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Veröffentlicht am 12.03.2020

Originelle, spannende Kombination aus Wissenschaft, Humor & Comic-Zeichnungen

What if? Was wäre wenn? - Wirklich wissenschaftliche Antworten auf absurde hypothetische Fragen
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Inhalt

Randall Munroe bezeichnet sich selbst als „Dr. Sommer für verrückte Wissenschaftler“. Über seine Website „xkcd“ werden ihm immer wieder absurde hypothetische Fragen zugesandt, die er im Anschluss ...

Inhalt

Randall Munroe bezeichnet sich selbst als „Dr. Sommer für verrückte Wissenschaftler“. Über seine Website „xkcd“ werden ihm immer wieder absurde hypothetische Fragen zugesandt, die er im Anschluss versucht, gleichzeitig so wissenschaftlich und witzig wie möglich zu beantworten.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Tiere im Buch: + Es werden im Buch keine Tiere verletzt, gequält oder getötet. Jedoch wird hypothetisch mit Fleisch experimentiert und kurz auf die Jagd mit Pfeil und Bogen eingegangen.

Warum dieses Buch?

Oft genug wird mir gesagt, ich solle nicht so kompliziert denken. Regelmäßig treibe ich die Menschen in meinem Umfeld mit meinen hypothetischen Fragen charmant in den Wahnsinn. Da ist es natürlich kein Wunder, dass mich dieses Buch sofort angesprochen hat. Nach den ersten Seiten der Leseprobe war es um mich geschehen – ich musste dieses Buch unbedingt lesen!

Meine Meinung

Einstieg (♥)

„Randall: Gibt es in unserem Haus mehr weiche oder mehr harte Sachen?“ Seite 9

Der Einstieg ins Buch hat sich sehr angenehm gestaltet. Nach einer kurzen Einführung, in der der Autor sich kurz vorstellt und erklärt, wie seine Vorliebe für absurde Fragen bereits in seiner Kindheit angefangen hat, beginnt das Buch auch schon mit den ersten Fragen.

Inhalt (4 Lilien)

„Vergessen Sie nicht: Ich bin ein Comiczeichner. Wenn Sie meinen Ratschlägen zum Thema ‚Sicherheit rings um Kernmaterial‘ folgen, haben Sie es vermutlich nicht besser verdient.“ Seite 23

Randall Munroe hat Physik studiert, war als Roboter-Ingenieur bei der NASA tätig und arbeitet nun als Comic-Zeichner. Seine vielfältigen Talente verbindet der Autor in seinem Sachbuch auf originelle, erfrischend ungewöhnliche und sehr überzeugende Weise. Die mir vorliegende erweiterte Fan-Edition in limitierter Auflage enthält sogar zusätzliche Kapitel, weswegen sich der Kauf auf jeden Fall lohnt.

Der Autor beantwortet verschiedene hypothetische und absurde Fragen ausführlich mit verständlichen wissenschaftlichen Erklärungen, für die er eingehend recherchiert und mit Experten gesprochen hat. Zusätzlich enthält das Buch noch Rubriken mit Kurzantworten zu einzelnen Themengebieten. Dass es sogar für Munroe Grenzen gibt, wird durch die kurzen Zwischenkapitel deutlich, in denen er Fragen anführt, die sogar ihm zu seltsam oder gar beunruhigend sind, wie z. B. „Wenn eine Venusfliegenfalle einen Menschen verzehren könnte, wie lange würde es dauern, bis dieser Mensch völlig ausgesaugt und absorbiert ist?“.

Vor allem am Beginn der Lektüre konnte ich meine Begeisterung fast nicht in Zaum halten. Faszinierende Fragen wie „Wenn man eine zufällige Nummer wählt und „Gesundheit!“ sagt, wie hoch ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass der Angerufene tatsächlich gerade geniest hat?“ und „Was wäre, wenn auf der ganzen Welt jeder Mensch ein paar Wochen lang einen Sicherheitsabstand zu seinen Mitmenschen halten würde – wären danach nicht alle Erkältungskrankheiten ausgerottet?“ haben dazu geführt, dass ich mich fragte, warum ICH eigentlich nicht Physik studiert und Wissenschaftlerin geworden bin. Leider nutzt sich das Prinzip des Buches im Laufe der Lektüre ab und meine Begeisterung ließ ein wenig nach. Manche der Fragen interessierten mich nicht wirklich oder waren mir ZU hypothetisch und abgehoben. Dennoch bin ich mir sicher, dass bei der Fülle an verschiedenen Themen, die angesprochen werden, für jede und jeden etwas dabei ist! Durch die Lektüre kann man auf jeden Fall einen großen Haufen von nützlichem und unnützem, aber höchst interessantem Wissen anhäufen, mit dem man seine Mitmenschen beeindrucken kann.

Schreibstil & Verständlichkeit (3,5)

Randall Munroes angenehmer Schreibstil, sein oft ironischer oder zumindest humorvoller Unterton und seine einfachen Erklärungen haben mir über weite Teile des Buches unheimlich gut gefallen. In seinen besten Momenten empfand ich die Zeilen des Autors gleichzeitig als spannend, faszinierend, lehrreich, lustig und unheimlich unterhaltsam.

Leider schießt Munroe in manchen Kapiteln etwas übers Ziel hinaus und lässt sich zu zu vielen Fachausdrücken, langweiligen Beschreibungen und Formeln und Rechnungen hinreißen, mit denen Laien (wie ich) nicht viel anfangen können. Leute, die selbst Physik studiert haben, werden gerade in solchen Momenten ihren Spaß haben und das Buch so auf einem weiteren Level genießen können – leider erreicht das Sachbuch dadurch aber nicht sein Ziel, die breite Masse (die eben nicht viel Fachwissen in diesem Bereich besitzt) anzusprechen und für die Wissenschaft zu begeistern. Manchmal wäre hier weniger sicherlich mehr gewesen.

Illustrationen & Humor (5 Lilien ♥)

Großartig am Buch fand ich Munroes teilweise trockenen und sarkastischen Humor, der für mich eine Punktlandung darstellte und genau meinen Geschmack traf. Die reduzierten Comic-Zeichnungen lockern den Text gekonnt auf und haben mir mehr als einmal ein Schmunzeln oder lautes Auflachen entlockt, was die Lektüre zum Genuss machte.

Feministischer Blickwinkel (3 Lilien)

Obwohl das Buch frei von Sexismus und Misogynie ist, ist mir negativ aufgefallen, dass in der Übersetzung (im Englischen gibt es ja keine weibliche Form) nicht auf eine geschlechtergerechte Sprache geachtet wurde. In Zukunft würde ich mir vom Übersetzer, Ralf Pannowitsch, wünschen, dass er sich um eine zeitgemäße Übersetzung bemüht und gendert! Randall Munroe dankt in seiner Danksagung zwar auch einigen Wissenschaftlerinnen, im Text jedoch nicht. Hier hätte ich mir gewünscht, dass er mehr weibliche Forscherinnen (von denen es sicher einige gibt) zu Rate gezogen hätte.

Mein Fazit

Seine vielfältigen wissenschaftlichen und künstlerischen Talente verbindet Randall Munroe in seinem Sachbuch, für das er sorgfältig recherchiert hat, auf originelle, erfrischend ungewöhnliche und sehr überzeugende Weise. Obwohl mich manche Fragen nicht interessierten oder mir ZU hypothetisch und abgehoben waren, bin ich mir sicher, dass bei der Fülle an verschiedenen Themen, die angesprochen werden, für jede und jeden etwas dabei ist! Randall Munroes angenehmer Schreibstil, sein oft ironischer oder zumindest humorvoller Unterton und seine einfachen Erklärungen haben mir über weite Teile des Buches unheimlich gut gefallen. In seinen besten Momenten fand ich das Buch spannend, faszinierend, lehrreich, lustig und unheimlich unterhaltsam. Leider schießt Munroe in manchen Kapiteln etwas übers Ziel hinaus und lässt sich zu zu vielen Fachausdrücken und Formeln hinreißen, mit denen Laien (wie ich) nicht viel anfangen können. Manchmal wäre hier weniger sicherlich mehr gewesen. Großartig am Buch fand ich Munroes teilweise trockenen und sarkastischen Humor, der für mich eine Punktlandung darstellte und genau meinen Geschmack traf. Die reduzierten Comic-Zeichnungen lockern den Text gekonnt auf und haben mir mehr als einmal ein Schmunzeln oder lautes Auflachen entlockt. Und falls ihr euch jetzt fragt: „Was wäre, wenn ich dieses Buch auch lesen würde?“, kann ich euch diese hypothetische Frage gerne beantworten: Ihr würdet es nicht bereuen!

Bewertung

Einstieg: 5 Lilien ♥
Inhalt: 4 Lilien
Verständlichkeit: 3,5 Lilien
Schreibstil: 3,5 Lilien
Illustrationen: 5 Lilien ♥
Humor: 5 Lilien ♥
Feministischer Blickwinkel: 3 Lilien

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch erhält von mir vier Lilien!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.03.2020

Origineller und unterhaltsamer Krimi mit schwarzem Humor und einer Prise Sexismus – für Zartbesaitete nur bedingt geeignet!

Achtsam morden
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Spoilerfreie Rezension!

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): nicht bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Schlam++, verstaubte, ...

Spoilerfreie Rezension!

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): nicht bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Schlam++, verstaubte, alte Kanzleimatratze

Inhalt

Fühlt ihr euch auch manchmal gestresst und erschöpft von den täglichen Anforderungen eures Lebens? Dann könnte eine achtsame Lebensumstellung etwas für euch sein! Diese macht der Protagonist von "Achtsam morden", der Anwalt eines Schwerkriminellen, gerade erfolgreich durch, um seine kriselnde Ehe zu retten. Als sein Mandant es irgendwann übertreibt und die gemeinsame Zeit mit seiner Tochter auf dem Spiel steht, bringt Björn Dragan einfach um - dabei befolgt er aber vorbildlich die neu erlernten Regeln der Achtsamkeit.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #1 der Reihe um Björn Diemel, die Fortsetzung „Das Kind in mir will achtsam morden“ erscheint im Mai 2020
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präteritum
Perspektive: männliche Perspektive
Kapitellänge: kurz bis mittel
Tiere im Buch: + Es werden im Buch keine Tiere verletzt, gequält oder getötet. Fleisch wird jedoch gegessen.

Warum dieses Buch?

„Kann das funktionieren?“, fragte ich mich vor der Lektüre. Ich fand die Verbindung von Achtsamkeitskonzept und Krimi jedenfalls so ungewöhnlich und spannend, dass ich diesen Roman unbedingt lesen wollte. Die begeisterten LeserInnenstimmen fachten meine Neugierde nur weiter an.

Meine Meinung

Einstieg (5 Sterne ♥)

"Eins vorweg: Ich bin kein gewalttätiger Mensch. [...] Und den ersten Menschen habe ich auch erst mit 42 Jahren umgebracht." Seite 9

Ich habe sofort in die Geschichte gefunden und empfand den Einstieg als sehr problemlos, entspannt und „locker-flockig“.

Schreibstil (4 Lilien)

Auch Karsten Dusses Schreibstil konnte mich überzeugen. Er schreibt weder poetisch noch enthält sein Text viele Metaphern, dafür ist die schnörkellose, unaufgeregte und sehr flüssig und angenehm lesbare Sprache mit dem oft satirischen Unterton für einen kurzweiligen Krimi, der in erster Linie unterhalten soll, perfekt geeignet.

Inhalt, Themen & Ende (4 Lilien)

„Achtsamkeit ist die wertungsfreie und liebevolle Wahrnehmung des Augenblicks.“ Seite 10

Was mir am besten an dieser Mischung aus Krimi und Roman gefällt, ist die originelle, erfrischende Idee, die Karsten Dusse hatte. Vor der Lektüre habe ich mich gefragt, ob diese ungewöhnliche Verbindung von Achtsamkeit und Krimihandlung funktionieren kann. Jetzt kenne ich die Antwort: Ja, und wie! Ich fand es sehr amüsant und gleichzeitig skurril, wie der Protagonist nach und nach sein Leben umstellt und sich dabei immer weiter in Schwierigkeiten bringt – denen er jedoch ganz gelassen begegnet. Während andere in der gleichen Situation vermutlich Beruhigungsmittel eingeworfen hätten, wird der Ratgeber seines Achtsamkeitsmentors zu Björns neuer Bibel. Ich empfand die Achtsamkeitstipps am Beginn jedes Kapitels als sehr interessant und lehrreich, vor allem da immer mehr Studien die positiven Auswirkungen dieser besonderen Art der Meditation belegen. Um mal vorsichtig in das Thema hinein zu schnuppern, ist das Buch perfekt geeignet. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass viele LeserInnen sich nach der Lektüre eingehender mit dem Konzept beschäftigen werden.

Auch den schwarzen, teilweise makabren, bissigen und zynischen Humor mochte ich sehr. Trotzdem möchte ich an dieser Stelle anmerken, dass das Buch für Zartbesaitete und empathische Menschen nur bedingt geeignet ist. Manchmal haben mir Björns Opfer echt leidgetan und die Folter- oder Mordszenen waren nicht immer leicht zu verdauen. Nicht so gut gefallen hat mir auch, wie Björn sich über Bewegungen, die die Welt tatsächlich ein Stückchen besser machen können (wie z. B. Veganismus) lustig macht.

Im Roman stehen klassische Themen wie Familie, Ehekrisen, moralische Fragen, Erfolg, Berufsstress, aber auch Entspannung im Mittelpunkt – Karsten Dusse behandelt sie mit angemessener Tiefe und hat einen kurzweiligen, unterhaltsamen und gleichzeitig auch auf seltsame Weise entschleunigenden und entspannenden Krimi geschaffen, der sich sehr schnell lesen lässt und großartig endet. Ich habe das Buch mit einem zufriedenen Schmunzeln beendet. Trotz allem habe ich mir nach den positiven Rezensionen doch erwartet, dass mich der Krimi noch etwas mehr begeistert und dass der Humor noch ein bisschen mehr meinen trifft. Jeder Gag hat nämlich nicht gezündet.

„Was mich bis heute an meinem ersten Mord so mit Freude erfüllt, ist der Umstand, dass ich dabei so wertungsfrei und liebevoll den Moment genießen konnte.“ Seite 24

Protagonist (3,5 Sterne) & Figuren (3 Lilien)

Punkteabzug gibt es leider bei den Figuren. Ich mochte zwar den Humor des Protagonisten, seine Intelligenz und seine abgöttische Liebe zu seiner kleinen Tochter und fand es sehr unterhaltsam, ihn durch die Geschichte zu begleiten. Allerdings ist der Anwalt teilweise auch sehr arrogant und egoistisch, schikaniert Untergebene und lässt alle spüren, dass er sich aufgrund seines Studiums, seiner Intelligenz und seines Erfolges für etwas Besseres hält. Sicher ist das Teil der Satire und wohl zu einem Teil gewollt und authentisch (immerhin arbeitet der Autor selbst in der Branche). Leider war mir der Herr Anwalt dadurch trotzdem teilweise sehr unsympathisch und ich wurde meine Hassliebe zu ihm bis zum Schluss nicht los. Irritiert hat mich auch, dass er in kein soziales Gefüge eingebettet ist – er scheint keine Freunde zu haben und auch über seine Familie (außer Frau und Kind) erfährt man nichts.

Den Nebenfiguren stehe ich zwiespältig gegenüber. Manche von ihnen empfand ich als sehr gelungen, andere blieben leider blass. Besonders gern mochte ich natürlich die Meisterphilosophin und kleine, süße Tochter des Protagonisten: Emily. Eine Sache hat mich sehr gestört, die auch schon von „SternchenBlau“ kritisiert wurde: So gut wie alle (der ohnehin wenigen) Frauenfiguren kommen sehr schlecht weg und wirken eindimensional und fast wie Karikaturen. So gibt es beispielsweise die frustrierte, kinderlose ältere Sekretärin, die streitsüchtige, undankbare, ständig Druck ausübende, gefühlskalte Ehefrau und die unfähige, reiche Referendarin, die nur aufgrund ihrer Abstammung einen Platz in der Kanzlei erhalten hat.

Spannung & Atmosphäre (4 Lilien)

Obwohl ich mir an manchen Stellen vielleicht noch etwas mehr Tempo und Spannung gewünscht hätte, bin ich mit dem wendungsreichen und unvorhersehbaren Buch insgesamt sehr zufrieden. Es wurde nie langweilig, denn je mehr Björn das Wasser bis zum Hals stand, desto neugieriger war ich, wie er die aufkommenden Probleme mithilfe seiner achtsamen Lebensphilosophie lösen würde.

Feministischer Blickwinkel (1 Lilie)

Zuerst möchte ich erwähnen, was mir gefallen hat: Ich fand es gut, dass Björn sich an einer Stelle kritisch über die gläserne Decke und mangelnde Gleichberechtigung in der Kanzlei äußert. Außerdem fand ich schön, dass er sich mehr und mehr zu einem tollen Vater entwickelt, der sich liebevoll um seine Tochter kümmert und die Zeit mit ihr sehr genießt.

Nicht gefallen hat mir der teilweise latente, teilweise offene Sexismus, der im ganzen Buch mitschwingt. Björn kommentiert auf sexistische Weise die Kinderlosigkeit seiner Sekretärin, und überhaupt scheint es in der Welt des Autor noch sehr traditionell zuzugehen: Am Spielplatz kümmern sich nur Tagesmütter, Mütter und Großmütter um ihre Kinder (Björn wirkt durch die mangelnde Sichtbarkeit anderer Väter wie eine absolute Ausnahme), die Frauen bleiben bei ihren Kindern zu Hause oder arbeiten Teilzeit, während die Väter die Karriereleiter hochklettern. In der Anwaltskanzlei und bei anderen Unternehmen gibt es keine oder nur einzelne Frauen, die fast ausschließlich inkompetent sind. Auch Björn selbst hat Emily in den ersten Lebensjahren vor seiner achtsamen Lebenseinstellung so gut wie nie gesehen. Das Geschlechterverhältnis der Figuren ist zudem sehr (!) unausgeglichen und die wenigen Frauen, die es gibt, sind unsympathisch und eindimensional und kommen (wie oben schon angesprochen) sehr schlecht weg.

Prostitution, Menschenhandel und Frauenmorde werden niemals kritisiert, sondern oft mit einem Augenzwinkern erwähnt, was problematisch ist. Zudem gibt es eine frauenfeindliche Beleidigung (Schlam++) und der Autor glaubt aus irgendeinem Grund, es wäre okay, eine Sekretärin als „verstaubte, alte Kanzleimatratze“ zu bezeichnen. Außerdem ist das Buch meilenweit davon entfernt, den Bechdel-Test zu bestehen. Das geht wirklich besser! Für die Fortsetzung wünsche ich mir, dass der Autor „achtsamer“ mit Sexismus, der Repräsentation von Frauen und Geschlechterstereotypen umgeht.

Mein Fazit

In „Achtsam morden“ hat Karsten Dusse auf originelle Weise Achtsamkeit mit einer Krimihandlung verbunden und daraus einen skurrilen, kurzweiligen, unterhaltsamen und gleichzeitig auch auf seltsame Weise entschleunigenden und entspannenden Roman geschaffen. Der Einstieg gelang problemlos und den schnörkellosen, unaufgeregten Schreibstil fand ich sehr angenehm. Die Achtsamkeitstipps am Beginn jedes Kapitels waren sehr interessant und lehrreich. Um erstmals vorsichtig mit dem Thema in Berührung zu kommen, ist das Buch perfekt geeignet. Auch den schwarzen, teilweise makabren, bissigen und zynischen Humor mochte ich sehr. Trotzdem möchte ich an dieser Stelle anmerken, dass das Buch für Zartbesaitete und empathische Menschen nur bedingt geeignet ist. Teilweise haben mir Björns Opfer echt leidgetan. Klassische Themen wie Familie, Ehekrisen und Berufsstress stehen im Mittelpunkt – Karsten Dusse behandelt sie mit angemessener Tiefe. Trotz allem habe ich nach den positiven Rezensionen erwartet, dass mich der Krimi noch etwas mehr begeistert und dass der Humor noch ein bisschen mehr meinen trifft. Jeder Gag hat nämlich nicht gezündet. Obwohl ich mir an manchen Stellen vielleicht noch etwas mehr Tempo und Spannung gewünscht hätte, bin ich mit dem wendungsreichen und unvorhersehbaren Buch sehr zufrieden. Punkteabzug gibt es leider bei den Figuren. Ich mochte zwar den Humor des Protagonisten, seine Intelligenz und seine abgöttische Liebe zu seiner kleinen Tochter. Allerdings ist der Anwalt teilweise auch sehr arrogant und egoistisch, schikaniert Untergebene und lässt alle spüren, dass er sich für etwas Besseres hält. Dadurch war er mir teilweise sehr unsympathisch. Den Nebenfiguren stehe ich zwiespältig gegenüber. Manche von ihnen empfand ich als sehr gelungen, andere blieben leider blass. Eine Sache hat mich sehr gestört: Der manchmal latente, manchmal auch offene Sexismus, der im ganzen Buch mitschwingt. Das Geschlechterverhältnis ist sehr unausgeglichen. So gut wie alle (der ohnehin wenigen) Frauenfiguren kommen sehr schlecht weg und wirken eindimensional, unsympathisch und fast wie Karikaturen. Für die Kinderbetreuung sind in diesem Buch eindeutig die Frauen zuständig (der Anwalt selbst ist die einzige Ausnahme), es gibt sexistische Kommentare und Beleidigungen gegenüber Frauen, und im Berufsleben gibt es nur vereinzelt Frauen, die auch noch alle inkompetent sind. Außerdem ist das Buch meilenweit davon entfernt, den Bechdel-Test zu bestehen. Das geht wirklich besser! Für die Fortsetzung wünsche ich mir, dass der Autor „achtsamer“ mit Sexismus, Geschlechterstereotypen und der Repräsentation von Frauen umgeht – dann gibt es auch die fünfte Lilie. Eine Leseempfehlung gibt es schon jetzt.

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Lilien
Umsetzung: 4 Lilien
Worldbuilding: 4 Lilien
Einstieg: 5 Lilien ♥
Schreibstil: 4 Lilien
Protagonist: 3,5 Lilien
Nebenfiguren: 3 Lilien
Spannung: 4 Lilien
Atmosphäre: 4 Lilien
Ende / Auflösung: 5 Lilien ♥
Emotionale Involviertheit: 3,5 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 1 Lilie!

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir knappe 4 Lilien!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.02.2020

Unvergessliche Figuren, lebendige Dialoge & viel Humor – trotzdem reicht der Abschlussband nicht ganz an die Vorgängerbände heran

Wolves – Die Jagd beginnt (Ein New-Scotland-Yard-Thriller 3)
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Spoilerfreie Rezension!

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): knapp bestanden!

Inhalt

Sein Mentor und Freund Finlay ist tot – und alles deutet ...

Spoilerfreie Rezension!

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): knapp bestanden!

Inhalt

Sein Mentor und Freund Finlay ist tot – und alles deutet auf Selbstmord hin. Das kann Wolf aber einfach nicht glauben. Niemals hätte Finlay seine geliebte Ehefrau im Stich gelassen. Endlich beendet Wolf seine Flucht, um einen letzten Fall aufzuklären, bevor er ins Gefängnis muss: Gemeinsam mit seinen Freunden Baxter, Edmunds, Saunders und Rouche setzt er alles daran, seine Theorie zu beweisen und den Mörder zu fassen…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #3 (Abschlussband) der Reihe um Fawkes und Baxter
Verlag: Ullstein
Seitenzahl: 416
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Präteritum
Perspektive: viele verschiedene Perspektiven
Kapitellänge: kurz bis mittel
Tiere im Buch: +/- Positiv ist, dass sich Baxter und Thomas sehr liebevoll um ihre Katze Echo kümmern und dass diese aus dem Tierheim geholt wurde. Jedoch wird Fleisch gegessen, ein Hornissennest wird ausgeräuchert (was hierzulande sogar verboten wäre, da die Tiere geschützt sind) und Echo wird alleine gehalten. Hierzu ein wichtiger Hinweis: Katzen sind alleine niemals glücklich (sind sind EinzelJÄGER, keine EinzelGÄNGER), sondern sehr einsam und unglücklich. Sie können verschiedene Verhaltensstörungen entwickeln und depressiv und/oder aggressiv werden. Wer seine Katze liebt, schenkt ihr deshalb mindestens einen Gefährten.

Warum dieses Buch?

Da ich die ersten beiden Bände der Reihe geliebt habe, führte am Abschlussband, der von mir schon sehnsüchtig erwartet wurde, natürlich kein Weg vorbei.

Meine Meinung

Einstieg (5 Lilien ♥)

Der Einstieg fiel mir sehr leicht – das Eintauchen in Daniel Coles Universum voller altbekannter Figuren fühlte sich an wie Heimkommen. Trotzdem hätten mehr Erklärungen und Zusammenfassungen der vorhergehenden Ereignisse (zur Auffrischung des Wissens) nicht geschadet, da bei vielen (wie auch bei mir) die Lektüre der ersten beiden Bände wohl schon länger zurückliegt. Wer die ersten beiden Bände nicht kennt, dem möchte ich von der Lektüre unbedingt abraten: Es gibt so viele Anspielungen, die ihr nicht verstehen werdet, dass das Lesen keinen Spaß machen wird. Daher unbedingt die Bände nach der Reihe lesen – sonst würde euch einiges entgehen!

Schreibstil & Dialoge (5 Lilien ♥)

Erneut kann der Autor mit seiner Art zu schreiben überzeugen. Der Schreibstil ist flüssig, sehr angenehm lesbar und dabei trotzdem nicht zu einfach oder gar oberflächlich. Erneut kann Daniel Cole mit seinen anschaulichen Beschreibungen sowohl in spannenden und actionreichen als auch in emotionalen und ruhigen Momenten punkten. Auch die vielen lebendigen und natürlich wirkenden Dialoge und amüsanten Wortgefechte waren wieder ein Genuss! An dieser Stelle noch ein kurzer Hinweis: Dieses Mal gibt es auch innerhalb der Kapitel sehr viele Perspektivwechsel, die mich nicht weiter gestört haben. Wer jedoch ein Problem damit hat, wird mit diesem Buch nicht glücklich werden.

Inhalt, Themen & Ende (3-4 Lilien)

„‘[Der Job] ist eine Droge, eine Sucht, die einen das Leben kosten kann. Man ist so versessen auf den Rausch, dass man gar nicht mehr mitbekommt, wie jeder andere Aspekt des Lebens verkümmert, bis nichts mehr davon übrig ist.‘“ Seite 75

Erneut hat Daniel Cole einen runden, gelungenen Thriller geschaffen, der allerdings trotzdem hinter den Erwartungen und den fast perfekten Vorgängern zurückbleibt. Band 1 und 2 haben uns mit ungewöhnlichen, düsteren, grausamen und rätselhaften Fällen verwöhnt, sodass der mittelmäßig spannende, eher ruhige und bodenständige Fall im Abschlussband ein wenig enttäuscht. Ich hatte hohe Erwartungen an diese letzte Fortsetzung und hätte mir gewünscht, dass sich die Reihe noch einmal steigert und mit einem Knall endet – dieser Wunsch blieb leider unerfüllt.

In „Wolves“ stehen neben den Ermittlungen erneut Themen wie Schuld, Freundschaft, Liebe und Angst im Mittelpunkt und werden wieder tiefgründig behandelt. Das liebe ich so an Daniel Coles Reihe – sie hat Tiefe! Großartig war auch wieder der Humor: Egal ob Situationskomik oder amüsante Wortgefechte – immer wieder musste ich schmunzeln oder laut auflachen. Mit „Wolves“ führt der Autor seine Reihe trotz allem zu einem gelungenen Abschluss, klärt letzte offene Fragen und führt lose Fäden zu einem runden Ende, das uns den Abschied etwas leichter macht (auch wenn er mir trotzdem schwerfällt).

ProtagonistInnen & Figuren (5 Lilien ♥)

„‘Hört zu, wir sind hier, weil’s eine fiese Spelunke ist!‘, erklärte Wolf, der zu spät gesehen hatte, dass der Betreiber gerade am Nachbartisch Gläser einsammelte. Er zuckte zusammen und starrte unschuldig an die Decke.“ Seite 226

Daniel Cole hat es verstanden: Nicht ein wendungsreicher Plot oder atemlose Spannung machen einen Thriller unvergesslich, sondern seine Figuren. Auch dieses Mal bilden wieder die liebevoll ausgearbeiteten Charaktere das Herzstück des Thrillers. Ich habe mich sehr auf ein Wiedersehen mit den bekannten Gesichtern gefreut und wurde nicht enttäuscht. Die Charaktere sind durch die Bank gelungen, sympathisch, dreidimensional und komplex. Sie sind nicht perfekt, sondern haben glaubwürdige Stärken und Schwächen. Viele von ihnen machen wieder bedeutende Entwicklungen durch. Ich habe jedenfalls wieder mit Baxter, Wolf, Edmunds, Rouche und Co. mitgefühlt, mitgefiebert und mitgelitten und jede Sekunde davon genossen. Vor allem Rouche hat sich mir ins Gedächtnis gebrannt. Sie sind mir in den drei Bänden, die jetzt hinter mir liegen, so ans Herz gewachsen, dass der Abschied schwerfällt.

Spannung & Atmosphäre (3 Lilien)

„Er verzog das Gesicht. ‚Finlay hat mir mal gesagt, es gibt nur eins, das gefährlicher ist, als ein Mann, der nichts zu verlieren hat: ein Mann, der alles zu verlieren hat.‘“ Seite 244

Da der Fall dieses Mal nicht so düster, aufregend und rätselhaft war wie gewohnt, litt leider die Spannung. Die Atmosphäre ist nicht so dicht, der Plot ist weniger wendungsreich (er beinhaltet eher kleinere unerwartete Twists) und hält dieses Mal nicht so viele Überraschungen bereit. Zudem habe ich manche Dinge leider schon zu früh erraten, weshalb das Miträtseln nicht ganz so viel Spaß gemacht hat wie bei den ersten Bänden. „Wolves“ ist nicht so atemlos spannend wie Band 1 und 2, dennoch blieb ich immer neugierig und wollte wissen, wie es weitergeht.

Feministischer Blickwinkel (3 Lilien)

Positiv möchte ich anmerken, dass das Buch (knapp, aber immerhin) den Bechdel-Test besteht, dass es einige sensible Männer gibt und dass es einige starke weibliche Figuren gibt. Zudem wird an einer Stelle Sexismus kritisiert. Manchmal werden Geschlechterstereotypen gebrochen, in anderen Momenten werden sie leider unbewusst reproduziert. Ein Beispiel: Eine Ehefrau besorgt ein Geschenk für den Freund ihres Mannes. Dieser hat sich so wenig damit beschäftigt, dass er erst auf der Feier fragt, was sie ihm eigentlich schenken (Stichwort: unfaire Verteilung der „Mental Load“). Zusätzlich ist das Geschlechterverhältnis der Hauptfiguren unausgewogen, hier ist also noch Luft nach oben. Auch fehlen mir Frauen in Führungspositionen. Außerdem werden einige Male frauenfeindliche Beschimpfungen (Miststück, Bit++, Schlam++, Zicke) verwendet, was als problematisch einzustufen ist. Allerdings ist das Buch zumindest trotz einer Frau, die ihren Freund betrügt, frei von Slut Shaming, was schön ist.

Mein Fazit

Mit „Wolves“ hat Daniel Cole seine großartige Trilogie zu einem gelungenen Ende geführt, auch wenn der letzte, durchaus unterhaltsame Band etwas hinter den Erwartungen und hinter den Vorgängerbänden zurückbleibt. Überzeugen können wieder der flüssige, angenehme Schreibstil, der sowohl in spannenden als auch in emotionalen Momenten punkten kann, die lebendigen Dialoge und die tiefgründige Behandlung von Themen wie Schuld, Freundschaft und Liebe. Eine der größten Stärken dieses Thrillers war auch dieses Mal der Humor: Egal ob Situationskomik oder amüsante Wortgefechte – immer wieder musste ich schmunzeln oder laut auflachen. Jedoch hat der Thriller leider auch Schwächen: Während Band 1 und 2 uns mit spektakulären, düsteren Fällen verwöhnt haben, enttäuscht der mittelmäßig spannende, ruhige und bodenständige Fall dieses Mal ein wenig. Unter dem wenig wendungsreichen und etwas vorhersehbaren Plot leiden Spannung und Atmosphäre. Unvergesslich machen die Thriller-Reihe um Wolf und Baxter jedoch die liebevoll ausgearbeiteten, komplexen und dreidimensionalen Figuren. Sie sind mir in den drei Bänden, die jetzt hinter mir liegen, so ans Herz gewachsen, dass der Abschied schwerfällt. Für mich steht fest: Egal was Daniel Cole als Nächstes schreibt – ich bin wieder an Bord und kann es kaum erwarten! Auch wenn der letzte Band ein paar Schwächen aufweist, gibt es von mir dennoch eine Leseempfehlung – und zwar gleich für die ganze Reihe. Aber – und das ist ganz wichtig! – fangt unbedingt mit Band 1 an und lest die Bücher nach der Reihe! Es gibt so viele Anspielungen, die ihr sonst nicht verstehen werdet, was euren Lesespaß drastisch reduzieren würde.

Bewertung

Idee: 3 Lilien
Inhalt, Themen, Botschaft: 3-4 Lilien
Umsetzung: 4 Lilien
Worldbuilding: 5 Lilien
Einstieg: 5 Lilien ♥
Schreibstil: 5 Lilien ♥
ProtagonistInnen: 5 Lilien ♥
Nebenfiguren: 5 Lilien ♥
Spannung: 3 Lilien
Atmosphäre: 4 Lilien
Ende / Auflösung: 5 Lilien ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Lilien ♥
Feministischer Blickwinkel: 3 Lilien

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir knappe 4 Lilien!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.02.2020

Runder Wikingerroman mit süßer, sich langsam entwickelnder Liebesgeschichte, starker Heldin und kleinen Schwächen!

Das Herz der Kämpferin
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Spoilerfreie Rezension!

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!

Inhalt

„Ehre vor Leben.“ Diese Lebenseinstellung ist der 17-jährigen ...

Spoilerfreie Rezension!

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!

Inhalt

„Ehre vor Leben.“ Diese Lebenseinstellung ist der 17-jährigen Eelyn in Fleisch und Blut übergegangen. Einmal im Jahr treffen die zwei verfeindeten Wikinger-Clans Rikki und Aska aufeinander und bekämpfen sich für ihre Götter bis aufs Blut. Während einer Schlacht sieht Eelyn plötzlich ihren Bruder Iri Seite an Seite mit den Rikki kämpfen – ihren Bruder, der vor Jahren schwer verletzt in eine Felsspalte fiel und starb. Wie hat er doch überlebt? Und wieso hat er die Aska verraten, indem er sich den Rikki angeschlossen hat? Unfreiwillig bekommt Eelyn die Chance, Iri all diese Fragen zu stellen, als sie von den Rikki gefangen genommen wird…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Verlag: HarperCollins
Seitenzahl: 320
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurz
Tiere im Buch: -! Für TierliebhaberInnen ist dieses Buch nicht immer leicht zu ertragen. Es wird beschrieben, wie einer Ziege die Kehle durchgeschnitten wird und wie eine Eule durch einen Stich mit dem Messer in den Brustkorb stirbt. Beide Tiere werden geopfert, um Götter zu ehren und haben dabei Angst und Schmerzen. Fische schnappen an Land einige Sekunden bis Minuten nach Luft, Tiere werden ausgenommen, Fleisch und Fisch wird gegessen. Die Pferde werden immerhin gut behandelt.

Warum dieses Buch?

Der spannend klingende Klappentext und so manche begeisterte Rezension haben in mir den Wunsch geweckt, dieses Buch zu lesen. Außerdem sprach mich das Wikinger-Setting sehr an.

Meine Meinung

Einstieg (3 Lilien)

„Nebel hing wie ein Schleier über dem Feld, aber wir konnte sie hören. Die Klingen der Schwerter und Äxte, die an den Brustpanzern schleiften.“ E-Book, Position 13
Der Einstieg ins Buch ist mir weder besonders leicht noch besonders schwer gefallen. Es dauerte lang, bis sich bei mir ein gewisser Lesefluss einstellte, aber schon nach den ersten Kapiteln wollte ich immerhin wissen, wie es weitergeht.

Schreibstil (3-4 Lilien)

Dem Schreibstil stehe ich etwas zwiegespalten gegenüber: Einerseits ist er für Jugendliche gut geeignet, einfach, verständlich und angenehm lesbar, andererseits war er mir teilweise nicht anschaulich genug. Es hat lange gedauert, bis vor meinem inneren Auge Bilder entstanden (am Beginn musste ich mir manche Dinge bewusst vorstellen) und bis zur Hälfte des Buches, bis sich ein gewisser Lesefluss einstellte. Zweiteres lag wohl daran, dass sich längere mit sehr kurzen, stakkatoartigen Sätzen abwechselten, sodass das Tempo immer wieder von abgehakt und schnell zu gemächlich und ruhig wechselte. Entweder ich gewöhnte mich mit der Zeit daran oder aber es wurde einfach im Laufe des Buches besser, weil es mir ab einem gewissen Punkt nicht mehr negativ aufgefallen ist. Glänzen kann die Autorin definitiv mit ihren nuancierten Schilderungen der Gefühle und Gedanken ihrer Heldin.

Inhalt, Themen & Ende (4 Lilien)

„‘Du erkennst die Wahrheit. Ich sehe jeden Tag, wie du nachdenkst.‘
‚Welche Wahrheit?‘
‚Dass sie wie wir sind.‘“ E-Book, Position 1605

Adrienne Young hat mit „Das Herz der Kämpferin“ eine runde Wikinger-Geschichte geschaffen, die uns in eine frühere Zeit entführt und uns das damalige Lebensgefühl näherbringt. Wie genau hier recherchiert wurde und ob ihre (immerhin glaubwürdig klingenden) Schilderungen tatsächlich der damaligen Realität entsprechen, habe ich allerdings nicht überprüft. Die Geschichte ist vielen Bereichen nicht innovativ, sondern bedient sich an bekannten Erzählmustern, jedoch verarbeitet die Autorin ihre Themen zu einer soliden, unterhaltsamen Geschichte und bringt auch genug eigene Ideen ein. Thematisch stehen Familie, Feindschaft, Glaube, Heimat, Erwachsenwerden und das Finden seines eigenen Platzes in der Welt im Mittelpunkt. Auch moralisch schwierige Fragen rund um das Kriegsgeschehen werden thematisiert. Beispielsweise wird die Frage gestellt, ob der Feind tatsächlich von Grund auf so böse ist, wie das schon die Kinder des Clans lernen. Ist er vielleicht menschlicher und dem eigenen Clan ähnlicher als gedacht? Wer sind eigentlich die Guten? Welche Seite ist die richtige? All diese Themen behandelt die Autorin auf für Jugendliche leicht verständliche und zugängliche Weise und regt damit zum Nachdenken an. Dennoch hätte ich mir teilweise noch etwas mehr Tiefe gewünscht, manchmal war hier noch Luft nach oben.

Als problematisch stufe ich die teilweise exzessive Gewalt im Buch ein. Die detaillierte Beschreibung der Schlachten ist eine Sache (dazu kann man stehen, wie man möchte), aber musste diese Folterszene wirklich sein? Muss man ganz genau beschreiben, wie die Heldin völlig skrupellos einem Feind ein Auge rausreißt? Hier wurde meiner Meinung nach eine Grenze überschritten – und ich bin niemand, der jegliche Gewalt in Jugendromanen verteufelt. Zudem war es ein Bruch in Eelyns Charakter – plötzlich wirkte sie empathielos, eiskalt, zu abgebrüht und moralisch fragwürdig, wodurch sie mir in dieser Szene sehr unsympathisch war.

Auch vereinzelte inhaltliche Wiederholungen gibt es: Manchmal scheint die Weiterentwicklung der Protagonistin zum Stillstand gekommen zu sein, in anderen Momenten geschieht sie etwas zu sprunghaft. Ansonsten aber macht die Autorin besonders in der zweiten Hälfte viel richtig, womit sie mich überzeugen konnte, dem Buch statt drei am Ende doch vier Lilien zu verleihen. Das Ende ist dann auch wunderbar rund und ließ mich zufrieden zurück.

Protagonistin & Figuren (5 Lilien ♥)

Hier kann die Geschichte meiner Meinung nach wirklich punkten: Alle wichtigen Figuren sind sehr liebevoll ausgearbeitet, wirken dreidimensional und glaubwürdig. Obwohl ich ja am Beginn der Lektüre nicht gerade begeistert war, merkte ich, dass mir die Figuren am Ende ans Herz gewachsen waren.

Eelyn hat mir als Heldin sehr gut gefallen. Sie ist eine starke Frau, eine geübte Kriegerin, die sich nichts gefallen lässt und furchtlos an der Seite ihres Vaters und ihrer besten Freundin kämpft. Gleichzeitig hat sie aber auch eine nachdenkliche, gefühlvolle und vor allem weiche und verletzliche Seite, die sie den LeserInnen immer wieder offenbart. Ich habe mit ihr mitgefühlt (auch wenn da noch ein kleines bisschen Luft nach oben war) und sie gerne dabei begleitet, wie sie ihren ganz eigenen Weg geht.

„Meine Gedanken rasten wie immer in endlos viele Richtungen und versuchten, irgendwo Halt zu finden.“ E-Book, Position 2275

Liebesgeschichte (5 Lilien ♥)

Auch was die Liebesgeschichte betrifft, kann Adrienne Young punkten. Endlich einmal keine Liebe auf den ersten Blick, sondern eine vorsichtige Annäherung, die durch den Feindesstatus natürlich noch weiter verkompliziert wird. Ich fand diese langsam erwachende Liebe, den respektvollen Umgang und das immer weiter wachsende Vertrauen zwischen Eelyn und einem anderen Krieger absolut glaubwürdig, realistisch und wunderschön geschildert. Beim Lesen stahl sich manchmal ein kribbeliges Lächeln auf meine Lippen, das sich nicht unterdrücken ließ. So geht Liebe in einem Jugendbuch! Dafür ein großes Lob!

Spannung & Atmosphäre (3 Lilien)

Das Spannungsniveau war trotz einiger fesselnder Passagen leider nicht durchgehend hoch. Am Beginn dauerte es lange, bis die Geschichte an Fahrt aufnahm, und trotz vieler actiongeladener Kampfszenen brach der Spannungsbogen zwischendurch immer wieder ein. Das lag wohl auch an den wenigen Dialogen, die die Geschichte Tempo und Lebendigkeit kosteten. Dennoch habe ich es geschätzt, dass sich die Autorin auch für ruhige, emotionale Szenen Zeit genommen hat, in denen die Figurenentwicklung vorangetrieben werden konnte. Etwas mehr Atmosphäre und mehr anschauliche Beschreibungen hätten ebenfalls geholfen, noch tiefer in diese alte Welt einzutauchen.

Feministischer Blickwinkel (4 Lilien)

Ein Jugendbuch, das den Bechdel-Test bereits auf den ersten Seiten besteht und in dem viele starke Frauen vorkommen, gleichberechtigt an der Seite der Männer in Schlachten kämpfen und Clans anführen, müsste doch eigentlich der Traum einer Feministin sein, oder? Noch dazu gibt es eine weibliche Göttin (endlich!) und Männer dürfen weinen und bekommen oft genug die Gelegenheit, ihre sensible Seite zu zeigen. Warum bekommt der Roman dann nur 4 Lilien in diesem Bereich? Weil teilweise unter der Oberfläche dennoch patriarchalische Strukturen erkennbar waren: Der Vater muss den Heiratsantrag an die Tochter akzeptieren, Fiske ist „der Mann im Haus“, während seine Mutter für den Haushalt zuständig ist. Außerdem fand die Aussage eines Kindes etwas befremdlich, das erleichtert wirkte, dass Eelyn nicht getötet wurde, weil sie „hübsch“ ist. Denn das ist es ja, was bei einer Frau zählt… Wäre es ok gewesen, sie zu töten, wenn sie nicht im klassischen Sinne hübsch wäre? Ihr seht bestimmt, worauf ich hinaus will. Warum gibt es außerdem nur weibliche Sklavinnen? Werden Männer nie straffällig? Dafür wird keine Erklärung genannt. Hier hätte ich mir noch etwas mehr Gleichberechtigung gewünscht.

Aber prinzipiell bin ich mit „Das Herz der Kämpferin“ schon sehr zufrieden. Wenn die Autorin im nächsten Buch noch ein kleines bisschen sensibler mit dem Thema umgeht, wird es mit Sicherheit perfekt werden. Besonders schön fand ich auch die Widmung: „Für Joel, der nie versucht hat, mein wildes Herz zu zähmen.“ Die ganze Welt sollte sich ein Vorbild an Joel nehmen – nirgends auf der Welt sollte man versuchen, Frauen zu zähmen.

Achtung Spoiler!
Erfrischend fand ich auch, dass Fiske sich entscheidet, mit Eelyn zu ihr zu ziehen und seine Heimat zu verlassen. In Büchern ist es ja leider meist so, dass die Frau alles hinter sich lassen muss.
Spoiler Ende!

Mein Fazit

„Das Herz der Kämpferin“ ist eine solide, runde, unterhaltsame Wikingergeschichte für Jugendliche – mit kleinen Schwächen. Der Schreibstil ist einerseits für Jugendliche gut geeignet, einfach und angenehm lesbar, andererseits war er mir teilweise nicht anschaulich genug. Zudem hat es lange gedauert, bis sich ein gewisser Lesefluss einstellte. Adrienne Young hat mit „Das Herz der Kämpferin“ eine Geschichte geschaffen, die uns in eine frühere Zeit entführt. Die Geschichte ist vielen Bereichen nicht innovativ, jedoch bringt die Autorin auch genug eigene Ideen ein. Thematisch stehen Familie, Feindschaft, Glaube, Heimat, Erwachsenwerden und das Finden seines eigenen Platzes in der Welt im Mittelpunkt. Auch moralisch schwierige Fragen rund um das Kriegsgeschehen werden auf für Jugendliche leicht verständliche und zugängliche Weise thematisiert, wodurch das Buch zum Nachdenken anregt. Dennoch hätte ich mir teilweise noch etwas mehr Tiefe gewünscht. Als problematisch stufe ich die teilweise exzessive Gewalt im Buch ein, besonders eine Folterszene, die Grenzen überschreitet. Der Spannungsbogen brach leider trotz einiger fesselnder Passagen und actiongeladener Kampfszenen zwischendurch immer wieder ein. Das lag wohl auch an den wenigen Dialogen, die die Geschichte Tempo und Lebendigkeit kosteten. Dennoch habe ich auch die ruhigen, emotionalen Szenen geschätzt, in denen die Figurenentwicklung vorangetrieben werden konnte. Alle wichtigen Figuren sind sehr liebevoll ausgearbeitet, wirken dreidimensional und glaubwürdig. Am Ende des Buches merkte ich, dass mir die Figuren ans Herz gewachsen waren. Eelyn hat mir als Heldin ebenfalls sehr gut gefallen. Sie ist eine starke Frau, eine geübte Kriegerin, die sich nichts gefallen lässt und furchtlos in Schlachten kämpft. Gleichzeitig hat sie aber auch eine nachdenkliche, gefühlvolle und vor allem weiche und verletzliche Seite, die sie den LeserInnen immer wieder offenbart. Ich habe mit ihr mitgefühlt und sie gerne begleitet. Auch was die Liebesgeschichte betrifft, kann Adrienne Young punkten: Endlich einmal keine Liebe auf den ersten Blick, sondern eine vorsichtige Annäherung, die durch den Feindesstatus natürlich noch weiter verkompliziert wird. Ich fand diese langsam erwachende Liebe, den respektvollen Umgang und das immer weiter wachsende Vertrauen zwischen Eelyn und einem anderen Krieger absolut glaubwürdig, realistisch und wunderschön geschildert. So geht Liebe in einem Jugendbuch!

Bewertung

Idee: 4 Lilien
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Lilien
Umsetzung: 4 Lilien
Worldbuilding: 3,5 Lilien
Einstieg: 3 Lilien
Schreibstil: 3-4 Lilien
Protagonistin: 5 Lilien ♥
Nebenfiguren: 5 Lilien ♥
Liebesgeschichte: 5 Lilien ♥
Spannung: 3 Lilien
Atmosphäre: 3 Lilien
Ende / Auflösung: 4,5 Lilien
Emotionale Involviertheit: 4-5 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 4 Lilien

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir vier Lilien!

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  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.12.2019

Spannender, wendungsreicher Thriller mit gruseligen Momenten und kleineren Schwächen

Das Böse in ihr
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Clara ist vor Sorge außer sich. Ihr geliebter Freund kommt eines Tages nicht nach Hause, obwohl am nächsten Tag eine wichtige berufliche Besprechung stattfindet, auf ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Clara ist vor Sorge außer sich. Ihr geliebter Freund kommt eines Tages nicht nach Hause, obwohl am nächsten Tag eine wichtige berufliche Besprechung stattfindet, auf die er sich schon wochenlang gewissenhaft vorbereitet hat. Zuerst hoffen die Polizei und ihre Freunde, dass Luke sich nur eine Auszeit genommen hat und wieder auftauchen wird, doch Claras Bauchgefühl sagt ihr etwas anderes. Als sie auf seinem Laptop nachschaut, findet sie einen Ordner mit hasserfüllten, bedrohlichen Mails von einer weiblichen Stalkerin. Luke hat ihr die Nachrichten nie gezeigt. Schon bald muss sie einsehen, dass sie ihren Freund nicht so gut kennt, wie sie dachte…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Verlag: Piper
Seitenzahl: 368
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Ich-Erzähler, Präteritum
Perspektive: hauptsächlich weibliche Perspektive, selten männliche Perspektive
Kapitellänge: kurz bis mittel
Tiere im Buch: - Ein Vogel wird von einem kleinen Mädchen getötet (auf die genaue Todesart wird nicht eingegangen), sein Kopf wird von ihr abgetrennt (das wird allerdings nicht beschrieben). Zudem verfängt sich ein Kaninchen in einem Zaun; es wird zwar im ersten Schritt gerettet, ist aber tödlich verletzt. Daher wird es erlöst, indem ihm von einer Figur das Genick gebrochen wird. Zusätzlich wird Fleisch gegessen. Immerhin wird ein alter Familienhund sehr gut behandelt.

Warum dieses Buch?

Die begeisterten Rezensionen im englischsprachigen Raum, das düstere Cover und der spannend klingende Klappentext haben mich sofort neugierig gemacht!

Meine Meinung

Einstieg (+)

„Anfangs erkannte ich den abgetrennten Kopf gar nicht. Erst als ich näher kam, ging mir auf, dass es Lucy war.“ Position 29

Der Einstieg ist mir sehr leicht gefallen. Es dauerte nur wenige Seiten bzw. Kapitel, bis ich mit dem Schreibstil warm geworden war und mich an den Wechsel zwischen den zwei Zeitebenen gewöhnt hatte.

Schreibstil (+/-)

Camilla Way hat einen sehr flüssigen, angenehmen und einfachen Schreibstil, wodurch sich das Buch sehr schnell lesen lässt. Manchmal wurden mir etwas zu viele (eigentlich simple) Sätze aneinandergereiht, wodurch die Sprache auf den ersten Blick komplexer aussah, als sie eigentlich war. Hier hätte ich mir gewünscht, dass die Sätze nicht künstlich gestreckt werden, sondern dass man öfter Punkte setzt. Zudem hat mir leider beim Schreibstil Tiefe gefehlt, die Lektüre fühlte sich teilweise an wie literarisches „Fast Food“, das man zwar schnell konsumieren kann, das danach aber leider kein zufriedenes Gefühl im Bauch hinterlässt.

Inhalt, Themen, Botschaften & Ende (+/-)

„‘Wie anders Menschen sein können, ganz anders, als sie auf den ersten Blick erscheinen, nicht?‘“ Position 3059

Camilla Way hat mit „Das Böse in ihr“ einen spannenden, wendungsreichen Pageturner erschaffen, der über weite Strecken nicht vorhersehbar ist, viele falsche Fährten legt und immer wieder überraschen kann! Der Thriller, der diese Genre-Zuordnung auch verdient hat, spielt auf zwei verschiedenen Zeitebenen, die auf gefinkelte Weise miteinander verbunden sind. Eine nimmt uns mit in die 80er-Jahre und beschreibt die Probleme, die eine Familie mit ihrem schwierigen, emotionslosen Kind hat, die andere behandelt die Gegenwart und das Verschwinden von Luke. Ich habe beide Erzählstränge gern gelesen. Stärker fand ich jedoch die Geschichte, die in der Vergangenheit spielt – sie hatte einige sehr gelungene Momente! Die Kapitel in der Gegenwart hingegen waren nach dem klassischen Thriller-Rezept aufgebaut – und dieses ist auch gelungen umgesetzt, jedoch hebt sich das Buch auf diese Weise nur durch die Geschichte in der Vergangenheit von anderen Büchern des Genres ab.

Thematisch stehen Liebe, Familie, Schuld und psychische Krankheiten im Fokus. Es geht um Dinge, die einen aus der Vergangenheit bis in die Gegenwart verfolgen, um die Opfer, die wir bereit sind, zu bringen, um ein Ziel zu erreichen, und um die beunruhigende Frage, wie gut man einen geliebten Menschen wirklich kennen kann. Obwohl viele Themen sehr gut umgesetzt wurden, hätte ich mir bei manchen Punkten noch etwas mehr Tiefe gewünscht.

Auch wenn die Geschichte zugegebener Weise etwas „abgedreht“ ist, wurde sie für mich jedoch nie unglaubwürdig oder zu konstruiert – im Gegenteil, ich mochte die Enthüllungen und Wendungen sehr! Gegen Ende wurden es mir jedoch zu viele detaillierte Erklärungen – diesen Teil hätte man raffen und den LeserInnen doch mehr eigene Schlussfolgerungen zutrauen können. Das genretypische Ende fand ich in Ordnung, auch wenn es mir wohl nicht lange in Erinnerung bleiben wird.

Protagonistinnen & Figuren (+/-)

Die Figuren sind meiner Meinung nach insgesamt gut ausgearbeitet, authentisch und interessant – wer allerdings Wert auf sympathische Charaktere legt, wird wahrscheinlich enttäuscht. Ich hingegen fand es interessant und faszinierend, dass alle Figuren ihre Fehler, Schwächen und Geheimnisse haben. Was die Protagonistinnen – Clara und Beth – betrifft, so war ich insgesamt zufrieden. Beth fand ich eine sehr starke Persönlichkeit, Clara bleibt vergleichsweise etwas blass und austauschbar – sie hat keine Ecken oder Kanten. Ich werde sie als „nett“ in Erinnerung behalten, sie aber wohl auch bald vergessen haben.

Spannung & Atmosphäre (♥)

„In ihren Augen war etwas, eine vollkommene Leere, wenn man es so nennen will, über die man lieber nicht allzu lange nachdachte.“ Position 1928

Die fast durchgehende psychologische Spannung, die die Autorin von Anfang an kreiert, gehört zu den größten Stärken des Buches! Das Buch wird schnell zum Pageturner: Man blättert Seite um Seite um, während man miträtselt und versucht keinen falschen Fährten zu folgen (Spoiler: Es passiert trotzdem!). Erst gegen Ende lässt die Spannung etwas nach, weil zu viel und zu lang erklärt wird.

Richtig begeistert haben mich außerdem die unheimlichen, intensiven Gänsehaut-Momente, die einen immer wieder erschaudern lassen. Vor allem Hannahs Verhalten als Kind hat mir stellenweise das Blut in den Adern stocken lassen. Dieser Thriller zeigt wieder einmal, dass die gruseligsten Monster jene in Menschengestalt sind!

Feministischer Blickwinkel (+/-)

Camilla Way hat in ihrem Buch, was diesen Punkt betrifft, viel richtig gemacht: Zum einen war das Geschlechterverhältnis sehr ausgeglichen und viele Frauen haben eine hohe Bildung und angesehene Berufe oder Führungspositionen. Eine junge Frau setzt sich sogar für Frauenrechte ein. Zum anderen hat das Buch auch den Bechdel Test bestanden (zwei Frauen, die einen Namen tragen, unterhalten sich über etwas anderes als einen Mann miteinander). Männer weinen, sind sensibel, kümmern sich um Kinder und kochen, Frauen retten Leben und treffen schwerwiegende Entscheidungen. Auch sexualisierte Gewalt wird angesprochen.

Nur in manchen Punkten gibt es noch Verbesserungsbedarf: Leider gab es auch einige Fälle von geschlechterspezifischen Beleidigungen (Schlam++, Miststück) und manchmal werden Frauen auf ihr Äußeres reduziert, als würde nur das zählen (attraktive S++bombe etc.). Am meisten hat mich aber die Doppelmoral aufgeregt: Ein verheirateter Mann betrügt seine Ehefrau, aber seine Affäre, die niemandem Treue geschworen hat (!), ist die Schla+++!? Ernsthaft?! Dieses misogyne Denken muss endlich aus den Köpfen verschwinden! Zusätzlich hat mir die verallgemeinernde Behauptung nicht gefallen, dass Frauen immer die Scherben zusammenfegen müssten, die Männer angeblich hinterlassen. Was steckt da schon wieder für ein stereotypes Geschlechterbild und vor allem negatives Männerbild dahinter?

Mein Fazit

„Das Böse in ihr“ ist ein spannender, wendungsreicher und unvorhersehbarer Thriller, der diese Genrezuordnung auch verdient. Schon nach wenigen Seiten war ich in der Geschichte angekommen, die auf zwei Zeitebenen spielt, die auf gefinkelte Weise miteinander verbunden sind. Thematisch stehen Familie, Schuld psychische Krankheiten und die beunruhigende Frage, wie gut man einen geliebten Menschen überhaupt wirklich kennen kann, im Mittelpunkt. Camilla Ways schreibt flüssig, angenehm und sehr einfach, wodurch sich das Buch schnell lesen lässt. Die Geschichte ist zwar „abgedreht“, aber niemals unglaubwürdig oder zu konstruiert, nur gegen Ende wurden es mir zu viele detaillierte Erklärungen – diesen Teil hätte man raffen und den LeserInnen doch mehr eigene Schlussfolgerungen zutrauen können. Die meisten Figuren sind meiner Meinung nach gut ausgearbeitet, interessant und authentisch – dass fast alle von ihnen unsympathisch sind und Geheimnisse haben, hat mich nicht gestört, sondern vielmehr fasziniert! Die Protagonistinnen sind allerdings nicht gleich gut gelungen: Während Beth eine starke und liebevoll ausgearbeitete Persönlichkeit ist, würde ich Clara als „nett“, aber gleichzeitig leider auch etwas blass und austauschbar beschreiben. Die fast durchgehende psychologische Spannung, die die Autorin dieses Pageturners von Anfang an kreiert, gehört zu den größten Stärken des Buches! Erst gegen Ende lässt die Spannung etwas nach. Richtig begeistert haben mich außerdem die unheimlichen, intensiven Gänsehaut-Momente, die einen immer wieder erschaudern lassen. Das Einzige, was mir beim Lesen gefehlt hat, war an manchen Stellen (besonders auch was den Schreibstil betrifft) Tiefe. Leider fürchte ich auch, dass mir die Geschichte (abgesehen von ein paar intensiven Momenten) nicht allzu lange in Erinnerung bleiben wird. Die Lektüre fühlte sich teilweise ein bisschen an wie literarisches „Fast Food“, das man zwar schnell konsumieren kann, das danach aber leider kein vollkommen befriedigtes Gefühl im Bauch hinterlässt. EinsteigerInnen in das Genre und Menschen, die auf der Suche nach einem leicht zu lesenden, kurzweiligen Thriller sind, können mit diesem Buch aber sicher (wie ich) einige schöne Stunden verbringen!

Bewertung

Idee: 5 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Sterne
Umsetzung: 4 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 5 Sterne
Schreibstil: 3,5 Sterne
Protagonistinnen: 3,5 Sterne
Nebenfiguren: 4 Sterne
Spannung: 5 Sterne ♥
Atmosphäre: 5 Sterne ♥
Ende / Auflösung: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 4 Sterne
Feministischer Blickwinkel: +/-

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir insgesamt vier Lilien!


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