Profilbild von Seitenseglerin

Seitenseglerin

Lesejury Star
offline

Seitenseglerin ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Seitenseglerin über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.09.2020

Wunderbare Figuren, tragische Schicksale und große Emotionen – für mich ein absolutes Jahreshighlight! ♥

Die Optimisten
0

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Im Schwulenviertel „Boystown“ im Chicago der 80er-Jahre hat Aids zu wüten begonnen. Durch mangelnde Therapiemöglichkeiten, ein schlechtes Gesundheitssystem, zu wenig ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Im Schwulenviertel „Boystown“ im Chicago der 80er-Jahre hat Aids zu wüten begonnen. Durch mangelnde Therapiemöglichkeiten, ein schlechtes Gesundheitssystem, zu wenig Aufklärung und Schuld und Schamgefühle breitet sich das HI-Virus aus wie ein Lauffeuer und löscht nach und nach Yales Freundeskreis aus.

Dreißig Jahre später ist Fiona in Paris auf der verzweifelten Suche nach ihrer verschollenen Tochter. Da sie bei alten Freunden aus Chicago wohnt, werden immer wieder schmerzhafte Erinnerungen an ihre Vergangenheit wach.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Präteritum
Perspektive: weibliche und männliche Perspektive
Kapitellänge: mittel bis kurz
Tiere im Buch: - Eine Katze wird aus Versehen stark vernachlässigt, überlebt aber. Fleisch wird gegessen. Ansonsten werden keine Tiere verletzt, gequält oder getötet. Da eine Katze in Einzelhaltung lebt, möchte ich über dieses Thema aufklären: Katzen sind alleine niemals glücklich (sie sind EinzelJÄGER, keine EinzelGÄNGER), sondern sehr einsam und unglücklich. Sie können verschiedene Verhaltensstörungen entwickeln und depressiv und/oder aggressiv werden. Wer seine Katze liebt, schenkt ihr deshalb mindestens einen Gefährten.
Triggerwarnung: Drogen, Alkoholismus, Tod von Menschen, Krankheit, Homophobie, Prostitution, sexuelle Belästigung;

Warum dieses Buch?

Die Frage sollte eher lauten: Warum nicht? Das Buch hat viel Lob und bereits Preise erhalten, viele LeserInnen schwärmen davon. Außerdem hat mich der Klappentext an eines meiner absoluten Herzensbücher erinnert: „Sag den Wölfen, ich bin zu Hause“ von Carol Rifka Brunt. Ich musste es daher einfach lesen!

Meine Meinung

Einstieg (5 Lilien)

„‘Ich kenne Männer, die noch niemanden verloren haben. Gruppen, die bisher unberührt geblieben sind. Aber ich kenne auch Leute, die haben zwanzig Freunde verloren. Ganze Mietshäuser, ausgelöscht.‘“ E-Book, Position 236

Ich hatte überhaupt keine Probleme, in die Geschichte zu finden, sondern eher das Gefühl, dass einen die Autorin auf der ersten Seite bei der Hand nimmt und nicht mehr loslässt, bis man das Buch beendet hat. Schon das erste Kapitel, das sehr rätselhaft endet, hat mich neugierig gemacht – ich wollte unbedingt weiterlesen.

Schreibstil (5 Lilien ♥)

Mit „Die Optimisten“ hat sich Rebecca Makkai in mein Herz geschrieben. Ihr Schreibstil ist wunderbar – anspruchsvoll, und trotzdem so angenehm lesbar, dass für mich jede Seite ein Genuss war. Das Buch glänzt mit wunderschönen, weisen Zitaten, treffenden Formulierungen und beeindruckend kreativen Vergleichen. Besonders großartig fand ich auch, wie nuanciert die Autorin die Gefühls- und Gedankenwelt ihrer Figuren beschreibt. Auf diese Weise kommt man ihnen unheimlich nah.

„Bevor sie den Raum verließ, blieb sie stehen und sah Yale an, als wären sie Ertrinkende und sie hätte sich gerade den letzten Rettungsring genommen.“ E-Book, Position 5900

Idee, Inhalt, Themen & Ende (5 Lilien ♥)

„‘Und es stimmt, da war dieses kleine Fenster, eine kurze Zeitspanne, in der wir uns sicherer gefühlt haben, glücklicher waren. Ich dachte, es wäre der Anfang von etwas. Dabei war es in Wirklichkeit das Ende.‘“ E-Book, Position 5280

An „Die Optimisten“ bin ich aufgrund der positiven Rezensionen mit sehr hohen Erwartungen herangegangen – und seit längerer Zeit ist es das erste Mal, dass mich ein gehyptes Buch nicht enttäuscht, sondern auf ganzer Linie überzeugen konnte. Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt: Im Jahre 1985 begleiten wir Yale dabei, wie er einen Freund nach dem anderen durch Aids verliert und im Jahre 2015 schauen wir Fiona (einer von Yales engsten Freundinnen) dreißig Jahre später dabei über die Schulter, wie sie ihre Tochter in Paris sucht. Beide Geschichten, die lose miteinander verbunden sind, haben mir auf ihre Weise gefallen und ergeben zusammen ein gelungenes Ganzes – mein Herz gehört aber mit Sicherheit dem Erzählstrang in der Vergangenheit. Er war es, der mich berührt, begeistert und am Ende sogar zum Weinen gebracht hat. Er ist der Grund dafür, dass ich nur allzu gerne über kleine Schönheitsfehler (wie z. B. die Tatsache, dass mich die Kapitel in der Gegenwart nicht in gleichem Maße fesseln konnten) hinwegsehe, dass ich diesem Buch fünf Lilien gebe und es hiermit zum Lieblingsbuch erkläre.

In „Die Optimisten“ geht es um Homophobie, Liebe, Mutterschaft, Kunst, Vergänglichkeit, Aids, Trauer und Tod. Auch Freunde als Wahlfamilie, wenn einen die eigenen Eltern verstoßen haben, gegenseitige Fürsorge, die Tatsache, dass die Aids-Kranken damals mehr oder weniger sich selbst überlassen wurden, und ihre Versuche, das durch Proteste zu ändern, werden tiefgründig im Buch behandelt. (Dabei darf natürlich auch nicht vergessen werden, dass der HI-Virus leider noch immer nicht besiegt ist und in manchen Teilen der Erde immer noch wütet und tötet.) Tragikomische und humorvolle Elemente lockern die Stimmung dabei immer wieder auf gelungene Weise auf. Makkais Buch ist ein Roman der philosophischen Fragen, tragischen Schicksale und der großen Emotionen – und trotz seiner ernsten Themen für mich ein absolutes Wohlfühlbuch, in das ich immer wieder gern eingetaucht bin. Das Lob, die Preise und die Nominierung für den Pulitzer Preis hat dieser Roman absolut verdient. „Die Optimisten“ ist jedenfalls eines der besten Bücher, die ich dieses Jahr gelesen habe! Lasst euch dieses Lesehighlight nicht entgehen, denn es wird euch gefallen – da bin ich optimistisch!

Wenn euch „Die Optimisten“ gefallen hat, dürft ihr euch „Sag den Wölfen, ich bin zu Hause“ von Carol Rifka Brunt (auch im großartigen Eisele Verlag erschienen) keinesfalls entgehen lassen! Es behandelt ähnliche Themen – Aids, Trauer, die 80er-Jahre, Homosexualität, Liebe, Freundschaft – hat mich aber sogar noch mehr (!) berührt als das vorliegende Buch. Eine sehr gut geschriebene Rezension zu den „Optimisten“, die ich euch nur ans Herz legen kann, hat übrigens die ZEIT veröffentlicht.

„‘Optimisten wie wir haben schon etwas durchgemacht und stehen trotzdem jeden Tag auf, weil wir glauben, wir könnten verhindern, dass es noch einmal passiert. Oder wir tricksen uns einfach aus, um das zu glauben.‘“ E-Book, Position 6752

ProtagonistInnen & Figuren (5 Lilien ♥ & 5 Lilien ♥)

„[…] er dachte darüber nach, ob dies der beherrschende Faktor seines Lebens war: die Angst, dass ihm das Herz gebrochen werden könnte. Oder besser gesagt, die Notwendigkeit, die Reste seines Herzens zu schützen, die bei jeder Trennung, jedem Scheitern, jeder Beerdigung, jedem Tag auf der Erde in immer kleinere Fetzen gerissen wurden.“ E-Book, Position 1038

Neben dem Schreibstil ist die Figurenzeichnung die größte Stärke dieses Außenseiter-Romans. Bis in die Nebenfiguren sind die Charaktere liebevoll und sehr nuanciert ausgearbeitet. Sie wirken glaubwürdig mit ihren Stärken, Schwächen und Eigenheiten und werden beim Lesen lebendig und greifbar – und gerade das ist der Grund dafür, dass ich so intensiv mit ihnen mitgefühlt und mitgelitten habe und dass sie mir so ans Herz gewachsen sind. Mein absolutes Highlight war neben der jungen Fiona natürlich Yale – nur jemanden mit einem Herz aus Stein würde das Schicksal dieses Pechvogels kaltlassen.

„Julians Art, einen anzusehen, machte einen Teil seiner Schönheit aus. Wenn man auf den Boden starrte, konnte es passieren, dass er einem von dort unten in die Augen schaute, weil er sich gebückt hatte, als wollte er einen wieder hochziehen.“ E-Book, Position 2087

Spannung (4 Lilien) & Atmosphäre (5 Lilien ♥)

In einigen Rezensionen wurde geschrieben, dass das Buch zu langatmig sei – und mit seinen über 600 Seiten ist es auch ein ganz schöner Brocken. Sicher ist das unaufgeregte, eher ruhige Buch nicht geprägt von atemloser Spannung, aber ich möchte besonders bei den Kapiteln in den 80er-Jahren keine einzige Seite missen. Gerade dadurch, dass sich die Autorin viel Zeit für die Ausgestaltung ihrer Geschichte genommen hat, kann sie in die Tiefe gehen. Außerdem gibt es auch einige sehr gelungene unerwartete Wendungen. An manchen Stellen (besonders in den Kapiteln, die 2015 spielen) hätte ich mir vielleicht etwas mehr Tempo gewünscht, aber das ist wirklich Kritik auf sehr hohem Niveau.

Beeindruckend fand ich, wie gut es der Autorin gelingt, die 80er-Jahre und das besondere Viertel „Boystown“ zum Leben zu erwecken. Dafür hat sie sorgfältig recherchiert, und das merkt man. Rebecca Makkai beschreibt sehr atmosphärisch den Zusammenhalt in der schwulen Gemeinschaft, das aufregende Nachtleben und das Lebensgefühl der damaligen Zeit mit all ihren Sonnen- und Schattenseiten, sodass man nicht nur geschichtliche Fakten dazulernt, sondern sich auch wirklich fühlt, als würde man in eine andere Zeit eintauchen.

Feministischer Blickwinkel (5 Lilien)

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Hu++, Tussi

Eine feministische Analyse dieses Romans lässt mich zufrieden zurück. Das Buch besteht den Bechdel-Test, bespricht LGBT-Themen, bricht dadurch auch mit Geschlechterstereotypen, ist frei von Slut Shaming und enthält sehr starke, intelligente und interessante Frauenfiguren. Dass das Geschlechterverhältnis durch Yales Freundeskreis etwas unausgeglichen ist, verzeihe ich da gerne.

Mein Fazit

„Die Optimisten“ ist ein Roman der philosophischen Fragen, tragischen Schicksale und der großen Emotionen – und trotz seiner ernsten Themen für mich ein absolutes Wohlfühlbuch, in das ich immer wieder gerne eingetaucht bin. Mit ihrem angenehmen Schreibstil, ihren wunderschönen Zitaten, kreativen Vergleichen, nuancierten Schilderungen der Innenwelt ihrer liebevoll ausgearbeiteten Figuren, ihrer tiefgründigen Behandlung ernster Themen, ihren starken weiblichen Figuren, ihrem Brechen mit Geschlechterstereotypen, ihrem (tragikomischen) Humor, ihrer dichten Atmosphäre und ihrer berührenden Geschichte hat sich Rebecca Makkai in mein Herz geschrieben. Da sehe ich über kleine Schönheitsfehler sehr gerne hinweg. Kurz: Den Hype und das Lob (das Buch wurde unter anderem sogar für den Pulitzer Preis nominiert!) hat dieser Roman absolut verdient. „Die Optimisten“ ist jedenfalls eines der besten Bücher, die ich dieses Jahr gelesen habe! Lasst es euch nicht entgehen, denn es wird euch gefallen – da bin ich optimistisch!

Wenn euch „Die Optimisten“ gefallen hat, lest unbedingt auch „Sag den Wölfen, ich bin zu Hause“ von Carol Rifka Brunt (auch im großartigen Eisele Verlag erschienen)! Es behandelt ähnliche Themen, ist aber sogar noch berührender.

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 5 Lilien ♥
Umsetzung: 5 Lilien ♥
Worldbuilding: 5 Lilien ♥
Einstieg: 5 Lilie
Ende / Auflösung: 5 Lilien ♥
Schreibstil: 5 Lilien ♥
ProtagonistInnen: 5 Lilien ♥
Figuren: 5 Lilien ♥
Spannung: 4 Lilien
Atmosphäre: 5 Lilien ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Lilien ♥
Feministischer Blickwinkel: 5 Lilien

Insgesamt:

❀❀❀❀❀♥ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir fünf Lilien und ein Herz – und damit den Lieblingsbuchstatus!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.08.2020

Viele gute Ansätze & eine erfrischende Erzählweise – aber leider nicht so gut wie erwartet!

Daisy Jones and The Six
0

Viele gute Ansätze & eine erfrischende Erzählweise – aber leider nicht so gut wie erwartet!

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Im Mittelpunkt dieses Romans steht die fiktive Rockband „Daisy Jones & The ...

Viele gute Ansätze & eine erfrischende Erzählweise – aber leider nicht so gut wie erwartet!

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Im Mittelpunkt dieses Romans steht die fiktive Rockband „Daisy Jones & The Six“, die in den Siebzigerjahren Berühmtheit erlangte – und sich dann plötzlich aus unbekannten Gründen auflöste. Der Roman begleitet die Mitglieder der Band vor und hinter den Kulissen von ihrem kometenhaften Aufstieg bis zu ihrem unerwarteten Ende. Das Besondere an diesem Buch: Die Geschichte wird fast nur durch Interviews erzählt.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präteritum, Perfekt, Präsens
Perspektive: männliche und weibliche Perspektive
Kapitellänge: teilweise sehr (!) lang
Tiere im Buch: +/- Es wird Fleisch gegessen und davon gesprochen, Krabben zu fangen, ansonsten werden keine Tiere verletzt, gequält oder getötet.
Triggerwarnung: Drogensucht, Alkoholismus, Abtreibung, sexualisierte Gewalt, psychische Krankheiten, Vernachlässigung von Kindern;

Warum dieses Buch?

Das Buch hat im englischsprachigen Raum schon sehr viel Lob erhalten. Auch einige begeisterte deutsche LeserInnenstimmen habe ich im Vorfeld gesehen. Zudem ist die Erzählweise wirklich etwas ganz Besonderes!

Meine Meinung

Einstieg (4 Lilien)

„Zum ersten und einzigen Mal sprechen Mitglieder der Band in diesem Buch über ihre gemeinsame Geschichte.“ E-Book, Position 57

Den Einstieg empfand ich als relativ angenehm. Ich hatte keine Probleme, in die Geschichte zu finden.

Schreibstil (3 Lilien)

Die Idee, diese Geschichte fast ausschließlich in Interviewform zu erzählen – die Sprechenden wechseln alle paar Zeilen –, finde ich erfrischend, kreativ und mutig. Ich mag es sehr, wenn AutorInnen auch einmal experimentieren. Es war sicher nicht einfach, die verschiedenen Gespräche so zusammenzufügen und zu ordnen, dass eine chronologische Geschichte entsteht. Diese Herausforderung hat Taylor Jenkins Reid aber sehr gut gemeistert!

Dennoch konnte mich der Schreibstil nicht auf ganzer Linie überzeugen: Mir fehlte eine gewisse Nähe zu den Figuren, in deren Kopf wir ja nie richtig blicken können. Wir hören nur das, was sie uns erzählen wollen. Außerdem vermisste ich anschauliche Beschreibungen der Schauplätze, der Ereignisse, der Figuren. Teilweise war mir auch der Ton leider viel zu pathetisch und dramatisch.

Idee, Inhalt, Themen & Ende (3 Lilien)

„‘Ich hatte überhaupt kein Interesse daran, jemandes Muse zu sein.
Ich bin nicht die Muse.
Ich bin der Jemand.‘“ E-Book, Position 208

„Daisy Jones and The Six“ ist eine erfrischend anders erzählte Geschichte über die Liebe zur Musik, Selbstverwirklichung und den Alltag als Band, deren großes Potential leider nicht vollständig genutzt werden konnte. Meine durch die vielen positiven Rezensionen hohen Erwartungen wurden leider nicht ganz erfüllt.

Lange wusste ich beim Lesen nicht genau, was ich vom Buch halten sollte. „Daisy Jones and The Six“ fühlt sich wie eine dieser Musikdokumentationen im Fernsehen an. Dass die Band erfunden ist, geht übrigens nicht aus dem sehr realistisch gehaltenen Text hervor, sondern lässt sich nur durch Nachforschungen herausfinden. In manchen Momenten funktioniert das Doku-Konzept in Buchform richtig gut und macht Spaß, in anderen tut es das leider nicht, weil wichtige Dinge fehlen: die Gestik und Mimik der Interviewten, die visuellen Bilder und (vor allem!) die Musik selbst. Die Liedtexte findet man gesammelt hinten im Buch, anstatt in den entsprechenden Kapiteln. So fühlte sich das Lesen den Lyrics leider am Ende ohne Kontext und die passenden Emotionen dazu relativ trocken und langweilig an.

Klassische Band-Themen wie „Sex, Drugs and Rock‘n’Roll“ stehen im Mittelpunkt (Drogen und Alkohol nehmen tatsächlich sehr viel Platz ein!), aber auch Liebe, Freundschaft, Selbstverwirklichung und persönliche Probleme werden angesprochen. An einigen Stellen geht das Buch in die Tiefe, anderes wird eher oberflächlich abgehandelt. Sehr realitätsnah und interessant fand ich, dass sich die Erinnerungen und Sichtweisen der verschiedenen Personen in manchen Momenten stark voneinander unterscheiden. Das hat mir sehr gut gefallen! Wer den Roman lesen möchte, sollte auf jeden Fall viel Interesse für Musik und ihren Entstehungsprozess mitbringen. Die repetitiven und detaillierten Schilderungen der Aufnahme-Sessions und der Auftritte konnten mich leider nicht immer fesseln.

„Daisy Jones and The Six“ enthält durchaus einige lustige (achtet bitte auf den Scherzkeks Warren!) emotionale und berührende Szenen, aber insgesamt konnte mich die Geschichte leider nicht so emotional mitreißen, wie ich mir das gewünscht hätte. Das Ende mit seiner unerwarteten Wendung fand ich zwar nicht unvergesslich, aber in Ordnung, den Grund hinter der Auflösung der Band hätte ich mir allerdings noch etwas spektakulärer vorgestellt.

„‘Es gibt Grenzen, die man nicht überschreiten will. Aber dann überschreitet man sie doch. […] Du hast eine dicke, fette schwarze Linie gezogen, und jetzt ist sie ein bisschen grauer geworden. Jedes Mal, wenn du sie überschreitest, wird sie noch ein bisschen heller und heller, bis du dich eines Tages umsiehst und denkst, war hier mal eine Linie?‘“ E-Book, Position 910

Figuren (3 Lilien)

„‘Wir lieben schöne, kaputte Menschen. Und kaputter oder im klassischen Sinne schöner als Daisy Jones geht es kaum.‘“ E-Book, Position 87

Nach den begeisterten Rezensionen habe ich mich auf großartige, unvergessliche Figuren eingestellt, die einem ans Herz wachsen. Bekommen habe ich austauschbare Charaktere, die mich leider nicht für sich einnehmen oder berühren konnten, obwohl einige von ihnen eigentlich gut ausgearbeitet waren. Viele von ihnen fand ich unerträglich egozentrisch und unsympathisch. Die meisten Probleme hatte ich mit Billy, der mich teilweise wirklich genervt hat. Lediglich die coole Karen und die selbstbewusste Daisy mochte ich. Vielleicht lag es auch an der Erzählweise, dass mich die Figuren nicht erreichen konnten – ich finde es jedenfalls sehr schade!

Spannung (3 Lilien) & Atmosphäre (5 Lilien)

Mit dem Spannungsbogen bin ich nicht ganz zufrieden. Das Buch war zwar zu keinem Zeitpunkt langweilig, aber durch die vielen Wiederholungen plätschert die Geschichte oft ohne Höhepunkte dahin. Hätten mich die Figuren emotional erreicht, hätte ich mit ihnen auf dem Weg zum Gipfel wahrscheinlich auf einem ganz anderen Level mitgefiebert. Meine Kritikpunkte hängen also alle eng zusammen. Kürzere Kapitel hätten außerdem bestimmt mehr Tempo in die Geschichte gebracht.

Außerordentlich gut gefallen hat mir hingegen die dichte Tour- und Bandatmosphäre. In ihrem Buch fängt die Autorin wunderbar die leidenschaftlichen Streits, die erwachenden Gefühle füreinander und emotionale Dramen ein und lässt uns viele Schlüsselmomente hautnah miterleben: das langwierige Schreiben der Songs, das fordernde Aufnehmen der Lieder, das Spielen vor dem jubelnden Publikum.

Feministischer Blickwinkel (3 Lilien)

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Schlam++, Zicke

Ganz zufrieden lässt mich eine feministische Analyse dieses Romans nicht zurück. Das Buch enthält zwar einige feministische Szenen und Zitate, besteht den Bechdel-Test, spricht Sexismus und Ungerechtigkeiten an und thematisiert Abtreibung. Doch in vielen Momenten werden die Frauen von den Bandmitgliedern sexualisiert oder auf das Äußere reduziert. Auch Camila, die zwar eine starke, durchsetzungsstarke Frau ist, lässt sich von Billy aufgrund der Kinder viel zu viel bieten (sie wird von ihm mehrmals betrogen), kümmert sich fast dauernd alleine um Nachwuchs und hat keine andere Aufgabe, als ihm „den Rücken freizuhalten“, während er mit der Band tourt. Eigene Karriereziele oder Wünsche abseits des Lebens als Ehefrau und Mutter scheint sie nicht zu haben, was ich traurig finde. Auch die Reaktion eines Mannes auf die Abtreibung seiner Freundin war nicht gerade angemessen, sondern sehr übergriffig und respektlos.

Mein Fazit

„Daisy Jones and The Six“ ist eine erfrischend anders erzählte Geschichte über die Liebe zur Musik, Selbstverwirklichung und den Alltag als Band, deren großes Potential leider nicht vollständig genutzt werden konnte. Meine durch die vielen positiven Rezensionen hohen Erwartungen wurden leider nicht ganz erfüllt. Überzeugen konnten mich die Momente, in denen das Doku-Konzept funktioniert und großen Spaß gemacht hat, die dichte Tour- und Bandatmosphäre, der Humor und die vereinzelten emotionalen Szenen. Zwiegespalten lassen mich die besondere Erzählweise, die Auswahl und Behandlung der Themen, die feministische Analyse und der Spannungsbogen zurück. Enttäuscht war ich von den Figuren und der Tatsache, dass mich das Buch leider nicht so emotional mitreißen konnte wie erhofft. Eine klare Leseempfehlung gibt es von mir dieses Mal nicht, aber wer schon immer mal am eigenen Leib spüren wollte, wie es ist, in einer Band zu sein, kann sich diesen Traum mit „Daisy Jones and the Six“ zumindest ‚fast‘ erfüllen.

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 3 Lilien
Umsetzung: 3 Lilien
Worldbuilding: 4 Lilien
Einstieg: 4 Lilien
Ende / Auflösung: 3 Lilien
Schreibstil: 3 Lilien
Figuren: 3 Lilien
Spannung: 3 Lilie
Atmosphäre: 5 Lilien
Emotionale Involviertheit: 3 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 3 Lilien

Insgesamt:

❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir drei Lilien!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.08.2020

3,5*: Entschleunigende, poetische Liebeserklärung an die Natur & ungewöhnliche Freundschaften – stellenweise leider langatmig!

Offene See
0

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Der junge Robert soll (zu seinem Missfallen) in die Fußstapfen seines Vaters treten und auch Bergarbeiter werden. Zuerst unternimmt er aber nach dem Schulabschluss (kurz ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Der junge Robert soll (zu seinem Missfallen) in die Fußstapfen seines Vaters treten und auch Bergarbeiter werden. Zuerst unternimmt er aber nach dem Schulabschluss (kurz nach dem 2. Weltkrieg) eine Reise zum Meer. Dabei trifft er auf eine unkonventionelle Dame, die seinen Blick auf die Welt für immer verändern wird…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präteritum
Perspektive: männliche Perspektive
Kapitellänge: mittel bis lang
Tiere im Buch: +/- Es wird Fleisch und Fisch gegessen, Tiere sind nach dem Krieg unterernährt und verhungern. Außerdem berichtet die Hauptfigur, dass sie als Kind aus Spaß Tiere getötet hat. Nichts davon wird im Detail beschrieben und als Erwachsener verhält sich Robert sehr tierlieb.
Triggerwarnung: Tod von Menschen, Tod von Tieren, Suizid, Depressionen, Alkohol, Trauer, Krieg;

Warum dieses Buch?

Zuerst war ich ja unsicher, ob ich das Buch lesen sollte. Ich hatte Angst, dass es vielleicht langatmig sein könnte wegen der Naturbeschreibungen. Die vielen positiven und begeisterten Rezensionen haben mir dann aber keine Ruhe gelassen – also musste ich es auch lesen!

Meine Meinung

Einstieg (2 Lilien)

„Manchmal fühlt es sich an, als würde [mein Körper] fast nur noch von Sehnen der Erinnerung und Bändern der Hoffnung zusammengehalten. Der Verstand ist ein verstaubtes Museum.“ E-Book, Position 33

Den dialogarmen und sehr stillen Einstieg empfand ich leider als etwas zäh. Erst als Robert auf die alte Dame Dulcie trifft, kommt Schwung in die Geschichte. Ab diesem Zeitpunkt war ich in der Geschichte angekommen.

Schreibstil (4 Lilien)

„‘Die Nacht legte sich über die Wiese wie ein Schleppnetz, das langsam in tieferes Wasser sinkt, und die untergehende Sonne tauchte alles in Dunkelheit.‘“ E-Book, Position 681

Auf die Schönheit des Schreibstils wurden einige Lobeshymnen gesungen, weswegen ich Großartiges erwartete. Tatsächlich lässt sich das Buch trotz seiner komplexen Sprache sehr angenehm und flüssig lesen, Benjamin Myers schreibt poetisch und schön. Trotzdem haben mich seine Naturbeschreibungen und Vergleiche nicht durchgehend begeistert, ich habe großartigere, kreativere sprachliche Bilder erwartet und mich leider nicht so in die Sprache verliebt, wie ich mir das erhofft hätte.

Idee, Inhalt, Themen & Ende (3,5 Lilien)

„‘Das da draußen ist die offene See‘, sagte Dulcie leise. ‚Dieser ferne Streifen, wo Himmel und Wasser eins werden.‘“ E-Book, Position 1252

Mit „Offene See“ hat Benjamin Myers eine entschleunigende, poetische Liebeserklärung an die Natur und ungewöhnliche Freundschaften geschrieben, der viele starke Momente enthält, mich aber trotzdem nicht auf ganzer Linie überzeugen konnte.

Richtig gut gefallen hat mir die Entschleunigung im Roman, dieses Erkennen der Schönheit der Natur und das Wertschätzen der einfachen Dinge. Das Buch sollte übrigens lieber nicht mit hungrigem Bauch gelesen werden, weil einem die wunderbaren Essenbeschreibungen das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen! Dem Autor gelingt es sogar, einem frisches, kühles Wasser so schmackhaft zu machen, dass man sofort etwas trinken will! Auch Themen wie Liebe, Tod, Vergänglichkeit, Krieg, Bildung, Literatur, gesellschaftliche Konventionen und Erwartungen und LGBT-Themen werden teilweise tiefgründig behandelt, was mir sehr gut gefallen hat. Immer wieder hat mich der Autor mit seinem Roman zum Nachdenken gebracht. Auch den Humor, der an manchen Stellen durchblitzt, mochte ich sehr. Ein passendes, gelungenes Ende rundet die Geschichte perfekt ab.

Trotzdem waren es mir stellenweise zu viele Naturbeschreibungen, durch die sich die Geschichte oft zog und langatmig war. An manchen Stellen hätte ich mir noch mehr Tiefe gewünscht und außerdem fürchte ich, dass der Roman nicht allzu lange nachwirken wird.

„‘Niemand gewinnt einen Krieg wirklich; manche verlieren bloß ein bisschen weniger als andere.‘“ E-Book, Position 76

Protagonist & Figuren (3 Lilien & 5 Lilien ♥)

„‘Wie spät ist es?‘
‚Ich habe keine Ahnung‘, sagte sie. ‚Ich besitze nämlich keine Uhr.‘“ E-Book, Position 740

Mit Dulcie hat der Autor eine ungewöhnliche, erfrischend unkonventionelle und absolut unvergessliche weibliche Figur geschaffen. Ich liebe ihre direkte, unverblümte Art, ihre Unabhängigkeit, ihr Hinwegsetzen über gesellschaftliche Normen, ihre Intelligenz und ihre Liebe zur Literatur. Sie ist für mich das Beste am ganzen Buch!

Robert hingegen, unser eigentlicher Protagonist, bleibt dagegen ein wenig blass. Er hätte durchaus noch etwas mehr Persönlichkeit und Ecken und Kanten haben dürfen. Stattdessen schien er nur aus klischeehaften Attributen zu bestehen, um einen Kontrast zu Dulcie zu bilden: Jugend, mangelnder Bildung, Arbeiterklasse, Selbstfindung, Unerfahrenheit. Aus dieser Figur hätte man noch mehr machen können!

Spannung (2 Lilien) & Atmosphäre (5 Lilien ♥)

„‘Denn nichts anderes sind Gespenster: die nackten Wahrheiten, denen wir lieber nicht ins Gesicht sehen, oder die Stimmen derjenigen, die wir im Stich gelassen haben. Wir tragen unsere eigenen Gespenster in uns, mit denen wir uns selbst heimsuchen.‘“ E-Book, Position 2048

Trotz des Geheimnisses, das Dulcie zu haben scheint und das von Anfang an angedeutet wird, ist der Roman sehr spannungsarm, obwohl er ja eigentlich recht kurz ist. Mir war er stellenweise zu zäh und langatmig, besonders wenn Robert alleine war. Da musste ich mich manchmal schon aufraffen, das Buch zur Hand zu nehmen. Die Gespräche mit Dulcie hingegen fand ich sehr lebendig und unterhaltsam.

Dafür punktet „Offene See“ mit seiner dichten englischen Landatmosphäre in der Nachkriegszeit, die ich sehr genossen haben! Wenn man das Buch im Sommer liest, kann man (wie ich) sicher noch besser in die Geschichte eintauchen. Man hat beim Lesen das Summen der Bienen im Ohr, köstlichen Essensgeruch in der Nase und fühlt den lauen Sommerwind im Gesicht. Toll!

Feministischer Blickwinkel (4,5 Lilien)

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Schlam++

Eine feministische Analyse dieses Romans fällt positiv aus. Das Buch besteht den Bechdel-Test, enthält starke, intelligente weibliche Figuren und sogar ein weibliches Genie (endlich!). Zusätzlich werden auch LGBT-Themen angesprochen und gesellschaftliche Normen kritisiert. Zudem ist das Buch großteils (bis auf wenige Ausnahmen) frei von Geschlechterstereotypen.

Mein Fazit

Mit „Offene See“ hat Benjamin Myers eine entschleunigende, poetische Liebeserklärung an die Natur und ungewöhnliche Freundschaften geschrieben, der viele starke Momente enthält, mich aber trotzdem nicht auf ganzer Linie überzeugen konnte. Gefallen haben mir der flüssige, komplexe, schöne und poetische Schreibstil, die unkonventionelle Dulcie, die starken weiblichen Figuren, die Entschleunigung, das Erkennen der Schönheit der Natur, die Zufriedenheit mit den einfachen Dingen, die köstlichen Essensbeschreibungen, der Humor, die Dialoge, die Behandlung und Auswahl der Themen und die dichte Landatmosphäre. Nicht überzeugen konnte mich der schwierige Einstieg, der etwas blasse Protagonist, die ausufernden Naturbeschreibungen (mir waren es zu viele), das fehlende Nachhallen des Romans und die mangelnde Spannung. Zudem hätte ich mir großartigere, kreativere sprachliche Bilder und an manchen Stellen mehr Tiefe gewünscht. Eine uneingeschränkte Leseempfehlung gibt es von mir nicht, aber wer gerne stille, atmosphärische Bücher über ungewöhnliche Freundschaften liest, wird den Griff zu diesem Roman bestimmt nicht bereuen!

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 3,5 Lilien
Umsetzung: 3,5 Lilien
Worldbuilding: 5 Lilien ♥
Einstieg: 2 Lilien
Ende / Auflösung: 5 Lilien
Schreibstil: 4 Lilien
Protagonist: 3 Lilien
Figuren: 5 Lilien ♥
Spannung: 2 Lilie
Atmosphäre: 5 Lilien ♥
Emotionale Involviertheit: 3,5 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 4,5 Lilien

Insgesamt:

❀❀❀,5 Lilien

Dieses Buch bekommt von mir dreieinhalb Lilien!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.08.2020

4,5*: Unterhaltsamer, herzerwärmender Roman mit liebevoll ausgearbeiteten Figuren und viel Humor!

Pandatage
0

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Seit dem tragischen Unfalltod seiner Frau ist Danny alleinerziehender Vater eines Sohnes, der kein Wort mehr spricht. Aus finanzieller Not kauft er sich ein Pandakostüm, ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Seit dem tragischen Unfalltod seiner Frau ist Danny alleinerziehender Vater eines Sohnes, der kein Wort mehr spricht. Aus finanzieller Not kauft er sich ein Pandakostüm, um als Straßenkünstler aufzutreten. Sein Sohn fasst bei einer zufälligen Begegnung Vertrauen in den fremden Panda – und er spricht …

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Präteritum
Perspektive: männliche Perspektive
Kapitellänge: mittel bis lang
Tiere im Buch: +/- Es stirbt ein Kaninchen, weil es ein Kabel durchnagt. Zusätzlich gibt es einige Vergleiche, die verletzte oder tote Tiere enthalten, und eine Katze, die allein gehalten wird. Deshalb hier ein wichtiger Hinweis: Katzen sind alleine niemals glücklich (sie sind EinzelJÄGER, keine EinzelGÄNGER), sondern sehr einsam und unglücklich. Sie können verschiedene Verhaltensstörungen entwickeln und depressiv und/oder aggressiv werden. Wer seine Katze liebt, schenkt ihr deshalb mindestens einen Gefährten.
Triggerwarnung: Tod von Menschen, Tod von Tieren, Mobbing, Trauer;

Warum dieses Buch?

Leider ist in den Augen vieler Menschen immer noch hauptsächlich die Frau für die Kindererziehung und – betreuung zuständig, was ich sehr traurig finde! Dieses Buch rückt einen alleinerziehenden Vater und die Beziehung zu seinem Sohn in den Mittelpunkt – deshalb konnte ich es mir nicht entgehen lassen.

Meine Meinung

Einstieg (5 Lilien ♥)

Der Einstieg ist mir sehr leichtgefallen! Durch das einnehmende erste Kapitel fand ich schnell in die Geschichte und wollte sofort weiterlesen.

Schreibstil (4 Lilien)

Der Schreibstil ist anschaulich, flüssig und angenehm lesbar. Ich mochte die kreativen Vergleiche, und auch die Dialoge fand ich sehr lebendig und authentisch – es macht wirklich Spaß, sie zu lesen! Lediglich eine Sache hat mich ein bisschen gestört: Ich hätte mir an manchen Stellen gewünscht, dass der Autor öfter einmal einen Punkt gesetzt hätte, da die Länge der Sätze manchmal (meiner Meinung nach grundlos) etwas ausufert. Das hätte sicher positiv zum Lesefluss und zum Verständnis beigetragen.

„Es war, als lebte sie in einer Welt, die parallel zu seiner eigenen verlief, wie zwei Fremde in einem Hochhaus, die einander hörten, sich aber nie begegneten.“ E-Book, Position 285

Idee, Inhalt, Themen & Ende (4,5 Lilien)

„‘Und jetzt hat er keine Mutter mehr‘, hatte Roger gesagt und auf Will gezeigt, der gerade erst aus dem Krankenhaus entlassen worden war und noch einen Kopfverband trug, der zwischen den schwarzen Hemden und Kleidern wie ein Leuchtturm strahlte. ‚Jetzt ist er allein mit ‚dir‘.‘“ E-Book, Position 398

Mit „Pandatage“ ist James Gould-Bourn ein ganz besonderer, erfrischend unvorhersehbarer und herzerwärmender Wohlfühl-Roman gelungen, der mich sehr gut unterhalten und mich berührt hat. Bei Themen wie Trauer und Verlust, Freundschaft, Familie, Mobbing und finanzielle Not geht der Autor durchaus auch in die Tiefe. Besonders gut gefallen hat mir hier die Auseinandersetzung von Will mit seinem Mobber. Die paar Klischees, die in der Geschichte vorkommen, verzeihe ich gern. Das Ende ließ mich zufrieden zurück; es war so, wie man es bei einem Roman dieser Art erwartet, dabei aber nicht zu kitschig.

Am besten an diesem Roman hat mir aber der Humor gefallen. Mein Humor ist speziell, und er wird von Büchern nur selten getroffen. Die Situationskomik in „Pandatage“ hat mich aber nicht nur zum Schmunzeln gebracht, sondern sogar an einer Stelle (der „Ich nenne jeden Danny“-Szene) zu einem Lachkrampf geführt – das ist mir noch nie bei einem Buch passiert. Einfach nur köstlich – alleine für den Humor lohnt es sich, diesen Roman zu lesen!

„‘Kapier ich nicht‘, sagte Gavin, der so viele Pickel hatte, dass sein Kopf mehr Eiter als Hirn enthielt.“ E-Book, Position 196

Protagonisten & Figuren (5 Lilien ♥ & 5 Lilien ♥)

Die Figuren in „Pandatage“ konnten mich ausnahmslos überzeugen. Von den beiden Protagonisten (Will und Danny) bis hin zu den Nebenfiguren sind die Charaktere liebevoll ausgearbeitet, authentisch und gut gelungen. Die meisten sind sehr sympathisch und alle haben etwas Besonderes an sich, wodurch man sie nicht so schnell vergisst. Lediglich der „böse Zauberer“ blieb etwas eindimensional, aber das war, denke ich, Absicht.

Spannung (4 Lilien) & Atmosphäre (3 Lilien)

Ich habe „Pandatage“ sehr gern gelesen, mochte die überraschenden Wendungen und war auch immer neugierig, wie es weitergeht. Mit der Spannungskurve bin ich prinzipiell zufrieden, auch wenn ich das Buch zwischendurch problemlos aus der Hand legen konnte. Im Mittelteil hätten es allerdings durchaus noch etwas mehr Spannung und Tempo sein dürfen.

Als besonders atmosphärisch würde ich das Buch nicht beschreiben, dafür waren die Beschreibungen der Umgebung nicht detailliert und stimmungsvoll genug. Das stört bei diesem Roman aber nicht weiter, da andere Aspekte klar im Vordergrund stehen.

Feministischer Blickwinkel (3 Lilien)

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): nicht bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Flitt++++, Schlam++, Bit++

Eine feministische Betrachtung dieses Romans hinterlässt bei mir eher gemischte Gefühle. Einerseits ist es zwar schön, dass hier der Alltag eines alleinerziehenden Vaters in den Mittelpunkt gerückt wird, dass Männer Gefühle zeigen, es eine starke, selbstbewusste weibliche Figur gibt und dass immer wieder mit Geschlechterstereotypen gebrochen wird. Andererseits gibt es im Buch ein großes Geschlechterungleichgewicht (einen Männerüberschuss), was absolut nicht mehr zeitgemäß ist. Dadurch besteht der Roman natürlich auch den Bechdel-Test nicht, was ich sehr schade finde! Zusätzlich wird deutlich, dass Danny viele Haushaltspflichten und andere Dinge erst lernen muss, weil dafür vor ihrem Tod großteils seine Ehefrau zuständig war. Diese ungleiche Verteilung der Haushalts- und Betreuungspflichten wird leider nur unzureichend thematisiert – es werden lediglich Ausreden serviert, warum Danny damals so viel gearbeitet hat. Ebenso gestört hat mich das Slutshaming an einer Stelle, an der Krystal behauptet, dass die Affäre ihres Freundes eine „Schlam++“ sei, obwohl doch ihr Freund untreu war und hier die Schuld trägt! Hier merkt man leider, dass dem Autor teilweise noch das Bewusstsein für feministische Problematiken und Ungerechtigkeiten fehlt. Es bleibt zu hoffen, dass er das bis zur Veröffentlichung seines nächsten Buches ändert.

Mein Fazit

Mit „Pandatage“ ist James Gould-Bourn ein ganz besonderer, erfrischend unvorhersehbarer und herzerwärmender Wohlfühl-Roman gelungen, der mich sehr gut unterhalten konnte und mich berührt hat. Der angenehme, anschauliche Schreibstil mit den lebendigen Dialogen und den gelungenen Vergleichen, der einfache Einstieg in die Geschichte, die köstliche Situationskomik, die liebevoll ausgearbeiteten Figuren, die tiefgründige Verarbeitung der Themen, das Ende, die Wendungen und der Spannungsbogen konnten mich überzeugen. Gestört haben mich lediglich die teilweise unnötig langen Sätze, die vereinzelten Klischees, das Geschlechterungleichgewicht (Männerüberschuss), das Slutshaming und kleinere Spannungseinbrüche. Von mir gibt es jedenfalls eine Leseempfehlung – wenn ihr zur Abwechslung mal Tränen LACHEN anstatt weinen wollt, solltet ihr euch diesen tanzenden Panda definitiv nicht entgehen lassen!

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 4,5 Lilien
Umsetzung: 4,5 Lilien
Worldbuilding: 4 Lilien
Einstieg: 5 Lilien ♥
Ende / Auflösung: 4 Lilien
Schreibstil: 4 Lilien
Protagonisten: 5 Lilien ♥
Figuren: 5 Lilien ♥
Spannung: 4 Lilie
Atmosphäre: 3 Lilien
Emotionale Involviertheit: 4 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 3 Lilien

Insgesamt:

❀❀❀❀,5 Lilien

Dieses Buch bekommt von mir viereinhalb Lilien!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.07.2020

4,5*: Atemlos spannender, wendungsreicher Thriller mit unheimlichem Setting und Gänsehautmomenten!

Verschließ jede Tür
0

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Eine junge Frau mit finanziellen Problemen erhält einen sehr gut bezahlten Wohnungssitter-Job in einem berühmten Wohnhaus für die Reichen in Manhattan. Sie kann ihr Glück ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Eine junge Frau mit finanziellen Problemen erhält einen sehr gut bezahlten Wohnungssitter-Job in einem berühmten Wohnhaus für die Reichen in Manhattan. Sie kann ihr Glück kaum fassen! Jedenfalls bis eine Sitter-Kollegin spurlos verschwindet – angeblich ist sie überstürzt ausgezogen. Doch Jules kann das nicht glauben. Sie fängt an, gefährliche Nachforschungen anzustellen…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präsens
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurz bis mittel
Tiere im Buch: ♥ Es wird zwar Fleisch gegessen und von einzelnen Personen Pelz getragen, aber es werden keine Tiere verletzt, gequält oder getötet – im Gegenteil, ein Hund wird sogar mehrmals gerettet.
Triggerwarnung: Tod von Menschen, Feuer, Suizid, Depression, selbstverletzendes Verhalten;

Warum dieses Buch?

Der Klappentext klang so unheimlich, spannend und vielversprechend, dass für mich an diesem Buch kein Weg vorbeiführte!

Meine Meinung

Einstieg (3 Lilien)

Gleich die ersten, rätselhaften Seiten machen neugierig, danach dauert es aber etwas, bis die Geschichte in Schwung kommt und man ins Buch findet.

Schreibstil (4 Lilien)

Riley Sager hat einen einfachen, flüssig lesbaren und anschaulichen Schreibstil. Trotzdem fand ich ihn gewöhnungsbedürftig. Irgendwie störte mich diese Unruhe (mich erinnerte der Schreibstil ein wenig an Casey McQuistons) und die fehlende Präzision bei dem Formulierungen. Nach und nach freundete ich mich aber immer mehr mit der Sprache des Autors an und mochte sie zunehmend.

Idee, Inhalt, Themen & Ende (4 Lilien)

„‘[…] so fühlt sich’s für mich an. Als würde in dem Haus all das spuken, was dort schon passiert ist. All die schlimmen Dinge. Wie Staub, der sich ansammelt und in der Luft liegt. Und wir atmen ihn ein, Jules.‘“ E-Book, Position 1140

„Verschließ jede Tür“ ist ein rundum gelungener Thriller, der bekannte Elemente auf neue, überzeugende Weise miteinander verbindet. Großartig fand ich zudem den Aufbau: Es gibt zwei Zeitebenen. In der Gegenwart liegt Jules nach einem Autounfall im Krankenhaus, in der Vergangenheit (die nur 6 Tage zurückliegt) begleiten wir Jules bei ihrem Einzug und in den Tagen danach. Man fragt sich unweigerlich, was in dieser kurzen Zeit passiert ist, dass Jules solche Angst hat. Das macht natürlich neugierig! Ich konnte das Buch kaum mehr beiseitelegen – genau so muss das bei einem Thriller sein!

Thematisch stehen finanzielle Probleme, Familie, Trauer, Klassenunterschiede, Moral, Reichtum und Freundschaft im Mittelpunkt – der Autor (dessen Name übrigens ein Pseudonym ist) behandelt alle diese Themenbereiche mit angemessener Tiefe. Das Ende fand ich rund, es hat mich zufrieden zurückgelassen, auch wenn es mir nicht allzu lange in Erinnerung bleiben wird. „Verschließ jede Tür“ wird jedenfalls nicht mein letztes Buch des Autors bleiben – dafür war dieser Thriller einfach zu gut!

Protagonistin & Figuren (4 Lilien & 5 Lilien ♥)

Die fünfundzwanzigjährige Jules habe ich als Protagonistin sehr gerne begleitet. Sie ist eine bescheidene, intelligente Frau, der moralisches Handeln wichtig ist. Gestört hat mich an ihr nur, dass sie es meiner Meinung nach mit ihrem „Ich-bin-so-arm-und-ein-Niemand-im-Vergleich-zu-den-Reichen-Leuten-in-diesem-Haus“-Gerede ein wenig übertrieben hat, das fand ich echt anstrengend und nervig. Ähnlich war es mit den Verweisen auf das Schicksal ihrer Schwester. Ich hatte es schon beim ersten Mal verstanden, also hätte man sich hier die (übertrieben gesagt) 200 Wiederholungen sparen können. Hierfür ziehe ich einen halben Punkt ab!

Die anderen Figuren haben mir auch durch die Bank wirklich gut gefallen, sie sind interessant und liebevoll ausgearbeitet und wirken sehr lebendig. Besonders Greta mochte ich sehr.

Spannung (5 Lilien ♥) & Atmosphäre (5 Lilien ♥)

„Aus der Nähe ist das Tapetenmuster noch erdrückender. All die Blumen sind aufgesperrt wie Mäuler. Die Blütenblätter berühren sich, die ovalen Zwischenräume sind so dunkelrot, dass es an Schwarz grenzt. Sie erinnern an Augen. Als wäre die Tapete mit Augen besetzt.“ E-Book, Position 656

Die größten Stärken dieses Thrillers sind seine atemlose Spannung, seine unheimlichen Gänsehautmomente, die schaurigen Traumsequenzen und die unheilvolle, dichte Atmosphäre im geschichtsträchtigen Bartholomew-Wohnhaus. Das Miträtseln macht großen Spaß! Obwohl ich schon weit vor der ersten Hälfte geahnt habe, was hinter den mysteriösen Vorkommnissen steckt, tat das der Spannung keinen Abbruch – und das ist wirklich eine Leistung! Ich habe es geliebt, mich abends mit diesem Buch im Bett richtig schön zu gruseln!

Feministischer Blickwinkel (4 Lilien)

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Tussi

Eine feministische Analyse fällt bei diesem Thriller ebenfalls positiv aus. Das Buch besteht den Bechdel-Test und enthält viele starke weibliche Figuren. Zudem ist es großteils frei von Geschlechterstereotypen. Lediglich dass eine Frau nach einem One-Night-Stand ihren Heimweg am Morgen als „walk of shame“ bezeichnet und sich Sorgen macht, ob ihr Partner nun denken könnte, sie sei „leicht zu haben“, hat mich gestört. Dieses Denken muss endlich aufhören! Jede Frau darf ihr Liebesleben heutzutage so leben, wie sie mag – und es gibt keinen Grund, sich dafür zu schämen oder sich schlecht zu fühlen!

Mein Fazit

„Verschließ jede Tür“ ist ein rundum gelungener Thriller, der bekannte Elemente auf neue, überzeugende Weise miteinander verbindet. Es dauert ein wenig, bis die Geschichte in Schwung kommt, aber Dranbleiben lohnt sich! Der Plot, die Verarbeitung der Themen, die intelligente Protagonistin, die interessanten Nebenfiguren, die unheilvolle, dichte Atmosphäre und die atemlose Spannung konnten mich auf ganzer Linie überzeugen. Einen halben Stern Abzug gibt es für inhaltliche Wiederholungen und den Schreibstil, an den ich mich erst einmal gewöhnen musste. Ich kann euch diesen Thriller jedenfalls nur wärmstens ans Herz legen! Zieht gemeinsam mit Jules ins unheimliche Bartholomew ein und begleitet sie bei ihren spannenden Nachforschungen – aber kontrolliert vor der Lektüre unbedingt, ob ihr auch alle eure Türen verschlossen habt! Ihr wollt euch doch nicht während des Lesens einer gruseligen Szene fragen müssen: War da etwas? Ein Geräusch? Bin ich vielleicht nicht alleine?

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 5 Lilien ♥
Umsetzung: 4,5 Lilien
Worldbuilding: 5 Lilien ♥
Einstieg: 3 Lilie
Ende / Auflösung: 4 Lilien
Schreibstil: 5 Lilien ♥
Protagonistin: 5 Lilien ♥
Figuren: 5 Lilien ♥
Spannung: 4 Lilie
Atmosphäre: 2 Lilien
Emotionale Involviertheit: 5 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 4 Lilien

Insgesamt:

❀❀❀❀,5 Lilien

Dieses Buch bekommt von mir viereinhalb Lilien!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere