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Veröffentlicht am 16.04.2018

Böhmerwald meets Agatha Christie

Die Mühle
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Durch einen verrückten Zufall landet die 20-jährige Lana als Zweitbesetzung für den lädierten Johnny bei einem Wiedersehenstreffen der coolsten Clique ihrer früheren Schule. Sie waren sieben charismatische, ...

Durch einen verrückten Zufall landet die 20-jährige Lana als Zweitbesetzung für den lädierten Johnny bei einem Wiedersehenstreffen der coolsten Clique ihrer früheren Schule. Sie waren sieben charismatische, gutaussehende Jugendliche, als sie sich zum letzten Mal gesehen haben. Ein paar Jahre sind seither vergangen und nun machen sie ihre ersten Schritte im Berufsleben. Lana ist ein paar Jahre jünger und hat natürlich nie dazugehört - sie hat "The Court", wie sie von den anderen ehrfürchtig genannt wurden, immer nur aus der Ferne verehrt.
Wie sich in einem Karlsbader Nobelhotel herausstellt, wirken sie aus der Nähe nicht ganz so glorreich, lassen Lana ständig spüren, dass sie nicht dazugehört, und haben keine Ahnung, wer diesen kostspieligen Kurztrip organisiert und bezahlt hat. Ein Ausflug zu einer abgelegenen Sehenswürdigkeit läuft völlig aus dem Ruder, sie haben keine Verbindung mehr zur Außenwelt, finden aber Schutz in einer alten, einsamen Mühle - wo der erste spurlos verschwindet und der Albtraum beginnt.

"Die Mühle" war für mich das erste Buch der namhaften Bestsellerautorin Elisabeth Herrmann, von der ich schon seit langem endlich mal etwas lesen wollte - meine Erwartungshaltung im Vorfeld war also recht hoch. Als erstes fielen mir zwangsläufig die Parallelen zu "Und dann gab's keines mehr" von Agatha Christie ins Auge: Eine Gruppe wird anonym an einen entlegenen Winkel der Welt gelockt, wo sie keinerlei Verbindung zur Außenwelt hat, und in eine perfide geplante Falle geht.
Dieses Grundmotiv verspricht viel Spannung und wird sowohl in der Kriminalliteratur als auch in Filmen in abgewandelter Form immer mal wieder zitiert. Auch in diesem Fall hat die Autorin es in die heutige Zeit übertragen, wobei mir aber fast zu viele Details ans Original angelehnt wurden. Allzu ausführlich kann ich leider nicht darauf eingehen ohne zu spoilern, aber beispielsweise verschwindet bei Christie mit jedem neuen Opfer eine Porzellanfigur - hier sind es stattdessen Matratzen.

Die Figurenzeichnung hält dem direkten Vergleich nicht stand: Obwohl Christie mit der halben Seitenzahl auskommt, verleiht sie ihren Figuren durch häufige Perspektivwechsel Tiefe und Persönlichkeit - der Leser stockt nicht bei einem Namen und fragt sich: War das jetzt der Richter oder der Arzt...?
Herrmann lässt dagegen Lana selbst in der Retrospektive die Ereignisse im Böhmerwald schildern, sodass zum einen leider bereits im vierten Kapitel (und bevor die Ereignisse überhaupt so richtig ins Rollen kommen) klar ist, dass Lana zwangsläufig überleben muss, und zum anderen alle Figuren sehr flach bleiben und auch insgesamt arg klischeehaft gezeichnet sind: Lana, die schüchterne Außenseiterin. Siri, das arrogante Model. Joshua, der sportliche Womanizer. Stephan, der ehrgeizige Unsympath. Ich musste desöfteren nochmal zur Einführung zurückblättern um herauszufinden, um wen es gerade geht.

Was mir dagegen richtig gut gefallen hat, und mich trotz einiger Schwächen bei der Stange gehalten hat, war die Stimmung, die Elisabeth Herrmann erzeugt hat. Sind es zu Anfang nur kleine Irritationen, die Lana kurz aufhorchen lassen, wird es im späteren Verlauf immer düsterer und beklemmender, und auch als Leser konnte ich mich dem nicht entziehen, was "Die Mühle" insgesamt für mich gerettet hat.

Ich würde zwar nicht sagen, dass man dieses Buch unbedingt gelesen haben muss, aber wenn man das Original von Christie nicht kennt, erwartet einen hier durchaus eine spannende und actionreiche Story, auch wenn sie nicht so intelligent und minutiös durchgeplant ist wie das Original - und Logik und Glaubwürdigkeit manchmal etwas zu sehr auf der Strecke bleiben.

Veröffentlicht am 04.04.2018

Jede Menge Fiktion, aber leider kaum Fakten

Höllenjazz in New Orleans
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New Orleans, 1919: Der Axeman geht um in der Stadt. Es gab bereits mehrere brutale Morde unter italienischstämmigen Lebensmittelhändlern, was den Verdacht auf die Mafia lenkt, dennoch tappt die Polizei, ...

New Orleans, 1919: Der Axeman geht um in der Stadt. Es gab bereits mehrere brutale Morde unter italienischstämmigen Lebensmittelhändlern, was den Verdacht auf die Mafia lenkt, dennoch tappt die Polizei, allen voran der leitende Ermittler Talbot, völlig im Dunkeln. Als dann auch noch Opfer zu verzeichnen sind, die nicht der italienischen Gemeinde angehören, ist es Zeit umzudenken. Doch nicht nur die Polizei ist hinter dem Axeman her, auch eine junge, ehrgeizige Mitarbeitern der Pinkerton-Detektei ermittelt auf eigene Faust in diesem Fall, und Talbots ehemaliger Partner Luca d'Andrea wird vom Oberhaupt einer Mafia-Familie auf den Axeman angesetzt.

Die Axeman-Morde von New Orleans sind eine reale Mordserie, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Stadt in Angst und Schrecken versetzte und nie aufgeklärt wurde. Reale Morde oder Serienmorde, besonders wenn der Täter nicht ermittelt werden konnte, sind für mich immer ein reizvolles Thema, und daher greife ich bei solchen Büchern gerne zu.

Höllenjazz in New Orleans hat mich zuerst begeistert, denn durch die drei Erzählstränge ist Abwechslung garantiert, es geht auch recht temporeich vorwärts, und die Protagonisten gewannen schnell meine Sympathien. Diese Begeisterung flachte dann aber auch relativ schnell wieder ab, denn ich habe das Buch zuallererst als historischen Krimi gelesen - da die Mordserie nicht aufgeklärt werden konnte, bleibt dennoch genug Raum für fiktive Handlungselemente.

Gerade im Punkt "Historie" hat mich Ray Celestin aber letzten Endes leider enttäuscht. Es gibt zwar ein umfangreiches Personenregister, in dem praktisch jede Figur des Romans aufgeführt ist (auch wenn der Auftritt noch so winzig und in drei Zeilen abgehakt war), es fehlt jedoch eine Kennzeichnung, welche dieser Personen real oder fiktiv sind, auch ein erklärendes Nachwort sucht man am Ende vergeblich. Da es zudem keine Quellbelege zur Recherche gibt, ist bei mir insgesamt leider der Eindruck entstanden, als ob der Autor nach der Devise "Für jeden was dabei!" aus etwas Voodoo, einer Prise Mafia, und mit Jazzmusik als Untermalung eine völlig fiktive Geschichte um einen wahren Fall gestrickt hätte, bei der als kleiner Gag am Rande ausgerechnet der junge, noch unbekannte Louis Armstrong als Sidekick herhalten musste. Und das ist mir, wenn eine wahre historische Begebenheit im Mittelpunkt steht, einfach nicht genug. Denn wenn ich mir am Ende doch wieder die relevanten Hintergrundinformationen selbst im Netz zusammenzusuchen muss, brauche ich im Vorfeld wirklich kein Buch zu lesen.

Mit den broschierten Ausgaben von Piper bin ich schon einigen Kummer gewohnt, was die Verarbeitungsqualität angeht. Auch Höllenjazz in New Orleans macht da keine Ausnahme, wenn man Leserillen vermeiden will, muss man das Buch schon extrem behutsam lesen und darf es eigentlich nie ganz aufklappen. Und nach nur einem Lesedurchgang ist in diesem Fall sogar schon die Beschriftung auf dem Buchrücken in Auflösung begriffen, was ich bei einem Preis von 16,00 Euro als qualitativ minderwertig ansehe - sowas ist mir bei Büchern anderer Verlage jedenfalls noch nie untergekommen, und die sind im vergleichbaren Format auch nicht teurer. Da das den Inhalt den Buches aber weder besser noch schlechter macht, und der Autor auf solche Details ohnehin keinen Einfluss hat, habe ich diesen Punkt bei der Bewertung außen vor gelassen.

Wer noch nie vom Axeman gehört hat, und das Buch lediglich als spannenden Krimi vor historischem Setting lesen möchte, kann zu meiner Wertung einen Stern dazurechnen und bedenkenlos zugreifen, wer sich allerdings von der Handlung ein paar neue, spannende Details zur realen Mordserie erwartet, wird wohl eher enttäuscht sein, denn in dem Punkt gibt die Handlung nicht wesentlich mehr her als der entsprechende Wikipedia-Artikel.

Veröffentlicht am 03.02.2018

Sex, Drugs & ... Stummfilm!

Der Mann, der nicht mitspielt
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Hollywood, 1921: Hardy Engel, derzeit arbeitsloser Schauspieler und Ex-Polizist, braucht dringend Geld, da bietet sich ein Detektivbüro als zweites Standbein förmlich an. Pepper Murphy, seine erste Klientin ...

Hollywood, 1921: Hardy Engel, derzeit arbeitsloser Schauspieler und Ex-Polizist, braucht dringend Geld, da bietet sich ein Detektivbüro als zweites Standbein förmlich an. Pepper Murphy, seine erste Klientin und ein fleischgewordener Männertraum, beauftragt ihn, die verschwundene Schauspielerin Virginia Rappe aufzuspüren. Sie hatte ein Casting bei "Famous Players", doch danach verliert sich ihre Spur. Hardy braucht nicht lange, um im Studio in Erfahrung zu bringen, dass Virginia direkt im Anschluss an ihre Probeaufnahmen mit einer Freundin nach San Francisco aufgebrochen ist. Das Glück beschert ihm einen zweiten Auftrag, er soll dem "Famous-Players"-Star Roscoe "Fatty" Arbuckle ein brisantes Päckchen liefern. Der weilt zur Zeit ebenfalls in San Francisco und feiert anlässlich des Labor Days ein rauschendes Fest mit reichlich Alkohol und anderen illegalen Substanzen - nicht weiter verwunderlich, dass Hardy auf ebendieser Party auch auf das verschollene Starlet stößt - und damit in einen Strudel von Ereignissen gerät, die sich innerhalb kürzester Zeit zum größten Skandal der noch jungen Traumfabrik entwickeln werden...

Ehrlich, was für ein grandioses Buch! Schon der Prolog, der gerade mal eine Buchseite einnimmt, hat in mir die Erwartung auf ein besonderes Leseerlebnis geweckt, und Christof Weigold hat dieses Versprechen auch eingelöst. Obwohl dort im Grunde schon weit vorgegriffen wird, wird unheimlich viel Spannung aufgebaut, die über die für einen Krimi unglaubliche Länge von über 600 Seiten auch nie nachgelassen hat.
Die tatsächlichen Ereignisse des Arbuckle-Skandals werden geschickt mit der fiktiven Handlung um den abgehalfterten Schauspieler, aber durchaus versierten Ermittler Hardy Engel verknüpft. Eine ganze Reihe realer Personen, wie beispielsweise die Leinwandlegenden Gloria Swanson und Wallace Reid, die Studiobosse Laemmle, Zukor, Goldwyn, Meyer und noch einige mehr, bis hin zu den unglücklichen Hauptakteuren Virginia Rappe und Roscoe Arbuckle, ist in die Handlung eingebunden.

Hardy Engel ist eine Figur nach meinem Geschmack: Zum einen ist er absolut ein Kind seiner Zeit, nach vier Jahren im Schützengraben, die er wie durch ein Wunder unversehrt überstanden hat, kehrt er der Heimat den Rücken, und erfindet sich im Land der unbegrenzten Möglichkeiten völlig neu. Früher Polizist, heute Schauspieler, ein Unding in der alten Welt, aber in Amerika ein normaler Lebenslauf. Er will das Leben genießen, schert sich nicht das Geringste um die Prohibition, und obwohl er ein Freund der neuen lockeren Sitten ist, kann er mit einem allzu ausschweifenden Lebensstil der Damenwelt trotzdem nicht ganz so gut umgehen. Zum anderen ist er ein wirklich fähiger Detektiv, der mich von seinen Schlussfolgerungen und seiner Vorgehensweise immer überzeugen konnte, obwohl dieser verworrene und absolut undurchsichtige Fall ihn an die Grenzen seines Könnens und vor allem seiner Belastbarkeit bringt.

Neben der Figurenzeichnung hat mich begeistert, wie gut die Atmosphäre und der Lebensstil der beginnenden Roaring Twenties in der noch blutjungen Filmindustrie transportiert wurde, ohne dass die Spannung dabei auf der Strecke geblieben wäre - das ist ganz großes Kino, noch dazu in einem Debütroman ;) Das gelungene Spiel mit Klischees über deutsche Auswanderer, Privatdetektive und erfolglose Schauspieler, sowie der völlige Verzicht auf die heute übliche Political Correctness schaffen einen passenden Hintergrund, lockern aber auch die dramatischen Geschehnisse, die letztendlich zwei Menschen in den Abgrund rissen, auf.

Ich kann es jetzt schon kaum noch erwarten, bis Hardy im Frühjahr 2019 (so verspricht es zumindest die Homepage des Autors) seine Ermittlungen (endlich!) wieder aufnehmen wird, damit ich mich von Neuem in dieses schillernde und verruchte Haifischbecken, in dem nichts ist, wie es scheint, entführen lassen kann.

Veröffentlicht am 26.01.2018

Glas, so klar wie fest gewordenes Gebirgswasser

Das Geheimnis des Glasbläsers
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Anno Domini 1452: König Friedrich, der in Kürze zum Kaiser des Heiligen Römischen Reichs gekrönt werden wird, feiert in Rom seine Hochzeit mit Eleonore. Gesandte aus allen Teilen der christlichen Welt ...

Anno Domini 1452: König Friedrich, der in Kürze zum Kaiser des Heiligen Römischen Reichs gekrönt werden wird, feiert in Rom seine Hochzeit mit Eleonore. Gesandte aus allen Teilen der christlichen Welt wurden ausgesandt, um den Frischvermählten Geschenke und Glückwünsche überbringen. Das aufsehenerregendste Präsent überreicht Emilio Nani, Mitglied des Großen Rats von Venedig: zwei Trinkpokale aus kristallklarem Glas, genannt "Cristallo". Dieses Geschenk ist eine Sensation, denn in Friedrichs Herrschaftsgebiet kennt man nur grünes Waldglas. Friedrich ist so fasziniert, dass er seinem Kanzler aufträgt, den Venezianern das Geheimnis dieses Wunders zu entreißen.
Etwas später in Hauenstein: Simon, ein talentierter Glasbläser mit dem Hang, sich selbst in die Bredouille zu bringen, ist beim Waldvogt in Ungnade gefallen. Da der Reichskanzler Riederer gerade nach dem besten Glasbläser des Reiches sucht, um ihn als Spion nach Venedig zu schicken, wird kurzerhand Simon diese "Ehre" zuteil. Nur mit Ulf, einem recht einfach gestrickten Handlanger aus der Glashütte, und Lilli, einer Eselin, macht er sich auf, das Geheimnis der Cristallo-Herstellung zu lüften.

Derzeit sind historische Romane, die im Mittelalter angesiedelt sind, gar nicht so leicht zu finden, und noch schwerer wird es dann, einen richtig guten zu erwischen. Umso glücklicher bin ich, dass mir dieses Buch aufgefallen ist, was natürlich zuallererst am stimmigen Cover liegt, das sofort mein Interesse geweckt hat. Aber auch der Inhalt überzeugt: Von der ersten Zeile an war ich gefesselt von dieser prallen und farbenfrohen Geschichte über die lange Reise, die Simon und Ulf vom tiefsten Schwarzwald über die Alpen ins ferne Venedig und sogar bis ins von den Türken belagerte Konstantinopel führt.

Die liebevoll gezeichneten Figuren habe ich gerne begleitet, und mir gefiel besonders, dass es sich eben nicht um Adlige und Ritter handelte, sondern um einfache Menschen, die zum Spielball der Reichen und Mächtigen werden. Simon, der zwar außerordentlich talentiert, aber dennoch nur ein junger Handwerker ist, und Ulf, der von den meisten als zurückgeblieben und dumm wahrgenommen wird, obwohl er manchmal überraschend kluge Äußerungen macht, werden vor eine unlösbare Aufgabe gestellt. Schon die weite Reise bis nach Venedig ist voller Gefahren, und die Betreiber der Glashütten auf der Insel Murano teilen ihre Geheimnisse natürlich nicht mit jedem dahergelaufenen Waldglasbläser, sondern hüten sie im Gegenteil wie ihren Augapfel. In Venedig macht Serena, die ein Freudenhaus ihr Eigen nennt, das Trio dann komplett. Obwohl alle drei sehr sympathisch sind, haben sie dennoch auch ihre Schwächen, was sie aber eben gerade authentisch wirken lässt.

Der einzige kleine Schwachpunkt des Buches ist die Krimihandlung um einen Serienmörder, der in Venedig sein Unwesen treibt. Leider kann ich das nicht vertiefen, ohne inhaltlich zu weit vorzugreifen, aber meiner Meinung nach hätte dieser Handlungsstrang noch Potential gehabt, das nicht ganz genutzt wurde.
Aber das Buch ist ja auch ein historischer Roman und kein historischer Krimi, und bringt als solcher auch alles mit, was ich als Leser erwarte: zum einen ein am Ende angehängtes "Dramatis personae", in dem die realen historischen Personen gekennzeichnet sind, und eine ausführliche Danksagung des Autors, die einen Einblick in die fundierte Recherche zu diesem Roman lieferte.

Insgesamt hat mich Ralf Dorweiler auf Anhieb überzeugt, denn Das Geheimnis des Glasbläsers ist ein richtig guter, fesselnder und vor allem unterhaltsamer Roman, der faszinierende Einblicke in die Glasherstellung gewährt, und den ich jedem Mittelalter-Fan ans Herz legen möchte.

Veröffentlicht am 19.01.2018

Gelungener Häkelkrimi in bezaubernder kornischer Atmosphäre

Je tiefer man gräbt
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Mags Blake hat ihr Hobby zum Beruf gemacht, sie gestaltet und pflegt Gärten in ihrer Heimatstadt Rosehaven. Das Anwesen der Familie Williams, Shelter Gardens, öffnet einmal jährlich seine Pforten für die ...

Mags Blake hat ihr Hobby zum Beruf gemacht, sie gestaltet und pflegt Gärten in ihrer Heimatstadt Rosehaven. Das Anwesen der Familie Williams, Shelter Gardens, öffnet einmal jährlich seine Pforten für die Öffentlichkeit, und da Mags die Anlage sehr gut kennt, wird sie gebeten, die Besucher durch die Gärten zu führen. Dabei fällt ihr im Hortensiengarten auf, dass einige Blüten rosa statt blau blühen - das lässt Mags keine Ruhe und sie gräbt an der Stelle, nachdem sich die letzten Besucher verabschiedet haben. Sie findet dort die Überreste von Thomas Williams Verlobter, die vor einigen Jahren zeitgleich mit dem Familienschmuck verschwunden ist.

Für mich muss ein spannender Mordfall nicht zwangsläufig vor Blut triefen, und detailliert beschriebenes Gemetzel muss auch nicht immer sein. Für Häkelkrimis bin ich also jederzeit zu haben, und den Begriff meine ich keinesfalls abwertend, sondern einfach nur als Abgrenzung von Krimis, bei denen es deutlich härter zur Sache geht.

Mary Ann Fox ist hier ein ausgewogener Mix gelungen: ein geheimnisvoller "Cold Case" in stimmungsvollem Setting, bevölkert von schrullig-sympathischen Figuren, die man als Leser sehr gerne begleitet.

Die Gärtnerei ist für mich persönlich nicht gerade ein Steckenpferd, mangels Talent kann ich auch die robustesten Pflanzen in die Knie zwingen, und ich habe auch keine große Freude an der Gartenarbeit selbst. Aber wenn man Mags, die auch ohne Ausbildung eine passionierte Gärtnerin ist, so über die Schulter schaut, kann sogar ich verstehen, wie erfüllend dieses Hobby (oder in Mags' Fall: dieser Beruf) sein kann.

Der Mordfall selbst steht trotzdem an erster Stelle, Mags wird eigentlich wider Willen viel tiefer in die Ermittlungen verstrickt, als es ihr recht ist. Ich tappte selbst lange im Dunkeln, und konnte mich nicht recht entscheiden, welcher Kandidat der wahrscheinlichste Täter ist, es blieb also bis zum Schluss spannend.

Leider konnte ich keine Informationen dazu finden, ob Mary Ann Fox eine Reihe plant, aber das Potenzial dazu wäre meiner Meinung nach auf jeden Fall vorhanden - ich würde sehr gerne für einen neuen Mord wieder in das beschauliche Dörfchen Rosehaven zurückkehren.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Der Mörder ist nicht immer der Gärtner, denn manchmal ist die Gärtnerin auch der Hobby-Detektiv!