Wunderbare Figuren, tragische Schicksale und große Emotionen – für mich ein absolutes Jahreshighlight! ♥
Die Optimisten Spoilerfreie Rezension!
Inhalt
Im Schwulenviertel „Boystown“ im Chicago der 80er-Jahre hat Aids zu wüten begonnen. Durch mangelnde Therapiemöglichkeiten, ein schlechtes Gesundheitssystem, zu wenig ...
Spoilerfreie Rezension!
Inhalt
Im Schwulenviertel „Boystown“ im Chicago der 80er-Jahre hat Aids zu wüten begonnen. Durch mangelnde Therapiemöglichkeiten, ein schlechtes Gesundheitssystem, zu wenig Aufklärung und Schuld und Schamgefühle breitet sich das HI-Virus aus wie ein Lauffeuer und löscht nach und nach Yales Freundeskreis aus.
Dreißig Jahre später ist Fiona in Paris auf der verzweifelten Suche nach ihrer verschollenen Tochter. Da sie bei alten Freunden aus Chicago wohnt, werden immer wieder schmerzhafte Erinnerungen an ihre Vergangenheit wach.
Übersicht
Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Präteritum
Perspektive: weibliche und männliche Perspektive
Kapitellänge: mittel bis kurz
Tiere im Buch: - Eine Katze wird aus Versehen stark vernachlässigt, überlebt aber. Fleisch wird gegessen. Ansonsten werden keine Tiere verletzt, gequält oder getötet. Da eine Katze in Einzelhaltung lebt, möchte ich über dieses Thema aufklären: Katzen sind alleine niemals glücklich (sie sind EinzelJÄGER, keine EinzelGÄNGER), sondern sehr einsam und unglücklich. Sie können verschiedene Verhaltensstörungen entwickeln und depressiv und/oder aggressiv werden. Wer seine Katze liebt, schenkt ihr deshalb mindestens einen Gefährten.
Triggerwarnung: Drogen, Alkoholismus, Tod von Menschen, Krankheit, Homophobie, Prostitution, sexuelle Belästigung;
Warum dieses Buch?
Die Frage sollte eher lauten: Warum nicht? Das Buch hat viel Lob und bereits Preise erhalten, viele LeserInnen schwärmen davon. Außerdem hat mich der Klappentext an eines meiner absoluten Herzensbücher erinnert: „Sag den Wölfen, ich bin zu Hause“ von Carol Rifka Brunt. Ich musste es daher einfach lesen!
Meine Meinung
Einstieg (5 Lilien)
„‘Ich kenne Männer, die noch niemanden verloren haben. Gruppen, die bisher unberührt geblieben sind. Aber ich kenne auch Leute, die haben zwanzig Freunde verloren. Ganze Mietshäuser, ausgelöscht.‘“ E-Book, Position 236
Ich hatte überhaupt keine Probleme, in die Geschichte zu finden, sondern eher das Gefühl, dass einen die Autorin auf der ersten Seite bei der Hand nimmt und nicht mehr loslässt, bis man das Buch beendet hat. Schon das erste Kapitel, das sehr rätselhaft endet, hat mich neugierig gemacht – ich wollte unbedingt weiterlesen.
Schreibstil (5 Lilien ♥)
Mit „Die Optimisten“ hat sich Rebecca Makkai in mein Herz geschrieben. Ihr Schreibstil ist wunderbar – anspruchsvoll, und trotzdem so angenehm lesbar, dass für mich jede Seite ein Genuss war. Das Buch glänzt mit wunderschönen, weisen Zitaten, treffenden Formulierungen und beeindruckend kreativen Vergleichen. Besonders großartig fand ich auch, wie nuanciert die Autorin die Gefühls- und Gedankenwelt ihrer Figuren beschreibt. Auf diese Weise kommt man ihnen unheimlich nah.
„Bevor sie den Raum verließ, blieb sie stehen und sah Yale an, als wären sie Ertrinkende und sie hätte sich gerade den letzten Rettungsring genommen.“ E-Book, Position 5900
Idee, Inhalt, Themen & Ende (5 Lilien ♥)
„‘Und es stimmt, da war dieses kleine Fenster, eine kurze Zeitspanne, in der wir uns sicherer gefühlt haben, glücklicher waren. Ich dachte, es wäre der Anfang von etwas. Dabei war es in Wirklichkeit das Ende.‘“ E-Book, Position 5280
An „Die Optimisten“ bin ich aufgrund der positiven Rezensionen mit sehr hohen Erwartungen herangegangen – und seit längerer Zeit ist es das erste Mal, dass mich ein gehyptes Buch nicht enttäuscht, sondern auf ganzer Linie überzeugen konnte. Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt: Im Jahre 1985 begleiten wir Yale dabei, wie er einen Freund nach dem anderen durch Aids verliert und im Jahre 2015 schauen wir Fiona (einer von Yales engsten Freundinnen) dreißig Jahre später dabei über die Schulter, wie sie ihre Tochter in Paris sucht. Beide Geschichten, die lose miteinander verbunden sind, haben mir auf ihre Weise gefallen und ergeben zusammen ein gelungenes Ganzes – mein Herz gehört aber mit Sicherheit dem Erzählstrang in der Vergangenheit. Er war es, der mich berührt, begeistert und am Ende sogar zum Weinen gebracht hat. Er ist der Grund dafür, dass ich nur allzu gerne über kleine Schönheitsfehler (wie z. B. die Tatsache, dass mich die Kapitel in der Gegenwart nicht in gleichem Maße fesseln konnten) hinwegsehe, dass ich diesem Buch fünf Lilien gebe und es hiermit zum Lieblingsbuch erkläre.
In „Die Optimisten“ geht es um Homophobie, Liebe, Mutterschaft, Kunst, Vergänglichkeit, Aids, Trauer und Tod. Auch Freunde als Wahlfamilie, wenn einen die eigenen Eltern verstoßen haben, gegenseitige Fürsorge, die Tatsache, dass die Aids-Kranken damals mehr oder weniger sich selbst überlassen wurden, und ihre Versuche, das durch Proteste zu ändern, werden tiefgründig im Buch behandelt. (Dabei darf natürlich auch nicht vergessen werden, dass der HI-Virus leider noch immer nicht besiegt ist und in manchen Teilen der Erde immer noch wütet und tötet.) Tragikomische und humorvolle Elemente lockern die Stimmung dabei immer wieder auf gelungene Weise auf. Makkais Buch ist ein Roman der philosophischen Fragen, tragischen Schicksale und der großen Emotionen – und trotz seiner ernsten Themen für mich ein absolutes Wohlfühlbuch, in das ich immer wieder gern eingetaucht bin. Das Lob, die Preise und die Nominierung für den Pulitzer Preis hat dieser Roman absolut verdient. „Die Optimisten“ ist jedenfalls eines der besten Bücher, die ich dieses Jahr gelesen habe! Lasst euch dieses Lesehighlight nicht entgehen, denn es wird euch gefallen – da bin ich optimistisch!
Wenn euch „Die Optimisten“ gefallen hat, dürft ihr euch „Sag den Wölfen, ich bin zu Hause“ von Carol Rifka Brunt (auch im großartigen Eisele Verlag erschienen) keinesfalls entgehen lassen! Es behandelt ähnliche Themen – Aids, Trauer, die 80er-Jahre, Homosexualität, Liebe, Freundschaft – hat mich aber sogar noch mehr (!) berührt als das vorliegende Buch. Eine sehr gut geschriebene Rezension zu den „Optimisten“, die ich euch nur ans Herz legen kann, hat übrigens die ZEIT veröffentlicht.
„‘Optimisten wie wir haben schon etwas durchgemacht und stehen trotzdem jeden Tag auf, weil wir glauben, wir könnten verhindern, dass es noch einmal passiert. Oder wir tricksen uns einfach aus, um das zu glauben.‘“ E-Book, Position 6752
ProtagonistInnen & Figuren (5 Lilien ♥ & 5 Lilien ♥)
„[…] er dachte darüber nach, ob dies der beherrschende Faktor seines Lebens war: die Angst, dass ihm das Herz gebrochen werden könnte. Oder besser gesagt, die Notwendigkeit, die Reste seines Herzens zu schützen, die bei jeder Trennung, jedem Scheitern, jeder Beerdigung, jedem Tag auf der Erde in immer kleinere Fetzen gerissen wurden.“ E-Book, Position 1038
Neben dem Schreibstil ist die Figurenzeichnung die größte Stärke dieses Außenseiter-Romans. Bis in die Nebenfiguren sind die Charaktere liebevoll und sehr nuanciert ausgearbeitet. Sie wirken glaubwürdig mit ihren Stärken, Schwächen und Eigenheiten und werden beim Lesen lebendig und greifbar – und gerade das ist der Grund dafür, dass ich so intensiv mit ihnen mitgefühlt und mitgelitten habe und dass sie mir so ans Herz gewachsen sind. Mein absolutes Highlight war neben der jungen Fiona natürlich Yale – nur jemanden mit einem Herz aus Stein würde das Schicksal dieses Pechvogels kaltlassen.
„Julians Art, einen anzusehen, machte einen Teil seiner Schönheit aus. Wenn man auf den Boden starrte, konnte es passieren, dass er einem von dort unten in die Augen schaute, weil er sich gebückt hatte, als wollte er einen wieder hochziehen.“ E-Book, Position 2087
Spannung (4 Lilien) & Atmosphäre (5 Lilien ♥)
In einigen Rezensionen wurde geschrieben, dass das Buch zu langatmig sei – und mit seinen über 600 Seiten ist es auch ein ganz schöner Brocken. Sicher ist das unaufgeregte, eher ruhige Buch nicht geprägt von atemloser Spannung, aber ich möchte besonders bei den Kapiteln in den 80er-Jahren keine einzige Seite missen. Gerade dadurch, dass sich die Autorin viel Zeit für die Ausgestaltung ihrer Geschichte genommen hat, kann sie in die Tiefe gehen. Außerdem gibt es auch einige sehr gelungene unerwartete Wendungen. An manchen Stellen (besonders in den Kapiteln, die 2015 spielen) hätte ich mir vielleicht etwas mehr Tempo gewünscht, aber das ist wirklich Kritik auf sehr hohem Niveau.
Beeindruckend fand ich, wie gut es der Autorin gelingt, die 80er-Jahre und das besondere Viertel „Boystown“ zum Leben zu erwecken. Dafür hat sie sorgfältig recherchiert, und das merkt man. Rebecca Makkai beschreibt sehr atmosphärisch den Zusammenhalt in der schwulen Gemeinschaft, das aufregende Nachtleben und das Lebensgefühl der damaligen Zeit mit all ihren Sonnen- und Schattenseiten, sodass man nicht nur geschichtliche Fakten dazulernt, sondern sich auch wirklich fühlt, als würde man in eine andere Zeit eintauchen.
Feministischer Blickwinkel (5 Lilien)
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Hu++, Tussi
Eine feministische Analyse dieses Romans lässt mich zufrieden zurück. Das Buch besteht den Bechdel-Test, bespricht LGBT-Themen, bricht dadurch auch mit Geschlechterstereotypen, ist frei von Slut Shaming und enthält sehr starke, intelligente und interessante Frauenfiguren. Dass das Geschlechterverhältnis durch Yales Freundeskreis etwas unausgeglichen ist, verzeihe ich da gerne.
Mein Fazit
„Die Optimisten“ ist ein Roman der philosophischen Fragen, tragischen Schicksale und der großen Emotionen – und trotz seiner ernsten Themen für mich ein absolutes Wohlfühlbuch, in das ich immer wieder gerne eingetaucht bin. Mit ihrem angenehmen Schreibstil, ihren wunderschönen Zitaten, kreativen Vergleichen, nuancierten Schilderungen der Innenwelt ihrer liebevoll ausgearbeiteten Figuren, ihrer tiefgründigen Behandlung ernster Themen, ihren starken weiblichen Figuren, ihrem Brechen mit Geschlechterstereotypen, ihrem (tragikomischen) Humor, ihrer dichten Atmosphäre und ihrer berührenden Geschichte hat sich Rebecca Makkai in mein Herz geschrieben. Da sehe ich über kleine Schönheitsfehler sehr gerne hinweg. Kurz: Den Hype und das Lob (das Buch wurde unter anderem sogar für den Pulitzer Preis nominiert!) hat dieser Roman absolut verdient. „Die Optimisten“ ist jedenfalls eines der besten Bücher, die ich dieses Jahr gelesen habe! Lasst es euch nicht entgehen, denn es wird euch gefallen – da bin ich optimistisch!
Wenn euch „Die Optimisten“ gefallen hat, lest unbedingt auch „Sag den Wölfen, ich bin zu Hause“ von Carol Rifka Brunt (auch im großartigen Eisele Verlag erschienen)! Es behandelt ähnliche Themen, ist aber sogar noch berührender.
Bewertung
Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 5 Lilien ♥
Umsetzung: 5 Lilien ♥
Worldbuilding: 5 Lilien ♥
Einstieg: 5 Lilie
Ende / Auflösung: 5 Lilien ♥
Schreibstil: 5 Lilien ♥
ProtagonistInnen: 5 Lilien ♥
Figuren: 5 Lilien ♥
Spannung: 4 Lilien
Atmosphäre: 5 Lilien ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Lilien ♥
Feministischer Blickwinkel: 5 Lilien
Insgesamt:
❀❀❀❀❀♥ Lilien
Dieses Buch bekommt von mir fünf Lilien und ein Herz – und damit den Lieblingsbuchstatus!