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SofieWalden

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.03.2024

Ein bedrückendes Szenario und es lebt in unserer Zeit

Der rechte Pfad
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Vor 25 Jahren geflüchtet von diesem Ort, einem Dorf irgendwo in der Abgeschiedenheit des Sauerlands, kehrt Benjamin nun zurück, in diese von einer sektenähnlich struktierten abgeschotteten Gemeinschaft ...

Vor 25 Jahren geflüchtet von diesem Ort, einem Dorf irgendwo in der Abgeschiedenheit des Sauerlands, kehrt Benjamin nun zurück, in diese von einer sektenähnlich struktierten abgeschotteten Gemeinschaft geprägten kleine Welt. In seiner Kindheit hatte er hier Freunde, die dieser evangelikalen Christenschaft angehörten und eine von ihnen Hanna, damals tragisch ums Leben gekommen und der konkrete Grund für seine Flucht, war seine erste Liebe. Zumindest gehofft hat Benjamin darauf, dass die Dinge sich inzwischen geändert haben, abgeschwächte Strukturen, weniger mächtig das sektiererische Konstrukt. Aber eher das Gegenteil ist der Fall. Und auch eine politische Fokussierung ist hinzugekommen oder vielleicht hat sie sich auch einfach nur weiter manifestiert, sehr aktuell in unserer Zeit. Wir erfahren von damals, von der Infiltration, der sich auch Benjamin nicht vollig erwehren konnte, davon, wie die jungen Menschen dich darein ergeben haben oder eben aufbegehrt, verzweifelt, letztendlich machtlos. Und dann das Heute, schlimmer, radikal und eine politisch erlaubte Partei lässt grüßen.
Dies ist eine bedrückende, einen ganz persönlich ergreifende Geschichte, die tief hinunterzieht. Eigentlich kann man es kaum fassen, dass dieser Machtapparat im Kleinen wirklich funktioniert, dass die Menschen sich so unterjochen lassen, Gehirnwäsche inklusive. Und doch erscheint es real und gut nachvollziehbar, dass dieses System Sekte funktioniert. Und man sieht, was es tut.
Dies hier literarisch zu bewerten, fällt schwer, denn die Beklemmung und das große Unbehagen, das dieses Buch erzeugt, es steht im Vordergrund des eigenen Empfindens.
Aber es hat wohl genau das mit einem gemacht, was es sollte. Und so sollte man es lesen und seine Schlüsse daraus ziehen. Und danach, los lässt einen das vor Augen Geführte nicht so schnell.

Veröffentlicht am 29.02.2024

Was das Leben bisher so ausmacht und das meiste war doch ziemlich genau richtig

Der Lärm des Lebens
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Der Schauspieler Jörg Hartmann erzählt aus seinem Leben, nicht in Form einer Biographie, denn als so ein 'wichtiger' Mensch fühlt er sich nicht. Es ist mehr eine gedankliche Reise, die mal vor mal zurückschwenkt ...

Der Schauspieler Jörg Hartmann erzählt aus seinem Leben, nicht in Form einer Biographie, denn als so ein 'wichtiger' Mensch fühlt er sich nicht. Es ist mehr eine gedankliche Reise, die mal vor mal zurückschwenkt in der Zeit, an einigen Orten etwas länger verharrt wie an anderen und bei der er seine Betrachtungen anstellt, was all das Leben mit einem gemacht hat, so das er heute da steht, wo er beruflich und privat angekommen ist. Er denkt an seine Kindheit zurück, am Rande des Ruhrgebiets, einfach, aber glücklich, an seine taubstummen Großeltern, die die Nazizeit durchlebt haben, mit zusätzlicher Angst. Und auch die Demenz des Vaters und das Abschiednehmen wird erwähnt. Und dann ist da das große Paket rund um seinen Beruf, die mühsamen Anfänge, das unbedingte Wollen, den Schauspielberuf zu seinem erfolgreichen Broterwerb zu machen. Und dazu kommt der ganz normale Alltag, der bei jedem von uns auch irgendwie nicht anders ist, in dem Empfinden, was schief läuft oder eben in die falsche Richtung. Auch er hat hier seinen Platz und dabei hält der Autor direkt oder etwas subtiler, mit entsprechenden sprachlichen Mitteln, mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg.
Diese Betrachtungen, sie sind gut geschrieben, lassen auch ein angenehmes Quentchen Humor nicht vermissen und haben durchaus Unterhaltungswert. Gerade die Einblicke bzgl. seiner familiären Wurzeln im Ruhrgebiet waren sehr interessant und hatten auch die Substanz, die einigen anderen Passagen dieses Buches vielleicht ein wenig fehlen.
Alles in allem, wer ein größeres Interesse an der Person Jörg Hartmann hat, wird hier durchaus fündig.

Veröffentlicht am 22.02.2024

Alte Verletzungen, Flucht, Wut und Sprachlosikeit und vielleicht ein Schimmer Hoffnung

Krummes Holz
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Jirka ist 19 und zurück. Nach fünf Jahren im Internat kommt er wieder auf den Hof, auf dem er aufgewachsen ist. Es ist eine bittere Rückkehr, denn gewollt wird er hier nicht. Seine ältere Schwester Malene ...

Jirka ist 19 und zurück. Nach fünf Jahren im Internat kommt er wieder auf den Hof, auf dem er aufgewachsen ist. Es ist eine bittere Rückkehr, denn gewollt wird er hier nicht. Seine ältere Schwester Malene schweigt ihn an, da er nicht da war, als sie seine Unterstützung gebraucht hätte, um sich gegen den schon in ihrer beider Kindheit despotischen und gewalttätigen Vater durchzusetzen und ihn dazu zu bewegen, ihr den Hof zu übergeben. Schon seit Jahren rackert sie sich für das Gehöfft ab und sie möchte es gerne gerne weiterführen. Die einstige Herrscherin über die Familie, die Großmutter, ist inzwischen dement und so nicht mehr wirklich präsent. Und der Vater ist gerade nicht auffindbar. Nur der Sohn des letzenVerwalters, Leander gibt Jirka Auskunft über all das, was sich verändert hat und über das Jetzt. Schon auf den ersten Seiten, wenn sich Jirka in der sengenden Hitze, vorbei an der ausgedörrten Landschaft, langsam diesem Zuhause nähert, erfasst einen als Leser dasselbe beklemmende Gefühl wie Jirka selbst. Dessen Kindheit war nicht schön, hat Narben hinterlassen und all die tief in ihm vergrabenen Verletzungen und Ängste, sie kommen nun wieder hervor. Gesprochen wurde darüber nie, damals nicht und jetzt scheint das auch nicht möglich zu sein, um so vielleicht doch wieder zueinander zu finden. Denn Geschwisterliebe ist stark und sie ist noch, tief vergraben, da. Und auch noch andere Gefühle stehen im Raum, sehr nuanciert und leise.
Nach außen hin passiert hier nicht wirklich viel. Die Kämpfe, das Aufbegehren, das Zweifeln, Hoffen, es erfolgt leise, aber in Jirkas Innerem ist der Tumult gewaltig. Esist so unendlich schmerzhaft, was eine solch durchlebte Kindheit mit diesem jungen Menschen gemacht hat und es jetzt noch tut.
Zutiefst bedrückend, in einem literarisch herausragenden Stil verfasst, geht diese Geschichte auf uns Leser über. Man kann gar nicht anders als dieses Erleben mitzugehen und mitzuleiden. Am Ende bleibt ein tiefes Durchatmen, nicht aus Erleichterung, sondern um aufzutauchen, zurück in eine hoffentlich schönere Welt. Und dann ist da noch diese Nuance der Hoffnung.
Ein starkes Werk.

Veröffentlicht am 19.02.2024

Die Freude an Worten entdecken und welch lustvolle Kreativität

Der Wortschatz
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Wenn aus Buchstaben Worte werden, erst ganz bescheiden, beladen mit Eigenschaften, die man so kennt, dann führt schon das zu einem ganz großen Aha, wenn man diese, ganz spontan, Dingen und gar lebendigen ...

Wenn aus Buchstaben Worte werden, erst ganz bescheiden, beladen mit Eigenschaften, die man so kennt, dann führt schon das zu einem ganz großen Aha, wenn man diese, ganz spontan, Dingen und gar lebendigen Wesen anheftet, die man am Wegesrand erblickt. Was daraus entsteht, in fulminanten Bildern präsentiert, stellt euch mal einen quietschgelben Igel vor oder einen haarigen Baum, das ist herrlich abstrus, kreativ und einfach nur wunderschön. Genau das erfährt auch Oscar auf der Suche nach einem großen wertvollen Schatz. Denn die Kiste, die er ausbuddelt, ist, erst einmal rccht enttäuschend, nicht mit Spielzeug und einer goldenen Krone gefüllt, sondern mit Worten. Was kann man damit schon anfangen. Und so schmeißt er diese einfach in der Gegend herum. Doch die Worte, von der Welt drumherum lebendig gemacht, stehen plötzlich, sozusagen in voller Größe vor ihm und entlocken ihm, nach dem ersten Schreck, einen lustvollen Jauchzer und ganz viel Begeisterung für seinen Schatz, der wertvoller nicht sein kann, an Kreativität und Vorstellungskraft. Und Oscar wird, mit Hilfe einer Freundin, immer mutiger und seine neuen, alle der eigenen Fantasie entsprungen Wortgestaltungen, wer hat bisher schon eimal von Zauberhimmelschön oder Pflaumensommersüss gehört, sie erschaffen so viel Schönes, im eigenen Kopf und ganz groß, hier auf diesen Seiten, dass es einen zum Strahlen bringt und zu ganz viel Freude an diesem Buch.
Und für jeden Einzelnen von uns ist es ja erst der Anfang, denn jetzt wissen wir, der Fantasie der Worte sind keine Grenzen gesetzt. Also lasst sie sprießen, seid kreativ.

Dieses Buch, es ist ein wahrer Schatz.

Veröffentlicht am 11.02.2024

Familie, wie sie im Buche steht und der Kampf jedes einzelnen

Hallo, du Schöne
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Die Familie Padavano, amerikanisch mit temperamentvollen italienischen Wurzeln, das sind vier teils wilde, lebhafte, eigenwillige und gar nicht so einfache Töchter, eingebunden in ein wärmherziges Elternhaus, ...

Die Familie Padavano, amerikanisch mit temperamentvollen italienischen Wurzeln, das sind vier teils wilde, lebhafte, eigenwillige und gar nicht so einfache Töchter, eingebunden in ein wärmherziges Elternhaus, das familiäre Zugehörigkeit lebt. Als eine der Schwestern Julia den Basketballspieler William Waters mit nach Hause bringt, sie hat ihn, selbst Studentin, am dortigen College kennengelernt, wird dieser freundlich aufgenommen. Und der junge Mann, selbst von gefühlskalten, ihn wenig beachtenden Eltern aufgezogen, ist geradezu fasziniert von der positiven Familiendynamik, die er im Haus seiner baldigen Ehefrau vorfindet. Zugehörigkeit, gesehen zu werden, das hat er sich immer gewünscht und jetzt, eigentlich könnte alles so schön sein. Doch seine eigenen inneren Dämonen lassen ihn nie ganz los und auch sonst, die Zeit führt zu Veränderungen. Mit dem Tod des Vaters stellen sich die tiefen Bande zwischen den vier Padavano-Schwestern als doch sehr fragil heraus und bald schon entwickeln sich diese vier Perönlichkeiten in sehr unterschiedliche Richtungen, mit Entscheidungen, die Egoismus, Neid und Bitterkeit, nicht zu den glücklichsten machen. Und das Ergebnis ist, erst einmal, ein Bruch.
Diese Familiengeschichte, sie ist an Emotionen, Lebendigkeit, Authentizität, an Härten eines eigentlich ganz normalen Lebens und an der ausgemachten oft recht sturen Individualität seiner Protagonisten kaum zu überbieten. Und doch oder gerade deswegen ist dieses Buch ein Schatz, um sich als Leser regelrecht hineinfallen zu lassen, in das Aufregenste überhaupt, in den Kampf des Lebens. Und vielleicht sind die Wurzeln familiärer Zusammengehörigkeit doch stärker und langlebiger als man denkt.
Lesen kann schon sehr glücklich machen. Hier tut es das, auf seine ganz eigene Art.
Und die Geschichte klingt noch lange nach.