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Veröffentlicht am 08.11.2017

High-Fantasy um die welkende Weltenesche und zürnende Götter

Ein Reif von Eisen
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"Die Königschroniken" - Band 1 (Ein Reif von Eisen) von Stephan M. Rother erschien im Rowohlt Polaris-Verlag (2017, brosch.); sehr hilfreich beim Einstieg in dieses erste Werk der geplanten Trilogie ist ...

"Die Königschroniken" - Band 1 (Ein Reif von Eisen) von Stephan M. Rother erschien im Rowohlt Polaris-Verlag (2017, brosch.); sehr hilfreich beim Einstieg in dieses erste Werk der geplanten Trilogie ist das Personenregister am Romanende und für Kartenliebhaber hat mir die entsprechende Karte der Länder, in denen die Fantasy angesiedelt ist, sehr gut gefallen. Ein Augenschmaus und haptisch sehr gelungen ist überdies das sehr ansprechende Cover, das einen Hauptprotagonisten darstellt, um dessen welkende Blätter sich das Geschehen der Trilogie drehen wird: Die Esche.

"Im Kaiserreich der Esche herrscht Unruhe. Die Blätter des heiligen Baumes beginnen zu welken - ein Machtwechsel steht kurz bevor. Stammesfürst Morwa sucht in der düsteren Zeit die Völker des Nordens unter seinem Banner zu einen. Nur einen Stamm gilt es noch zu besiegen. Eile ist geboten, er spürt sein Ende nahen. Einzig die Kräfte einer geheimnisvollen Sklavin erkaufen ihm diese letzte Frist. Doch welchen seiner Söhne soll er den Reif des Anführers anvertrauen? Die falsche Entscheidung könnte die Welt in Dunkelheit stürzen.
Zur selben Zeit will die junge Leyken aus dem Oasenvolk des Südens einen Schwur erfüllen: Sie begibt sich auf die Suche nach ihrer Schwester Ildris und fällt dabei in die Hände von Söldnern. Kurz darauf findet sie sich in der kaiserlichen Rabenstadt im Netz höfischer Intrigen wieder.
In der längsten und kältesten Nacht des Jahres spitzen sich die Ereignisse zu, das Schicksal der Welt liegt in den Händen dreier Frauen: Ildris, die ein Geheimnis mit sich trägt, der ehrgeizigen Leyken und Morwas unehelicher Tochter Sölva. Kann eine von ihnen das Land aus der Dunkelheit führen?"
(Quelle: Buchrückentext)

Meine Meinung:

Wie aus dem Inhalt des fantastischen Geschehens bereits hervorgeht, spielen in diesem High-Fantasy-Roman, der den Beginn der geplanten Trilogie beinhaltet (ET beider Nachfolgebände 2018 bei Rowohlt Polaris) drei Frauen eine sehr wichtige Rolle, deren außerordentliche und magische Fähigkeiten ans Tageslicht kommen und das Geschick der Völker bestimmen: Des Nordens mit Morwa, einem kränkelnden Anführer, der es jedoch schaffte, die Völker des Nordens bis auf einen Stamm zu einen, bevor er einen seiner Söhne zu seinem Nachfolger bestimmen wird und so manche Schlacht geschlagen hat; der Wüsten- und Oasenvölker des Südens, denen Leyken und Ildris entstammen sowie den freien Städten wie Carcosa, in denen Pol, eine Schlüsselfigur des Romans, lebt bis hin zum Kaiserreich und der Rabenstadt, wo Leyken eine wichtige Aufgabe zu erfüllen hat und einen Weg finden muss, ins Innere der Esche zu gelangen, wo sie ihre entführte Schwester Ildris vermutet, deren Spur sie verfolgt...

Der Roman ist aus immerwährendem Perspektivwechsel sowie Szenenwechseln beschrieben und erhält im Verlaufe der Handlung immer mehr Struktur, da sich die Ereignisse um Sölva, Morwa, Leyken und Ildris wie auch Pols abwechseln und weiterentwickeln: Zum Einen ist nicht zu übersehen, dass der Autor aus der historischen Fraktion stammt, da einiges am Setting ans Mittelalter angelehnt erscheint, zum Anderen aber trifft der Leser (wie bei Stephan M. Rother nicht anders zu erwarten war ;) auf hochkarätige, geschliffene und sprachlich sehr versierte Fabulier- und Erzählkunst: Die detaillierten Beschreibungen gar eines Münzsäckleins am Gewand einer Goldschmiedegattin, auf das es Pol abgesehen hat, ist nur ein Beispiel hierfür. Auch die Vergangenheit Pols im verrufen Viertel der Stadt, der "Rattensteige" mitsamt des Wirtshauses "Drachenfuther": Speyhs unt Trankh" belegt die humoristische Seite des fantasiebegabten Autors und ist gar köstlich zu lesen ;)

Die Nordlande, die Rabenstadt, die Wüste und ihre Bewohner sind sehr detailreich und brillant beschrieben, so dass man sich als Leser ein Bild schaffen kann, das einen in diese Fantasywelt entführt. Besonders gefiel mir die Beschreibung der Esche, die ob ihrer welkenden Blätter eine zentrale Bedeutung einnimmt: Laut der Prophezeiung steht ein Krieg bevor und die "alten Götter zürnen": Hier gibt es durchaus Parallelen zur realen Welt, wenn es etwa heißt: "Die Sommer werden heißer, die Winter werden kälter" oder auch laut dem Prediger Fra Théus, der dem Blutgerüst entkam (....) "Die Welt gleicht einem Rad, das seine Spur verloren hat" (Zitat S. 274). Etwas später richtet er weitere kritische Worte an Pol: "(....) kein Tier aber raubt so viel wie der Mensch. So viel mehr, als er benötigt" (Zitat S. 281/82). Auf Pol, dem eine wichtige Schlüsselrolle zukommt, liegt wahrlich eine schwere Bürde....
Ob er dieser Rolle entsprechen kann, ist in diesem "entrée" nicht zu klären, der erste Band der Trilogie lässt viele Fragen offen und endet mit einem Cliffhanger, den ich mir etwas anders gewünscht hätte.

Fazit:

Für High-Fantasy-Fans (mit etwas Geduld, der zweite und dritte Band der Trilogie erscheinen erst 2018), die jedoch wissen möchten, wie es mit Sölva, Leyken, Ildris und Pol sowie Morwa und seinen Söhnen im Norden weitergeht, sei dieser Roman gerne weiterempfohlen: Sprachlich anspruchsvoll, grandios geschrieben, atmosphärisch und mit starken Frauen in den Hauptrollen, die über magische Kräfte verfügen und die für die Geschicke der Völker äußerst wichtig sind, hatte ich nach langer Zeit der Abstinenz im Genre Fantasy durchaus unterhaltsame Lesestunden und vergebe 4 * und 87° auf der "Phantastik-Couch."

Veröffentlicht am 23.10.2017

Hochkarätiger Thriller-Auftakt!

Oxen. Das erste Opfer
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"Oxen - Das erste Opfer" des dänischen Autors Jens Henrik Jensen ist der Auftakt-Thriller der geplanten Trilogie um Niels Oxen, ein hochdekorierter dänischer Elite-Soldat, der seine außergewöhnliche Tapferkeit ...

"Oxen - Das erste Opfer" des dänischen Autors Jens Henrik Jensen ist der Auftakt-Thriller der geplanten Trilogie um Niels Oxen, ein hochdekorierter dänischer Elite-Soldat, der seine außergewöhnliche Tapferkeit in den Kriegen im Balkan (1993 und 1995) sowie in Afghanistan unter Beweis stellte, jedoch schwer traumatisiert zurückkehrt und 2010 aus dem militärischen Dienst ausscheidet, um mit seinem Hund, Mr. White, in den Wäldern des nördlichen Dänemark seinen inneren Dämonen ("die 7") zu entkommen und in Ruhe im Wald zu leben.

Doch das Gegenteil passiert, nachdem er bei einem nächtlichen Ausflug zum Schloß Norlund zum Hauptverdächtigen in einem Mordfall verstrickt wird: Der dänische Ex-Botschafter Corfitzen, der auch Gründer eines Thinktanks ist und ein Consilium führt, ist auf seinem Schloss zu Tode gefoltert worden. Nachdem die örtliche Kriminalpolizei mit Kommissar Grube eingeschaltet wird, rückt auch der Inlandsgeheimdienst (PET) mit Axel Mossman und Rytter an der Spitze, an, um Oxen zu befragen. Verwahrlost und mittellos, seines treuen Gefährten beraubt, trifft Oxen die Entscheidung, auf Anfrage Mossmans 'undercover' zur Klärung des Falles beizutragen; wie sich herausstellt, war Corfitzen nicht das erste Opfer....

Des großen Risikos ist sich Oxen mehr als bewusst, zumal sein Einsatz eher inoffiziellen Charakter hat und so lotet er aus, ob er mit Margrethe Franck, mit der er - wenn auch aus anderem Hintergrund - sein Schicksal teilt, kooperieren und ihr vertrauen kann. Etwa ab der Mitte des Thrillers treten kurz Menschen in Erscheinung, die mit den Morden zu tun haben könnten, da das Motiv jedoch lange Zeit unklar bleibt, steigert dies die ohnehin auf hohem Level fixierte Spannung: Der Mörder verfolgt einen großen Plan und das Katz- und Mausspiel mit Oxen, der sich stets im Fadenkreuz der Gefahr befindet, kehrt nach langer Zeit im Wald mehr und mehr in menschliche Gefilde, aber auch Abgründe zurück, auch wenn ihn seine "7" Dämonen des Nächtens immer wieder besuchen und ihn nicht loslassen. Schließlich stellt sich heraus, dass Spuren zum "Danehof", einem Machtinstrument mächtiger Männer Dänemarks aus dem Mittelalter (dessen historische Existenz verbürgt ist), hinweist und dass der Danehof nicht im 18. Jahrhundert aufhörte, zu existieren....
In fulminantem Tempo liest sich dieser spannungsgeladene Thriller, dessen Hauptprotagonist Oxen mit seiner sensibel gezeichneten PTBS mir sehr sympathisch war, da er weder als Superheld noch als völlig psychisch kranker Ex-Elite-Soldat dargestellt wurde, sondern authentisch. Es ist ein sehr gut und flüssig sowie inhaltlich stimmig und nachdenklich machender Thriller, der durch sein hohes Spannungsniveau seinesgleichen sucht und m.E. zurecht in die gleich Reihe neben Stieg Larsson zurecht bestehen kann. Die Themen sind brisant, da es um Geheimbünde geht, "Gauklermächte" und die eigentlichen Strippenzieher, die die Geschicke eines jeden Landes lenken. Jensen schafft es, ohne blutrünstige Szenen und brutale Gewalt auszukommen, stattdessen setzt er auf Doppelspiele und Intrigen; dies ist im hervorragend gelungen. Mit großer Sensibilität stellt er gleichfalls Oxen selbst dar, mit all seinen Traumatisierungsproblemen, die sehr authentisch beleuchtet werden und man sich fragt, wieviele Oxen's bereits auf dieser Welt vertreten sind, was mich persönlich auch betroffen macht, da sich grausame Kriegserlebnisse in jede Menschenseele brennen - und ihn zuweilen nie mehr im Leben loslassen. Sehr zwielichtig und undurchsichtig ist für mich der Chef des PET, Axel Mossman und da dieser Oxen in das schier undurchschaubare Machtspiel hievte, dem gnadenlos Menschen zum Opfer fallen, die entweder zu neugierig oder auch zu alt sind, war mir Mossman sehr suspekt. An Tierfreunde (besonders Hundehaltern) sei eine Warnung vorausgeschickt, dass das Morden immer als Warnung auch dem betreffenden Opfer gilt - jedoch scheint mir dies nicht sehr unrealistisch und machte deutlich, wie besonders in Spanien mit Hunden umgegangen wird.... - Diese auch kritischen Punkte des Thrillers fand ich durchaus herausstellenswert.

Fazit:

Ein hochspannender, fulminanter Auftakt der Trilogie um den traumatisierten Ex-Elitesoldaten Niels Oxen, der sich unbedingt für Thrillerfans lohnt, zu lesen! Von mir eine absolute Thrillerempfehlung, der ein pageturner ist und sprachlich wie inhaltlich in derselben Liga spielt wie die Trilogie von Stieg Larsson - daher von mir 5 * und 98° auf der "Krimi-Couch"!

Veröffentlicht am 22.10.2017

Der weiße Regenschirm

Pawlowa
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Mr. B - der Hauptprotagonist dieses zauberhaften Romans von Brian Sewell, treibt Mitleid und seine große Tierliebe an, der kleinen Eselin auf der Straße von Peschawar/Pakistan zu helfen, die - noch viel ...

Mr. B - der Hauptprotagonist dieses zauberhaften Romans von Brian Sewell, treibt Mitleid und seine große Tierliebe an, der kleinen Eselin auf der Straße von Peschawar/Pakistan zu helfen, die - noch viel zu jung zum Lasten schleppen - unter selbigen fast zusammenzubrechen droht. So springt er aus dem Auto, in dem er mit einer Filmcrew auf dem Weg zum Flughafen saß - und rettet Pawlowa, wie er die kleine Eselin fortan nennt....

Der Roman beschreibt nun die Reise der beiden über Landwege von Pakistan nach England, da ein Flug ausgeschlossen werden muss, wobei die beiden viel erleben und wobei es naturgemäß zum einen viel zu erzählen gibt und zum zweiten die Freundschaft zwischen Mr. B und Pawlowa unaufhaltsam auf der gemeinsamen Reise wächst. Die Stationen des Weges auf dem Weg nach London sind von Persien bzw. das heutige Iran, Isfahan, Täbris, die Türkei, Griechenland, Deutschland, Frankreich und schließlich die Fähre nach England...

Mr. B ist ein sympathischer englischer Gentleman, der immer seinen großen weißen Schirm dabei hat, der beide vor zu viel Sonne schützt und hier auch ein Symbol für den Schutz ist, dessen Menschen und besonders Tiere auf dieser Welt zuweilen bedürfen. Mr. B mag antike Geschichte, Literatur, Gedichte, alte und wertvolle Teppiche und mit seinem 'white umbrella' ist er bereits von Weitem als Engländer zu erkennen, der nicht gerade arm ist, auch wenn das Rechnen ihm nicht liegt.
Besonders aber mag Mr. B Alexander den Großen und so beinhaltet der Roman ganz nebenbei auch eine Exkursion zur Geschichte der Menschheit, die sich auf der Reise der beiden (und durch Mr. B's zahlreiche früheren Reisen) auf wundersame Weise vor dem Leser entfaltet. Immer wieder finden die beiden Helfer, die sie im Lastwagen oder anderem Gefährt mitzunehmen bereit sind und ihn auch mal bis zur Grenze begleiten, um eine sichere Passage zu gewährleisten. Gegen Ende des Romans begegnet Mr. B (und der Leser) einem alten Rolls Royce Silver Shadow, der von Hector, einem britischen Buchhändler und Antiquar gefahren wird, der Mr. B und Pawlowa 'aufliest'. Hector hat zwar nicht viel übrig für die Menschheit, für "eine Eselin in Not" jedoch sehr viel ;)

So machen die drei noch einen Ausflug durch die Kunstgeschichte, die Reise durch Deutschland und Frankreich gleicht einer Gourmet-Reise und es gelingt ihnen, Pawlowa an der Quarantäne-Falle für ungeimpfte Tiere vorbeizuschmuggeln, als sie die Fähre nach England besteigen. Viele Jahre sollte die tiefe Freundschaft zwischen allen, besonders aber zwischen Mr. B und Pawlowa, die von den Hunden und Mrs. B ebenfalls ins Herz geschlossen wurde, fortbestehen...

Fazit:

Ein sehr berührender, herzerwärmender Roman über die Kraft der Freundschaft, zuweilen mit märchenhaften, aber immer auch sehr menschlichen Zügen. Die Reise von Mr. B und der Eselin Pawlowa, die er nicht ihrem (sicher aussichtslosen) Schicksal in Peschawar überlassen konnte, zeugt von großer Tierliebe und Respekt anderen Geschöpfen gegenüber, die man dem Autor nachsagt, an denen es aber vielen Menschen mangelt. Die zauberhaften Illustrationen von Sally Ann Lasson verstärken auf ihre Weise das (Lesereisen) Erlebnis und man wünscht sich einfach nur, es möge mehr dieser "Mr. B's" geben - mit einem großen weißen Schirm und einem Esel, der sich dankbar an ihn schmiegt.
Eine absolute Leseempfehlung von mir mit 5* und einen Dank an die Übersetzerin Claudia Feldmann und den Insel-Verlag!

Veröffentlicht am 22.10.2017

Teufelskatz und das fliegende Spaghettimonster

Teufelskatz
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Der Prolog des Nachfolgers von "Saukatz" - "Teufelskatz und das fliegende Spaghettimonster (FSM) startet mit einem Mord an einem ehemaligen Priester, der Kommissar Steinböck und seine Katze Frau Merkel ...

Der Prolog des Nachfolgers von "Saukatz" - "Teufelskatz und das fliegende Spaghettimonster (FSM) startet mit einem Mord an einem ehemaligen Priester, der Kommissar Steinböck und seine Katze Frau Merkel direkt in die Niederungen der katholischen Kirche führt. Anhand eines Briefes versuchen Steinböck und sein Team, alten Spuren des Mordes und der Vertuschung nachzugehen und diese aufzudecken.

Erstmals lese ich von Pastafaris und dem FSM sowie den Anhängern dieser nudeligen Anti-Religions-Bewegung. Auch trifft man neben dem humorig-kauzigen Steinböck, der seinen Käfer liebt und selbstgedrehte Zigaretten, und natürlich "der Katz", mit der Steinböck witzige Dialoge führt, auch Ilona Hasleitner und Emil Mayer wieder, die das Ermittlungsteam bilden.

In Rückblenden wird das Thema Missbrauch von Kindern (hier in einer kirchlichen Einrichtung, einem Internat) in den 1970er Jahren zur Sprache gebracht, um dessen Aufklärung es geht: Was hat Franz Gruber, der ermordet aufgefunden wird, gewusst - was nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war und unter den ehrenwerten Kirchenteppich gekehrt wurde?

Das Miträtseln und Mitpuzzlen macht viel Spaß - der "Club der Pädaphilen" hingegen gar nicht: Der Hintergrund dieses Regionalkrimis, der wiederum in München spielt, hat einen sehr realen gesellschaftlichen Bezug, der bis ins Internet reicht (das sog. Dark-net). Steinböck, der gemütlich und dennoch geniale Ermittler sucht dem Urheber des Verbrechens auf die Schliche zu kommen, wobei sein Team ebenfalls eine gute Figur macht, allen voran Frau Merkel, die sich auch von kirchlichem Glanz und Pop nicht beeindruckt zeigt, wohl aber von dem FSM, mit dem es ernsthafte Diskussionen führt.

Verstreut hat der Autor kleine "Schlingen" ausgeworfen, die später noch ihre Bedeutung haben sollen und möglichst nicht zu überlesen sind: Der spannende und teils urige Kriminalroman ist gut zu lesen, die bayrische Mentalität des lieber Weißwurst als Sushi-essenden, aber ewig zu spät in die Kantine kommenden Kommissar Steinböcks ist gut getroffen. Zum Schluss geht es noch um sehr viel Geld, eine Entführung und die Realität zur Thematik wird trotz grantelndem "Homo Münchensus" Rechnung getragen, etwa in der Erklärung des Kollegen von der Sitte, der Steinböck aufklärt: "Wir versuchen derzeit, die Zuhälter von den Auffanglagern fernzuhalten" (Zitat). Letztendlich gibt es einen showdown im Kommissariat und der Täter wird enttarnt, absehbar war die Lösung jedoch nicht unbedingt.

Fazit:

Ein schöner Biergartenausklang (mit der Katz im Baum) rundet den lesenswerten, teils humorigen München-Krimi mit Steinböck und "der Katz" wunderbar ab. Der Fall ist gelöst und trotz aller skurrilen Einlagen hat sich Kaspar Panizza dennoch nicht von der Ernsthaftigkeit und Ungeheuerlichkeit des Themas Missbrauch von Kindern entfernt. Für interessante, spannende Lesestunden mit einem urigen Ermittlerteam gibt es von mir eine Leseempfehlung und 4* sowie 90° auf der "Krimi-Couch".

Veröffentlicht am 16.10.2017

Der Jasmingarten

Der Jasmingarten
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Sizilien, Anfang des 20. Jahrhunderts:

Ignazio Marra, Anwalt und Anhänger der Sozialisten, war befreundet mit dem Vater von Giosuè, der bei einem Aufstand und hinterhältigen brutalen Niederschlag der ...

Sizilien, Anfang des 20. Jahrhunderts:

Ignazio Marra, Anwalt und Anhänger der Sozialisten, war befreundet mit dem Vater von Giosuè, der bei einem Aufstand und hinterhältigen brutalen Niederschlag der Regierung sein Leben verlor und Giosuè hinterließ: Ignazio kümmerte sich nach dem Tod des Freundes um den Jungen und so wuchsen Maria, die Tochter des Anwalts und Giosuè zusammen auf. Sie verband eine enge Freundschaft, die ein Leben lang halten sollte...
Pietro Sala, der aus einer mächtigen Familie Siziliens stammt, ein Lebemann mit Sinn für alles Schöne, verliebt sich in die noch sehr junge Maria, hält um ihre Hand an - und heiratet sie schließlich.
Der Kontakt zu Giosuè, der Maria helfen möchte, sich für die Lehrerinnenprüfung vorzubereiten, reißt jedoch nicht ab und Giosuè ist fortan ein enger Freund der Familie....

So beginnt dieser Roman, der ein Gesellschaftsporträt der sizilianischen Gesellschaft ist, deren normale Bürger von Armut geprägt war und es ein großes Gefälle zwischen Aristokraten, Minenbesitzern wie den Salas und der armen Bevölkerung gab, die ob der schlechten Arbeitsbedingungen in jungen Jahren nicht selten auswanderten. Frauen wie Maria, die "nach oben" heirateten, waren dennoch oftmals schlecht gestellt und ohne Absicherung durch den Ehemann. In diesem Falle jedoch war der Schwiegervater Vito Sala gut beraten, die tatkräftige und kluge Maria trotz ihres jungen Alters in die Geschäfte einzuweihen und sie ob der Glücksspielsucht Pietros in die Verwaltung einzuführen: Sie sollte später diese leiten, um das Vermögen ihrer Kinder Anna, Vito und - viel später Rita - zu sichern, während Pietro eine Leibrente zustand.

"Der Jasmingarten" liest sich wie ein Einblick in die Welt einer wohlhabenden sizilianischen Familie, die ihr Erbe sichern will und trotz unruhiger Zeiten (der erste wie auch der zweite Weltkrieg stehen noch bevor) ein relativ gutes Leben führt; in Palazzi wohnt und durch den Besitz der Schwefelminen reich wurde. Allerdings zahlen die "Carusi", halbwüchsige Kinder, die den Hauern unterstehen und meist keine 30 Jahre alt werden, da sie unter erbärmlichsten Bedingungen unter Tage arbeiten, einen hohen Preis für diese Art von Reichtum und Wohlstand.

Der Autorin gelingt es anhand von gut recherchierten politischen Fakten, das Sizilien - und Italien von etwa 1900 bis 1950 vor den Augen des Lesers wiederauferstehen zu lassen, indem sie ein facettenreiches und farbiges wie auch politisches Bild Italiens malt, das sowohl das Erstarken der Mafia, das Elend des Südens und der Reichtum des Nordens wie auch die Zeit Mussolinis beschreibt.

In all diese Beschreibungen und politischen Umbrüche spielt die Beziehung und die große Liebe zwischen Maria und Giosuè jedoch die bedeutendste Rolle - sie besteht selbst in Kriegswirren und ist unbezwingbar, teils auch sehr sinnlich beschrieben. Maria war durch ihre Klugheit, ihr soziales Engagement und ihre starke Empathie eine Sympathieträgerin für mich, Giosuè empfand ich als widersprüchlich - da er anfangs, in einem sozialistischen Haushalt aufgewachsen, ebenfalls sozialistische Meinungen vertrat, später jedoch "mit dem Faschismus (Mussolinis) zufrieden war" (Zitat), dieser Gesinnungswandel passte nicht, zumal er jüdischer Herkunft war und es in Italien niemanden entgehen konnte, was sich in Deutschland in diesen Jahren ereignete. So wird der aufkeimende Antisemitismus, der auch in Italien jüdische Familien zur Emigration bewegt, nicht ausgespart. Auch mit innerfamiliären Streitigkeiten seitens der Schwägerinnen, die Maria ihr Erbe des Schwiegervaters nicht gönnen, fließen immer wieder thematisch mit ein, ein sicher sehr realer Hintergrund.

Wer diesen Gesellschafts- und Liebesroman interessiert liest, kann eine ganze Menge über die italienische Geschichte lernen: Die Expansionspolitik Mussolinis, die dem Faschismus in Deutschland nicht nachstand, z..B. In den Kriegswirren wird es jedoch für die Liebenden zunehmend schwieriger, sich zu sehen, wenn Maria auch inzwischen Witwe ist. Der Roman endet in den späten 1940er Jahren und die Liebe zwischen Maria und Giosuè, wie auch zu den inzwischen erwachsenen Kindern besteht fort...

Der Schreibstil der Autorin ist flüssig, atmosphärisch und gut zu lesen; die 49 Romankapitel sind angenehm kurz gehalten und die Sinnlichkeit und Farbenpracht, der Ausdruck von Freude und Schmerz haben ihren angestammten Platz, der den Leser in die Palazzi des beginnenden 20. Jahrhunderts zu entführen vermag, leider fiel es mir dennoch etwas schwer, eine Beziehung zu den Hauptprotagonisten aufzubauen: Ich nahm sie recht distanziert wahr, mit Ausnahme von Maria.

Fazit:

Ich schließe mich gerne der Aussage an, dass dieser Roman der in Italien sehr bekannten Autorin "ein farbiges Gesellschaftsepos und (gleichzeitig) die Geschichte einer unbezwingbaren Liebe" zwischen Maria und Giosuè ist, die in all' ihren Facetten, sinnlich, voller Freude und auch Schmerzen beschrieben wird. Jedoch steht diese große Liebe für mich zu sehr im Vordergrund und ich hätte mir mehr historische und auch soziologische Einblicke in andere Gesellschaftsschichten Italiens gewünscht; hier liegt der Blickwinkel sehr in der Perspektive der "Palazzi", dem Hause Sala u.a., deren Reichtum auf den Besitz und der Unterhaltung der Schwefelminen zurückzuführen ist. Meine Wertung: 3,5 * und 87° auf der "Histo-Couch"