meinung

Einstieg (4 Sterne)

„Weibliche Sexualität als normaler Bestandteil des Lebens scheint in der öffentlichen Wahrnehmung nicht zu existieren.“ E-Book, Position 381

Der Einstieg ins Buch verlief problemlos. Obwohl ich auf den ersten Seiten manchmal bei der Wortwahl der Autorin zusammengezuckt bin, traf sie so oft den Nagel auf den Kopf, dass ich nur still nicken konnte und unbedingt weiterlesen wollte.

Inhalt (4 Lilien)

„Sexualität ist keine Einbahnstraße ohne Anhalte- und Umkehrmöglichkeit. Und doch wird sie allzu oft genau so gelebt und für normal befunden.“ E-Book, Position 1321

In ihrem Sachbuch kombiniert Autorin Katja Lewina auf gelungene Weise Ratgeber, feministisches Manifest und Autobiografie und spricht Dinge aus, die dringend einmal gesagt werden müssen. Sie klärt auf, zitiert Studien, öffnet uns die Augen und berichtet auf beeindruckend direkte und tabulose Weise aus ihrem eigenen Leben. Wo es nämlich Tabus gibt, können Missstände (die gravierend sein können) nicht angesprochen werden. Gerade das ist das Problem, das es im Bereich Sexualität gibt. Der Gender Pay Gap wird in der Gesellschaft mit gewisser Regelmäßigkeit diskutiert und kritisiert, doch wenn es um weibliches Begehren und sexistischen Sex geht, werden Ungerechtigkeiten immer noch totgeschwiegen. Mit diesem Buch bricht Katja Lewina das Schweigen und spricht so unaufgeregt und offen über ihr Liebesleben, dass es einem selbst nach ein paar Seiten ganz selbstverständlich vorkommt!

Die Autorin beschäftigt sich dabei mit vielen verschiedenen Themen (hier ist garantiert für jede und jeden etwas dabei!) wie offene Beziehungen, Verhütung, Jungfräulichkeit, Doppelmoral, Sexismus, Rasierzwang, sexualisierte Gewalt, Victim Blaming und Rape Culture. Dabei werden auf spannende Weise viele Mythen widerlegt. Ich jedenfalls konnte das Buch kaum mehr aus der Hand legen und beim Lesen viel Neues dazulernen – über manche Dinge hatte ich mir bis dahin noch gar keine Gedanken gemacht. Immer wieder dachte ich „Yes!“ und nickte beim Lesen zustimmend mit dem Kopf. Anderes war mir schon vorher bekannt und in manchen Kapiteln hätte die Autorin gerne noch in die Tiefe gehen können. Ich denke deshalb, dass sich dieses Buch besonders gut als Einführungswerk zum Thema „Feminismus und weibliches Begehren“ eignet.

Nur selten konnte ich die Meinung der Autorin nicht teilen: Zum Beispiel ist für mich Prostitution eben keine Arbeit wie jede andere (meiner Meinung wurde das Problem etwas verharmlost) und ein Wunschkaiserschnitt ist nicht „hirnverballert“, sondern in einer Zeit, in der schätzungsweise immer noch die Hälfte aller Gebärenden Opfer von Gewalt unter der Geburt wird, eine legitime Entscheidung, die akzeptiert werden sollte. Durch diese Wahlmöglichkeit können Frauen selbstbestimmt entscheiden, wie sie gebären möchten, und das sollte von FeministInnen doch gutgeheißen werden.

Als Frau wird man zwangsläufig mit Sexismus und Misogynie konfrontiert – ich bin da natürlich keine Ausnahme. Männer werden gefeiert, wenn sie ein selbstbestimmtes, aktives Liebesleben haben, Frauen beschimpft. Sie sind Schlam++, Hu++ oder Dorfmatratzen, ihr Wert wird auch im Jahre 2020 von manchen Leuten immer noch an der Anzahl ihrer LiebhaberInnen bemessen. Von einem jungen Mann in meinem Alter bekam ich zum Beispiel zu hören, dass eine junge Frau, die gerne One-Night-Stands hat, als Mensch wertlos sei. Mir wurde gesagt, dass es Vergewaltigung in einer funktionierenden Ehe nicht gibt (oder wohl eher das sie nicht so genannt werden soll!) und wenn man sich mal in den Kommentarspalten von Zeitungsartikeln umsieht, wenn wieder Vergewaltigungsvorwürfe gegen einen gefeierten Promi auftauchen, steht da nicht: „Was können wir gegen sexualisierte Gewalt tun? Warum wurde er zum Täter?“, sondern „Aber hatte sie einen kurzen Rock an? Warum hat sie so viel getrunken? Wieso musste sie auch durch diese dunkle Gasse gehen? Hat sie ihn nicht vorher in die Wohnung gelassen? Sie hat doch gewusst, was dann passieren würde, oder nicht? Bestimmt wollte sie es doch!“. Und solange Sexismus und Misogynie so weit in unserer Gesellschaft verbreitet sind, brauchen wir Bücher wie „Sie hat Bock“, die Frauen helfen, Mythen von der Wahrheit zu unterscheiden, sich auch sexuell zu emanzipieren und sich nicht mehr so viel gefallen zu lassen! Deshalb ein großes „Danke!“ an Katja Lewina dafür, dass sie dieses Buch geschrieben hat!

„Ich persönlich kenne keine einzige Frau, die von der Verletzung ihrer sexuellen Grenzen verschont geblieben wäre.“ E-Book, Position 1209

Schreibstil & Verständlichkeit (4 Sterne)

„Auf der Straße, in der Koje, bei der Arbeit, selbst auf dem verdammten Kinderspielplatz – als Frau bin ich daran gewöhnt, dass mein Aussehen in jeder Lage ungefragt von Männern bewertet und kommentiert wird. Sie nennen mich Göttin, Abschaum oder irgendwas dazwischen, heben mich hoch oder trampeln auf mir rum […].“ E-Book, Position 1372

Eines kann man mit Sicherheit nicht sagen: dass „Sie hat Bock“ sehr ästhetisch oder poetisch geschrieben wäre. Im Gegenteil, Katja Lewina nimmt kein Blatt vor den Mund, nennt die Dinge beim (oft wenig eleganten) Namen und kennt keine Tabus. Einerseits fand ich ihre offene, schonungslose, direkte, nahbare und lockere Sprache perfekt für dieses Buch. In einer anderen Besprechung wurde geschrieben, dass die Autorin „mit der Faust auf den Tisch haut“ – ich denke, besser kann man den Schreibstil nicht beschreiben. Genau das haben wir alle bei diesem Thema mal gebraucht! Nicht jemanden, der zurückhaltend argumentiert, sondern jemanden, der Augen öffnet und zu den Leuten durchdringt, indem er sagt: „So ist das im Moment und das ist unfair, verdammt noch mal!“

Andererseits war der Schreibstil für mich – eine Liebhaberin von ästhetischer, „schön“ geschriebener Literatur – nach einer Weile etwas anstrengend zu lesen. Ich habe das Buch aber auch an einem Tag durchgelesen, daher mein Tipp: Häppchenweise lesen und sich genügend Zeit nehmen, die Zeilen wirken zu lassen – dann findet man das Buch sicher noch besser.

Humor (4 Lilien)

Auch der Humor, mit dem die Autorin von eigenen Erfahrungen erzählt, konnte mich überzeugen. Auch wenn es nur selten lustige Passagen gibt, haben diese mir dafür immer ein Schmunzeln oder kurzes Auflachen entlockt.

Feministischer Blickwinkel (5 Lilien ♥)

Mit diesem Augen öffnenden, tabulosen Werk über wichtige Themen – weibliches Begehren und sexistischen Sex – hat die Feministin Katja Lewina viel für den Feminismus und somit auch für die Gleichberechtigung getan. Deshalb gibt es hier natürlich auch alle Punkte!

Mein Fazit

In ihrem Sachbuch kombiniert Autorin Katja Lewina auf gelungene Weise Ratgeber, feministisches Manifest und Autobiografie. Sie widerlegt Mythen, zitiert Studien, öffnet uns die Augen und spricht sehr unaufgeregt, offen, humorvoll und tabulos über ihr Liebesleben. Die Autorin beschäftigt sich dabei mit vielen verschiedenen Themen wie Verhütung, Doppelmoral, Sexismus und sexualisierte Gewalt. Ich jedenfalls konnte beim Lesen viel Neues dazulernen. Anderes war mir schon vorher bekannt und in manchen Kapiteln hätte die Autorin gerne noch in die Tiefe gehen können. Ich denke deshalb, dass sich dieses Buch besonders gut als Einführungswerk zum Thema eignet. Nur selten konnte ich die Meinung der Autorin nicht teilen (z. B. was Prostitution und Kaiserschnitt betrifft). Einerseits fand ich ihre offene, direkte und nahbare Sprache perfekt für dieses Buch, andererseits war der Schreibstil für mich als Liebhaberin von ästhetischer, „schön“ geschriebener Literatur – nach einer Weile etwas anstrengend zu lesen. Ich habe das Buch aber auch an einem Tag durchgelesen (ich konnte es kaum aus der Hand legen!), daher mein Tipp: Lieber häppchenweise lesen und sich genügend Zeit nehmen, die Zeilen wirken zu lassen – dann findet man das Buch sicher noch besser. Solange Sexismus und Misogynie so weit in unserer Gesellschaft verbreitet sind, brauchen wir Bücher wie „Sie hat Bock“, die Frauen helfen, Mythen von der Wahrheit zu unterscheiden, sich auch sexuell zu emanzipieren und sich nicht mehr so viel gefallen zu lassen. Damit hat die Autorin viel für den Feminismus und somit auch für Gleichberechtigung getan. Deshalb ein großes „Danke!“ an Katja Lewina dafür, dass sie dieses Buch geschrieben hat! Natürlich gibt es eine uneingeschränkte Leseempfehlung – besonders auch für Männer!

Bewertung

Einstieg: 4 Lilien
Inhalt: 4 Lilien
Verständlichkeit: 5 Lilien ♥
Schreibstil: 4 Lilien
Humor: 4 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 5 Lilien ♥

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch erhält von mir vier Lilien!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.03.2020

Rundum gelungener, atmosphärischer, wendungsreicher Pageturner – nach der Lektüre werdet ihr Kastanien(männchen) für immer mit anderen Augen sehen!

Der Kastanienmann
0

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

An einem stürmischen Herbsttag wird die entstellte Leiche einer Mutter gefunden. Am Tatort wird ein Kastanienmännchen entdeckt, das dort vorher nicht wahr. Die Figur ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

An einem stürmischen Herbsttag wird die entstellte Leiche einer Mutter gefunden. Am Tatort wird ein Kastanienmännchen entdeckt, das dort vorher nicht wahr. Die Figur gerät zunehmend in den Fokus der Ermittlungen, als auf dem Kastanienkopf der Figur der Fingerabdruck der Tochter der Sozialministerin gefunden wird. Doch das kann eigentlich gar nicht sein, weil diese vor einem Jahr entführt und ermordet wurde – auch wenn die Leiche nie gefunden wurde. Der Fall schien gelöst, der Täter hat gestanden und sitzt in der forensischen Psychiatrie ein. Gemeinsam mit ihrem bei Europol in Ungnade gefallenen neuen Kollegen Mark Hess versucht Naia Thulin, das Rätsel zu lösen…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Präteritum und Präsens
Perspektive: männliche Perspektive und weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurz bis sehr kurz
Tiere im Buch: - Für TierliebhaberInnen ist dieser Thriller nicht immer leicht zu verdauen: Ratten, ein Huhn, ein Schwein und ein Hund werden getötet (teilweise auf grausame Weise), ein geschlachtetes Schwein wird zerstückelt und Fleisch wird gegessen. Zudem würde ich mir wünschen, dass AutorInnen sich informieren, bevor sie ein Tier in ihre Bücher schreiben. Dann würden wenigstens falsche Informationen und grobe Haltungsfehler wie die Einzelhaltung eines Wellensittichs (die an Tierquälerei grenzt!) nicht weiterverbreitet. Wellensittiche sind alleine sehr unglücklich, daher bitte immer mindestens zwei davon halten!

Warum dieses Buch?

Über dieses Buch hatte ich vor der Lektüre nur Gutes gehört, zudem erinnerte mich der Titel an den „Kreidemann“ von C. J. Tudor, den ich großartig fand. Der Klappentext klang ebenfalls sehr spannend!

Meine Meinung

Einstieg (4 Sterne)

Es dauerte nur wenige Kapitel – in denen ich aufgrund der Figuren noch etwas skeptisch war – bis ich ganz in die Geschichte eingetaucht war. Danach entwickelte das Buch einen unglaublichen Sog!

Schreibstil (5 Lilien ♥)

Der angemessen komplexe Schreibstil ist perfekt für einen Thriller geeignet: Ich habe ihn als sehr angenehm und flüssig wahrgenommen. Man merkt, dass Søren Sveistrup eigentlich Drehbuchautor ist. Er schreibt sehr bildlich, atmosphärisch und spannend, aber auch die Gefühle kommen nicht zu kurz. Das Buch würde sich perfekt für eine Verfilmung eignen – ich würde sie mir definitiv ansehen! Zahlreiche Dialoge machen die Geschichte noch lebendiger. Auch wenn es blutig und brutal wird, schaut der Autor nicht weg, weswegen es manchmal detaillierte Beschreibungen gibt, die für sensible Seelen nicht leicht zu ertragen sind.

Inhalt, Themen & Ende (5 Lilien ♥)

„‘Kastanienmann, komm herein, Kastanienmann, komm herein. Hast du welche für mich dabei? Danke schön…‘“ E-Book, Position 1618

Mit „Der Kastanienmann“ ist dem dänischen Autor Søren Sveistrup, der unter anderem auch Drehbücher für die Serie „The Killing“ verfasst hat, ein rundum gelungener, wendungsreicher und sehr atmosphärischer Thriller geglückt, der diesen Namen auch verdient. Der Fall ist komplex und interessant, sodass es sehr viel Spaß macht, zu rätseln, wie es weitergeht und wer der Mörder oder die Mörderin sein könnte. Begeistern konnten mich (als große Liebhaberin von Beschreibungen der Polizeiarbeit) auch die detaillierten Schilderungen der Ermittlungen. Das Buch enthält zahlreiche Perspektivwechsel, denn auch Nebenfiguren kommen in entscheidenden Momenten kurz zu Wort. Obwohl ich eigentlich kein Fan von häufigen Perspektivwechseln bin, hat es mich hier nicht gestört, weil die verschiedenen Kapitel für die Geschichte notwendig waren. Zudem wird die Geschichte nicht immer linear erzählt: Das Buch enthält einige Rückblenden, die neue Informationen offenbaren.

Thematisch steht jedoch nicht nur der Fall im Vordergrund, an dessen Aufklärung Hess und Thulin mit Hochdruck arbeiten, sondern auch gesellschaftliche Missstände und Probleme, mit denen die Figuren zu kämpfen haben. Es geht um Trauer und ihre Auswirkungen auf eine Familie, um Einsamkeit, Alkoholismus, Missbrauch, Vernachlässigung und Gewalt gegen Frauen und Kinder. Søren Sveistrup kratzt hier nicht nur an der Oberfläche, sondern geht durchaus auch in die Tiefe, sodass einen die Geschichte emotional nicht kaltlässt.

Die Auflösung fand ich sehr überzeugend und auch das runde Ende, das fast offenen Fragen beantwortet, hat mir gefallen – auch wenn da noch ein kleines bisschen Luft nach oben ist. Mit einem Knall endet „Der Kastanienmann“ nämlich nicht. Lediglich die Beziehung zwischen zwei Figuren wurde nicht ganz geklärt, was mich etwas unzufrieden zurücklässt, aber das ist natürlich Jammern auf hohem Niveau! Sollte es irgendwann eine Fortsetzung geben, werde ich sie auf jeden Fall lesen!

ProtagonistInnen (5 Lilien ♥) & Figuren (4 Lilien)

Sehr gut gelungen sind meiner Meinung nach die liebevoll ausgearbeiteten und authentischen ProtagonistInnen mit ihren glaubwürdigen Stärken und Schwächen. Ich habe die starke, mutige Thulin wirklich gerne begleitet, aber noch mehr in mein Herz geschlichen hat sich der sensible, scharfsinnige, etwas verloren wirkende Hess, der in der Vergangenheit einiges durchgemacht hat. Es ist schon länger her, dass ich mich beim Lesen um das Wohl der Figuren gesorgt habe und Angst um sie hatte. Beim „Kastanienmann“ ist das jedoch einige Male passiert. Das finde ich schön, denn es zeigt, dass mich die Charaktere nicht kaltgelassen haben.

Die Nebenfiguren sind ebenfalls gut gelungen, auch wenn es vereinzelt Personen gab, die etwas blass waren und noch etwas mehr Farbe vertragen hätten. Insgesamt bin ich aber auch hier sehr zufrieden.

Spannung & Atmosphäre (5 Lilien ♥)

„Aus den krummen Bäumen und den entlaubten Büschen im dunklen Garten kommt die Angst gekrochen und greift nach ihren nackten Beinen.“ E-Book, Position 3596

Die größte Stärke dieses Thrillers ist mit Sicherheit seine dichte Atmosphäre. Überall buntes Laub und kleine Kastanienmännchen, es ist windig, nass und kalt – man fühlt sich sofort in den Herbst versetzt und wundert sich nach stundenlangem Lesen (in Corona-Quarantäne im März) beim Blick aus dem Fenster, dass draußen die ersten Krokusse blühen. „Der Kastanienmann“ ist unvorhersehbar, wendungsreich, enthält einige unheimliche Gänsehautmomente und lässt einen regelmäßig erschaudern. Auch die Schauplätze sind teilweise echt gruselig – oder würdet ihr gerne in einem ehemaligen Schlachthof wohnen?

Durch die kurzen Kapitel (mit gelegentlichen Cliffhangern) wird das Buch zu einem temporeichen Pageturner. Auch was den Spannungsbogen betrifft, macht der Autor alles richtig, denn die vereinzelten kleineren Spannungseinbrüche in der zweiten Hälfte des Buches sind kaum der Rede wert. Ich konnte das Buch jedenfalls kaum aus der Hand legen! Eines kann ich euch jedenfalls versprechen: Nach der Lektüre werdet ihr Kastanien und besonders Kastanienmännchen für immer mit anderen Augen sehen!

Feministischer Blickwinkel (5 Lilien ♥)

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Luder, Schickse, Tusse

Es gibt nur eine Sache, die mir hier negativ aufgefallen ist: Die Szene am Beginn zwischen Naia und Sebastian grenzt für mich an Vergewaltigung – allerdings scheint es für ihn okay zu sein und da ich nicht weiß, was zwischen den beiden abgesprochen ist, möchte ich dazu nicht mehr sagen. Es gibt aber auch viele positive Aspekt, die erwähnenswert sind: Einerseits hat es mir sehr gut gefallen, dass es viele starke, mutige, gut gebildete Frauen und Frauen in Führungspositionen gibt (z. B. Sozialministerin, Anwältin, Professorin für Botanik, Thulin ist die Chefin von Hess) und dass großteils auf Rollenklischees verzichtet wird, andererseits finde ich es auch wunderbar, dass so viele Männer beim Kochen, bei der Hausarbeit und bei der Kindererziehung gezeigt werden. Eine kurze Recherche hat ergeben, dass Dänemark uns (Österreich) tatsächlich sehr weit voraus ist beim Thema Gleichberechtigung und Elterndasein: Auf das Sinken der Geburtenrate wurde mit einem Ausbau der Kinderbetreuung reagiert, zudem fühlen sich Männer stärker als in hierzulande verantwortlich für Kinder und Haushalt. Dieses Buch hat in mir den starken Wunsch geweckt, nach Dänemark auszuwandern!

Den einen oder anderen Sexisten mit unangenehmen männlichen Fantasien, der Frauen objektifiziert, gibt es im Thriller leider trotzdem, doch das verzeihe ich, da es sich ausnahmslos um unsympathische Figuren und Bösewichte handelt. Großartig fand ich hingegen, dass viele der Frauen ein aktives, lebendiges Liebesleben haben, dafür aber zu keinem Zeitpunkt kritisiert werden, es gibt also kein Slutshaming (juhu!). Zudem werden auch Sexismus, sexuelle Belästigung und Gewalt an Frauen thematisiert und kritisiert, was mir ebenfalls sehr gut gefallen hat. Auch den Bechdel-Test besteht das Buch problemlos und die eher milden gegenderten Beleidigungen (Luder, Schickse, Tusse) kann ich auch problemlos verzeihen. Hätte der Autor nun noch gegendert, wäre das Buch (was diesen Aspekt betrifft) perfekt gewesen!

Ein Satz über Naia, den ich liebe:
„Sieht aus wie ein Hänfling, der von einem Windstoß umgeblasen werden kann, doch wenn man ihr in die Augen sieht, ist nicht mehr sicher, wie es mit den Kräfteverhältnissen aussieht.“ E-Book, Position 3215

Mein Fazit

Mit „Der Kastanienmann“ ist Søren Sveistrup ein rundum gelungener, wendungsreicher und sehr atmosphärischer Thriller geglückt, der diesen Namen auch verdient. Der Fall ist komplex und interessant (das Miträtseln macht unheimlich viel Spaß!), der Schreibstil sehr angenehm und bildlich (aber auch die Gefühle kommen nicht zu kurz!) und die detaillierten Schilderungen der Ermittlungen haben mich fasziniert. Thematisch stehen gesellschaftliche Missstände und persönliche Probleme wie Trauer, Missbrauch und häusliche Gewalt im Mittelpunkt. Søren Sveistrup kratzt hier nicht nur an der Oberfläche, sondern geht durchaus auch in die Tiefe, sodass einen die Geschichte auch emotional nicht kaltlässt. Auch die liebevoll ausgearbeiteten ProtagonistInnen überzeugen auf ganzer Linie – ich hatte teilweise echt Angst um sie! Besonders in mein Herz geschlichen hat sich der sensible, scharfsinnige, etwas verloren wirkende Hess, der in der Vergangenheit einiges durchgemacht hat. Positiv sind mir auch die starken, mutigen, gut gebildeten weiblichen Figuren in Führungspositionen und die im Haushalt und der Kindererziehung engagierten Männer aufgefallen – hier werden kaum Geschlechterstereotype reproduziert, was ich wunderbar finde. Die größte Stärke dieses Thrillers ist aber mit Sicherheit seine dichte Atmosphäre. Überall buntes Laub und kleine Kastanienmännchen, es ist windig, nass und kalt – man fühlt sich sofort in den Herbst versetzt und wundert sich (nach stundenlangem Lesen in Corona-Quarantäne im März) beim Blick aus dem Fenster, dass draußen die ersten Krokusse blühen. „Der Kastanienmann“ ist unvorhersehbar, enthält einige unheimliche Gänsehautmomente und lässt einen regelmäßig erschaudern. Durch die kurzen Kapitel (mit gelegentlichen Cliffhangern) wird das Buch wird zu einem temporeichen, spannenden Pageturner. Ich konnte es kaum aus der Hand legen! Ich kann euch die Geschichte nur wärmstens empfehlen – aber seid euch einer Sache bewusst, bevor ihr zu diesem Thriller greift: Nach der Lektüre werdet ihr Kastanien(männchen) für immer mit anderen Augen sehen!

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 5 Lilien ♥
Umsetzung: 5 Lilien ♥
Worldbuilding: 5 Lilien ♥
Einstieg: 4 Lilien
Ende / Auflösung: 4 Lilien
Schreibstil: 5 Lilien ♥
ProtagonistInnen: 5 Lilien ♥
Figuren: 4 Lilien
Spannung: 4,5 Lilien
Atmosphäre: 5 Lilien ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Lilien ♥
Feministischer Blickwinkel: 5 Lilien ♥

Insgesamt:

❀❀❀❀❀♥ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir fünf Lilien und ein Herz und somit den Lieblingsbuchstatus!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.03.2020

Solide, unterhaltsame, gewohnt düstere & blutige Fortsetzung mit liebevoll ausgearbeiteten Figuren – nur das Ende ist leider viel zu offen!

1794
0

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Nach den tragischen Ereignissen im letzten Band ist der Stadtknecht Jean Michael Cardell in ein tiefes Loch gefallen. Eines Tages bittet ihn eine Witwe, deren Tochter ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Nach den tragischen Ereignissen im letzten Band ist der Stadtknecht Jean Michael Cardell in ein tiefes Loch gefallen. Eines Tages bittet ihn eine Witwe, deren Tochter in ihrer Hochzeitsnacht auf grausame Weise getötet wurde, um Hilfe. Angeblich sollen Wölfe die Täter gewesen sein, doch das will die trauernde Mutter nicht glauben. Dieses Mal steht Cardell bei den Ermittlungen Emil Winge zur Seite, der Bruder von Cecil, der mit seinen ganz eigenen Dämonen zu kämpfen hat…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #2 der Reihe um Cardell und Winge; nach dem sehr offenen Ende scheint ein Nachfolger wahrscheinlich – einen offiziellen Erscheinungstermin gibt es allerdings zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Ich-Erzähler, Präteritum und Präsens
Perspektive: männliche Perspektive und weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurz
Tiere im Buch: -! Auch der Nachfolger von „1793“ ist für TierliebhaberInnen stellenweise schwer zu ertragen. Es wird über die Jagd gesprochen, Pferde werden grob angetrieben und wirken vernachlässigt, und eine Katze hat schlimme Vergiftungserscheinungen und wird auf brutale Weise von ihrem Leiden erlöst.

Warum dieses Buch?

Nach dem großartigen ersten Band, der zu meinen Jahreshighlights 2019 gehörte, habe ich mich wahnsinnig auf die Fortsetzung gefreut und konnte es kaum erwarten, sie zu lesen! Dementsprechend hoch waren natürlich meine Erwartungen …

Meine Meinung

Einstieg (4 Sterne)

Auch wenn ich in den ersten Kapiteln nicht sofort wusste, wen ich da überhaupt begleite, dauerte es nur wenige Seiten, bis ich wieder ganz in die Geschichte eingetaucht und mich wie mit einer Zeitmaschine ins Jahr 1794 zurückkatapultiert fühlte. Sehr dankbar war ich für das Personenregister am Beginn des Buches, das für alle, bei denen die Lektüre des ersten Bandes schon länger her ist, eine große Hilfe sein wird.

Schreibstil (5 Lilien ♥)

Erneut beweist der Autor, was für ein großartiger Geschichtenerzähler er ist. Der Schreibstil, der mich auch emotional wieder mitreißen konnte, ist wunderbar atmosphärisch, bildlich, tiefgründig und angenehm lesbar. Man fliegt nur so durch die Seiten! Die lebendigen, authentischen Dialoge konnten mich ebenso wieder überzeugen wie die kleine Prise Humor, die im Buch enthalten ist. Aufgrund der überraschend modernen Sprache eignet sich auch die Fortsetzung wieder für alle, die eigentlich keine historischen Romane mögen und bei einer schwülstigen Schreibweise am liebsten die Flucht ergreifen würden.

Gestört hat mich erneut, dass die schwedischen Namen für Flüsse, Berge, Plätze und Brücken ohne Übersetzung übernommen wurden, was ich sehr mühsam und nervig fand und was mich leider manchmal auch aus dem Lesefluss gerissen hat. Ich mag es nicht, wenn ich mir etwas nicht genau vorstellen kann und musste daher oft googeln. Mein Vorschlag lautet wieder: Man könnte die Originalnamen mit der deutschen Bezeichnung für das „Ding“ kombinieren (z. B. „XY-Platz“ oder „XY-Straße“) – so würde auch das schwedische Flair nicht verloren gehen.

Inhalt, Themen & Ende (4 Lilien)

„‘Vielleicht wurde unsere Spezies seit Anbeginn von dieser Art der Fäulnis geplagt? Womöglich wird die Welt nur älter, aber niemals besser.“ E-Book, Position 1429

Da es so einen großen, meiner Meinung nach berechtigten Hype um „1793“ gegeben hat, waren meine Erwartungen – und wohl auch der Druck auf den Autor, an den Erfolg anzuknüpfen – sehr hoch. Niklas Natt och Dag meistert diese Herausforderung und hat eine solide Fortsetzung geschrieben, die mit den bekannten Stärken punkten kann, erneut sehr unterhaltsam und gewohnt düster ist. Der Autor schaut auch dieses Mal wieder ganz genau hin und beschönigt nichts, wenn es blutig, brutal oder richtig ekelhaft wird. Manchmal kann man fast nicht hinsehen, anderes möchte man eigentlich gar nicht so genau wissen, trotzdem kann man nicht anders, als Wort für Wort zu verdauen – auch wenn manche Szene eventuell leichte Übelkeit verursacht. Gerade diese ehrlichen und authentischen Beschreibungen machen die Reihe von Natt och Dag jedoch zu etwas ganz Besonderem! Zartbesaiteten und Fans von romantischen historischen Romanen empfehle ich auch dieses Mal, sich den Büchern nur vorsichtig und mit Bedacht zu nähern – oder im Zweifel gleich einen Bogen darum zu machen.

Auch die Fortsetzung ist wieder in vier Teile geteilt, die den verschiedenen Jahreszeiten entsprechen. Dieses Mal rückt die Mordermittlung allerdings mehr in den Hintergrund als noch im Auftakt, stattdessen konzentriert sich der Autor stärker auf die Probleme seiner ProtagonistInnen. Deswegen lässt sich „1794“ als historischer Roman mit kleinerem Krimianteil beschreiben. Obwohl mich die Geschichte wieder überzeugen konnte, hätte ich mir etwas mehr Ermittlungsarbeit gewünscht.

In „1794“ stehen Themen wie Freundschaft, Vergänglichkeit, Trauer, Schuld, Reue, Einsamkeit und Versagen im Mittelpunkt, die der Autor gewohnt tiefgründig behandelt. So detailliert wie mit den blutigen, ekelhaften Details des damaligen Lebens beschäftigt sich Niklas Natt och Dag auch mit den Gefühlen und der Innenwelt seiner Figuren, die er immer sehr nuanciert und eindringlich beschreibt, so dass ich auch emotional wieder vollkommen von der Geschichte mitgerissen wurde.

Obwohl ich die letzte Szene stark fand, gefiel sie mir nicht als Ende des Romans. Es gibt nämlich gute und schlechte offene Enden – jenes von „1794“ gehört leider zu letzterer Gruppe. Am Schluss gibt es noch so viele unbeantwortete Fragen und lose Fäden, dass das Buch auf mich wirkte, als würde es bei ca. drei Viertel plötzlich und völlig unerwartet abbrechen. Niklas Natt och Dag sollte also besser schon an einer Fortsetzung arbeiten, wenn er will, dass ich ihm dieses Ende verzeihe! Ich werde jedenfalls auch beim nächsten Band wieder mit an Bord sein und freue mich jetzt schon darauf. EinsteigerInnen sollten übrigens unbedingt mit Band 1 beginnen, um „1794“ in vollem Umfang genießen zu können.

„Wir brauchen keinen Teufel, solange wir Menschen einander haben.“ E-Book, Position 1652

ProtagonistInnen (5 Lilien ♥) & Figuren (5 Lilien ♥)

Zu den größten Stärken von „1794“ gehören auch dieses Mal wieder die liebevoll ausgearbeiteten, unverwechselbaren Figuren mit ihren glaubwürdigen Fehlern und Schwächen und ihrem guten Kern. Ich habe mich sehr darüber gefreut, altbekannte Personen wiederzusehen, aber auch die neuen Figuren sind interessant und komplex und überzeugen auf ganzer Linie. Niklas Natt och Dag hat Eines verstanden: Auch das beste Buch ist nichts ohne einmalige Charaktere, mit denen man mitfühlt und mitleidet und die man gerne begleitet.

Spannung & Atmosphäre (5 Lilien ♥)

Eine düstere Atmosphäre zu kreieren, die so unheimlich dicht ist, dass es sich anfühlt, als wäre man selbst dort – im Jahre 1794 in Schweden – das gelingt keinem so gut wie Niklas Natt och Dag. Auch dieses Mal haben mich seine (mit Sicherheit wieder durch sorgfältige Recherchen gestützten) lebendigen, anschaulichen Beschreibungen von Sklavenhandel, Irrenhäusern (damals wurde mit psychischen Krankheiten ja leider noch dramatisch anders umgegangen!) und dem ganz normalen Alltagswahnsinn der damaligen Zeit wieder berührt, schockiert und betroffen gemacht. Erneut betrachte ich nach der Lektüre dieser Milieustudie die Errungenschaften der modernen Zeit mit großer Dankbarkeit.

Es gibt zwar auch dieses Mal einige effektvolle, überraschende Wendungen, doch der Mörder steht leider schon sehr früh fest, wodurch der Spaß des Rätselratens leider drastisch verkürzt wird und wodurch es auch zu kleineren Spannungseinbrüchen kam, die mich aber nicht weiter gestört haben. An dieser Stelle noch eine Warnung: Nach der Lektüre dieser Reihe werdet ihr die damalige Zeit für immer mit anderen Augen sehen. Euch werden Menschen, die das damalige Leben romantisieren und nostalgisch sagen: „Früher war alles besser!“ nur mehr ein nervöses Lachen entlocken!

Feministischer Blickwinkel (5 Lilien ♥)

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Luder, Hu++, Flitt+++

Sehr gut gefällt mir, dass das Geschlechterverhältnis dieses Mal ausgeglichener ist als im ersten Teil, der ja stark männlich dominiert war. In „1794“ gibt es einige starke, intelligente weibliche Hauptfiguren, die oft ihre männlichen Kollegen mit ihrer Intelligenz, ihrem Talent oder ihrem Mut übertrumpfen. Auch sonst wird mit Geschlechterstereotypen immer wieder gebrochen. Die damals schwierige Situation der Frauen, Gewalt gegen Frauen (auch Prostituierte) und enge Geschlechterrollen werden mehrmals kritisiert, was mir ebenfalls sehr gut gefallen hat! Auch den Bechdel-Test besteht das Buch problemlos. Für einen historischen Roman macht der Autor trotz kleinerer Schönheitsfehler sehr viel richtig, weswegen er auch ein großes Lob und bei diesem Unterpunkt alle Punkte erhält!

Mein Fazit

Niklas Natt och Dag hat eine solide Fortsetzung geschrieben, die mit den bekannten Stärken punkten kann, sehr unterhaltsam und gewohnt düster ist. Der Schreibstil ist flüssig und wunderbar atmosphärisch und bildlich, wobei der Schriftsteller auch dieses Mal wieder ganz genau hinschaut und nichts beschönigt, wenn es blutig, brutal oder richtig ekelhaft wird. Gerade diese authentischen Beschreibungen machen die Reihe von Natt och Dag zu etwas ganz Besonderem! Obwohl mich die Geschichte wieder überzeugen konnte, hätte ich mir etwas mehr Ermittlungsarbeit gewünscht. In „1794“ stehen Themen wie Freundschaft, Trauer und Versagen im Mittelpunkt, die der Autor gewohnt tiefgründig behandelt. Auch emotional wurde ich wieder von der Geschichte mitgerissen. Zu den größten Stärken von „1794“ gehören erneut die liebevoll ausgearbeiteten, unverwechselbaren Figuren mit ihren glaubwürdigen Fehlern und ihrem guten Kern. Eine düstere Atmosphäre zu kreieren, die so dicht ist, dass es sich anfühlt, als wäre man selbst am Ort des Geschehens – das gelingt keinem so gut wie Niklas Natt och Dag. Auch dieses Mal haben mich seine lebendigen, anschaulichen Beschreibungen von Sklavenhandel, Irrenhäusern und dem ganz normalen Alltagswahnsinn der damaligen Zeit wieder berührt, schockiert und betroffen gemacht. Nicht überzeugen konnte mich leider das viel zu offene Ende, denn es wirkt, als würde das Buch bei ca. drei Viertel plötzlich und völlig unerwartet abbrechen. Auf die Fortsetzung freue ich mich jetzt schon! Wenn ihr bereit für eine Reise in die düstere Vergangenheit seid, dann schlagt die erste Seite auf und taucht ein in die dichte Atmosphäre des Romans – aber besser nicht auf nüchternen Magen!

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Lilien
Umsetzung: 4 Lilien
Worldbuilding: 5 Lilien ♥
Einstieg: 4 Lilien
Ende / Auflösung: 2 Lilien
Schreibstil: 5 Lilien ♥
ProtagonistInnen: 5 Lilien ♥
Figuren: 5 Lilien ♥
Spannung: 4 Lilien
Atmosphäre: 5 Lilien ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Lilien ♥
Feministischer Blickwinkel: 5 Lilien ♥

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir vier Lilien!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.03.2020

Action mit viel Herz! Großartiger 4. Teil der Reihe – auch als Hörbuch ein Genuss!

Die Spur der Orphans
0

Spoilerfreie Rezension!

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): leider knapp nicht bestanden (wenn ich nichts überhört habe)!
Frauenfeindliche / ...

Spoilerfreie Rezension!

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): leider knapp nicht bestanden (wenn ich nichts überhört habe)!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Schlam++, Tussi

Inhalt

Im vierten Band erwartet Evan eine Mission in eigener Sache. Um sein Leben und das der anderen Orphans zu schützen, muss er es mit niemand anderem als dem Präsidenten der USA höchstpersönlich aufnehmen. Der hat nämlich damit begonnen, die GeheimagentInnen einen nach dem anderen auszuschalten...

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #4 der „Orphan“-Reihe; die Fortsetzung ist im Januar 2020 bereits auf Englisch erschienen, der Erscheinungstermin der deutschen Ausgabe ist noch nicht bekannt.
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Präteritum
Perspektive: hauptsächlich männliche Perspektive, zwischendurch auch weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel, manchmal kurz
Tiere im Buch: + Es wird im Buch Fleisch gegessen, jedoch werden keine Tiere verletzt, gequält oder getötet. Von einer Figur wird eine Katze allein in einer Wohnung gehalten: Hierzu ein wichtiger Hinweis: Katzen sind alleine niemals glücklich (sind sind EinzelJÄGER, keine EinzelGÄNGER), sondern sehr einsam und unglücklich. Sie können verschiedene Verhaltensstörungen entwickeln und depressiv und/oder aggressiv werden. Wer seine Katze liebt, schenkt ihr deshalb mindestens einen Gefährten.

Warum dieses Buch?

Die „Orphan“-Reihe von Gregg Hurwitz gehört zu den wenigen Buchreihen, die ich absolut liebe und bis zum Ende verfolgen werde. Daher führte auch am vierten Band für mich kein Weg vorbei. Diesen habe ich mir jedoch als Hörbuch zu Gemüte geführt – und ich habe es nicht bereut.

Meine Meinung

Einstieg (5 Sterne ♥)

Ich habe sofort wieder in die Geschichte gefunden – mittlerweile begleite ich Evan Smoak schon so lange, dass sich jeder neue Band wie Heimkommen anfühlt. Ich liebe dieses Gefühl!

Schreibstil (5 Lilien ♥)

Erneut beweist der Autor, was für ein unglaublich guter Geschichtenerzähler er ist. Egal ob es um stille, emotionale Momente oder atemlos spannende Actionszenen geht – der angenehme, anschauliche Schreibstil überzeugt auf ganzer Linie und zog mich sofort wieder in seinen Bann. Die Schilderungen sind so lebendig und „filmisch“ und die Ereignisse wirken so real, dass man zwischendurch fast vergisst, dass es sich nur um eine Geschichte handelt.

Inhalt, Themen & Ende (5 Lilien ♥)

Mit dem vierten Band ist Gregg Hurwitz der bisher beste Nachfolger von „Orphan X“ gelungen. Der Plot ist aufregend, unvorhersehbar und temporeich – er enthält zahlreiche unerwartete Wendungen und actionreiche Kampfszenen. Doch auch der subtile Humor, der den Text durchzieht, hat mich wieder in den unwahrscheinlichsten Momenten zum Schmunzeln gebracht – z. B. als der Nowhere Man nur mithilfe von Salz und Tee drei PolizistInnen abwehrt, denen das Ganze im Nachhinein sichtlich peinlich ist. Man merkt, dass der Autor sorgfältig und genau recherchiert hat, was Evans Waffen und Kampftechniken, aber auch das Sicherheitsnetz, das den Präsidenten umgibt, betrifft. Das Buch enthält wieder einige erstaunliche Fakten, die mir vorher unbekannt waren. Kritisieren könnte man die auch in diesem Band fast schon exzessiven Produktplatzierungen bei Waffen etc., aber mich persönlich stört das nicht.

Thematisch stehen Freundschaft, Familie, Liebe, Evans sorgfältig geplante Missionen, schwierige moralische Fragen und schwerwiegende Konsequenzen vergangener Handlungen im Fokus – so muss Evan z. B. in diesem Band damit leben lernen, dass er schuld an Candys furchtbaren Verletzungen ist, die sie heute noch beeinträchtigen. Erneut geht der Autor in die Tiefe und führt seine Geschichte zu einem gelungenen, runden Ende. Teilweise sind die Schilderungen schon recht brutal, dennoch würde ich das Buch trotzdem auch Zartbesaiteten empfehlen: Wenn ihr gerne Agententhriller lest, gibt es wohl keine andere Reihe, die sensiblen Seelen so viel (Tiefe, Emotionen, liebevolle Details) zu bieten hat. Um die Geschichte wirklich genießen zu können, solltet ihr allerdings unbedingt mit Band 1 beginnen.

Am besten gefällt mir jedoch an den Thrillern von Gregg Hurwitz, dass sie mit so viel Liebe geschrieben sind. Andere Agentengeschichten wirken oft flach und kühl – ich konnte zum Beispiel nie etwas mit den „James Bond“-Filmen anfangen. In „Die Spur der Orphans“ gibt es hingegen wieder unzählige liebevolle Details, die dazu führen, dass man beim Lesen nicht nur erstklassig unterhalten wird und Spaß hat, sondern dass man auch emotional vollkommen involviert ist. Kurz: Besser kann man einen Agenten-Thriller nicht schreiben!

Protagonist (5 Sterne ♥) & Figuren (5 Lilien ♥)

Trotz der temporeichen Actionszenen ist die Figurenzeichnung auch dieses Mal die geheime Stärke des Thrillers. Mit ihren liebevoll ausgearbeiteten, komplexen, sympathischen und herrlich unperfekten Figuren hebt sich diese Agentengeschichte von unzähligen anderen ab. Im Zentrum steht natürlich wieder unser geliebter (Anti-)Held Evan, der dieses Mal gleich zwei Aufträge parallel ausführen muss. Auch dieses Mal zeigt uns der Autor die verletzliche Seite und das große Herz des erstklassig ausgebildeten, intelligenten und absolut tödlichen Agenten mit den strengen Prinzipien. Ich habe es genossen, wieder mit Evan mitfühlen und mitfiebern zu können.

Auch die Nebenfiguren – es gibt einige starke weibliche Figuren – überzeugen auf ganzer Linie: Sie wirken sehr plastisch und authentisch, sind interessant, einmalig und erinnerungswürdig. Der Autor beschreibt ihre Gedanken- und Gefühlswelt so eindringlich, dass man sie unweigerlich ins Herz schließt – manchmal braucht er dafür nur EIN EINZIGES (!) Kapitel. Wie macht er das nur?!

Spannung & Atmosphäre (5 Lilien ♥)

Atemlose Spannung, eine absolut unvorhersehbare, wendungsreiche Story, eine dichte Atmosphäre und erstklassige Actionszenen lassen dieses Mal wirklich keine Wünsche offen!

Sprecher (5 Lilien ♥)

Es ist der erste Band der Reihe, den ich mir als Hörbuch zu Gemüte geführt habe – der Lesegenuss ist dadurch noch einmal gestiegen. Das lag sicher zu einem großen Teil am talentierten Sprecher, dessen tiefe, raue und angenehme Stimme perfekt zum Buch passt und mich immer ein wenig an Jack, Evans Ziehvater, erinnert hat. Stefan Lehnen passt seine Stimme gekonnt an jede actionreiche oder emotionale Szene an und gibt jeder Figur ihre individuelle Stimme. Man merkt bei jedem Satz, dass er beim Einlesen wirklich alles gegeben hat. Großartig!

Feministischer Blickwinkel (4 Lilien)

Es gibt noch eine Sache, die ich an der „Orphan“-Reihe so liebe – Frauen sind (trotz Agentenplot) keine Objekte, sondern komplexe, menschliche Figuren, die niemals auf ihr Äußeres reduziert werden. Der Autor beschreibt sie nicht oberflächlich, sondern mit sehr viel Liebe und hat auch dieses Mal wieder viele starke, mutige Frauen, die aber auch einmal schwach sein dürfen, in Buch geschrieben. Geschlechterstereotypen werden nicht reproduziert und es gibt im Buch keinen Sexismus. Lediglich drei kleinere Schönheitsfehler (die ich dem Buch aber gerne verzeihe) sind mir aufgefallen: Das Geschlechterverhältnis ist noch unausgeglichen, es gibt zwei Beispiele von gegenderten, frauenfeindlichen Beleidigungen (Schlam++, Tussi – allerdings sagen das nur die Bösen) und das Buch besteht den Bechdeltest leider ganz knapp nicht. Wenn diese Probleme noch beseitigt werden, bekommt der nächste Band auch in diesem Bereich die volle Punktzahl.

Mein Fazit

Mit dem vierten Band ist Gregg Hurwitz der bisher beste Nachfolger von „Orphan X“ gelungen. Mittlerweile fühlt sich jeder neue Band wie Heimkommen für mich an – ich liebe dieses Gefühl! Erneut beweist der Autor, was für ein guter Geschichtenerzähler er ist. Egal ob es um stille, emotionale Momente oder atemlos spannende Actionszenen geht – der angenehme, anschauliche Schreibstil überzeugt auf ganzer Linie und zog mich sofort wieder in seinen Bann. Der Plot ist aufregend, unvorhersehbar und temporeich und der subtile Humor hat mich wieder in den unwahrscheinlichsten Momenten zum Schmunzeln gebracht. Auch in diesem Buch geht der Autor in die Tiefe: Thematisch stehen Familie, Liebe, Evans sorgfältig geplante Missionen, schwierige moralische Fragen und schwerwiegende Konsequenzen vergangener Handlungen im Fokus. Am besten gefällt mir jedoch an den Thrillern von Gregg Hurwitz, dass sie mit so viel Liebe geschrieben sind. Andere Agentengeschichten wirken oft flach und kühl. In „Die Spur der Orphans“ gibt es hingegen wieder unzählige liebevolle Details, die dazu führen, dass man beim Lesen nicht nur erstklassig unterhalten wird und Spaß hat, sondern dass man auch emotional vollkommen involviert ist. Atemlose Spannung, eine absolut unvorhersehbare, wendungsreiche Story, die dichte Atmosphäre und überzeugende Actionszenen lassen dieses Mal wirklich keine Wünsche offen! Großartig fand ich auch den talentierten, angenehmen Sprecher. Man merkt, dass er beim Einlesen wirklich alles gegeben hat. Trotz der temporeichen Actionszenen ist die Figurenzeichnung auch dieses Mal die geheime Stärke des Thrillers: Mit ihren liebevoll ausgearbeiteten, erinnerungswürdigen, sympathischen und herrlich unperfekten Figuren hebt sich diese Agentengeschichte von unzähligen anderen ab. Auch dieses Mal zeigt uns der Autor die verletzliche Seite und das große Herz seines erstklassig ausgebildeten, intelligenten und absolut tödlichen Agenten mit den strengen Prinzipien. Ich habe es genossen, wieder mit Evan mitfühlen und mitfiebern zu dürfen. Besser kann man einen Agenten-Thriller nicht schreiben! Ich kann euch die Reihe nur ans Herz legen – beginnt aber unbedingt mit Band 1. Wenn ihr Lust auf ein Abenteuer habt, dann schnallt euch an und lest (oder hört) „Die Spur der Orphans“ und macht euch auf Action, Spannung und ganz viel Herz gefasst! Und diesen einen Urlaubstag, den ihr noch übrig habt – nehmt ihn besser für morgen, ihr werdet nämlich die ganze Nacht durchlesen.

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 5 Lilien ♥
Umsetzung: 5 Lilien ♥
Worldbuilding: 5 Lilien ♥
Einstieg: 5 Lilien ♥
Schreibstil: 5 Lilien ♥
Protagonist: 5 Lilien ♥
Figuren: 5 Lilien ♥
Spannung: 5 Lilien ♥
Atmosphäre: 5 Lilien ♥
Ende / Auflösung: 5 Lilien ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Lilien ♥
Feministischer Blickwinkel: 4 Lilien

Insgesamt:

❀❀❀❀❀♥ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir verdiente 5 Lilien und ein Herz – und somit den Lieblingsbuchstatus!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.03.2020

Originelle, spannende Kombination aus Wissenschaft, Humor & Comic-Zeichnungen

What if? Was wäre wenn? - Wirklich wissenschaftliche Antworten auf absurde hypothetische Fragen
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Inhalt

Randall Munroe bezeichnet sich selbst als „Dr. Sommer für verrückte Wissenschaftler“. Über seine Website „xkcd“ werden ihm immer wieder absurde hypothetische Fragen zugesandt, die er im Anschluss ...

Inhalt

Randall Munroe bezeichnet sich selbst als „Dr. Sommer für verrückte Wissenschaftler“. Über seine Website „xkcd“ werden ihm immer wieder absurde hypothetische Fragen zugesandt, die er im Anschluss versucht, gleichzeitig so wissenschaftlich und witzig wie möglich zu beantworten.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Tiere im Buch: + Es werden im Buch keine Tiere verletzt, gequält oder getötet. Jedoch wird hypothetisch mit Fleisch experimentiert und kurz auf die Jagd mit Pfeil und Bogen eingegangen.

Warum dieses Buch?

Oft genug wird mir gesagt, ich solle nicht so kompliziert denken. Regelmäßig treibe ich die Menschen in meinem Umfeld mit meinen hypothetischen Fragen charmant in den Wahnsinn. Da ist es natürlich kein Wunder, dass mich dieses Buch sofort angesprochen hat. Nach den ersten Seiten der Leseprobe war es um mich geschehen – ich musste dieses Buch unbedingt lesen!

Meine Meinung

Einstieg (♥)

„Randall: Gibt es in unserem Haus mehr weiche oder mehr harte Sachen?“ Seite 9

Der Einstieg ins Buch hat sich sehr angenehm gestaltet. Nach einer kurzen Einführung, in der der Autor sich kurz vorstellt und erklärt, wie seine Vorliebe für absurde Fragen bereits in seiner Kindheit angefangen hat, beginnt das Buch auch schon mit den ersten Fragen.

Inhalt (4 Lilien)

„Vergessen Sie nicht: Ich bin ein Comiczeichner. Wenn Sie meinen Ratschlägen zum Thema ‚Sicherheit rings um Kernmaterial‘ folgen, haben Sie es vermutlich nicht besser verdient.“ Seite 23

Randall Munroe hat Physik studiert, war als Roboter-Ingenieur bei der NASA tätig und arbeitet nun als Comic-Zeichner. Seine vielfältigen Talente verbindet der Autor in seinem Sachbuch auf originelle, erfrischend ungewöhnliche und sehr überzeugende Weise. Die mir vorliegende erweiterte Fan-Edition in limitierter Auflage enthält sogar zusätzliche Kapitel, weswegen sich der Kauf auf jeden Fall lohnt.

Der Autor beantwortet verschiedene hypothetische und absurde Fragen ausführlich mit verständlichen wissenschaftlichen Erklärungen, für die er eingehend recherchiert und mit Experten gesprochen hat. Zusätzlich enthält das Buch noch Rubriken mit Kurzantworten zu einzelnen Themengebieten. Dass es sogar für Munroe Grenzen gibt, wird durch die kurzen Zwischenkapitel deutlich, in denen er Fragen anführt, die sogar ihm zu seltsam oder gar beunruhigend sind, wie z. B. „Wenn eine Venusfliegenfalle einen Menschen verzehren könnte, wie lange würde es dauern, bis dieser Mensch völlig ausgesaugt und absorbiert ist?“.

Vor allem am Beginn der Lektüre konnte ich meine Begeisterung fast nicht in Zaum halten. Faszinierende Fragen wie „Wenn man eine zufällige Nummer wählt und „Gesundheit!“ sagt, wie hoch ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass der Angerufene tatsächlich gerade geniest hat?“ und „Was wäre, wenn auf der ganzen Welt jeder Mensch ein paar Wochen lang einen Sicherheitsabstand zu seinen Mitmenschen halten würde – wären danach nicht alle Erkältungskrankheiten ausgerottet?“ haben dazu geführt, dass ich mich fragte, warum ICH eigentlich nicht Physik studiert und Wissenschaftlerin geworden bin. Leider nutzt sich das Prinzip des Buches im Laufe der Lektüre ab und meine Begeisterung ließ ein wenig nach. Manche der Fragen interessierten mich nicht wirklich oder waren mir ZU hypothetisch und abgehoben. Dennoch bin ich mir sicher, dass bei der Fülle an verschiedenen Themen, die angesprochen werden, für jede und jeden etwas dabei ist! Durch die Lektüre kann man auf jeden Fall einen großen Haufen von nützlichem und unnützem, aber höchst interessantem Wissen anhäufen, mit dem man seine Mitmenschen beeindrucken kann.

Schreibstil & Verständlichkeit (3,5)

Randall Munroes angenehmer Schreibstil, sein oft ironischer oder zumindest humorvoller Unterton und seine einfachen Erklärungen haben mir über weite Teile des Buches unheimlich gut gefallen. In seinen besten Momenten empfand ich die Zeilen des Autors gleichzeitig als spannend, faszinierend, lehrreich, lustig und unheimlich unterhaltsam.

Leider schießt Munroe in manchen Kapiteln etwas übers Ziel hinaus und lässt sich zu zu vielen Fachausdrücken, langweiligen Beschreibungen und Formeln und Rechnungen hinreißen, mit denen Laien (wie ich) nicht viel anfangen können. Leute, die selbst Physik studiert haben, werden gerade in solchen Momenten ihren Spaß haben und das Buch so auf einem weiteren Level genießen können – leider erreicht das Sachbuch dadurch aber nicht sein Ziel, die breite Masse (die eben nicht viel Fachwissen in diesem Bereich besitzt) anzusprechen und für die Wissenschaft zu begeistern. Manchmal wäre hier weniger sicherlich mehr gewesen.

Illustrationen & Humor (5 Lilien ♥)

Großartig am Buch fand ich Munroes teilweise trockenen und sarkastischen Humor, der für mich eine Punktlandung darstellte und genau meinen Geschmack traf. Die reduzierten Comic-Zeichnungen lockern den Text gekonnt auf und haben mir mehr als einmal ein Schmunzeln oder lautes Auflachen entlockt, was die Lektüre zum Genuss machte.

Feministischer Blickwinkel (3 Lilien)

Obwohl das Buch frei von Sexismus und Misogynie ist, ist mir negativ aufgefallen, dass in der Übersetzung (im Englischen gibt es ja keine weibliche Form) nicht auf eine geschlechtergerechte Sprache geachtet wurde. In Zukunft würde ich mir vom Übersetzer, Ralf Pannowitsch, wünschen, dass er sich um eine zeitgemäße Übersetzung bemüht und gendert! Randall Munroe dankt in seiner Danksagung zwar auch einigen Wissenschaftlerinnen, im Text jedoch nicht. Hier hätte ich mir gewünscht, dass er mehr weibliche Forscherinnen (von denen es sicher einige gibt) zu Rate gezogen hätte.

Mein Fazit

Seine vielfältigen wissenschaftlichen und künstlerischen Talente verbindet Randall Munroe in seinem Sachbuch, für das er sorgfältig recherchiert hat, auf originelle, erfrischend ungewöhnliche und sehr überzeugende Weise. Obwohl mich manche Fragen nicht interessierten oder mir ZU hypothetisch und abgehoben waren, bin ich mir sicher, dass bei der Fülle an verschiedenen Themen, die angesprochen werden, für jede und jeden etwas dabei ist! Randall Munroes angenehmer Schreibstil, sein oft ironischer oder zumindest humorvoller Unterton und seine einfachen Erklärungen haben mir über weite Teile des Buches unheimlich gut gefallen. In seinen besten Momenten fand ich das Buch spannend, faszinierend, lehrreich, lustig und unheimlich unterhaltsam. Leider schießt Munroe in manchen Kapiteln etwas übers Ziel hinaus und lässt sich zu zu vielen Fachausdrücken und Formeln hinreißen, mit denen Laien (wie ich) nicht viel anfangen können. Manchmal wäre hier weniger sicherlich mehr gewesen. Großartig am Buch fand ich Munroes teilweise trockenen und sarkastischen Humor, der für mich eine Punktlandung darstellte und genau meinen Geschmack traf. Die reduzierten Comic-Zeichnungen lockern den Text gekonnt auf und haben mir mehr als einmal ein Schmunzeln oder lautes Auflachen entlockt. Und falls ihr euch jetzt fragt: „Was wäre, wenn ich dieses Buch auch lesen würde?“, kann ich euch diese hypothetische Frage gerne beantworten: Ihr würdet es nicht bereuen!

Bewertung

Einstieg: 5 Lilien ♥
Inhalt: 4 Lilien
Verständlichkeit: 3,5 Lilien
Schreibstil: 3,5 Lilien
Illustrationen: 5 Lilien ♥
Humor: 5 Lilien ♥
Feministischer Blickwinkel: 3 Lilien

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch erhält von mir vier Lilien!

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