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Veröffentlicht am 25.11.2023

eine Vollkatastrophe

Ein Bruderzwist in Habsburg
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Inhaltlich beschäftigt sich das Werk mit dem Hause Habsburg und den Herrschaftsansprüchen um den Thron des Heiligen Römischen Reiches im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts. Also mit Rudolf II. und dessen ...

Inhaltlich beschäftigt sich das Werk mit dem Hause Habsburg und den Herrschaftsansprüchen um den Thron des Heiligen Römischen Reiches im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts. Also mit Rudolf II. und dessen Bruder Matthias, der den Stillstand des Landes unter der Regierungsunfähigkeit Rudolfs beenden möchte.


Gleichzeitig haben wir aber auch einen Handlungsstrang rund um die Bürgerstochter Lukrezia und Don Cäsar, den leiblichen Sohn Kaiser Rudolfs. Dabei geht es um Liebe und Verrat.


Dadurch, dass es zwei parallel existierende Handlungen gibt, die sich nur über die pure Existenz Kaiser Rudolfs miteinander verknüpfen lassen können, wirkt alles ein bisschen wischi-waschi, wenig ausgefeilt und unreif. Mir ist es beim Lesen schon fast so vorgekommen, als wüsste Grillparzer selbst nicht so ganz, was er da tut, und wolle zwei Werke zu einem vereinen, um sich so Arbeit abzunehmen. Fürchterlich! So hätte die Handlung rund um Lukrezia und Don Cäsar sehr viel Spaß gemacht, wenn mehr passieren würde, und wir eventuell auch Hintergrundinformationen bekommen würden. Denn das Stück beginnt damit, dass ein Freund Don Cäsars jemanden ermordet hatte, der in Verbindung zu Lukrezia stand, wobei die Leserschaft dann bis zum vierten Aufzug im Dunklen darüber gelassen wird, was denn überhaupt geschah.


Die eigentliche Handlung des Bruderzwistes ist gleichzeitig ziemlich langweilig und banal. man verfolgt so ein bisschen die Akteure dabei, wie sie die Handlungen, die ohnehin nicht in dem Stück vorkommen, in ewig langen Monologen faktisch untermauern. Dabei gibt es so viele unterschiedliche Figuren, vor allem Brüder und Neffen Kaiser Rudolfs, die aber so wenig substanzielles von sich geben, dass die Hälfte von Ihnen ohnehin überflüssig ist. Das Gesagte ist dabei dermaßen belanglos, dass man früher oder später unausweichlich damit beginnt, die langatmigen Passagen querzulesen. Auch kann man nicht sagen, dass Stück dabei sonderlich informierend über den habsburg-internen Konflikt ist, denn der Informationsgehalt aus dazu passenden Wikipedia-Artikeln ist dabei deutlich höher bei gleichzeitig größerer Unterhaltunsgualität.


Kurzum eine Katastrophe, die von vorne bis hinten fraglich ist. Einzig und alleine der vierte Aufzug war einigermaßen spannend und sprachlich ansprechend gestaltet, der Rest hat einen wirkt wie ein billiger Film.

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Veröffentlicht am 16.11.2023

Dystopische Geschichte mit aktuellem Hintergrund

Der Apparat
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Das Internet wurde nie erfunden. Stattdessen wurde die Teleportation erfunden, verbessert, optimiert. In mehreren Sequenzen verfolgt man Schritt für Schritt diese Neuerungen der Geräte und die Veränderungen, ...

Das Internet wurde nie erfunden. Stattdessen wurde die Teleportation erfunden, verbessert, optimiert. In mehreren Sequenzen verfolgt man Schritt für Schritt diese Neuerungen der Geräte und die Veränderungen, die sie in der Gesellschaft hervorrufen.

Das Cover des Buches ist ein absoluter Eyecatcher und hat mich nicht nur auf das Buch aufmerksam gemacht, sondern auch mich letztendlich davon überzeugt, dass Buch zu kaufen und zu lesen, obwohl es von dem abweicht, was ich sonst so bevorzuge. Der Aufbau des Buches in in sich abgeschlossene Episoden erinnert doch sehr stark an Kurzgeschichten, die ich normalerweise nicht so sehr schwätze, da dabei meiner Meinung nach sehr viel Potential hinsichtlich des Aufbaus einer Verbindung zwischen Lesenden und den Protagonist:innen verloren geht. Dennoch sind in diesem Fall Sprache und Atmosphäre so einprägsam und wunderschön zu lesen, dass dieser Kritikpunkt nicht großartig ins Gewicht gefallen ist. Mitunter, weil die Protagonist:innen nichts weiter sind als Figuren, Augen, durch die man den Fortschritt der Technik und die Veränderung der Welt beobachten kann, die nach ihrem Auftritt allerdings wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Jedenfalls kommt das Buch ohne prägnante Charakterzeichnungen sehr gut aus.

Anregend ist das buch vor allem dahingehend, dass die Überschneidungen zum Internet unübersehbar sind. In einem vermeintlich unvermeidbaren Prozess verändern sich die Werte der Gesellschaft, nicht zum Positiven und selbstzerstörerisches und manipulatives Verhalten wird ohne zu zögern in Kauf genommen.

Und so ist das Buch ein interessanter Abriss darüber, wie die Welt sich eventuell noch verändern mag, für diejenigen, die mit Kurzgeschichten sehr gut leben können.

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Veröffentlicht am 16.11.2023

Die Dummheit stirbt auf Zypern

Othello
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Das Liebespaar Othello und Desdemona sind frisch verheiratet, sehr zum Unwillen ihres Vaters, denn ein begnadeter Feldherr als Schwiegersohn ist nicht gut genug, wenn dieser dunkelhäutig ist. Doch der ...

Das Liebespaar Othello und Desdemona sind frisch verheiratet, sehr zum Unwillen ihres Vaters, denn ein begnadeter Feldherr als Schwiegersohn ist nicht gut genug, wenn dieser dunkelhäutig ist. Doch der eigentliche Feind der Geschichte ist Othellos Untergebener Jago, der mit Arglist und Intrige versucht Othellos Glück zu Fall zu bringen.

Shakespeare kann einfach Dramatik. Das Stück ist spannend vom Anfang bis zum Ende und greift nebenbei noch heute gültige Diskussionen über Rassismus und darüber, wie viel Vertrauen in diejenigen Stecken sollten, die wir doch nicht so gut kennen. So sind Othello, Desdemona und andere Beteiligte ungemein naiv, scheinen von einem Unvermögen beseelt zu sein, dass was sie gesagt bekommen nachzuprüfen. Kurzum, man denkt sich beim Lesen nicht nur einmal, dass die gesamte Versammlung an Menschen in diesem Stück so dumm ist, dass es überhaupt schon fraglich scheint, wie Othello und Desdemona überhaupt heiraten haben können.

Auf jeden Fall hat mir das Werk kurzweilige und unterhaltsame Stunden beschert, mehr wollte ich nicht.

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Veröffentlicht am 30.10.2023

Von einem, der auszog, die Natur zu schänden

Butcher's Crossing
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Will Andrews lässt Harvard und sein bisheriges Leben hinter sich. Er ist auf der Suche, will entdecken. Und so verschlägt ihn der Wind nach Butcher's Crossing, einem kleinen, noch jungen Städtchen in den ...

Will Andrews lässt Harvard und sein bisheriges Leben hinter sich. Er ist auf der Suche, will entdecken. Und so verschlägt ihn der Wind nach Butcher's Crossing, einem kleinen, noch jungen Städtchen in den Weiten von Kansas. Dort lernt er Miller kennen, einen begnadeten Jäger und Abenteurer. Er erzählt ihm die Geschichte von einer Büffelherde, so groß, wie es sie in den Weiten der Prärie nicht mehr gibt, die sich in einem entlegenen Tal in den Rockys befinden soll, von dem nur er alleine weis, wie man dorthin kommt. Von Abenteuerlust gepackt bricht er mit Miller und zwei weiteren Männern auf zu einer wochenlangen Reise in die Berge. Mit der Ankunft in dem atemberaubend schönen Bergtal nimmt ein uramerikanisches Drama seinen Lauf.

Weder Autor, noch Buch waren mir davor ein Begriff, und das Buch ist mir nur durch Zufall auf einem Flohmarkt in die Hände gefallen. Demnach, was der Klappentext verrät, gingen meine Erwartungen auch in die Richtung von Abenteuer und Kritik am amerikanischen Traum, alles und jeden unterwerfen oder vernichten zu können. Und diese Mischung findet sich genau so in dem Buch wieder. Auf der einen Seite war ich beim Lesen von kindischer Abenteuerlust und Freude, immer begierig darauf zu erfahren, was als nächstes passieren würde. Und auf der anderen Seite hat man von Anfang an das Bewusstsein, wie mit der rauen und bildschönen Natur umgegangen werden wird, wie das kostbarste Gut der Menschheit, eine intakte Natur, auf dem Altar der niederen Gelüste und Bespaßung geopfert wird. Und so braucht der Autor nicht viel mehr als den natürlichen Charakter der Männer beschreiben, dass ich vor allem Miller hasste. Ich hasste ihn für seinen Umgang mit der Natur im Bewusstsein des nahenden Kollapses dieses Ökosystems, und gleichzeitig bewunderte ich ihn irgendwie für seine Unabhängigkeit und sein Vermögen in der Natur zu leben. Denn bei den wunderschönen und atemberaubenden Szenerien der Rocky Mountains habe mehr als einmal mich dorthin gewünscht, die Stille der Berge, den Duft des Waldes und die Harmonie der Natur zu inhalieren. Auch die anderen Männer bekommen eine für mich recht eindeutig interpretierbare Rolle zugeschrieben. Einen fanatischen und dennoch alkoholabhängigen Christen, der alleine nicht in der Lage wäre, zu überleben, eine, wenn auch eitle und selbstbedachte Stimme der Vernunft, die das übliche Schicksal der Vernunft ereilt, und zuguterletzt Will Andrews, der irgendwie nichts besonderes ist. Er ist Durchschnitt, Mitläufer und irgendwie auch nur das Paar Augen, durch die wir recht kommentarlos die Geschehnisse mitverfolgen können.

Der Roman konnte mich von Anfang an fesseln und auch der moralische Mehrwert, das Voraugenführen der selbstmörderischen Vernichtung der Menschheit durch sich selbst, ist unbestreitbar bemerkenswert. Mitunter das beste Buch, dass ich bisher aus dem amerikanischen Westen gelesen habe.

Im Übrigen ist 2023 zumindest auf englisch die Romanverfilmung erschienen. Einmal schauen, ob die den Charakter des Buches authentisch aufgreifen kann.

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Veröffentlicht am 24.10.2023

literarische Aufarbeitung des Amakasu Zwischenfalls

Großes Spiel
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Im Jahre 1912 besteigt Yoshihito den japanischen Kaiserthron. Die fünfzehn Jahre seiner Regentschaft sind geprägt von Führungsschwäche und Umbrüchen im Land. Einer dieser Menschen, die den Umbruch vorantreiben ...

Im Jahre 1912 besteigt Yoshihito den japanischen Kaiserthron. Die fünfzehn Jahre seiner Regentschaft sind geprägt von Führungsschwäche und Umbrüchen im Land. Einer dieser Menschen, die den Umbruch vorantreiben wollen, die ein Ende der Kaiserzeit herbeisehnen und für die Freiheit aller Menschen steht, ist Sakae Ôsugi, gelehrt, und voller revolutionärere Ideen. Als Gegenspieler hat er Hauptmann Amakasu, einen aufopferungsvollen Diener des Kaiserreichs. Er wird auf Ôsugi angesetzt, überwacht ihn, und kennt ihn schon bald besser, als dieser sich selbst. Eine sehr einseitige Beziehung, denn Ôsugi hat kein Bild dazu, wer ihn überwacht. Als 1923 das große Kantô-Erdbeben den Großraum Tokios erschüttert, läutet sich für Japan eine Stunde Null ein. Das Militär stutzt alles wieder zurecht, was in den Jahren der Jahren der laschen Regentschaft Yoshihitos entstehen konnte.

Weder Amakasu-Zwischenfall, noch Sakae Ôsugi waren mir vorher ein Begriff, doch der Klappentext, revolutionäre Bestrebungen und die konservativen Gegenströmungen reizten mich sehr. Und so bekommt man von Hans Platzgumer eine literarisch außerordentlich hochwertige Aufarbeitung mit schon fast biographischen Zügen präsentiert. Als Erzähler haben wir Hauptmann Amakasu, der am Ende seines Lebens über die wohl prägendste Figur seines Lebens und seiner Laufbahn nachdenkt. Er teilt mit uns, wie Yoshihito, Sakae Ôsugi und die anderen im Roman relevanten Protagonist:innen zu den Menschen heranreifen konnten, die sie am Höhepunkt, dem Kantô-Beben, waren. durch diese Form der Nacherzählung werden wir beim Lesen nicht mit überflüssigen Informationen zugeschüttet, sondern bekommen ein recht einfühlsames und Interessantes Bild der unterschiedlichen Figuren. Doch gerade Hauptmann Amakasu kommt einem dadurch besonders intensiv und nahe, auch wenn er durch seine Verhaltensweisen - diese sind nicht übermäßig negativ oder abscheulich - und seine politisch abscheulich reaktionären und rückständigen politischen und gesellschaftlichen Einstellungen absolut nicht sympathieweckend wirkt.

"Ein Wissen, dass sich und seine Konsequenzen nicht ständig hinterfragt, beschränkt sich auf die eigenen Erfolge und widersetzt sich in logischer Folge jeglichen Veränderungen. es ist kein Wissen, sondern ein Festhalten. Niederträchtig steht es im Schulterschluss mit der Macht." (S. 96)

Grundsätzlich liegt, trotz der darin beschriebenen Ereignisse dem Buch eine magische Ruhe und Unaufgeregtheit zu Grunde. Kein sonderlich imposanter Spannungsbogen zieht sich vom Anfang bis zum Ende des Buches. Viel mehr arbeitet der Autor die damaligen gesellschaftlichen und politischen Umbruchsversuche in Japan auf, die universell genauso für andere Länder gültig sein hätten können, und im Kern ihrer Diskussion auch noch im 21. Jahrhundert Geltung finden, Gesellschaftskritik, Schilderung historischer Gegebenheiten und literarisch zum Verlieben.

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