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Veröffentlicht am 30.05.2018

Ménage à trois

The Wife Between Us
1

Vanessa wurde von ihrem Mann Richard verlassen - das sorgenfreie Luxusleben mit teurer Designerkleidung, einem schicken Haus in der Vorstadt und den edelsten Weinen im Keller musste sie durch einen Verkäuferinnenjob ...

Vanessa wurde von ihrem Mann Richard verlassen - das sorgenfreie Luxusleben mit teurer Designerkleidung, einem schicken Haus in der Vorstadt und den edelsten Weinen im Keller musste sie durch einen Verkäuferinnenjob bei Saks, das Gästezimmer ihrer Tante und günstigen Fusel aus dem Laden an der Ecke ersetzen. Sie wird nur noch getrieben von einem Gedanken: Richard darf seine ehemalige Geliebte und jetzige Verlobte nicht heiraten!
Nellie schwebt auf Wolke sieben - ihr Prinz, der gutaussehende, erfolgreiche und fürsorgliche Richard, hat ihr einen Antrag gemacht, und ihre gemeinsame Zukunft sieht rosig aus. Nellie wird ihren schlecht bezahlten Job als Erzieherin an den Nagel hängen und mit Richard schnellstmöglich eine Familie gründen. Gäbe es nur nicht ständig diese beunruhigenden nächtlichen Anrufe und verstörenden kleinen Pannen bei der Hochzeitsvorbereitung...

Es ist enorm schwierig, etwas über dieses Buch zu schreiben, ohne der Handlung zu weit vorzugreifen, um den hoffentlich zahlreichen zukünftigen Lesern von The Wife Between Us nicht versehentlich das Lesevergnügen zu schmälern - daher werde ich mich kurz fassen.

Meiner Meinung nach hätte man das Buch auch gut und gerne auf dem Cover als "Psychothriller" bezeichnen können, statt einfach nur als "Roman". Denn eigentlich ist es genau das, es geht um eine richtig verwickelte Dreiecksbeziehung, in deren Zentrum derjenige steht, der selbst nie zu Wort kommt: Richard Thompson, erfolgreicher Hedgefonds-Manager, frisch geschieden, aber auch frisch verliebt. Als Nellies Freundin und Mitbewohnerin Sam auf Seite 14 zum ersten Mal die Frage: "Schon mal auf die Idee gekommen, dass er zu gut ist, um wahr zu sein?" aufwirft, setzte sie sich in meinem Hinterkopf fest, und der Gedanke: "Was stimmt nicht mit dem perfekten Richard, warum ist seine erste Ehe so grandios gescheitert?" ließ mich bis zum großen Finale nicht mehr los.

Wer nach dem Motto "Viele Köche verderben den Brei" Büchern skeptisch gegenübersteht, die von mehreren Autoren verfasst wurden, kann bei diesem Buch dennoch bedenkenlos zugreifen, denn wie auch immer Sarah Pekkanen und Greer Hendricks sich die Arbeit an ihrem Roman aufgeteilt haben - das Endergebnis wirkt absolut rund und wie aus einem Guss. Wüsste man es nicht, käme man nie auf die Idee, dass hier zwei Autorinnen die Hände im Spiel hatten.

Das Buch hat mich von der ersten Zeile an gefesselt, und ich denke, wer Freude an Domestic Suspense hat, kann hier nichts falschmachen, denn ein vollkommen unvorhersehbarer Plot garantiert spannende Lesestunden.
The Wife Between Us ist mein bisheriges Jahreshighlight - und was immer mich im zweiten Halbjahr noch erwartet, es wird schwer sein, diesen Titel wieder vom Thron zu stoßen.

Veröffentlicht am 09.04.2018

Was lauert hinter der perfekten Fassade?

Sterben sollst Du nah bei mir - Best Day Ever
1

Seit zehn Jahren sind Mia und Paul verheiratet: Er ist erfolgreich in der Werbebranche, während sie die beiden Söhne und das Heim hütet - eine glückliche Familie wie aus dem Bilderbuch.
Ein romantischer ...

Seit zehn Jahren sind Mia und Paul verheiratet: Er ist erfolgreich in der Werbebranche, während sie die beiden Söhne und das Heim hütet - eine glückliche Familie wie aus dem Bilderbuch.
Ein romantischer Ausflug zu ihrem Ferienhaus am Eriesee, von Paul geplant und perfekt organisiert, soll der beste Tag von allen für Mia werden. Doch bereits während der Fahrt laufen Pauls Pläne ein wenig aus dem Ruder, was ist nur mit Mia los? Will sie etwa seinen perfekten Tag ruinieren?

Dieser Thriller beschäftigt sich laut Klappentext mit der Frage: Wie gut kennen wir die Menschen, die uns am nächsten stehen, wirklich? Da ich gerade ein Buch mit einer ähnlichen Thematik beendet hatte ("Im Dunkel deiner Seele" von George Harrar), das exakt dieses Thema wenig gut umgesetzt hatte, reizte es mich, mit "Best Day Ever" einen direkten Vergleich anzustellen. Und tatsächlich bin ich bei diesem Buch fündig geworden: auch wenn die Ausgangssituation eine völlig andere ist, ist das Grundthema dasselbe. Und hier wurden meine Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern sogar übertroffen.

Alleine der Aufbau sorgt schon für viel Spannung, vor jedem Kapitel steht eine Uhrzeit, wodurch man den "besten Tag" in Echtzeit verfolgt, angefangen beim morgendlichen Aufbruchschaos bis hin zum nächtlichen Finale.
Kaira Rouda überraschte mich zum ersten Mal bereits mit der Wahl der Erzählperspektive. Ich hatte eigentlich erwartet, dass die Dinge aus Mias Sicht geschildert werden, doch man erlebt alles aus Pauls Blickwinkel. Als Ich-Erzähler gewährt er direkten Einblick in seine Gedankenwelt, und in Pauls Kopf ist es wirklich mehr als unheimlich, was schon auf den ersten Seiten deutlich wird. Oft denkt er an prägende Ereignisse in seinem Leben zurück und ebenso oft hat man Zweifel, ob sich die Dinge wirklich so zugetragen haben, wie er es schildert - und manchmal stellt sich im späteren Verlauf auch heraus, dass man mit diesem Bauchgefühl goldrichtig lag. Wie Frank Underwood in "House of Cards" durchbricht Paul ab und an die vierte Wand und wendet sich mit einer rhetorischen Frage oder einer Feststellung direkt an den Leser. Auf den ersten Blick mag das in einem Buch noch seltsamer wirken als in einem Film, doch hier passte es extrem gut zu dem ungewöhnlichen Protagonisten und sorgte für Gänsehautmomente - ich hatte das Gefühl, dass nicht nur ich zu Gast in Pauls Kopf bin, sondern er auch in meinem.

Wer Filme wie "Eine verhängnisvolle Affaire", Bücher wie "Girl on The Train" von Paula Hawkins oder "Die stille Frau" von A. S. A. Harrison mag, wird "Best Day Ever" lieben.
Ich werde bei diesem Buch sogar eine Ausnahme von der Regel, dass ich Thriller nur einmal lese, machen: Ich denke, wenn man den Ausgang schon kennt, werden einige kleine Details, die man in der ersten Runde schlicht überlesen hat, ein völlig neues Gewicht bekommen.

Veröffentlicht am 25.03.2018

Eine Seefahrt, die ist lustig...

Woman in Cabin 10
1

...heißt es in einem alten Volkslied. Leider stimmt das nicht immer, wie Lo Blacklock erfahren muss. Sie ist Reisejournalistin und darf mit anderen Pressekollegen an der Jungfernfahrt der "Aurora Borealis" ...

...heißt es in einem alten Volkslied. Leider stimmt das nicht immer, wie Lo Blacklock erfahren muss. Sie ist Reisejournalistin und darf mit anderen Pressekollegen an der Jungfernfahrt der "Aurora Borealis" teilnehmen, einem kleinen, aber feinen Luxusschiff für superreiche Gäste. An Bord gibt es nur zehn Kabinen, und am ersten Abend lernt Lo die Bewohnerin der benachbarten Nummer 10 kennen. Während der ersten Nacht wird sie Zeugin, wie ihre Nachbarin über Bord geworfen wird, woraufhin Lo sofort den Sicherheitschef des Schiffs informiert. Doch angeblich stand die Nachbarkabine leer, und tatsächlich weist nichts auf die junge Frau hin, die Lo mit eigenen Augen wenige Stunden zuvor noch dort gesehen hat... Hat Lo sich tatsächlich alles nur eingebildet?

Woman in Cabin 10 war für mich das erste Buch der Autorin Ruth Ware, das mich aber auf Anhieb völlig überzeugt hat - umso mehr freue ich mich jetzt auf ihren Debütroman Im dunklen, dunklen Wald, der schon seit einiger Zeit in meinem Regal darauf wartet, endlich gelesen zu werden.

Es hätte mir gut gefallen, wenn auf dem Cover "Psychothriller" statt einfach nur "Thriller" gestanden hätte, denn genau das bekommt man. Die Spannung baut sich eher langsam und unterschwellig auf, denn Lo ist eine Ich-Erzählerin, der man als Leser nicht uneingeschränkt über den Weg traut. Sie hat einen etwas schwierigen Charakter, wirkt manchmal regelrecht neurotisch, und auch ihr Alkoholkonsum ist des Öfteren auf einem bedenklich hohen Niveau - was sie natürlich auch zu einer etwas anstrengenden Protagonistin macht. Obwohl ich sie manchmal packen und schütteln wollte, mochte ich Lo und habe extrem mit ihr mitgefiebert.

Ruth Ware überrascht mit einigen Wendungen, die man unmöglich voraussehen kann, und der Aufbau sorgt dafür, dass der Spannungsbogen konstant hoch bleibt. Das Buch ist in acht Teile, die jeweils mehrere Kapitel umfassen, unterteilt. Die einzelnen Teile schließen mit einem Ausblick, der wenige Tage in die Zukunft reicht, ab. Das sind zum Beispiel Facebook-Chats, E-Mails, Zeitungsartikel und so weiter, die sich jeweils um Lo drehen, und die mich förmlich durch das Buch hetzen ließen, weil ich unbedingt wissen musste, wie es für sie weitergeht.

Zwei der auf dem Buch abgedruckten Pressestimmen ziehen Parallelen zu Agatha Christie, und bereits bevor ich sie gelesen hatte, fühlte mich an Und dann gab's keines mehr und an Tod auf dem Nil erinnert - nicht weil der Verlauf der Handlung sich ähneln würde, sondern weil das Setting ähnlich furchteinflößend und ausweglos erscheint.

Wer gerne Thriller liest, die ohne großes Blutvergießen auskommen, aber Spannung und Suchtfaktor mitbringen, für den ist Woman in Cabin 10 sicher kein Fehlgriff - schlüssige, glaubhafte Auflösung inklusive.

Veröffentlicht am 05.03.2018

Filmriss mit Folgen

Während du schläfst
1

Stell dir vor, du gehst abends auf ein Glas Wein zu deinem Nachbarn. Am nächsten Morgen erwachst du völlig desorientiert in seinem Bett - neben seiner Leiche. Von der letzten Nacht weißt du nichts mehr, ...

Stell dir vor, du gehst abends auf ein Glas Wein zu deinem Nachbarn. Am nächsten Morgen erwachst du völlig desorientiert in seinem Bett - neben seiner Leiche. Von der letzten Nacht weißt du nichts mehr, aber du bist dir sicher, dass du ihn nicht getötet hast...

Dieses Horrorszenario widerfährt Tara, der Ich-Erzählerin aus Während du schläfst. Was macht man in einer solchen Situation? Tara ist sich einerseits sicher, dass sie nichts mit Lees Tod zu tun hat, und andererseits sogar, dass sie nicht mal mit ihm geschlafen hat, obwohl alle Indizien dagegen sprechen. Ihre Ehe ist zur Zeit alles andere als glücklich, aber dennoch würde sie ihren Mann niemals betrügen. Oder doch?

Ich würde dieses Buch eigentlich eher ins Genre Psychothriller einsortieren, denn die Spannung lebt zum allergrößten Teil nicht von der Mörderjagd, sondern von der extrem schrägen Situation in Taras Familie. Tara und ihr Mann Noah waren für ein Jahr getrennt, und es gab in dieser Zeit eine andere Frau. Noah kehrte zwar reumütig zu Frau und Kindern zurück, aber das heißt noch lange nicht, dass zwischen ihm und Tara eitel Sonnenschein herrscht. Die siebzehnjährige Tochter Rosie hat aufgrund der Trennung ihrer Eltern selbst ein paar Probleme entwickelt, sie ist eine notorische Lügnerin und hat Probleme, ihre Beziehungen zu Gleichaltrigen richtig einzuordnen. Nur der elfjährige Spencer scheint ein ganz normales, pflegeleichtes Kind zu sein, das aufgrund der Turbulenzen in der Familie aber leider immer an letzter Stelle steht, weil Dramaqueen Rosie alle Aufmerksamkeit der Eltern auf sich zieht. Als Rosie sogar in den Fokus der polizeilichen Ermittlungen rückt, spitzt sich die Situation für Tara gefährlich zu, wie lange kann sie noch geheim halten, dass sie die Mordnacht in Lees Haus verbracht hat?

Für mich machte den besonderen Reiz des Buches aus, dass man alle Geschehnisse aus Taras Perspektive wahrnimmt, und so einen sehr eindimensionalen Blick auf die Handlung und die Figuren hat. Tara ist beispielsweise ihrer Tochter Rosie gegenüber völlig naiv, obwohl sie eigentlich am besten wissen sollte, dass ihre Tochter dazu neigt, ihre Lügengeschichten mit einem beherzten: "Du musst mir das glauben!" zu untermauern, vertraut sie ihr immer wieder, wohingegen ich als Leser grundsätzlich jeden Satz Rosies von Anfang an in Frage gestellt habe. Tara betont immer wieder, wie wichtig Ehrlichkeit ist, und dass einem jedes Geheimnis immer wieder auf die Füße fallen wird, hält sich jedoch selbst nicht an ihre Devise, weil sie ebenfalls ständig Dinge vor ihrer Familie und der Polizei verheimlicht.

Ich fand das Buch insgesamt sehr spannend und fesselnd, und habe auch nicht lange gebraucht, um es zu Ende zu lesen. Die Auflösung war für mich zwar überraschend, aber nachdem die Hintergründe aufgedeckt wurden, war sie völlig nachvollziehbar (also nicht an den Haaren herbeigezogen) und schlüssig.
Daher kann ich Während du schläfst allen Fans von Thrillern mit hoher psychologischer Komponente nahelegen. Wer lieber einem toughen Ermittler bei der Mörderjagd über die Schulter schaut, ist hier aber wahrscheinlich an der falschen Adresse, denn die Spannung ergibt sich ausschließlich aus den komplexen Beziehungen zwischen den einzelnen Figuren.

Veröffentlicht am 28.02.2018

King-Klassiker

The Stand - Das letzte Gefecht
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USA, 1990: Eine Grippe-Pandemie hat 99% der Menschheit innerhalb weniger Wochen dahingerafft. Die Überlebenden im entvölkerten Nordamerika scharen sich um zwei charismatische Führer, wie sie unterschiedlicher ...

USA, 1990: Eine Grippe-Pandemie hat 99% der Menschheit innerhalb weniger Wochen dahingerafft. Die Überlebenden im entvölkerten Nordamerika scharen sich um zwei charismatische Führer, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.

Viele Worte muss man zum Inhalt dieses Buches nicht verlieren, der dürfte den meisten Interessierten bekannt sein. Ich bin schon seit früher Jugend ein Fan von Stephen Kings Büchern, aber es gibt trotzdem vereinzelte ältere Werke, die ich bisher noch nicht gelesen habe, was ich allerdings in nächster Zeit nachholen möchte. The Stand gehörte zu dieser Handvoll Bücher, und obwohl es schon immer in der Urfassung in meinem Regal steht, habe ich es erst jetzt gelesen. Ich muss ehrlich zugeben, dass mich zum einen allein der Umfang ein wenig abgeschreckt hat, und zum anderen die Tatsache, dass das Buch in mittlerweile drei verschiedenen Versionen erschienen ist, und man gar nicht mehr so richtig durchblickt, zu welcher Fassung man denn nun am besten greifen sollte.

Die erwähnte Ausgabe in meinem Regal umfasst etwa 1000 Seiten und spielt im Jahr 1980, die neueste Fassung bringt es in der Taschenbuchausgabe auf ganze 1700 (!) Seiten, und spielt zehn Jahre später, also im Jahr 1990. Nach einigen Internet-Recherchen habe ich mich dazu entschlossen, die noch dickere, aber vollständige Version zu lesen, die im Jahr der Ersterscheinung nicht so extrem gekürzt wurde, um die Handlung zu straffen und das Buch dadurch besser zu machen, sondern alleine aus drucktechnischen Gründen. Da es King offensichtlich ein Anliegen war, die überarbeitete Urversion seines Buches zugänglich zu machen, wollte ich auch die vollständige Fassung lesen.

Wenn man King-Fans nach ihrem Lieblingsbuch des Meisters befragt, wird The Stand neben ES eigentlich am häufigsten genannt, daher war ich sehr gespannt, wie es mir wohl gefallen wird. Leider muss ich zugeben, dass es mich zu Beginn nicht sonderlich vom Hocker gehauen hat, weil mir der Weg zum "letzten Gefecht" schon sehr weit vorkam, und durch die nur sparsam dosierten Perspektivwechsel zwischen den beiden rivalisierenden Gruppen nicht allzu viel Spannung aufgebaut wird. Ich habe bei King-Büchern normalerweise immer das Gefühl, dass ich etwas völlig neues, noch nie Dagewesenes lese, in diesem Fall allerdings hatte ich eher den Eindruck, eine Story vor der Nase zu haben, die ich schon diverse Male in abgewandelter Form gelesen oder gesehen habe.
Daher musste ich irgendwann, so etwa in der Mitte des Buchs, einfach mal einen Schritt zurücktreten und über diesen Eindruck nachdenken - und mir in Erinnerung rufen, dass das Buch bereits im Jahr 1978 zum ersten Mal veröffentlich wurde. 1978, das heißt also ganze siebzehn Jahre vor dem Film Outbreak - Lautlose Killer aus dem Jahr 1995, und wahrscheinlich mindestens dreißig Jahre vor der großen Dystopie-Welle in Filmen und Büchern. Im Jahr 1978 war das Thema mit Sicherheit neu, frisch und furchterregend - und natürlich brauchte es da auch mal die ein oder andere ausführliche Erklärung - beispielsweise über die Wege, wie sich der Virus so schnell verbreiten konnte.

Ein weiterer Kritikpunkt meinerseits ist leider die Überarbeitung. Die erste Version spielte eine kurze Zeit in der Zukunft, und bei der ersten Veröffentlichung der überarbeiteten Fassung wollte man das beibehalten, weswegen die Handlung kurzerhand ins Jahr 1990 verlegt wurde. Leider haben sich dadurch ein paar Anachronismen eingeschlichen: Eine Überlebende hat beispielsweise panische Angst vor randalierenden und plündernden Hippies. Hippies? 1990? Da wären vielleicht Punks glaubhafter gewesen. Irgendwann macht sich jemand Gedanken, ob die Seuche wohl auch hinter dem Eisernen Vorhang zugeschlagen hat - hier konnten wohl die geschichtlichen Ereignisse Ende 1989 nicht mehr rechtzeitig vor der Veröffentlichung berücksichtigt werden.

Insgesamt konnte The Stand für mich persönlich ES als Lieblings-King zwar nicht ablösen, aber letztendlich hat es mich dann trotz einiger Längen im Mittelteil überzeugt. Schon alleine durch die Überschneidungen zum Dunklen Turm hat sich das Lesen für mich gelohnt, auch wenn es mir persönlich besser gefallen hätte, die Handlung weiterhin im Jahr 1980 zu belassen. Irgendwann werde ich auch noch die Urfassung lesen, weil mich sehr interessiert, welche Passagen ursprünglich als verzichtbar gestrichen wurden - vielleicht stellt sich da heraus, ob weniger in dem Fall vielleicht tatsächlich mehr gewesen wäre.