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Sidny

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Veröffentlicht am 27.05.2018

Erziehung mit eiserner Faust

Grausames Erbe
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Petty Moshen hat ihre 21 Lebensjahre bei ihrem verrückten Vater verbracht. Das Haus gesichert wie Fort Knox, bewacht von zwei scharfen Hunden, wurde sie zusätzlich noch jeden Abend von ihm in ihrem Schlafzimmer ...

Petty Moshen hat ihre 21 Lebensjahre bei ihrem verrückten Vater verbracht. Das Haus gesichert wie Fort Knox, bewacht von zwei scharfen Hunden, wurde sie zusätzlich noch jeden Abend von ihm in ihrem Schlafzimmer eingesperrt und tagsüber in verschiedenen Kampfsportarten und im Schusswaffengebrauch unterrichtet. Sie sollte sein wie Sarah Connor in Terminator 2, nur nicht so verrückt. Als sie ihren Dad eines Tages tot in seinem Schlafzimmer auffindet, ist sie traurig, weil die einzige Bezugsperson in ihrem Leben nicht mehr da ist, aber auch erleichtert, weil sie nun endlich frei sein wird. Diese Illusion wird ihr aber prompt wieder geraubt, als das Testament eröffnet wird, denn ihr Vater hat alles so geregelt, dass er über seinen Tod hinaus für immer die Kontrolle über Pettys Leben behalten wird...

Der Plot dieser Geschichte ist wirklich ausgefallen und wäre für sich gesehen eigentlich fünf Sterne wert. Vom Ausgangspunkt aus entwickelt sich die Geschichte in eine völlig unvorhersehbare Richtung und überrascht auch mit der ein oder anderen verblüffenden Wendung.

An anderen Punkten merkt man dagegen deutlich, dass man hier einen Debütroman in Händen hält, weil sie leider nicht ganz so gut gelungen sind. Beispielsweise gibt es in diesem Buch zwei Ich-Erzähler, nämlich Petty und den gleichaltrigen Dekker, den sie erst kennenlernt, nachdem ihr Vater verstorben ist, obwohl sie in derselben Kleinstadt in Kansas aufwuchsen.
Zu Beginn ist es noch relativ einfach, die beiden auseinanderzuhalten, weil die Perspektive nur am Ende eines Kapitels wechselt. Im späteren Verlauf passiert das jedoch mehrfach innerhalb eines Kapitels - von einem Absatz zum nächsten schildert nicht mehr Petty die Ereignisse, sondern Dekker und umgekehrt. Sowas könnte gut funktionieren, wenn ein Autor es schafft, beiden Protagonisten eine völlig eigene Stimme zu verleihen, sodass man sie als Leser schon allein stilistisch auseinanderhalten kann. Leider ist LS Hawker dieser Kunstgriff nicht geglückt, daher ist es an vielen Stellen einfach nur anstrengend und irritierend, weil man erst nach einigen Sätzen merkt, dass der Blickwinkel ein anderer ist.

Hinsichtlich der Auflösung muss ich sagen, dass doch zu deutlich und vielleicht auch ein wenig zu häufig in die richtige Richtung gewiesen wurde, sodass ich den beiden Protagonisten doch um einige Kapitel voraus gewesen bin.

Trotzdem hat mich das Buch ab der ersten Seite gefesselt, und auch wenn ein etwas geschmeidigerer Lesefluss angenehm gewesen wäre (dies hätte man beispielsweise schon durch einen Verzicht auf die Ich-Perspektive für Dekkers Abschnitte erreicht), bin ich doch froh, dieses Buch entdeckt zu haben - die Story selbst ist einfach lesenswert.

Beim Stöbern habe ich zufällig entdeckt, dass die Taschenbuchausgabe ab Juni 2018 erhältlich sein wird. Dabei ist mir völlig unverständlich, warum der Verlag ein anderes Cover verwendet, als bei der broschierten Ausgabe. Das finde ich nämlich einfach genial, weil es absolut stimmig zum Inhalt und zusätzlich noch ein toller Hingucker ist. Ich muss zugeben, dass ich allein durch das Cover auf das Buch aufmerksam wurde, wohingegen mich die neue Aufmachung eher nicht dazu verleiten würde, mir "Grausames Erbe" näher anzusehen - wirklich schade.

Veröffentlicht am 21.05.2018

Cosy Crime unter Arizonas Wüstensonne

Weiße Magie – Vorsicht Stufe!
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Alanis McLachlan ist in Berdache geblieben, nachdem sie den Mörder ihrer Mutter dingfest machen konnte. Es gibt dort noch so einiges für sie zu tun, denn sie muss die Opfer ihrer trickbetrügerischen Mutter ...

Alanis McLachlan ist in Berdache geblieben, nachdem sie den Mörder ihrer Mutter dingfest machen konnte. Es gibt dort noch so einiges für sie zu tun, denn sie muss die Opfer ihrer trickbetrügerischen Mutter (sie hätte sie "Kunden" genannt) ausfindig machen und entschädigen, was sich als weniger einfach als gedacht herausstellt. Vor allem, weil schon wieder jemand ermordet wird, und Alanis daran womöglich nicht ganz unbeteiligt ist...

Weiße Magie - Vorsicht, Stufe! ist der zweite Fall für Hobby-Detektivin und Tarotkartenleserin Alanis, er schließt direkt an den Vorgängerband Weiße Magie - Mordsgünstig an. Obwohl die beiden Mordfälle in sich abgeschlossen sind, würde ich nicht empfehlen, diesen Band ohne Vorkenntnis des ersten Teils zu lesen, denn auch Alanis' recht turbulentes Privatleben spielt eine große Rolle. Im ersten Band gab es einige Rückblenden in ihre Kindheit, und wer direkt mit der Fortsetzung einsteigt, wird wohl mit relativ großen Wissenslücken zu kämpfen haben.

Mir hat der zweite Band genauso gut gefallen, wie der erste - die Lösung des Falls war wieder recht verzwickt und ich war sehr lange auf falschen Fährten unterwegs, was den Täter betraf - es blieb also bis zum Schluss spannend. Da auch diesmal der humoristische Teil nicht zu kurz kam, war das Buch insgesamt ein sehr kurzweiliges Lesevergnügen.

Ich-Erzählerin Alanis ist eine etwas zwiespältige Figur - einerseits hat sie eine sehr witzige und entspannte Art, das Leben anzugehen. Andererseits biegt sie sich die Regeln aber auch manches mal etwas arg zurecht. Auch wenn es ihr nicht bewusst ist, ist sie ihrer Mutter sicher deutlich ähnlicher als ihr lieb ist. Ich bin sehr gespannt, wie sie sich weiterhin entwickeln wird, und ob sie wirklich irgendwann so anständig wird, wie sie sich jetzt schon sieht.

Die einzelnen Kapitel werden wieder (wie schon aus "Mordsgünstig" bekannt) mit der Abbildung einer Tarotkarte und deren Deutung aus Alanis unverzichtbarem Tarotratgeber "Der Weisheit unerschöpfliche Wege" eingeleitet. Sie bilden einen roten Faden im Buch, einen Übergang zwischen den einzelnen Kapiteln und stehen immer in einem Zusammenhang mit den Geschehnissen im folgenden Abschnitt. Mir gefällt dieser Aufbau nach wie vor sehr gut, und die Illustrationen sind zudem hübsch anzusehen.

Da dieser Band am Ende noch einen richtig großen Aha-Moment für den Leser bereithielt, freue ich mich schon sehr darauf, im dritten Band "Weiße Magie - direkt ins Schwarze" mehr zu erfahren.

Veröffentlicht am 12.05.2018

Kennen die Karten die Antwort?

Weiße Magie – mordsgünstig
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Alanis McLachlan bekommt einen Anruf aus Arizona: Ihre Mutter wurde ermordet und sie ist ihre Alleinerbin. Alanis ist irritiert, schließlich hatte sie seit über zwanzig Jahren nichts mehr voneinander gehört. ...

Alanis McLachlan bekommt einen Anruf aus Arizona: Ihre Mutter wurde ermordet und sie ist ihre Alleinerbin. Alanis ist irritiert, schließlich hatte sie seit über zwanzig Jahren nichts mehr voneinander gehört. Obwohl sie diejenige war, die den Kontakt abgebrochen hat, lässt es Alanis keine Ruhe, dass ihre Mutter einem Verbrechen zum Opfer fiel. Sie reist kurzerhand nach Berdache, wo sie erstaunt feststellt, dass ihre Mutter, die Trickbetrügerin mit einem guten Dutzend verschiedener Identitäten, sesshaft geworden ist und Besitzerin eines Ladens mit dem geheimnisvollen Namen "Weiße Magie - gut und günstig" gewesen ist. War das Kartenlegen ihre neueste Masche, um abergläubischen Leuten ihre Ersparnisse aus der Tasche zu ziehen? Alanis tritt das Erbe an, wirft sich in ein schickes Ethno-Outfit und schaltet die Leuchtreklame ein: So schwer kann Kartenlegen schließlich nicht sein, und ein Mörder kehrt doch immer an den Ort des Verbrechens zurück, oder?

Die Reihe "Weiße Magie" ist eine meiner neuesten Entdeckungen, der erste Band hat mir gleich richtig Spaß gemacht, obwohl er anders war, als ich erwartet hatte: Ich dachte, es ginge mehr in die Richtung von Lars Simons "Lennart Malmqvist", und hatte mit einer Mischung aus Fantasy und Krimi gerechnet.
Tatsächlich gibt es aber gar keinen übernatürlichen Anteil, auch wenn Skeptikerin Alanis sich mit ihren zutreffenden Kartendeutungen manchmal selbst verblüfft - eigentlich nutzt sie den Trick aller Kartenleger, Handleser und anderer In-die-Zukunft-Seher und mischt die Dinge, die sie über ihre neuen Kunden bereits weiß, mit schön allgemeingültigen, in unterschiedliche Richtung interpretierbaren Phrasen, sodass es ihr tatsächlich gelingt, ihr Gegenüber glücklich zu machen und hilfreiche Kartendeutungen an den Mann zu bringen.

Alanis ist eine sehr unterhaltsame Ich-Erzählerin, ihre Humorpalette reicht von leichter Ironie bis zu tiefschwarzem Galgenhumor, und damit hat sie sich prompt schon in den ersten Kapiteln einen Platz in meinem Leserherz gesichert.
Dass sie sich als Mittdreißigerin immer noch hauptsächlich in Abgrenzung zu ihrer Mutter definiert (die auch sicher niemals Mutter des Jahres geworden wäre), weil sie deren Laufbahn als Kleinkriminelle abstößt, während sie selbst in einem Call-Center arbeitet und genauso auf der Jagd nach unbedarften, leichtgläubigen Menschen ist, denen sie irgendwelchen Schrott andrehen oder das Geld aus der Tasche ziehen kann, entbehrt dann tatsächlich nicht einer gewissen unfreiwilligen Komik.

Der Krimi selbst ist in der Cosy-Ecke anzusiedeln, es geht mehr ums Miträtseln als um blutüberströmte, geschundene Mordopfer. Meistens spielen solche Krimis um eine schrullige Hobby-Detektivin ja eher in England, mir hat es sehr gefallen, dass Steve Hockensmith hier mit der Lesererwartung bricht und Alanis in Arizona ermitteln lässt.

Für alle Lese-Ästheten darf der Hinweis nicht fehlen, dass das Buch sehr hübsch aufgemacht ist, und vor jedem neuen Kapitel eine Tarotkarte abgebildet ist, auf die eine kurze Erklärung zur Deutung aus Miss Chance' unverzichtbarem Nachschlagewerk "Der Weisheit unerschöpfliche Wege" folgt. Eine wirklich witzige Idee, die im Buch einen roten Faden bildet, und mir sehr gefallen hat.

Es gibt bereits zwei Fortsetzungen: "Weiße Magie - Vorsicht, Stufe!" und ganz aktuell "Weiße Magie - Direkt ins Schwarze" - es ist also gleich für Nachschub gesorgt.

Veröffentlicht am 12.05.2018

Historischer Krimi vor exotischer Kulisse

Das Zedernhaus
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London, 1908: Victoria und Jeremy wollen sich endlich das Ja-Wort geben und planen ihre Hochzeit, als in Indien ein Attentat auf den Vizekönig verübt wird, was Jeremys sofortige Abreise in die britische ...

London, 1908: Victoria und Jeremy wollen sich endlich das Ja-Wort geben und planen ihre Hochzeit, als in Indien ein Attentat auf den Vizekönig verübt wird, was Jeremys sofortige Abreise in die britische Kolonie unumgänglich macht. Victoria hat die traurige Aufgabe, die Hochzeit zu verschieben, doch es soll noch schlimmer kommen: kurz nach seiner Ankunft in Simla verschwindet Jeremy spurlos - Victoria will sich nicht auf die Nachforschungen seiner Kollegen verlassen und macht sich kurzerhand selbst auf den Weg nach Indien, natürlich in Begleitung von Butler Hopkins.

"Das Zedernhaus" ist der dritte Band der Reihe um die junge Suffragette Victoria Bredon, die beiden Vorgängerbände "Die rubinrote Kammer" und "Das Geheimnis des Rosenzimmers" hatte ich schon im Vorfeld gelesen. Nachdem mir der Auftakt um die rubinrote Kammer richtig gut gefallen hatte, fand ich den zweiten Band leider etwas enttäuschend - zu viele Handlungsstränge, die nicht so recht zusammenfinden wollten, zu viel Setting und kaum Kriminalfall. Trotzdem wollte ich die Reihe nicht gleich aufgeben und habe mir natürlich auch den dritten Fall für Victoria nicht entgehen lassen. Und dieses Buch war auch wieder ein spannender historischer Krimi, der mich von Anfang an begeistern konnte - insofern gut, dass ich dran geblieben bin.

Mir gefiel unter anderem am Auftakt der Schauplatz London - als großer England-Fan lese ich gerne Bücher, deren Handlung dort angesiedelt ist. Im direkten Nachfolger spielte sich dagegen ein Großteil der Handlung in Deutschland ab, was ich jetzt schon grundsätzlich nicht so wirklich spannend fand. Auch im dritten Band bildet London lediglich den Ausgangspunkt für die folgende Handlung, tatsächlich begleitet man als Leser Victoria nach Indien - im Jahr 1908 noch eine britische Kronkolonie und kein souveräner Staat. Dieses Setting fand ich aufgrund der geschichtlichen Hintergründe sehr ansprechend und natürlich auch ziemlich exotisch.

Der Kriminalfall steht diesmal auch wieder deutlich im Vordergrund, was mir ebenfalls viel mehr Spaß gemacht hat, als im direkten Vorgänger - der fühlte sich für mich eher an wie ein "Love&Landscape"-Titel statt wie ein echter Krimi.

Mir ist bei diesem Band zum ersten Mal aufgefallen, dass man die Bücher sicher auch unabhängig voneinander lesen kann, denn wichtige Details zu den Vorgängerbänden werden immer mal wieder eingestreut, allerdings ohne zu viel vorwegzunehmen, falls man die irgendwann doch noch lesen möchte. Wer also nicht unbedingt gerne längere Reihen liest, kann sich unter den Victoria-Bredon-Büchern auch einzelne, besonders ansprechende Bände herauspicken.

Für die vollen fünf Sterne reicht es auch diesmal nicht ganz, weil es einen Nebenaspekt der Handlung gab, der für mich nicht so ganz rund und schlüssig war - leider kann ich darauf nicht näher eingehen ohne zu spoilern, aber für mich hat das einfach nicht so recht in die Jahrhundertwende gepasst. Wahrscheinlich werden sich die meisten Leser nicht daran stören, aber mich hat es einfach irritiert - und zwar zu sehr, um es dann in der Gesamtwertung zu vernachlässigen.

Ich bin mir unsicher, ob es noch eine weitere Fortsetzung geben oder ob es bei einer Trilogie bleiben wird. In der Autoreninfo im Buch steht zwar, dass Pauline Peters gerade an einer weiteren Fortsetzung arbeitet - allerdings werden diese Texte ja gerne mal von einem Buch ins nächste übernommen, von daher bin ich mir nicht sicher, ob man sich auf diese Info wirklich verlassen kann. Ich würde mich über einen weiteren Fall für Bredon und Hopkins jedenfalls sehr freuen, und wäre ganz bestimmt wieder dabei.

Veröffentlicht am 26.04.2018

Alte Wunden

Die gute Tochter
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Georgia, 16. März 1989: Die Quinns leben seit Kurzem auf einer heruntergekommenen Farm, weil ihr Stadthaus angezündet wurde - vermutlich von jemandem, der mit den Praktiken des Strafverteidigers und Familienvaters ...

Georgia, 16. März 1989: Die Quinns leben seit Kurzem auf einer heruntergekommenen Farm, weil ihr Stadthaus angezündet wurde - vermutlich von jemandem, der mit den Praktiken des Strafverteidigers und Familienvaters Rusty Quinn nicht unbedingt einverstanden ist. Mutter Gamma ist mit den Töchtern Sam und Charlie allein im Haus, als plötzlich zwei maskierte, bewaffnete Männer in der Tür stehen und das Unglück seinen Lauf nimmt...
28 Jahre später ist Charlie selbst Anwältin und gerät unversehens erneut ins Auge einer Tragödie, die das alte Trauma zurück in ihr Bewusstsein holt.

Unglaublich, aber wahr: "Die gute Tochter" war für mich das allererste Buch der Bestsellerautorin Karin Slaughter. Ihr Name war mir natürlich ein Begriff, und ich hatte auch schon öfter bei einem Stöberbesuch in der Buchhandlung einen Titel von ihr in der Hand. Da ich wusste, dass sie mindestens zwei Reihen schreibt / geschrieben hat, habe ich mich letztendlich nie getraut, eins ihrer Bücher spontan einzupacken, denn ich hasse nichts mehr, als zuhause festzustellen, dass ich mir gerade den vierten Band einer noch unbekannten Reihe eingehandelt habe.

Umso begeisterter war ich nun von meinem ersten, sorgfältig ausgewählten Slaughter-Thriller, denn die Geschichte überzeugt von der ersten bis zur letzten Seite. In die Handlung startet man mit den Geschehnissen im Jahr 1989, man erfährt als erstes, was den drei Quinn-Frauen an jenem schicksalhaften Tag zugestoßen ist. Die folgenden 28 Jahre werden übersprungen, und der Leser lernt nach der dreizehnjährigen Charlie nun die Charlie in den mittleren Jahren kennen, die postwendend Augenzeugin eines Verbrechens wird. Im späteren Verlauf gibt es noch weitere Rückblenden ins Jahr 1989, die andere Perspektiven in den Mittelpunkt stellen, neue Details zu Tage fördern, und dadurch ein völlig neues Licht auf die Ereignisse und die Figuren werfen.

Obwohl man bei beiden Verbrechen (in der Vergangenheit und in der Gegenwart) von Anfang an weiß, wer die Täter sind, kann man das Buch kaum aus der Hand legen, denn in diesem Fall ist die brennendste Frage nicht das "Wer?" sondern das "Warum?". Und diese Fragestellung ist fast noch fesselnder als die übliche Tätersuche, die man normalerweise in einem Thriller erwarten würde.

Die Figuren wirken zu Beginn ein wenig undurchsichtig und man hat das Gefühl, dass man ihre Handlungen und Gedanken nicht wirklich nachvollziehen kann, aber oft kommt man im Nachhinein dahinter, was sie in der Situation antreibt, oder warum sie so reagieren, wie sie es tun.

Bei meiner überschwänglichen Begeisterung stellt sich wahrscheinlich die Frage, warum es nur vier statt fünf Sterne in der Gesamtwertung gibt, obwohl sich keine Kritikpunkte zur Geschichte selbst finden. Das liegt daran, dass im Buch unheimlich viele Fehler enthalten sind. Ich bin kein Leser, der explizit nach Druckfehlern sucht, wahrscheinlich überlese ich sogar die meisten. Aber in diesem Fall war es leider so ausgeprägt, dass manche Sätze selbst nach dem dritten Lesen noch immer keinerlei Sinn ergaben. Beispiel gefällig? Kapitel 11, Position 5358 im Ebook: "Er machte eine schwenkte den Hammer herum, um zur Eile zu drängen." Was das bedeuten soll? Ich habe noch immer keine Ahnung. Leider war das nicht der einzige Fall, und sowas stört meinen Lesefluss enorm - und es ist auch schade um die wirklich tolle Geschichte, daher muss ich leider einen Stern abziehen.

Dennoch hat mich "Die gute Tochter" überzeugt: Die Story ist frisch und einfach anders, der Plot klug durchdacht ohne dabei konstruiert zu wirken, und die Handlung macht so einige Kurven, die alle meine Mutmaßungen mehrfach wieder auf den Kopf gestellt haben - davon möchte ich definitiv mehr, denn ich habe mich beim Lesen keine Sekunde gelangweilt.