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Veröffentlicht am 11.03.2023

Sehr komplex, genial und bitte schnell mehr!

Wer die Hölle kennt
1

Vielen lieben Dank an Knaur Fantasy für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Ahhhh, ich kann mir ...

Vielen lieben Dank an Knaur Fantasy für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Ahhhh, ich kann mir dieses Cover einfach nicht lange ansehen, es ist so schrecklich! xD
Allerdings ist das in diesem Fall ausnahmsweise ein Kompliment, denn genau diesen Effekt soll dieses hässliche Kaninchen hinter dem Titel natürlich haben. Es ist einfach nicht schön, aber es passt wunderbar gut zur Stimmung des Buches und auch zum Inhalt. Ohne zu viel zu verraten, kann ich sagen, dass das Kaninchen wie die Schlange im ersten Band hier eine Bedeutung haben wird, die einem jedoch erst mit fortlaufender Handlung klar wird.
Aus genau diesem Grund finde ich es auch super, dass der deutsche Verlag die Originalcover übernehmen konnte. Das deutsche Cover finde ich trotzdem noch ein bisschen „schöner“ (soweit man hier von schön reden kann, haha), einfach aufgrund der Prägung.
Im Buch ist außerdem eine Karte von Yale abgedruckt, die ich mir vor dem Lesen erst einmal gefühlt eine halbe Stunde angesehen habe. Die hätte ich im ersten Band gebraucht, da war ich völlig verloren auf dem Campus! Aber ich bin natürlich froh, dass sie wenigstens in der Fortsetzung einen Platz im Buch gefunden hat, besser spät als nie. ;D


Meine Meinung:
Nachdem ich in den ersten zwei Dritteln vom Auftakt enorme Startschwierigkeiten aufgrund der Komplexität und der sehr langatmigen Erzählweise Bardugos hatte, hat mich das letzte Drittel und vor allem das Ende von „Das Neunte Haus“ völlig umgehauen, und ich war extrem froh, dass ich „Wer die Hölle kennt“ bereits parat hatte. Der letzte Satz aus dem Auftakt hat nämlich nicht nur mich, sondern auch meine Buddyreadpartnerin Sophia (@wordworld.books, Shoutout ♥) sprachlos zurückgelassen! War also klar, dass wir uns nahezu direkt im Anschluss der Fortsetzung widmen mussten.

Diese setzt dann auch ziemlich genau da an, wo Band eins aufhört: Bei Alex´ und Dawes´ Suche nach einem Weg in die Hölle, um Darlington zu befreien.
Wie auch schon „Das Neunte Haus“ setzt „Wer die Hölle kennt“ dabei ganz in Leigh-Bardugo-Manier nicht auf wilde, epische Kampfszenen und große Emotionalität, sondern auf einen ruhigeren, aber nicht minder mitreißenden Erzählstil. Die Alex-Stern-Reihe besticht dabei mit Krimielementen, Verschwörungstheorien und Mythen über Yale und andere Rätsel der Welt, die Bardugo so raffiniert in ihre Geschichte einbaut, dass man nur staunen kann und nicht umhinkommt, sich zu fragen, ob diese Parallelgesellschaft der Acht Häuser und Lethe, die mit Macht spielt, die sie nicht haben sollte, nicht doch unter uns existiert, ob es diese Form der Magie, Dämonen und die Hölle nicht tatsächlich gibt. Man muss sich zwar auch in der Fortsetzung der Reihe sehr stark konzentrieren, damit man nicht den roten Faden verliert und auch wirklich alle Informationen mitnimmt, die später noch relevant werden können – und wie man Leigh Bardugo kennt, werden sie das definitiv! Allerdings ist diese Leistung, die das Buch vom Leser fordert, nicht annähernd so zermürbend wie im Auftakt. Das liegt aber wohl mehr daran, dass man sich jetzt besser in der Welt von Yale und Lethe zurechtfindet, als dass „Wer die Hölle kennt“ weniger kompliziert und verworren ist. Das ist es nämlich immer noch, aber dieses Mal, wie man es von der Autorin auch kennt, auf die gute Art! Man versucht, das Genie Bardugo zu durchschauen und irgendwie vorherzusehen, was wohl als nächstes kommen mag; man stellt eigene Theorien auf, verdächtigt erst einmal jede Figur und hat Ideen, wie Alex und Dawes es zu einer Lösung schaffen könnten, nur um immer wieder aufs Neue festzustellen, dass man einfach nicht ansatzweise so schlau ist wie die Autorin, die es wirklich jedes Mal schafft, einen hinters Licht zu führen.


Trotzdem – und vor allem das ist der Grund, weshalb ich Leigh Bardugo zu meinen größten LieblingsautorInnen zähle, und zwar auch wenn ich nicht alle ihre Bücher mit der vollen Punktzahl bewerten würde – läuft am Ende auch hier wieder alles zusammen. Nahezu die Hinweise und Finten, die sie dem Leser im Laufe der Handlung stellt, die Fragen die sie aufwirft und selbst die scheinbar unwichtigsten Details bekommen schließlich eine Bedeutung, es macht alles zu 100 % Sinn, man wird auf jeden Fall für sein Durchhaltevermögen belohnt und man fragt sich zuletzt, wie man nicht selbst darauf kommen konnte, da das ja doch alles einfach logisch ist.
Selbst die kleinsten, unscheinbarsten Aussagen, die ich über das Geschehen schon längst wieder vergessen habe, greift die Autorin irgendwann auf und verleiht ihnen innerhalb der Handlung eine enorme Bedeutung, mit der man so niemals gerechnet hätte. Es verblüfft mich bei Bardugos Werken immer wieder aufs Neue, wie sie es schafft, über so hochkomplexe Geschichten den Überblick zu behalten und nichts zu vergessen oder sich selbst nicht zu widersprechen. Ich kann mich vor ihrem Genie einfach nur verneigen!



So viel also zu meiner Lobeshymne auf die Autorin.
Darüber hinaus hat „Wer die Hölle kennt“ aber auch neben dem komplexen, genialen Worldbuilding viel, was von sich überzeugt, allen voran die Figuren.
Während ich mir sehr gut vorstellen kann, dass man mit Alex vor allem im ersten Band so seine Schwierigkeiten haben wird, da sie eben nicht die typische Heldin ist, sondern eher opportunistisch, moralisch grau und noch dazu emotional unnahbar, distanziert, fand ich sie schon früh klasse, auch wenn sie selbst bei mir ein wenig Zeit gebraucht hat, damit ich zu ihr einen Draht aufbauen und mich in sie hineinversetzen konnte. In „Wer die Hölle kennt“ merkt man dann aber so richtig, wie stark sie sich im Laufe der Zeit, vor allem verglichen mit ihren Anfängen bei Lethe, weiterentwickelt hat. Sie lernt, mit ihren Schwächen umzugehen und vor allem, sich auf andere Menschen einzulassen und sich ihnen zu öffnen.

Dabei fand ich es besonders schön, wie sich ihre Beziehung zu Dawes entwickelt, und vor allem, wie man merkt, dass die beiden voneinander lernen und sich gegenseitig helfen, zu wachsen, aufzublühen und zu noch beeindruckenderen Persönlichkeiten zu werden. Alex lernt dabei von Dawes, dass es auch in Ordnung ist, anderen mal eine weichere Seite zu zeigen, während Dawes immer besser darin wird, sich zu behaupten und für sich selbst, aber auch für ihre Freunde einzustehen und stark zu machen.

Das macht beide zu noch lebensnäheren Figuren, als sie ohnehin schon sind. Leigh versteht es super, ihre Figuren sich einerseits eigenständig und realistisch entwickeln zu lassen, und dabei aber andererseits auch nicht außer Acht zu lassen, wie der zwischenmenschliche Kontakt und die Beziehungen zu anderen Figuren sie ebenso formen und beeinflussen. Dieses fundamentale Verständnis, das die Autorin also für ihre Geschichte hat, greift also auch auf ihre Figuren über, was dem Ganzen Leben und Realismus gibt und das Buch so zu einem Tor in eine andere Welt macht. Das ist schlicht und einfach großartiges Storytelling, mit dem nicht Viele in der Weise mithalten können!

Ebenso bemerkenswert ist, wie sie es geschafft hat, Darlington mindestens genauso viel Leben einzuhauchen wie Alex und Dawes, obwohl er die beiden über den Großteil der Handlung nur mittelbar durch Erinnerungen und Erzählungen über ihn begleitet – er selbst sitzt in der Hölle fest und außer ein paar wenigen Begegnungen hier und da, bei denen auch nicht viel geredet wird, hat er keine aktive Rolle im Geschehen. Dennoch ist er genauso greifbar wie die anderen Figuren, er wächst einem ebenso ans Herz wie Alex und Dawes, und seine Beziehung zu den beiden ist nicht weniger spürbar und lebendig, wie die anderen Beziehungen in „Wer die Hölle kennt“.
Einer passiven Figur wie Darlington derart Leben einzuhauchen, dass man mit ihr genauso mitfiebert wie mit den Protagonisten, ist sicherlich kein leichtes Unterfangen und zeigt wieder einmal das fundamentale Verständnis, das Leigh Bardugo von ihrer Geschichte und ihren Figuren hat. Auf die Gefahr hin, dass ich mich hier nur wiederhole: Ich ziehe meinen Hut vor ihr!

„‚Galaxy Stern‘, sagte Darlington, und seine Augen leuchteten golden auf, ‚ich rufe schon die ganze Zeit nach dir.“ (S. 246/576)


Alles – berechtigte! – Lob einmal beiseite: Ich habe auch ein kleines bisschen an der Geschichte auszusetzen, wobei zumindest der eine der beiden Kritikpunkte mehr auf einem Gefühl als auf einem bestimmten Aspekt am Buch beruht.
Zum einen hat mich nämlich im Mittelteil ganz kurz der Klammergriff der Geschichte verlassen, zum anderen fand ich die Auflösung zum Schluss im Vergleich zur restlichen Handlung eher schwach und underwhelming. Anders als „Das Neunte Haus“ beginnt „Wer die Hölle kennt“ zwar unheimlich stark, kann die meiste Zeit das Niveau auch halten und der große Showdown gegen Ende ist so genial, dass man sich kaum lösen kann.
Zwischendurch hatte ich allerdings kurz das Gefühl, dass die Handlung ein wenig auf der Stelle tritt – was aber ehrlicherweise vielleicht auch dessen geschuldet ist, dass ich generell gerade viel um die Ohren habe und bei einem Buch, das so viel Input liefert, zwischendurch bestimmt auch mal unbewusst abschalte. Wie stark die Handlung im Mittelteil also tatsächlich stagniert und wie viel meines Gefühls auf meinem Stress beruht, kann ich daher gar nicht wirklich sagen, weshalb sich, um dem Buch gegenüber fair zu bleiben, dieser Aspekt nicht allzu stark auf meine Endbewertung ausgewirkt hat.

Viel „enttäuschter“ war ich demgegenüber von der Auflösung am Ende – wobei enttäuscht hier auch noch zu negativ für das ist, was ich tatsächlich gegenüber dem Ende empfinde. Es ist immer noch stark, es macht Sinn und beeindruckt hinsichtlich der Details, die hier alle zusammenlaufen, und macht vor allem unfassbar neugierig auf den dritten Band.
Im Vergleich zum Rest fühlte sich das Ende allerdings fast schon zu eilig, zu wenig ausgereift an – das über Leigh Bardugo zu schreiben, fühlt sich fast schon an wie Blasphemie, als ob sie jemals etwas nicht ausreifen lässt!!! Seht diesen Kritikpunkt also bitte in Relation zu allem, was ich vorher über die Autorin geschrieben habe, haha.
Insbesondere aber das Zusammentreffen von Alex und Darlington war mir schlicht zu wenig. Zwar fällt Leigh Bardugo auch in ihren anderen Werken damit auf, dass sie mehr zwischen den Zeilen sagt als ausdrücklich (bestes Beispiel dafür ist „Rule of Wolves“ mit Zoyalai), und genau das liebe ich eigentlich auch an ihrem Schreibstil. Dadurch, dass man sich selbst zusammenreimt, was eigentlich gesagt wird, bekommt alles noch mehr Gewicht, noch mehr Bedeutung, und wirkt so noch viel intensiver, als hätte sie das, was sie sagen möchte, ausformuliert.
Bei allem, was Alex und Darlington jedoch bisher erlebt haben, wie sie vorher miteinander interagiert haben, und wie sie übereinander denken und füreinander fühlen, war es mir hier doch auch zwischen den Zeilen nicht genug, zu unterkühlt und zu wenig entsprechend dem, wie sie sich bis zu dem Punkt einzeln und miteinander entwickelt haben. Ich werde das jetzt nicht weiter ausführen, weil ich natürlich nicht spoilern möchte, deshalb nur noch ein Satz: Im Vergleich zu dem, was ich die beiden Bücher zuvor gelesen habe, habe ich da einfach mehr erwartet.
Deshalb bin ich nicht ganz so begeistert aus „Wer die Hölle kennt“ gegangen, wie ich es gewollt hätte, und deshalb gibt es auch nicht die volle Punktzahl.

Dennoch bin ich nach wie vor begeistert von der Genialität, die Leigh Bardugo mal wieder unter Beweis gestellt hat, und ich freue mich unglaublich auf die Fortsetzung und auch auf die Amazon-Serie! Das wird großartig, glaube ich.


Bonus: Ich möchte an dieser Stelle einmal das leuchtende Etwas positiv hervorheben, dass hier überraschend oft erwähnt wird, und das ich für die Geschichte zwar für wenig relevant halte, das mich aber durchweg mit großer Freude erfüllt hat, höhö. IYKYK


Fazit:
Die „Alex Stern“-Reihe ist definitiv keine leichte Kost, was vor allem an der Komplexität der ganzen Geschichte liegt. Wenn man zu Anfang von „Das Neunte Haus“ Schwierigkeiten hat, in die Handlung zu finden, kann ich an dieser Stelle nur sagen: Verstehe ich, aber durchhalten lohnt sich! Bereits im Auftakt bahnt sich an, dass man mit dieser Reihe wieder Beeindruckendes, Bahnbrechendes von Leigh Bardugo aufgetischt bekommt, und in „Wer die Hölle kennt“ bestätigt sich das Ganze nur. Ich könnte meine seitenlange Lobeshymne auf das Genie der Autorin ewig fortführen, aber hier nur ein Satz: Wenn man glaubt, sie und ihre Geschichte durchschaut zu haben, ist man auf dem Holzweg, so schlau kann man nämlich gar nicht sein.
Dazu kommen liebenswerte, lebensechte Figuren, die mit jeder Seite greifbarer werden und mehr ans Herz wachsen, selbst wenn sie in der Handlung nur mittelbar vorkommen, und ein Ende, bei dem man fast schon böse darüber ist, dass sich die Autorin aktuell auf zwei Filmsets befindet und deshalb vermutlich gerade nicht so viel Zeit hat, um an der Fortsetzung zu arbeiten.
Lediglich im Mittelteil bin ich beim Lesen gedanklich dann doch kurz abgeschweift (was aber sicher auch mit meinem momentanen Stress zusammenhängt), und die Auflösung am Ende hat mich im Vergleich zu allem, was man vorher liest, doch enttäuscht, daher gibt es insgesamt einen Punkt Abzug. Das muss man aber natürlich in Relation zu der Genialität Bardugos sehen, denn „Wer die Hölle kennt“ befindet sich trotz allem auf absolut höchstem Niveau!
4/5 Lesehasen.

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Veröffentlicht am 15.02.2023

Lebendige Figuren, gefühlvolle Erzählung und traumhaftes Setting

With you I heal
1

Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine ehrliche Meinung wird davon selbstverständlich nicht beeinflusst.

Aufmachung:
Wie auch schon bei den beiden ...

Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine ehrliche Meinung wird davon selbstverständlich nicht beeinflusst.

Aufmachung:
Wie auch schon bei den beiden Vorgängerbänden kann ich die Gestaltung von „With You I Heal“ nur loben! ♥
Ich liebe das hoffnungsvolle Orange, die durchscheinenden Blütenblätter, die an eine Tulpe erinnern, und den weißen geschwungenen Titel darüber. Ein tolles Detail sind dazu die goldglitzernden Sprengsel um den Titel herum, die den Gesamteindruck abrunden und das Buch zu einem wahren Hingucker machen.
In der vorderen Innenklappe findet man wieder ein zu den Protagonisten und Belmont Bay passendes Moodboard mit dem Zitat „Liebe kann nichts heilen. Wir können uns nicht gegenseitig helfen. Aber wir können füreinander da sein. Und ich werde für dich da sein.“, was die Stimmung und die Thematik des Buches gut widerspiegelt.


Meine Meinung:
Bereits der erste Band hat mir ja sehr gut gefallen und nach dem zweiten Band war ich überzeugt davon, dass er nicht getoppt werden könnte – und dann kam „With You I Heal“!
Schon auf den ersten Seiten habe ich gemerkt, dass dieses Buch etwas ganz Besonderes sein, dass es mich tief berühren würde, auch wenn inhaltlich da vielleicht noch gar nicht so viel passiert ist.

Das liegt einfach an dem wunderschönen, leichten und romantischen Schreibstil der Autorin, mit dem sie nicht nur die träumerische Kleinstadtstimmung von Belmont Bay perfekt einfängt, sondern auch mit Leichtigkeit immer den richtigen Ton für ihre Protagonisten trifft.
Man merkt schnell, dass sowohl Arin als auch Sophia schwere Päckchen zu tragen haben, wobei man ja zumindest Arin bereits ein wenig aus den Vorgängerbänden kennt. Aber auch Sophias Last wird einem schnell klar, und auch wenn natürlich noch nicht absehbar ist, wohin die Reise der beiden führen wird oder wie ihre gemeinsame Vergangenheit ausgesehen haben mag, fühlt man doch bereits sehr früh, dass einen die Schicksale der beiden Protagonisten sehr mitnehmen werden.


Ich bin eigentlich kein besonders großer Fan von Second Chance-Romances (sie können mich oft einfach nicht begeistern), spürt man hier doch sehr stark das Feuer zwischen Sophia und Arin und sieht die Funken regelrecht sprühen. Das liegt an der hervorragenden Chemie zwischen den beiden Protagonisten, die nicht nur für sich genommen großartig geschriebene Figuren sind, sondern sich auch zusammen super ergänzen und einander helfen, zu heilen, zu lernen und zu wachsen, und zwar ohne voneinander abhängig zu werden. An dieser Stelle fällt dann auch auf, dass der Titel einfach perfekt auf Sophias und Arins Geschichte passt!
Die Rückblenden, die die gegenwärtige Handlung zwischendurch unterbrechen, allerdings ohne zu stark aus dem Kontext zu reißen, zeigen, wie stark sich Arin und Sophia nicht nur in den inzwischen vergangenen Jahren verändert haben, sondern auch wie sehr sie im Laufe der Handlung wachsen und sich entwickeln.
Kurz gesagt: Die Protagonisten sind einfach ausgezeichnet ausgereifte Figuren!

„Kompliziert. Das trifft es. Zwischen uns ist alles kompliziert, alles voller Funken und voller Angst vor den heißen Flammen, die uns am Ende nur noch mehr Schmerz bereiten – aber manchmal kann Feuer auch etwas Gutes sein, oder? Etwas, das einen wärmt, einem Kraft gibt und all den kitschigen Scheiß, den Shakespeare noch über Liebe schreibt. Wenn ich an Liebe glaube, dann nur, weil es Sophia gibt.“ (S. 153/384)


Neben Sophia und Arin können aber auch die Nebenfiguren hier wieder sehr begeistern! Gerade in so mehrbändigen Romance-Reihen, bei denen es in jedem Band um ein anderes Paar geht, finde ich es immer sehr schade, wenn auf die Protagonisten der früheren Bände kaum noch Bezug genommen wird – dann brauche ich auch keine Reihe, sondern kann einfach Einzelbände lesen.
Justine Pust integriert aber auch hier wieder alle bereits bekannten Figuren in die Handlung, wobei ich es in diesem Fall besonders bemerkenswert finde, wie bunt alle Nebenfiguren selbst neben den beiden ebenso lebendigen Protagonisten sind. Auch wenn es hier primär natürlich um Sophia und Arin geht, nehmen vor allem Sophias Großvater, der alte Bennett, die beiden Rain-Schwestern, Chris und Conner viel Raum in der Handlung ein – jedoch ohne, dass der Fokus auf den Haupthandlungsstrang verlorengeht. Dabei haben vor allem Chris und Conner, aber auch Mia eine gemeinsame Vergangenheit mit Arin, von der man in den Vorgängerbänden (insbesondere „With You I Dream“) bereits ein wenig erfährt, und die nun weiter ausgebaut wird. Man bekommt durch Arins Perspektive noch einmal einen ganz anderen Blick auf das Geschehene, und sein Heilungsweg hilft auch den anderen Figuren bei ihrer Heilung und Entwicklung. Das hat die Autorin hier sehr schön gemacht, finde ich. Die ehemaligen Protagonisten sind hier zwar „nur“ Nebenfiguren, aber dadurch stagnieren ihre Charaktere nicht, sondern werden im Gegenteil nur noch lebendiger.

Vor allem jegliche Handlung rund um den alten Bennett hat mir hier sehr gefallen. Während man die anderen genannten Figuren ja bereits ein wenig kennt, ist einem Bennett bisher nur als etwas grummeliger alter Mann, der am Waldrand wohnt, über den Weg gelaufen. Dadurch, dass er Sophias Großvater ist und sie bei ihm wohnt, lernt man aber natürlich viel mehr Seiten an ihm kennen und er wächst einem schnell sehr ans Herz.
Ein bisschen Sehr traurig bin ich allerdings darüber, dass Chris jetzt gar nicht seine eigene Geschichte bekommen hat, die hätte ich soooo gerne gelesen!!!


Zuletzt kann ich auch den sehr sensiblen Umgang der Autorin mit den ernsten Themen der Drogensucht, HIV, Stigmatisierung, Traumata verschiedener Art sowie Missbrauch loben. Beim Lesen merkt man anhand der erforderlichen Gründlichkeit, mit der Justine Pust da herangeht, dass sie sich ausführlich damit befasst und gut recherchiert hat. Es handelt sich um schwere, bedrückende Themen, aber trotzdem zieht einen das Buch nicht herunter, eher im Gegenteil. Nicht nur durch das traumhafte Kleinstadtsetting ist auch „With You I Heal“ ein wunderschöner Wohlfühlroman, sondern vor allem auch wegen der Wahrhaftigkeit, mit der die Autorin über Sophias und Arins Leben erzählt. Sie schafft es, die Balance zwischen Ernsthaftigkeit und Leichtigkeit, zwischen dunklen und fröhlichen Momenten, zwischen Trauer und Romantik zu halten, und dadurch wird „With You I Heal“ echt.

„‚Eine der unglaublichsten Sachen am Leben ist, dass es immer weitergeht. Egal, wie schlimm es aussieht und wie verzweifelt man ist. Es geht weiter. Bis zu unserem letzten Tag haben wir die Chance weiterzumachen.‘“ (S. 242/384)


Fazit:
„With You I Heal“ ist ein wunderschöner Abschluss der „Belmont Bay“-Trilogie, der mich sogar noch stärker berühren konnte als die beiden Vorgängerbände – ich habe zum Schluss doch einige Tränchen verdrückt!
Die Autorin spricht wieder einmal ernste Themen auf besonders sensible Art an und schafft es dabei, die Balance zwischen dunklen und fröhlichen Momenten zu halten, sodass „With You I Heal“ trotz teilweise sehr schweren Situationen niemals herunterzieht, sondern stattdessen bewegt und mitfühlen lässt.
Zusammen mit den beiden vielschichtigen Protagonisten, den lebendigen Nebenfiguren, die man alle bereits aus den Vorgängern kennt und die hier noch weiter entwickelt werden, sowie dem traumhaften Setting Belmont Bays erhält man hier ein großartiges Highlight, das ich nur weiterempfehlen kann!
Ich hätte jetzt aber trotzdem gerne noch Chris‘ Geschichte, bitte.
5/5 Lesehasen.

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Veröffentlicht am 11.02.2023

Sehr vorhersehbar und oberflächlich, aber dafür nicht weniger unterhaltsam

Boston Belles - Sparrow
1

Vielen lieben Dank an NetGalley und den Lyx-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine ehrliche Meinung wird davon selbstverständlich nicht beeinflusst.

Meine Meinung:
Aus der „Boston ...

Vielen lieben Dank an NetGalley und den Lyx-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine ehrliche Meinung wird davon selbstverständlich nicht beeinflusst.

Meine Meinung:
Aus der „Boston Belles“-Reihe habe ich bisher nur „Monster“ gelesen, in dem es um Sam geht, den Ziehsohn von Troy und Sparrow. Bereits da fand ich die Dynamik zwischen den beiden sehr spannend, als ich dann also gesehen habe, dass es über sie ein Prequel geben wird, habe ich es mir direkt vorgemerkt.

Im Nachhinein ist „Sparrow“ sehr ähnlich zu „Monster“, was den Aufbau der Geschichte und die Vorhersehbarkeit angeht: Unabhängig davon, dass man durch „Monster“ natürlich schon weiß, wie es für Troy und Sparrow enden wird, ist bereits zu Beginn der Geschichte glasklar, wie sich die beiden Protagonisten und ihre Beziehung zueinander entwickeln wird.
Dass man also nur wenig überrascht wird, hat mich hier allerdings gar nicht gestört, denn den Anspruch stellt L. J. Shen gar nicht.

Wie in allen ihren Werken geht es hier nämlich um die beiden Figuren und ihre toxische Beziehung, und natürlich um Sex. Shens Geschichten sind also vielleicht nicht besonders tiefgründig, aber sie versteht es, lebensnahe und vielschichtige Protagonisten zu schaffen, die in einer dunklen, gefährlichen Welt überleben müssen. Genau das macht den Reiz aus und das hat mich auch an „Sparrow“ wieder begeistern können.

Ihr Schreibstil ist dabei genauso leicht, sodass man die 431 Seiten mit Leichtigkeit innerhalb kürzester Zeit lesen kann, und trotz der Vorhersehbarkeit und Oberflächlichkeit gefesselt ist.
Ein wenig enttäuscht war ich über Troys großes Geheimnis, aus dem er Sparrow geheiratet hat, obwohl er sie offensichtlich kaum leiden kann und vor allem Anfangs keinen Hehl daraus macht, dass er sie nicht einmal hübsch findet. Ich habe etwas Riesiges erwartet angesichts dessen, wie das Ganze aufgebauscht wurde, aber letztlich hat es sich dann doch als „Kleinigkeit“ herausgestellt, die nicht nur ebenso vorhersehbar war wie der Rest der Geschichte, sondern auch regelrecht underwhelming war, sodass ich mich gefragt habe: „Das war´s jetzt?“.
In Betracht dessen, dass aber, wie gesagt, auch das restliche Buch nicht besonders anspruchsvoll ist, fällt das hier nicht besonders negativ ins Gewicht.

Gut gefallen hat mir wie immer die Charakterisierung der Protagonisten, und dass beide, obwohl Sparrow machttechnisch durchaus am deutlich kürzeren Hebel sitzt, starke Persönlichkeiten sind, die füreinander gleichermaßen gut wie schlecht sind. Man merkt wieder einmal deutlich, dass der Grundstein der Beziehung der beiden kein stabiler ist und ihre Beziehung ganz eindeutig nicht gesund oder erstrebenswert – Sparrow wird regelrecht an Troy verkauft –, aber Shen romantisiert nichts daran. „Sparrow“ ist in der Hinsicht einfach unterhaltend.


Fazit:
Wie schon bei anderen Werken stellt L. J. Shen auch bei „Sparrow“ nicht den Anspruch, besonders tiefschürfend oder romantisch zu sein. Stattdessen ist die Vorgeschichte der „Boston Belles“-Reihe sowohl genauso toxisch als auch vorhersehbar wie „Monster“, in dem es um Troys und Sparrows Ziehsohn Sam geht. Was ich bei anderen Büchern negativ anmerken würde, stört hier allerdings gar nicht, da es der Autorin offensichtlich eben gerade nicht darum geht, dem Leser eine herzzerreißende Geschichte zwischen zwei Liebenden zu präsentieren, sondern eine toxische Beziehung zweier kaputter Protagonisten in einer ebenso kaputten Welt zu porträtieren, und das schafft sie.
4/5 Lesehasen.

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Veröffentlicht am 11.02.2023

Gute Idee, aber insgesamt zu oberflächlich

Das verborgene Zimmer von Thornhill Hall
1

Vielen lieben Dank an NetGalley und den Ueberreuter-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!
Meine ehrliche Meinung wird davon selbstverständlich nicht beeinflusst.

Meine Meinung:
„Das verborgene ...

Vielen lieben Dank an NetGalley und den Ueberreuter-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!
Meine ehrliche Meinung wird davon selbstverständlich nicht beeinflusst.

Meine Meinung:
„Das verborgene Zimmer von Thornhill Hall“ ist mein erstes Buch des Autors, ich bin also mit einer eher neutralen Erwartungshaltung an das Buch herangegangen. Im Nachhinein ist das dem Buch wohl auch zugutegekommen, denn ich kann mir vorstellen, dass ich ansonsten unter Umständen enttäuscht gewesen wäre – ehrlicherweise liegt das aber gar nicht mal unbedingt am Buch selbst, sondern vielmehr daran, dass ich mittlerweile vermutlich zu alt für den Inhalt bin. Vor 10 Jahren hätte mir „Das verborgene Zimmer von Thornhill Hall“ nämlich bestimmt super gefallen!

Das liegt vor allem an dem jugendlichen Schreibstil des Autors, der sehr authentisch wirkt und gut zu dem 16-jährigen Protagonisten Colin passt. Colin selbst handelt genau so, wie man es von einem 16-Jährigen erwartet: Impulsiv, ein wenig unbesonnen, aber trotzdem darauf bedacht, das richtige zu tun, auch wenn er oft nicht genau weiß, was das eigentlich ist. Gleichzeitig ist er für sein Alter sehr reif, sodass auch ich keine Schwierigkeiten hatte, mich in ihn hineinzuversetzen, auch wenn ich 7 Jahre älter bin und in vielen Momenten ganz anders gehandelt hätte als er.
Handel trifft stets den richtigen Erzählton und schafft es dadurch, seinem Protagonisten so viel Leben einzuhauchen, dass er greifbar und nahbar wird.

Inhaltlich klingt „Das verborgene Zimmer von Thornhill Hall“ nach einem spannenden Urban Fantasy-Jugendroman mit Krimi-Elementen mit einem Twist, der einem sonst üblicherweise so nicht begegnet: Der Protagonist stirbt bereits ziemlich früh in der Handlung und muss dann herausfinden, wer ihn weshalb umgebracht hat, um es zurück in die Welt der Lebenden zu schaffen. Dabei begibt er sich zugleich auf die Suche nach einem verborgenen Zimmer, von dessen Existenz er nur durch Erzählungen der anderen Geister, die ihn auf seiner Suche begleiten, erfahren hat.
All das hat der Autor auf sehr clevere, raffinierte Weise umgesetzt und auch wenn nicht alle Fragen in Bezug auf das Zimmer und die Magie dahinter beantwortet werden, geht man dennoch zufrieden gestellt aus dem Buch heraus.
Interessant fand ich, wie der Autor die Geschichte um „Alice aus dem Wunderland“ mit in sein Werk einbezogen hat. Damit habe ich gar nicht gerechnet, als ich zu dem Buch gegriffen habe, ich war also positiv überrascht.

Negativ ist mir dagegen vor allem das Pacing in der ersten Hälfte des Buches aufgefallen. Auch wenn dort bereits einiges passiert – Colin kommt auf Thornhill Hall an, lernt die Familie und die Bediensteten seiner Mutter kennen und wird schließlich ermordet –, hat man trotzdem nicht das Gefühl, dass es irgendwie in der Geschichte vorangeht. Das liegt, denke ich, hauptsächlich daran, dass sich der Autor viel damit aufhält, die einzelnen Figuren einzuführen und die Umgebung zu beschreiben. Ich glaube, hier hätte er ruhig einige Dinge kürzen und sich etwas früher den Fantasy- und Krimi-Elementen des Buches widmen können.
Darüber hinaus bleiben dadurch, dass Colin ab seinem Tod keinen direkten Kontakt mehr zu den Lebenden hat sondern nur noch beobachten kann, die Konflikte rund um seine Familie mütterlicherseits eher am Rande. Hier ist es dem Autor meines Erachtens nicht so gut gelungen, die verschiedenen Handlungsstränge nicht aus den Augen zu verlieren. Auch die Beziehung zwischen Colin und Teddy war mir zum einen etwas zu oberflächlich, zum anderen entwickelte sie sich in meinen Augen auch zu schnell, wenn die beiden auch sehr süß zusammen waren.

Noch einmal: Ich kann mir gut vorstellen, dass jüngere LeserInnen hiermit viel mehr Spaß haben und dass auch ich vor ~10 Jahren der Geschichte sicher eine höhere Bewertung gegeben hätte. Jetzt ging es mir allerdings zuerst nicht schnell genug und zweitens auch nicht genug in die Tiefe, als dass ich „Das verborgene Zimmer von Thornhill Hall“ eine höhere Bewertung geben könnte. Die Idee dahinter hat mir nichtsdestotrotz super gefallen.


Fazit:
Die Verbindung von Fantasy- und Krimi-Elementen in „Das verborgene Zimmer von Thornhill Hall“ und die Suche des Protagonisten nach seinem Mörder sowie dem verborgenen Zimmer hat der Autor hier sehr clever umgesetzt.
Der Einstieg in die Geschichte hat sich für mich aber etwas zu sehr gezogen. Hier hätte ich mir gewünscht, dass Handel weniger Zeit auf die Einführung und Beschreibung der Figuren und des Anwesens aufwendet und stattdessen schneller zum Wesentlichen kommt. Darüber hinaus ging er für meinen Geschmack sowohl hinsichtlich der Geheimnisse von Thornhill Hall als auch hinsichtlich der Beziehungen des Protagonisten zu seiner Mutter sowie zu Teddy nicht genug in die Tiefe.
Ich kann mir allerdings gut vorstellen, dass ich für die Geschichte einfach schon zu alt bin und sie deshalb jüngere LeserInnen noch mehr begeistern wird.
3,5/5 Lesehasen.

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Veröffentlicht am 05.02.2023

Durchaus gruselig, aber verschenktes Potenzial in Charakterentwicklung und Wordlbuilding

Die Legende von Sleepy Hollow - Im Bann des kopflosen Reiters
1

Vielen lieben Dank an den penhaligon-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche ...

Vielen lieben Dank an den penhaligon-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Die Aufmachung von „Die Legende von Sleepy Hollow: Im Bann des kopflosen Reiters“ fügt sich wunderbar neben die anderen Bücher der Autorin ins Regal ein. Wie auch schon bei ihren „Dunklen Chroniken“ steht im Fokus des Covers die Person bzw. das Wesen, um die es in der Geschichte geht, hier eben der kopflose Reiter von Sleepy Hollow. Am Rand und auf dem Buchschnitt sieht man Details wie knorrige Äste oder (auf dem Schnitt) Hufeisen, die auf den Reiter und den Wald, in dem er unterwegs ist, Bezug nehmen und daher das Bild schön abrunden.
Das Buch ist ein Horror-Retelling, was anhand der Farbgebung (schwarz mit roten Details) und Kleinigkeiten wie Spritzer am Schwert des Reiters und seinem Pferd erkennt.


Meine Meinung:
Ich habe von der Autorin bereits ihr Arielle-Retelling sowie ihre Rotkäppchen-Neuerzählung gelesen. Dabei hat mir erstere nur begrenzt gefallen, was hauptsächlich an dem sehr langatmigen Erzählstil lag, der viele Seiten gebraucht hat, bis überhaupt mal etwas passierte, während ich die Rotkäppchen-Adaption mit ihrer bedrückenden Grundstimmung nahezu durchweg mit angehaltenem Atem gelesen habe.
Ich hatte nun also zwei völlig unterschiedliche Erfahrungen mit der Autorin, weshalb ich an „Die Legende von Sleepy Hollow“ zwar vorsichtig, aber durchaus gespannt herangegangen bin. Rückblickend ist mein Eindruck vom Buch ähnlich gemischt.

Vorab muss ich dazu sagen, dass ich die Geschichte rund um den kopflosen Reiter nicht genau genug kenne, um beurteilen zu können, wie viel hier aus Henrys eigener Feder stammt und wo sie ihr Werk am Original angelehnt hat. Ich habe allerdings mitbekommen, dass die Geschichte rund um Brom, Katrina und Ichabod Crane dem Original entnommen ist – diese Figuren sind hier nun etwa 30 Jahre älter und es dreht sich um Broms Enkelkind Ben.


Ben ist die Figur, die ich hier am interessantesten fand, wobei mich die Umsetzung ihrer persönlichen Geschichte an einigen Stellen nicht überzeugen konnte.

Kleiner Spoiler:
Ben ist ein Junge, der als Mädchen geboren wurde, was in einem konservativen US-amerikanischen Dorf des 18. Jahrhunderts natürlich für Aufregung sorgt.
Während ich es grundsätzlich schön umgesetzt von der Autorin finde, dass man gerade zu Anfang nicht merkt, dass Ben kein cis-Junge ist, fand ich die Art, auf die sie mit dem Konflikt seines Genders im Dorf umgegangen ist, weniger geschickt. Ben wird – wie in der Umgebung zu erwarten ist – konstant misgendert. Anstatt aber sich das Dorf und auch Ben entwickeln zu lassen, liest man immer wieder das gleiche: Ben ärgert sich darüber und die gleichen Figuren behalten ihr Verhalten bei, und gegen Ende hat Ben sich einfach damit abgefunden. In meinen Augen verschenkt Henry hier viel Potenzial in der Charakterentwicklung nicht nur ihres Protagonisten sondern auch der Dorfbewohner, die so in der Hinsicht während der gesamten Handlung auf der Stelle treten.
Das ist nicht nur schade, sondern sorgt auch dafür, dass der Fakt, dass Ben transgender ist, quasi bedeutungslos nur nebenher läuft und nicht wirklich in die Geschichte mit einbezogen wird.
Spoiler Ende.


Aber insbesondere auch bei Katrina und Brom wird viel Potenzial verschenkt. Während Broms Entwicklung gegen Ende sich wenigstens ein wenig im Verlauf der Geschichte abgezeichnet hat – vor allem auch während eines schönen Gespräches mit Ben –, durchlebt Katrina an einer Stelle im Buch urplötzlich eine 180°-Wende, durch die sie wie ausgewechselt wirkt und die sich vorher in keinster Weise angekündigt hat. Dadurch wird ihr Charakter unglaubwürdig und unnahbar.


Ähnlich verhält es sich mit dem Plot.
Dabei muss ich der „Legende von Sleepy Hollow“ zugutehalten, dass die Grundstimmung ähnlich wie auch im Rotkäppchen-Retelling durchweg düster und angespannt ist, was vor allem daher rührt, dass die Gefahr, die vom Wald ausgeht, stets präsent ist, und man auch nie weiß, woher das Böse kommt und wann es auftaucht.
Das Ungewisse, das dem Unheimlichen innewohnt ist zwar natürlich ein wesentlicher Grund dafür, dass sich die Spannung über das Buch hält. Dennoch – und hier komme ich zu meinem Kritikpunkt – hätte ich mir allerspätestens in der Auflösung am Ende einige Erklärungen gewünscht. Wo kommt das Böse her? Wie funktioniert seine Magie? Vieles bleibt unbeantwortet und hinterlässt ein unzufriedenes Gefühl. Selbstverständlich macht der Reiz solcher Geschichten gerade aus, dass man am Ende einige offene Fragen hat, die man mit der eigenen Fantasie ausfüllen kann. Daher wünsche ich mir bei diesen Geschichten auch nicht, dass ich alle Antworten bekomme. Wenn ich aber am Ende das Gefühl habe, dass sich die Handlung nur wenig entwickelt hat und dann am Ende einfach nur aufgelöst wurde, ohne dass ich die Hintergründe wenigstens etwas nachvollziehen konnte, bin ich enttäuscht.

Das ist in meinen Augen die größte Schwäche des Buches und der Grund dafür, weshalb ich es nicht so genossen habe, wie ich es gerne gewollt hätte:
Sowohl im Hinblick auf Bens Hintergrundgeschichte als auch die Charakterentwicklungen von Katrina, Brom und den anderen Dorfbewohnern wie zuletzt auch der Plot an sich hat „Die Legende von Sleepy Hollow“ zwar sehr viel Potenzial, das dann letztlich aber leider nicht ausgeschöpft wird. In allen genannten Aspekten wird hier nur an der Oberfläche gekratzt, sodass der Leser trotz der durchaus hohen Spannungsdichte am Ende minimal enttäuscht aus dem Buch herausgeht. Für ein bisschen Grusel gerade zur dunklen Jahreszeit eignet sich „Die Legende von Sleepy Hollow“ hervorragend, man darf eben nur nicht zu viel erwarten.


Fazit:
„Die Legende von Sleepy Hollow“ bietet durch das Ungewisse des Unheimlichen einige spannende Lesestunden, die durchaus gut unterhalten können.
Vor allem Bens Charakter, aber auch die Legenden an sich sowie die anderen Dorfbewohner haben viel Potenzial. Leider wird in all diesen Aspekten aber nur an der Oberfläche gekratzt und das Potenzial nicht ansatzweise ausgeschöpft, sodass der Leser trotz der durchaus hohen Spannungsdichte letztlich doch minimal enttäuscht aus dem Buch herausgeht. Für ein bisschen Grusel gerade zur dunklen Jahreszeit eignet sich „Die Legende von Sleepy Hollow“ hervorragend, man darf eben nur nicht zu viel erwarten.
3,5/5 Lesehasen.

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