Erziehung mit eiserner Faust
Grausames ErbePetty Moshen hat ihre 21 Lebensjahre bei ihrem verrückten Vater verbracht. Das Haus gesichert wie Fort Knox, bewacht von zwei scharfen Hunden, wurde sie zusätzlich noch jeden Abend von ihm in ihrem Schlafzimmer ...
Petty Moshen hat ihre 21 Lebensjahre bei ihrem verrückten Vater verbracht. Das Haus gesichert wie Fort Knox, bewacht von zwei scharfen Hunden, wurde sie zusätzlich noch jeden Abend von ihm in ihrem Schlafzimmer eingesperrt und tagsüber in verschiedenen Kampfsportarten und im Schusswaffengebrauch unterrichtet. Sie sollte sein wie Sarah Connor in Terminator 2, nur nicht so verrückt. Als sie ihren Dad eines Tages tot in seinem Schlafzimmer auffindet, ist sie traurig, weil die einzige Bezugsperson in ihrem Leben nicht mehr da ist, aber auch erleichtert, weil sie nun endlich frei sein wird. Diese Illusion wird ihr aber prompt wieder geraubt, als das Testament eröffnet wird, denn ihr Vater hat alles so geregelt, dass er über seinen Tod hinaus für immer die Kontrolle über Pettys Leben behalten wird...
Der Plot dieser Geschichte ist wirklich ausgefallen und wäre für sich gesehen eigentlich fünf Sterne wert. Vom Ausgangspunkt aus entwickelt sich die Geschichte in eine völlig unvorhersehbare Richtung und überrascht auch mit der ein oder anderen verblüffenden Wendung.
An anderen Punkten merkt man dagegen deutlich, dass man hier einen Debütroman in Händen hält, weil sie leider nicht ganz so gut gelungen sind. Beispielsweise gibt es in diesem Buch zwei Ich-Erzähler, nämlich Petty und den gleichaltrigen Dekker, den sie erst kennenlernt, nachdem ihr Vater verstorben ist, obwohl sie in derselben Kleinstadt in Kansas aufwuchsen.
Zu Beginn ist es noch relativ einfach, die beiden auseinanderzuhalten, weil die Perspektive nur am Ende eines Kapitels wechselt. Im späteren Verlauf passiert das jedoch mehrfach innerhalb eines Kapitels - von einem Absatz zum nächsten schildert nicht mehr Petty die Ereignisse, sondern Dekker und umgekehrt. Sowas könnte gut funktionieren, wenn ein Autor es schafft, beiden Protagonisten eine völlig eigene Stimme zu verleihen, sodass man sie als Leser schon allein stilistisch auseinanderhalten kann. Leider ist LS Hawker dieser Kunstgriff nicht geglückt, daher ist es an vielen Stellen einfach nur anstrengend und irritierend, weil man erst nach einigen Sätzen merkt, dass der Blickwinkel ein anderer ist.
Hinsichtlich der Auflösung muss ich sagen, dass doch zu deutlich und vielleicht auch ein wenig zu häufig in die richtige Richtung gewiesen wurde, sodass ich den beiden Protagonisten doch um einige Kapitel voraus gewesen bin.
Trotzdem hat mich das Buch ab der ersten Seite gefesselt, und auch wenn ein etwas geschmeidigerer Lesefluss angenehm gewesen wäre (dies hätte man beispielsweise schon durch einen Verzicht auf die Ich-Perspektive für Dekkers Abschnitte erreicht), bin ich doch froh, dieses Buch entdeckt zu haben - die Story selbst ist einfach lesenswert.
Beim Stöbern habe ich zufällig entdeckt, dass die Taschenbuchausgabe ab Juni 2018 erhältlich sein wird. Dabei ist mir völlig unverständlich, warum der Verlag ein anderes Cover verwendet, als bei der broschierten Ausgabe. Das finde ich nämlich einfach genial, weil es absolut stimmig zum Inhalt und zusätzlich noch ein toller Hingucker ist. Ich muss zugeben, dass ich allein durch das Cover auf das Buch aufmerksam wurde, wohingegen mich die neue Aufmachung eher nicht dazu verleiten würde, mir "Grausames Erbe" näher anzusehen - wirklich schade.