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Veröffentlicht am 13.05.2023

Nicht so gut wie die Vorgängerbände, aber macht trotzdem wieder viel richtig!

Wir Verratenen
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Endlich haben Smilla und ihre Wahlfamilie den vermeintlich sicheren Hafen Brüssel erreicht. Doch als es dort zu ersten Hinrichtungen durch die mächtige Alleinherrscherin ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Endlich haben Smilla und ihre Wahlfamilie den vermeintlich sicheren Hafen Brüssel erreicht. Doch als es dort zu ersten Hinrichtungen durch die mächtige Alleinherrscherin kommt, holt Smilla ihre dunkle, schmerzhafte Vergangenheit ein. Und schon bald muss sie sich fragen: Was ist wichtiger – Sicherheit oder Freiheit?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band 3/3 ("Wir Verlorenen")
Erzählweise: Ich-Erzählerin, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel

Inhaltswarnung: Tod von Menschen, Suizid, Depression, Übelkeit, Erbrechen, Gewalt, Blut, Alkohol- und Drogenmissbrauch
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: --- ♥


Meine Rezension

„Manchmal glaubte Smilla, dass die Menschen in der Welt nach der Plage nicht mehr wahrhaftig glücklich sein konnten.“ E-Book, Position 700

Als ich 2020, mitten in der Pandemie (stellenweise war das wirklich unheimlich), mit meiner Bookstagram-Kollegin Julia (@seiten_hieb) Band 1 der Reihe („Wir Verlorenen“) gelesen habe, bin ich ganz ohne Erwartungen an die Lektüre herangegangen – und wurde extrem positiv überrascht. Nach dem ersten Band, den ich wirklich gut fand, und dem zweiten, den ich absolut GELIEBT habe ♥, hatte es das Finale natürlich von Anfang an schwerer – die Erwartungshaltung war einfach eine ganz andere! Monatelang habe ich auf die Veröffentlichung hingefiebert und konnte den Erscheinungstermin kaum abwarten.

Doch wie war die Lektüre denn nun für mich? Auch wenn ich für das Buch bloggen und es vorab lesen durfte, gibt es für euch natürlich wie immer eine ehrliche Rezension. Deshalb: Ganz so emotional abholen, fesseln und begeistern wie Band 2 konnte mich das Finale leider nicht – ABER das ist natürlich Kritik auf hohem Niveau. Einige schöne, unterhaltsame Lesestunden konnte ich trotzdem mit der Geschichte verbringen.

„Die Angst erwachte. Dunkel und schuppig stieg sie in Smillas Kehle auf.“ E-Book, Position 2978

Das lag hauptsächlich an zwei Dingen, die für mich auch dieses Mal wieder vollkommen gestimmt haben: Schreibstil und Figuren. Jana Taysen kann eben einfach schreiben und erzählen, das beweist sie auch in Band 3 wieder! Ihr Schreibstil ist klar, mitreißend, bildhaft, eingängig und stellenweise wirklich wunderschön (Vergleiche, Metaphern). Am besten gefallen hat mir aber, wie großartig – wie einfühlsam und nuanciert – sie Smillas Innenleben (Gedanken / Gefühle) und ihre psychischen Probleme und Ängste beschreibt, die erst jetzt, im sicheren Hafen Brüssel, so richtig aufbrechen und zum Vorschein kommen. Alleine deshalb weiß ich schon jetzt, dass ich auch die nächsten Bücher der Autorin lesen werden – ich bin so gespannt, was da in der Zukunft noch kommt! ♥

„Wie verpuppte Schattenwesen hatten sie [die Erinnerungen] sich dort versammelt, auf der Schwelle zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein, nie ganz da, aber auch nie ganz vergessen.“ E-Book, Position 1603

Auch die Figurenzeichnung stellte sich wieder als sehr liebevoll und gelungen heraus. Beim Lesen hat man wirklich das Gefühl, dass man es mit echten Menschen mit einer Vergangenheit, mit Stärken und Schwächen, aber auch mit Fehlern zu tun hat – und das liebe ich an dieser Reihe! Es war so schön, die liebgewonnenen Charaktere wiederzutreffen, deshalb fühlte sich die Lektüre für mich wieder an wie heimkommen.

„Sie hörte [ihn] ein paar Mal ein- und wieder ausatmen, als wollte er etwas entgegnen und verlöre jedes Mal aufs Neue den Mut.“ E-Book, Position 2159

Eine feministische Analyse lässt mich ebenfalls sehr glücklich zurück. Es gibt viele Dinge, die ich an der #WirVerlorenen-Trilogie schätze, aber der unaufdringliche Feminismus (der die ganze Reihe durchzieht) gehört ohne Zweifel zu meinen absoluten Highlights. ❤️ Die Frauenrollen im Buch sind beispielsweise sehr vielfältig und modern angelegt - auf Geschlechterstereotype und unreflektierte toxische Männlichkeit wird verzichtet. Wir treffen im Buch auf viele starke, glaubwürdige weibliche Figuren: auf intelligente, mächtige Führungskräfte, auf knallharte Soldatinnen und sogar auf eiskalte Killerinnen. Die Männer im Buch dürfen im Gegenzug auch mal weinen, sie leiden unter Schuldgefühlen, sie sind positive Vorbilder und kümmern sich liebevoll um ihre leiblichen und adoptierten Kinder. In einer freundschaftlichen Beziehung auf Augenhöhe wird zudem die Familienarbeit gerecht aufgeteilt - da geht einer Feministin natürlich das Herz auf. Das alle passiert ganz ohne viel Aufregung, als wäre es selbstverständlich - was es zwar sein sollte, aber in unserer Welt/Gesellschaft leider noch lange nicht ist. Auch LGBTQ+-Personen kommen übrigens in der Geschichte vor - ganz selbstverständlich, unaufgeregt, ohne billige Klischees.

Näher eingehen möchte nun noch auf ein sehr negativ konnotiertes Gefühl: Wut - denn die ist im Buch vor allem weiblich, was etwas ganz Besonderes ist. Frauen wird ja oft (sowohl in Geschichten als auch im wahren Leben) nicht zugestanden, wütend zu sein - von klein auf lernen sie, dass das nicht "ladylike" ist und sich nicht gehört, sodass sie, wenn sie einmal wütend werden, dieses intensive Gefühl oft unterdrücken oder auf sich selbst richten. Nicht so im Buch. Autorin Jana Taysen beweist Mut und hat keine Angst davor, auch die Schwächen und Schattenseiten ihrer Protagonistin zu zeigen. Sie lässt Smilla die Kontrolle verlieren, schlechte Entscheidungen treffen, anderen Menschen wehtun - UND eben auch eine tiefe Wut empfinden, die sich dann so heftig in einem Streit entlädt, wie ich es selten zuvor in einem Buch gelesen habe. Dabei attackiert sie einen Mann, der sie eben NICHT schmunzelnd mit einer Hand zurückhält, weil es so süß ist, wie sie sich aufregt (oft gehört), sondern von der Situation und ihrer Kraft und ihrer unbändigen Wut überfordert ist und einige Spuren vom Kampf davonträgt. Mitten im Streit taucht übrigend plötzlich die Garde (Polizei/Militär in Brüssel) auf und nimmt ironischerweise an, dass Smilla das Opfer sei (Wut und körperliche Gewalt wird Frauen einfach nicht zugetraut) und sich nur in Notwehr verteidigt habe und schlägt ihr vor, den Typen anzuzeigen. Ich habe diese mutige Szene so geliebt!

„Wenn das Buch so viele Stärken hat, woran lag es dann, dass sie nicht auf ganzer Linie überzeugen konnte?“, fragt ihr euch nun bestimmt. Natürlich bleibe ich euch auch hier keine Antwort schuldig! Ich persönlich hätte mir mehr Tempo, Handlung und Spannung gewünscht - denn gerade die spannungsgeladenen, emotional berührenden, dramatischen, schockierenden Ereignisse des zweiten Bandes fand ich so toll! Ein paarmal konnte ich Smillas Verhalten außerdem nicht ganz nachvollziehen (da waren für mich Brüche erkennbar), gerade weil man sie ja nach 3 Bänden schon sehr gut kennt. Das Ende (das Anklänge an „Der Report der Magd“ enthält) kam mir zudem deutlich zu früh (gerade wurde es richtig spannend!) und war mir auch zu offen, aber das ist sicherlich Geschmackssache.


Mein Fazit

Auch wenn mich das Finale nicht ganz so begeistert und umgehauen hat, wie ich mir das erhofft habe, macht auch „Wir Verratenen“ wieder viel richtig – besonders was die Figurenzeichnung, den Schreibstil und den Feminismus betrifft. Die „Wir Verlorenen“-Reihe wird jedenfalls weiterhin einen Ehrenplatz in meinem Regal haben und mir als emotional mitreißende, fesselnde, spannende, berührende, tiefgründige Dystopie voller glaubwürdiger, toller Figuren in Erinnerung bleiben. Danke an Jana Taysen für die vielen schönen Lesestunden und eine der besten deutschen Dystopien, die derzeit auf dem Markt sind! Für mich heißt es nun Abschied nehmen, was mir alles andere als leichtfallen wird – aber für die Glücklichen unter euch, die auf mich gehört haben und bei denen Band 1 jetzt schon im Regal steht (oder bald im Regal stehen wird) 😉, fängt die Geschichte gerade erst an! Ich wünsche gute Unterhaltung!

Bewertung

Cover / Aufmachung: 5 Sterne ♥
Idee: 4 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Sterne
Umsetzung: 3,5 Sterne
Worldbuilding: 3,5 Sterne
Einstieg: 4 Stern
Ende: 3 Sterne
Schreibstil: 5 Sterne ♥
Protagonistin: 5 Sterne ♥
Figuren: 5 Sterne ♥
Spannung: 3 Sterne
Wendungen: 2 Sterne
Atmosphäre: 3 Sterne
Emotionale Involviertheit: 4 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 5 Sterne ♥
Einzigartigkeit: 4 Sterne

Insgesamt:

❀❀❀,5 Sterne

Dieses Buch bekommt von mir dreieinhalb Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.04.2023

Lässt sich schnell weglesen, aber ansonsten leider enttäuschend…

Stranded - Die Insel
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Maddy ist eine von 8 Teilnehmer:innen, die für eine Fernsehshow ein Jahr lang auf einer einsamen Insel überleben sollen – auf sich gestellt, ohne Kontakt zur Außenwelt. ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Maddy ist eine von 8 Teilnehmer:innen, die für eine Fernsehshow ein Jahr lang auf einer einsamen Insel überleben sollen – auf sich gestellt, ohne Kontakt zur Außenwelt. Doch schnell kommt es zu ersten Konflikten in der Gruppe und bald eskaliert die Situation völlig…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählerin, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel

Inhaltswarnung: Tod von Menschen (auch Kindern), Trauer, Suizid, Depression, Mobbing (heftig!), Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Schwangerschaft, Sexismus, Gewalt, Blut, Alkohol- und Drogenmissbrauch
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Schla+++, Bit++, Fo+++, Miststück, Zicke

Meine Rezension

„Ich wusste, wie man überlebt und wie man heilt. Also wusste ich auch wie man tötet.“ Seite 185

Bei „Stranded“ hat mich der Klappentext total an „Isola“ von Isabel Abedi erinnert – eines meiner absoluten Lieblingsbücher meiner Jugend (große Empfehlung übrigens! ♥). In der Hoffnung, dass dieser Thriller ein ähnliches „Feeling“ heraufbeschwört, musste ich ihn einfach lesen! Doch konnte „Stranded“ meine hohen Erwartungen erfüllen? Leider nicht, dabei hätte ich es mir so gewünscht! Der Klappentext ist ziemlich irreführend und das Buch war ganz anders als erwartet – aber leider nicht auf die gute Art…

Doch zuerst zu den Stärken: Gut gefallen hat mir an der Geschichte, dass sie sich wirklich flüssig und schnell weglesen lässt und dass sich (zumindest stellenweise) eine große Beklemmung und Spannung einstellen, sodass das Buch zu einem echten Pageturner wird! Auch das Mobbing (übrigens sehr heftig und potenziell triggernd, daher gibt es von mir eine Inhaltswarnung!) und den Überlebenskampf der Hauptfigur fand ich sehr glaubwürdig, intensiv und interessant beschrieben. Die unheilvollen Vorausdeutungen mochte ich ebenfalls – es hat mir sehr großen Spaß gemacht, das Buch in einer Leserunde mit anderen zu lesen und gemeinsam zu rätseln, wie es weitergehen könnte.

Leider hat mich das Buch jedoch auch in vielen Punkten enttäuscht. Das Potential seiner guten Idee und seines (eigentlich) atmosphärischen Settings kann es nämlich leider nicht nutzen. Große Probleme hatte ich vor allem mit dem Schreibstil – er ist zwar recht flüssig, aber ich fand ihn leider auch sehr „grob“. Damit meine ich, dass ihm eine gewisse Eleganz fehlt. Außerdem ist er voller (auch inhaltlicher) Wiederholungen (Sätze beginnen sehr oft mit „Ich“) und wirkte darurch auf mich uninspiriert und ziemlich lieblos. Und wenn ich mit dem Schreibstil nicht warm werde, hat es ein Buch bei mir schwer. Zweitens ist die Geschichte seltsam strukturiert (was das Tempo betrifft) – immer wieder gibt es an (für mich) unpassenden Stellen lange Zeitsprünge, die viel Spannung rausnehmen. Generell dauert es sehr lang, bis die Geschichte in Schwung kommt und etwas passiert – gerade die ersten 150 Seiten fand ich daher eher zäh und langweilig zu lesen. Bei einem Thriller (!) muss da mehr kommen!

Drittens: Die Figuren bleiben großteils nicht nur unsympathisch, sondern so blass und austauschbar (liegt vielleicht auch an den wenigen Dialogen), dass ich zwei davon sogar immer wieder verwechselt habe. Gerade bei so einem Setting (einsame Insel, Gruppendynamik) wäre eine liebevolle Figurenzeichnung meiner Meinung nach unerlässlich gewesen! Die größte Schwäche dieses Buches sind (viertens) allerdings die unzähligen Logiklöcher, über die ich nicht hinwegsehen kann. Dabei bin ich niemand, dem Brüche in der Logik schnell auffallen oder stören, aber hier waren es derart riesige, unübersehbare Krater, dass die Geschichte für mich total unglaubwürdig wurde. Die ganze Plot-Konstruktion (Polizeiarbeit, Produktion der Sendung, Verhalten der Gruppe) steht auf so wackeligen Beinen, dass ich mir sicher war, am Ende kommt DER Twist, der alles erklärt und alle meine offenen Fragen beantworten wird – aber Fehlanzeige. Hoffentlich recherchiert die Autorin bei ihrem zweiten Buch besser! Den Schluss fand ich dann ziemlich lahm, der erhoffte Knall blieb aus und ich sehr unbefriedigt zurück.

Auch aus feministischer Sicht gab es (trotz der starken Hauptfigur) einiges, was mich genervt hat. Zum Beispiel die Tatsache, dass sich sofort eine klischeehafte Rollenverteilung im Camp einschleicht und dass die Bösen sich vor allem dadurch auszeichnen, dass sie Frauen als "Schla+++, Fo+++, Bi+++" usw. bezeichnen und ihnen Vergewaltigung androhen. Das muss doch im Jahr 2023 echt nicht sein, das geht besser! Schlimm fand ich auch, dass einfach niemand dort seinen Mund aufbekommt und diesem Sexisten mal ordentlich Kontra gibt… Vom Übersetzer (Dr. Holger Hanowell) würde ich mir übrigens auch etwas wünschen: Im Englischen gibt es ja keine weiblichen Formen, im Deutschen aber sehr wohl – und es wäre sehr nett, wenn eine Frau dann nicht (z. B.) als „Außenseiter“, sondern eben als „AußenseiterIN“ bezeichnet wird. Bitte in Zukunft darauf achten!

Mein Fazit

Stellenweise ist „Stranded“ ein beklemmender, intensiver Pageturner, der sich schnell weglesen lässt – seine Schwächen (Logiklöcher, blasse Figuren, lieblos wirkender Schreibstil, Sexismus, Spannungseinbrüche) kann ich ihm aber leider nicht verzeihen. Insgesamt lässt mich das Buch vor allem unbefriedigt zurück. Knappe 3 Sterne gehen sich aus, für eine Leseempfehlung reicht es aber leider nicht! Mein Vorschlag: Leseprobe anschauen und dann entscheiden.

Bewertung

Cover / Aufmachung: 4 Sterne
Idee: 4 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 3 Sterne
Umsetzung: 3 Sterne
Worldbuilding: 2 Sterne
Einstieg: 1 Stern
Ende: 2 Sterne
Schreibstil: 1 Stern
Protagonistin: 3 Sterne
Figuren: 2 Sterne
Spannung: 3 Sterne
Wendungen: 2 Sterne
Atmosphäre: 3 Sterne
Emotionale Involviertheit: 3 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 3 Sterne
Einzigartigkeit: 3 Sterne

Insgesamt:

❀❀❀ Sterne

Dieses Buch bekommt von mir drei Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.04.2023

Intelligent geschriebene Genremischung (Roman, Dystopie, Gesellschaftskritik), die zum Nachdenken anregt!

New York Ghost
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Candace, Angestellte in einem Verlagshaus, arbeitet auch dann noch hingebungsvoll weiter, als immer mehr Leute aufgrund einer tödlichen und hochansteckenden Pilzinfektion ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Candace, Angestellte in einem Verlagshaus, arbeitet auch dann noch hingebungsvoll weiter, als immer mehr Leute aufgrund einer tödlichen und hochansteckenden Pilzinfektion krank werden oder aus Angst aus der Stadt fliehen. Irgendwann ist sie die einzige Überlebende im ganzen Bürokomplex - vielleicht sogar in der ganzen Stadt. Das Einzige, was ihr Halt gibt: ihr Blog „NY Ghost“, auf dem sie den Verfall der Metropole dokumentiert…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählerin, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurz bis mittel

Inhaltswarnung: Tod von Menschen, Liebeskummer, Trauer, Suizid, Medikamentenmissbrauch, Alkoholmissbrauch, Blut, Gewalt, Schwangerschaft
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: --- ♥

Meine Rezension

„Alles andere konnte den Bach runtergehen, aber nicht New York. Seine glänzenden, reflektierenden Oberflächen und die geldgetränkte Umgebung erschienen unverwundbar.“ E-Book, Position 3722

Der Klappentext (Dystopie, Großstadt, Pilzinfektion wie bei einem meiner absoluten Lieblingsvideospiele, „The Last of Us“ ♥) hat mich in Kombination mit den begeisterten Rezensionen der Buchkritik sehr neugierig gemacht. Zuerst dachte ich trotzdem noch, der Roman wäre ein absoluter Geheimtipp, weil er in einem kleinen Verlag erschienen ist und ich ihn nur selten auf Bookstagram gesehen habe. Dann wurde ich aber mit einem gewissen Nachdruck darauf hingewiesen, dass „New York Ghost“ ein absolutes Hype-Buch gewesen ist und ich wahrscheinlich die Einzige bin, die es noch nicht gelesen hat. Spätestens jetzt führte für mich kein Weg mehr an diesem Werk vorbei!

Lasst uns zuerst die wichtigste Frage klären: Habe ich das bekommen, was ich mir erhofft habe – eine tiefgründige, literarische Dystopie? Leider nicht wirklich, denn irgendwie ließ der Klappentext gemeinerweise unter den Tisch fallen, dass dieses Buch zu ca. 75% aus Rückblenden von VOR der Pandemie besteht. Die Lektüre gestaltete sich also ganz anders als erwartet und ich hätte sicher nicht zu diesem Werk gegriffen, wenn ich das gewusst hätte. Aber war das Buch trotzdem gut? Ja, zum Glück!

„New York Ghost” hat bereits einige Preise abgeräumt und wurde von vielen Zeitschriften zu einem der besten Bücher des Jahres (2018/2019) ernannt – und schon auf den ersten Seiten wird klar, warum: Dieser Roman ist sprachlich elegant, sehr intelligent, tiefgründig und stellenweise auch fordernd geschrieben, enthält teils satirisch verpackte Gesellschafts- und Kapitalismuskritik und beleuchtet auf einfühlsame und treffende Weise sowohl Migration als auch unsere Konsumgesellschaft und das Leben junger Erwachsener in einer Großstadt.

„Sie spendeten an Non-Profit-Organisationen, die sich gegen Niedriglohnfabriken in südostasiatischen Ländern einsetzten, obwohl sie diese nutzten. Ein Vorgehen, das ein raffiniertes Verständnis der globalen Wirtschaft zeigte.“ E-Book, Position 2230

Besonders interessant fand ich Ling Mas Entwurf der „Zombies“ – es sind hier keine blutrünstigen Monster, sondern friedliche Geschöpfe, die ohne Unterlass altbekannte Routinen ausführen, die zum Beispiel immer wieder den Tisch decken, immer wieder die Wäsche zusammenlegen oder die Blumen gießen, während sie langsam körperlich verfallen, weil sie nichts mehr essen und sich nicht mehr um sich selbst kümmern. Vermutlich eine Anspielung auf unseren oft „hirnlosen“, gierigen Konsum und den immergleichen Alltag im Hamsterrad. Wer sich die Zeit nehmen will – zu analysieren gäbe es hier jedenfalls genug! Mich überzeugten die dystopischen Passagen in der Gegenwart jedenfalls auf ganzer Linie, da die Autorin hier nichts beschönigt und dort knallhart und grausam gelitten und gestorben wird. Gerade deshalb finde ich es schade, dass diese Abschnitte nur so wenig Raum im Buch einnehmen. Auch die Protagonistin konnte mich mit ihrer unerschütterlichen, nachdenklichen, irgendwie seltsamen Art (zu der sie steht, was ich wundervoll finde!) für sich einnehmen. Ich fand sie sehr sympathisch und habe sie gerne durch die Geschichte begleitet – gerne hätte ich das auch noch länger getan, aber dazu später mehr.

„Es ist so still, ich könnte durch die Risse einer solchen Stille fallen.“ E-Book, Position 3917

Probleme hatte ich (neben den etwas blass bleibenden Figuren) vor allem mit den langen Rückblenden voller Arbeitsalltag, Shopping-Orgien und Hautpflegeprodukte. Ich bin ohnehin kein großer Fan von Rückblenden und da ich mich für diese Themen einfach so gar nicht interessiere, habe ich mich bei diesen Passagen dann schon manchmal gelangweilt; ich fand sie einfach langatmig und kam nur schleppend voran. Trotzdem gab es auch hier immer wieder interessante Stellen, die mich zum Nachdenken gebracht haben. Richtig interessant wurde es für mich erst dann wieder, als die Menschen nach und nach New York verlassen und Candace atmosphärisch beschreibt, wie sich die eigentlich so volle und laute Metropole immer weiter leert – bis sie das Gefühl hat, der letzte Mensch dort zu sein. Eine unheimliche Vorstellung, die sich beim Lesen einfach so falsch anfühlte!

Aus feministischer Sicht bin ich mit diesem Buch leider auch nicht rundum zufrieden, weil es eine sehr klischeehafte Rollenverteilung in der Gegenwart gibt – wohl auch bedingt durch den konservativen, religiösen Anführer der Gruppe Überlebender, aber trotzdem. Warum bekommen die Männer die Waffen und die Frauen sammeln dann in gesichterten Häusern die Waren ein? Das geht 2023 besser! Etwas besänftigt haben mich dafür die auf ihre eigene Art starke, intelligente Hauptfigur und die fehlenden sexistischen Beleidigungen. Das Ende würden manche vielleicht als „eigenwillig“ oder „gewagt“ bezeichnen – ich nenne es „Frechheit“! ;) Ich habe nichts gegen offenere Enden, aber was uns da serviert wird… Gerade als es richtig spannend wird, bricht die Geschichte abrupt ab – als Leser:in wird man ziemlich unhöflich im Regen stehen gelassen. Vielen Dank auch!

Mein Fazit

„New York Ghost” ist ein intelligent geschriebener Roman, der ganz anders war, als ich ihn mir vorgestellt hatte – aber trotzdem auf seine Weise gut und unterhaltsam. Das Buch ist ungeschönte Dystopie, tiefgründige Gesellschafts- und Kapitalismuskritik und literarische Milieustudie (Großstadtleben, junge Erwachsene, Migration) in einem. Ling Ma hat ein Werk geschrieben, das zwar keine Hochspannung bietet, uns aber dafür zum Nachdenken anregt – und ist das nicht viel wichtiger? Schließlich ist es doch genau das, was uns von den Zombies in der Geschichte unterscheidet…

Bewertung

Cover / Aufmachung: 2 Sterne
Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Sterne
Umsetzung: 4 Sterne
Worldbuilding: 4 Sterne
Einstieg: 5 Sterne ♥
Ende: 2 Sterne
Schreibstil: 5 Sterne ♥
Protagonistin: 4 Sterne
Figuren: 3 Sterne
Spannung: 3 Sterne
Wendungen: 2 Sterne
Atmosphäre: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 4 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 3 Sterne
Einzigartigkeit: 5 Sterne ♥

Insgesamt:

❀❀❀❀ Sterne

Dieses Buch bekommt von mir vier zufriedene Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.04.2023

Sehr hilfreiches Buch im Kampf gegen die Klimakrise und das Leugnen!

Erste Hilfe für die Erde
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Klappentext

Wie können wir unseren Planeten retten und das 21. Jahrhundert überleben? Wie argumentiert man mit Leugnern des Klimawandels? Wie können wir hier und jetzt die Klimawende schaffen? Dieses ...

Klappentext

Wie können wir unseren Planeten retten und das 21. Jahrhundert überleben? Wie argumentiert man mit Leugnern des Klimawandels? Wie können wir hier und jetzt die Klimawende schaffen? Dieses ungewöhnlich gestaltete Buch nennt die Fakten: kurz und kompakt, wissenschaftlich fundiert und nachprüfbar. Der bekannte Klimaexperte Prof. Mark Maslin entwirft keine Utopien, sondern liefert stichhaltige Argumente und gibt konkrete Tipps, was jeder von uns im Alltag beitragen kann. Wir haben allen Grund zum Optimismus, denn unsere Zukunft liegt ganz allein in unseren Händen. Zeit, den Tatsachen ins Auge zu blicken und unsere Erde vor und für uns zu retten!

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Sachbuch, Einzelband
Kapitellänge: mittel

Rezension

„Wir stehen am Abgrund. Die Zukunft unseres Planeten liegt in unseren Händen.“ E-Book, Position 63

Ich lese nur selten Sachbücher – und wenn, dann nervt es mich sehr, wenn sich die Autor:innen wiederholen und damit meine Zeit verschwenden. Dieses Buch lockte mich mit seiner Kürze, seiner Wissenschaftlichkeit und seinem brandaktuellen Thema: Klimawandel. Das ist nämlich eine Thematik, über die man gerade als Lehrerin nicht genau genug informiert sein kann. Außerdem versprach es konrete Handlungsvorschläge und dass man in jeder Situation daraus zitieren kann, sei es bei Partys oder sogar im Parlament – ganz egal eben, wo man auf Klima-Leugner:innen trifft. Daher musste ich es natürlich lesen!

Gleich am Beginn zur wichtigsten Frage: Kann das Buch wirklich alle Versprechen halten, das es auf den ersten Seiten macht? Nicht ganz! Aber ist es trotzdem eine lesenswerte Lektüre? Definitiv! Prof. Mark Maslin hat ein Sachbuch vorgelegt, das sich an (fast) alle wendet. Für wen das Thema noch komplettes Neuland ist, der:die wird langsam an das Problem herangeführt, aber auch wer sich schon etwas besser auskennt, kann hier noch einiges dazulernen. Zuerst wird kurz auf die Menschheitsgeschichte eingegangen und erklärt, wie wir überhaupt an den Punkt gelangt sind, an dem wir heute (leider) stehen (stellenweise ganz schön deprimierend, da fragt man sich schon, ob wir unseren bevorstehenden Untergang nicht vielleicht sogar verdient haben). Danach wird über die Gegenwart gesprochen und es wird uns gezeigt, wie unsere Zukunft aussehen könnte, wenn wir uns a) ab jetzt für das Klima einsetzen (friedlich, positiv, gerechter, lebenswert) oder wenn wir weiterhin b) so gut wie nichts tun (dystopisch, schlecht, das wollen wir nicht erleben, glaubt mir!).

Auch die beliebtesten Argumente der Klimawandel-Leugner:innen werden faktenbasiert widerlegt – was ich sehr praktisch und nützlich für den Alltag finde. Am Ende – und dieser Teil hat mir am allerbesten gefallen – sagt uns Mark Maslin noch ganz konkret, was unsere nächsten Schritte sein sollten und wie jede:r von uns etwas zu einer klimafreundlicheren Zukunft beitragen kann. Hier habe ich am meisten für mich mitnehmen können – endlich wurden mir nämlich die größeren Zusammenhänge klar und ich fühle mich jetzt viel kompetenter im Umgang mit der Krise. Damit hat Prof. Mark Maslin doch schon sehr viel erreicht!

Nicht so gut gefallen hat mir hingegen, dass sich das Buch – obwohl es wirklich sehr kurz ist und alles Unwichtige weglässt – trotz aller Versprechungen am Ende wiederholt, was ich etwas anstrengend fand. Stören könnte manche von euch auch, dass man nicht so richtig in einen Lesefluss kommt, weil der Schreibstil sehr nüchtern und die Absätze sehr kurz sind (manchmal nur ein prägnanter Satz). Dementsprechend bleibt auch das vermittelte Wissen eher an der Oberfläche (es geht eher darum, sich einen Überblick über das Thema zu verschaffen), was zumindest mir aber bei einem so kurzen und knackigen Buch von Anfang an klar war. Gewünscht hätte ich mir bei einem Werk, das sich so für eine fairere, gerechtere Zukunft einsetzt, allerdings schon, dass gegendert wird und so alle Geschlechter sichtbar gemacht werden, Herr Prof. Maslin! Bitte dann beim nächsten Buch!

Insgesamt überwiegen für mich jedenfalls eindeutig die Stärken – das ist mir besonders im Nachhinein klar geworden, weil ich gemerkt habe, dass ich immer wieder an die Lektüre zurückdenke, wenn ich zum Beispiel Nachrichten über den Klimawandel höre. Allerdings lösen das aktuelle Nichtstun der Politik und die negativen Berichte über Klimaaktivist:innen nun bei mir beim noch mehr Stress, Wut und Frust aus als vorher – aber das ist wohl der Preis, den man als „Wissende“ zahlt (ich zahle ihn gerne, denn was ist die Alternative?). Aus diesem Grund empfehle ich euch das Buch gerne weiter – besonders wenn auch ihr in einer Schule arbeitet oder Klimaleugner:innen in eurem Bekannten-, Freundes- oder sogar Familienkreis habt!

Mein Fazit

Wer (wie ich vorher) das Gefühl hat, beim Thema „Klimawandel“ nur lückenhaftes Wissen zu besitzen, wer sich gerne einen Überblick verschaffen und die größeren Zusammenhänge verstehen würde, wer nach einem wissenschaftlich fundierten Sachbuch ohne nerviges „Blabla“ sucht, wer im Bildungsbereich arbeitet, wem beim Argumentieren mit Klimaleugner_innen schnell die Argumente ausgehen, wer gerne ETWAS tun würde, aber nicht so recht weiß, wie und was und wo anfangen – euch allen kann ich „Erste Hilfe für die Erde“ nur wärmstens ans Herz legen! Dieses kurze und knackige Sachbuch wird euch mit wertvollem Wissen, Diskussionswerkzeugen, einer Vision und konkreten Handlungsvorschlägen versorgen, sodass ihr euch am Ende nicht nur informierter, kompetenter und motivierter im Umgang mit der Krise fühlen werdet, sondern – und das ist ganz wichtig – auch irgendwie hoffnungsvoller, dass wir es doch noch schaffen können.

Bewertung

Einstieg: 4 Lilien
Inhalt: 4 Lilien
Verständlichkeit: 5 Lilien ♥
Schreibstil: 4 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 3 Lilien
Insgesamt:

❀❀❀❀ Sterne

Dieses Buch bekommt von mir vier zufriedene Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.02.2023

Spannende Grundidee – leider enttäuschend umgesetzt…

SCHWEIG!
0

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Am Tag vor Weihnachten besucht Esther ihre psychisch kranke Schwester in einem abgeschiedenen Haus, um ihr ein Geschenk zu bringen. Einen Schneesturm ohne Handyempfang ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Am Tag vor Weihnachten besucht Esther ihre psychisch kranke Schwester in einem abgeschiedenen Haus, um ihr ein Geschenk zu bringen. Einen Schneesturm ohne Handyempfang später ist nichts mehr, wie es wahr…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präsens
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurz bis mittel

Inhaltswarnung: Tod von Menschen, Suizidgedanken, psychische Krankheiten, Manipulation, toxische Beziehung, Gaslighting, Blut, Gewalt, Alkoholmissbrauch, Einzelhaltung einer Katze (Tierquälerei)
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: keine ♥

Rezension

„Ich bin kein freier Mensch, denn ich habe eine Schwester.“ E-Book, Position 45

Da ich schon lange etwas von Judith Merchant lesen wollte und der Klappentext so gut klang, konnte ich diesem Buch nicht widerstehen. Der Winter ist auch der perfekte Zeitpunkt, um sich diesem weihnachtlichen Thriller zu widmen!

Nun die wichtige Frage: Kann die Autorin das Potential dieser spannenden Grundidee nutzen und eine überzeugende Geschichte daraus spinnen? Die kurze Antwort ist: Nein, leider nicht! Meine Erwartungen wurden leider nicht erfüllt und am Ende war ich ziemlich enttäuscht.

Woran es lag? Leider am Gesamtpaket, denn mich hat einfach an allen Ecken und Enden etwas am Buch gestört. Am meisten haben mich die vielen inhaltlichen Wiederholungen genervt. Die Dialoge drehen sich im Kreis, immer wieder wird das gleiche Thema durchgekaut – das war unglaublich langweilig und anstrengend zu lesen! Auch Spannung wollte ich deswegen keine einstellen – bei einem Thriller natürlich fatal. Die Wendungen, die mich vermutlich umhauen hätten sollen, fand ich einfach nur lahm – da habe ich schon viel bessere Thriller gelesen! Zudem werden die Themen (Geschwisterrivalität, Eifersucht, Verantwortung, Macht, Manipulation, Familie) nur sehr oberflächlich abgehandelt. Ja, durchgehalten habe ich zwar bis zum Schluss (in der Hoffnung auf den EINEN großartigen, unerwarteten Twist), aber gelohnt hat sich das leider nicht.

„Familie ist eine Herausforderung. Vor allem, wenn es in dieser Familie ein schwarzes Schaf gibt.“ E-Book, Position 152

Dazu kam, dass ich (bis auf die Kinder) ausnahmslos alle Figuren in diesem Buch entweder nur farblos oder nur unsympathisch oder BEIDES gleichzeitig fand und von den beiden Schwestern, ihrer toxischen Beziehung und dem ständigen „Gaslighting“ auch sehr schnell genervt war. Was mit ihnen im weiteren Verlauf der Geschichte passierte, ließ mich nicht einmal mit der Wimper zucken, weil ich einfach keine Verbindung zu ihnen aufbauen konnte und mir ihr Schicksal deshalb vollkommen egal war. Die unnötigen Geschlechterstereotype und veralteten Vorstellungen darüber, wie ein „echter Mann“ zu sein hat, haben es nicht besser gemacht.

„[…] eiskalt und wunderschön ist es da draußen, ein Bild, das ich trinken möchte in großen, durstigen Zügen.“ E-Book, Position 201

Gut gefallen haben mir dafür der zwar etwas einfache / oberflächliche, aber doch sehr flüssige Schreibstil mit den gelungenen Metaphern, das atmosphärische Setting (riesiges Haus aus Glas, das abgeschieden mitten in einem Nadelbaum-Wald steht, Schneesturm, kein Handyempfang), die zwei starken weiblichen Hauptfiguren und der starke Anfang mit dem gelungenen „Foreshadowing“. Leider können für mich diese Stärken die Schwächen dieses Werks aber nicht aufwiegen. Ob ich mich in der Zukunft an ein weiteres Buch der Autorin heranwagen werde, steht noch nicht ganz fest – aber eher nicht.

Mein Fazit

Aus der spannenden Grundidee und dem atmosphärischen Setting wurde leider nicht viel gemacht, was sehr schade ist. Die vielen inhaltlichen Wiederholungen, den Mangel an Spannung und die unsympathischen, blassen Figuren konnte ich „Schweig!“ am Ende (trotz seiner Stärken) leider nicht verzeihen. Von mir gibt es deshalb leider keine Leseempfehlung – da draußen gibt es nämlich deutlich bessere Thriller. Lest lieber die!

Bewertung

Cover / Aufmachung: 4 Sterne
Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 3 Sterne
Umsetzung: 2,5 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 4 Sterne
Ende: 3 Sterne
Schreibstil: 3 Sterne
Protagonistinnen: 1,5 Sterne
Figuren: 2 Sterne
Spannung: 2 Sterne
Wendungen: 2 Sterne
Atmosphäre: 2,5 Sterne
Emotionale Involviertheit: 1 Stern
Feministischer Blickwinkel: 3 Sterne
Einzigartigkeit: 2 Sterne

Insgesamt:

❀❀,5 Sterne

Dieses Buch bekommt von mir zweieinhalb Sterne!

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