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Veröffentlicht am 18.10.2023

Phantastische Reise durch ein längst vergangenes London

Das Vogelmädchen von London
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Mir fällt es wirklich schwer, den Inhalt, oder zumindest einen ansatzweisen Ausblick auf das Buch in wenigen Sätzen zusammenzufassen. Und da wären wir auch schon bei meinem ersten großen - eigentlich dem ...

Mir fällt es wirklich schwer, den Inhalt, oder zumindest einen ansatzweisen Ausblick auf das Buch in wenigen Sätzen zusammenzufassen. Und da wären wir auch schon bei meinem ersten großen - eigentlich dem Hauptproblem - des Buches. Ich hatte den Klappentext schon nicht so ganz durchblickt, erwartete mir ein Theater, dass in die höchsten Kreise der Londoner Gesellschaft aufsteigen würde, wodurch unsere Protagonistin Shay in Berührung mit dem Königshof und der Königin selber kommen würde. Das ganze dann garniert mit fantastischen Elementen, bei denen die Grenze zum Realismus verschwimmt. In dieser Hinsicht wurde ich auch nicht enttäuscht. Physische und Metaphysische Magie findet statt. Aber die Geschichte weiß dennoch nicht so ganz, was sie nun eigentlich möchte. Immer wieder werden neue Richtungen angerissen, ohne dass sich letztendlich darauf weiter intensiviert wird. Teilweise werden wirklich interessante Dinge am Rande erwähnt, die meiner Meinung nach deutliches Potential haben, und dann einfach liegen gelassen. Es entsteht ein richtig konfuses Bild der Geschichte und noch dazu kommt, dass das eigentliche Ziel der Geschichte, woraufhin die Protagonist:innen hinarbeiten, undurchsichtig bis nicht existent ist. Ich hatte die ganze Geschichte über absolut keine Ahnung, auf was ich nun eigentlich hinsteuere. Im Mittelteil lichtete sich der Nebel, hier wurde die Geschichte viel klarer und Strukturierter, verlief lange in einem linearen Muster, doch im letzten Drittel liesen Aufbau und Struktur wieder stark nach. Dennoch muss man dem Buch eines lassen, über weite Teile ist es wirklich rasant, spannend und hat wirkliches Pageturner Potential.

An den Figuren unserer Geschichte muss ich auch noch einmal Kritik üben. Shay und Nonesuch sind eigentlich so ziemlich die beiden wichtigsten Figuren der Geschichte. Dennoch vermag es der Autor nicht, ihnen eine angemessene Tiefe und eine Charaktergestaltung zu geben, die ihrer Rolle gerecht werden würde. ZU Shay konnte ich keine wirkliche Bindung aufbauen, auch wenn man immer wieder ihre Emotionslage sehr nahe mitbekommt, und Nonesuch war so blass, dass er mir mit der Zeit auch einfach egal wurde. Im Näheren Umfeld des Theater gab es dann auch noch ein paar andere Charaktere, die eigentlich interessant wären, zumindest, was man so angedeutet bekommt, aber ja, sie bleiben mehr als nur farblos.

Was ich dem Autor allerdings zugute halten muss, ist, dass er es vermag, ein spannendes Setting zu kreieren. Die Beschreibungen vom pulsierenden Leben in London haben fast süchtig gemacht. Im Generellen wurde alles immer geradezu magisch und fantastisch beschrieben, was bei mir sehr oft das Bedürfnis, weiterzulesen gesteigert hat.

Insgesamt ist das Buch viel zu konfus und undurchsichtig, als wisse der Autor selbst nicht so ganz, was alles er nun in die Geschichte packen solle. Die Spannung und die Atmosphäre können das Buch aber teilweise retten. Dennoch leider keine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 07.10.2023

Kein Thriller!!!

Die Fremden in meinem Haus
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Fiona teilt sich mit ihrem Noch-Ehemann ein Haus in einem guten Londoner Stadtviertel. Als sie eines Tages von einem Kurztrip zurückkommt, entdeckt sie, dass aus ihrem Haus sämtliche Möbel entfernt wurden, ...

Fiona teilt sich mit ihrem Noch-Ehemann ein Haus in einem guten Londoner Stadtviertel. Als sie eines Tages von einem Kurztrip zurückkommt, entdeckt sie, dass aus ihrem Haus sämtliche Möbel entfernt wurden, und gerade ein junges Paar dabei ist einzuziehen. Panik überkommt sie. Sie möchte verstehen, wie es kommen konnte, dass sich das Haus plötzlich in fremden Händen befindet.

Wir steigen gleich mit dem Moment ein die Geschichte ein, in der die Katastrophe über Fionas Leben hereinbricht. Wir bekommen von ihr schön erklärt, wie toll doch dieses Haus ist und so weiter, und plötzlich, steht Fiona schon in einer emotionalen Auseinandersetzung mit einer anderen Frau und beide beanspruchen besagtes Haus für sich.

Das ist so der Einstieg in die Geschichte und leider mit so das spannendste, was das ganze Buch über passieren wird. Fortan teilt sich die Geschichte in drei Erzählperspektiven. Die aus Fionas Sicht ist als Podcast gestaltet, in dem sie einer Bandbreite an Zuhörerschaft erzählt, wie es zu diesem schweren Verbrechen kommen konnte, die aus Sicht ihres Ehemannes, der sich bereits in den ersten 20 Seiten als der Täter der Geschichte herausstellt, und wie sich das ganze Verbrechen aus der Sicht des Täters angebahnt hat. Zuguterletzt verfolgen wir immer noch ein bisschen die aktuellen Ereignisse rund um das Haus. Da wir nun recht rasch wissen, dass Fiona von ihrem Mann hintergangen wurde, nimmt sich die Geschichte selbst sehr viel Wind aus den Segeln. Es baut sich nur sehr schwer etwas auf. Nochdazu hat die Autorin anscheinend das Problem, dass sie es nicht schafft, Handlungsstränge und Ereignisse, die an und für sich wirklich viel Potential zur Spannung hätte, diese als spannend zu verkaufen. So kam bei mir eigentlich nie wirkliche Spannung auf.

Und obwohl Fiona und Bram, ihr Mann, aus solch einer persönlichen Sicht erzählen, bleiben sie für mich als Leser doch relativ uninteressant vom Charakter her. Kurzum, die Geschichte hätte auch mit jeder anderen Figur genauso gut funktioniert. Dazu kommt noch, dass mir Fiona mit dem Fortlaufen der Geschichte immer unsympathischer wurde. Sie ist in meinen Augen einfach dumm, naiv, hochnäsig und hat ein Alkoholproblem, dass sie im Gegensatz zu dem ihres Mannes nicht zugeben will. Der Umgang mit Alkohol als Droge in diesem Roman ist generell recht fragwürdig.

Fragwürdig wie das Buch an sich, denn obwohl ich immer noch darauf gehofft habe, dass irgendetwas passiert, wurde ich immer weiter enttäuscht. Generell ist das Buch auch kein Thriller, sondern eine große Enttäuschung.

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Veröffentlicht am 01.10.2023

Deutschland als Komputerweltmacht

NSA - Nationales Sicherheits-Amt
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Mit der analytischen Maschine wird bereits im 19. Jahrhundert das Computerzeitalter eingeleitet, Und so entwickelt sich die Technik immer weiter bis in der Zeit des Dritten Reiches diese schon genutzt ...

Mit der analytischen Maschine wird bereits im 19. Jahrhundert das Computerzeitalter eingeleitet, Und so entwickelt sich die Technik immer weiter bis in der Zeit des Dritten Reiches diese schon genutzt werden kann, um die eigene Bevölkerung flächendeckend zu überwachen. Und das ist die Aufgabe des NSA, des Nationalen Sicherheitsamts, in dem die junge Helene Bodenkamp als Programmstrickerin arbeitet, denn das Programmieren ist Frauensache. Hier geht sie ihrer Arbeit nach, ohne viel über die Konsequenzen ihrer nachzudenken. Doch da begeht ein Mensch, der ihr sehr viel bedeutet, Fahnenflucht und muss fortan untertauchen. Eigentlich sollte es ein leichtes sein, für das NSA, ihn und seinesgleichen ausfindig zu machen. Doch gerade das versucht Helene zu verhindern.

Die Geschichte startet gleich mit einem Banger: ein Programm, von Helene entwickelt, wird getestet. Es soll mittels des durchschnittlichen Kalorienbedarfs pro Kopf eventuelle Verstecke von untergetauchten Personen ausfindig machen. Man wird sogleich von der Geschichte mitgerissen, relativ unkomplizierter Schreibstil und ein wirklicher Nervenkitzel, bevor sich die Geschichte der Kindheit unserer beiden wichtigsten Protagonist:innen Helene und Eugen zuwendet, zeigt, wie die beiden zu den Charakteren wurden, die man im Laufe des Buches besser kennenlernt, und wie die beiden zum NSA gekommen sind. Etwas ruhiger beginnend, steigert sich mit dem Alter der beiden auch die Spannung immer weiter, bis dann der Großteil der Geschichte in atemberaubender Spannung dahinprescht. So erfahren wir beim lesen nicht nur sehr viel über das damalige programmieren - hätte es damals ein solches gegeben - sondern auch, wie sich die moderne Technik und die damit einhergehenden Spionagemöglichkeiten auf die Bevölkerung und das globale Kriegsgeschehen ausgewirkt haben. Dabei entwickelt der Autor ein glaubhaftes und komplexes Konstrukt, eine kontrafaktische Version der Geschichte.

Bei Spannung und Lesetempo war dann das Ende des Buches auch schon recht schnell erreicht, wobei ich sagen muss, dass mir dieses zu schnell abgehandelt ist. Es passiert noch einmal sehr viel, dass aber nur schemenhaft an mir vorbeigezogen ist. Die letzten Geschehnisse, auch wenn sie noch so viel Potential zur weiteren Ausarbeitung gehabt hätten, werden leider nur recht kurz abgebunden. Im Übrigen auch so wie Helenes Freund, der Fahnenflüchtige, den sie versteckt. Bei ihm hatte ich einfach nie das Gefühl, dass er ein vollwertiges Mitglied dieser Geschichte sei, zu oft vorgekommen, um nur ein unbedeutender Randcharakter zu sein, aber zu langweilig, als dass er irgendeine Bedeutung erlangen könnte.

Kurzum spannend, auch wenn der Schreibstil nichts weltbewegendes war und auch die Ausarbeitung von Geschichte und Figurenensemble hätte Stellenweise mehr Leben und Interesse vertragen können. Nichtsdestotrotz aber vor allem wegen der Grundidee und dem gut umgesetzten Universum ein lesenswertes Buch.

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Veröffentlicht am 15.09.2023

Flucht in die Freiheit

Die weite Wildnis
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Virginia in den spärlichen Anfängen einer Kolonie: Ein junges Mädchen entflieht der Siedlung, die man zuvor vielleicht als ihre Heimat bezeichnen hätte können. Was sie getan hat, ist anfangs nicht klar. ...

Virginia in den spärlichen Anfängen einer Kolonie: Ein junges Mädchen entflieht der Siedlung, die man zuvor vielleicht als ihre Heimat bezeichnen hätte können. Was sie getan hat, ist anfangs nicht klar. Wir wissen nur, dass es etwas bedeutungsschweres und unverzeihliches sein muss, denn die Kälte des amerikanischen Winters und die allgegenwärtige Gefahr des Todes sind der englischen Siedlung scheinbar vorzuziehen. Und so beginnt für das Mädchen jeden tag auf neues ein Kampf um die Freiheit, jeden Schritt und Atemzug aufs neue zu tun.

Ohne große Erklärungen wird die Leserschaft sogleich in die abgehetzte Flucht und die rasenden Gedanken der Protagonistin geworfen. Gestochen scharf bekommt man jede Empfindung, den Schmerz und die Bitterkeit des Hungers und der Kälte des ersten Fluchttages präsentiert, ohne genau zu wissen, wer das Mädchen ist, und was es getan hat. Erst langsam, mit Voranschreiten der Flucht des Mädchens - immer weiter in Richtung Norden - erfahren wir so banale dinge wie Herkunft und Namen des jungen Mädchens, und was nun eigentlich der Grund für diese Geschichte ist. Je tiefer wir in der Geschichte sind, umso mehr merken wir, dass das nebulöse Konstrukt rund um die Person im Zentrum des Buches sich immer weiter auflöst, im Umkehrschluss die Person selbst durch die Entbehrungen des Alltags in der Natur immer weiter zu entgleiten scheint, physisch und psychisch abbaut. Und so Baut sich die Geschichte in einem weiten Bogen auf und ebenso sanft wieder ab, wobei gerade der finale Punkt der Geschichte unabweichbar und ebenso schmerzhaft ist.

Neben der akribischen Beschreibung der Gedanken des Mädchens auf der Flucht spielen vor allem auch die Umgebung, in der wir uns Befinden, das Setting - die Natur eine zentrale Rolle. Wir erleben in detailreicher Schilderung den Übergang von Winter zu Frühling, das Erwachen der Tier und Pflanzenwelt in einer heute längst verlorenen Intensität. Und fast ist man gewillt, sich an die Stelle des jungen Mädchens zu wünschen, nur um diese Reinheit der Empfindungen auf sich einströmen zu lassen.

Und auch, wenn das Buch nur mit diesem einzigen Handlungsstrang auskommt, so ist es dennoch keineswegs ruhig oder langweilig. Brausend steigern sich die Geschehnisse der Flucht hin, peitschen die Geschichte voran, sei es nur, ebenso wie die Protagonistin selbst beim Lesen auf den nächsten Sonnenuntergang hinzufiebern, nur um zu erfahren können, ob all die Mühen und der Schmerz es gelohnt haben, und das Licht des neuen Tages erneut auf sie herunterscheint. Dabei kommt die Geschichte im Wald fast gänzlich ohne andere Menschen aus, die Natur ist vielseitig genug, um Motor für Spannung zu sein.

Insgesamt einfach ein gelungenes Buch, das mich wirklich gefesselt, mit seiner rohen Schönheit verzaubert und mich mit seinen intelligenten, teilweise auch tieftheologischen Gedankenansätzen gebannt hat.

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Veröffentlicht am 12.09.2023

Sie ist ein Vorbild für jede gewaltbereite Frau

Magdalena Sünderin
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Magdalena, eine unabhängige Frau und siebenfache Männermörderin, kurzum der Schrecken der katholischen Welt, entführt einen Priester in einem österreichischen Alpendorf. Sie braucht ihn als Beichtvater, ...

Magdalena, eine unabhängige Frau und siebenfache Männermörderin, kurzum der Schrecken der katholischen Welt, entführt einen Priester in einem österreichischen Alpendorf. Sie braucht ihn als Beichtvater, damit ihr endlich einmal ein Priester zuhört, damit sie endlich ihre Geschichte erzählen kann. Für den artigen Pfarrer ist seine Entführung anfangs eine komplette Katastrophe, aus der sich zu befreien er versucht, doch nach und nach, nachdem er mehr aus dem Leben der Sünderin erfahren hat, wandeln sich seine Emotionen hin zu einer für ihn bisher komplett neuen Empfindungswelt.

Lilian Faschinger schafft mit diesem Roman ein urösterreichisches Buch, dass den Finger in die Wunde der Probleme der ländlichen Regionen Österreichs liegt. Fehlende Frauenemanzipation, familiärer Druck und der Umgang mit denjenigen, die nicht in die Vorstellungen der Mehrheitsgesellschaft passen werden hier minutiös aufgearbeitet, und der Gedanke liegt nahe, dass hier auch autobiographische Hintergründe eine Rolle spielen, da es sich bei der Autorin ja um eine Kärntnerin handelt. Darüber hinaus werden anhand der Lebensgeschichte und der unterschiedlichen Männer, denen Magdalena begegnet, die unterschiedlichsten menschlichen Emotionen aufgerollt und deutlich vor Augen geführt, wie diese die menschliche Psyche beeinflussen können. Denn Obwohl Magdalena eine Sünderin ist, 7 vor dem Gesetz unschuldige Männer getötet hat, ist sie die Heldin der Geschichte, das aber ungezwungen, die Leserschaft hat es selbst in der Hand sich ein Urteil zu fällen. Das Interessante hierbei ist nämlich der stilistische Aspekt. Leserschaft und der Priester geraten in eine passive, zuhörende Rolle, während auf beinahe zeitdeckende Art und Weise mittels ewig langen Monologen Magdalenas die Geschichte erzählt wird. Nur ab und zu werden Gedanken des gefesselten Priesters mit eingeschoben, in denen dessen schleichender Geisteswandel festgehalten wird. Darüber hinaus bedient sich die Autorin einer komplexen und intellektuellen Sprache, die mich sehr stark an diejenige Thomas Bernhards erinnert hat. Generell habe ich hin und wieder Parallelen zwischen den beiden gezogen, da sie abgesehen von ihren komplexen sprachlichen, von Übertreibungen und Neologismen strotzenden Wortgebilden, auch in ihrer Österreich-, Gesellschafts- und Katholizismuskritik übereinstimmen.

Das Buch bietet demnach sehr viele Einblicke in einen intellektuellen, inneralpinen Geist, regt zum Nachdenken an und fasziniert, hat dennoch einige langatmige Stellen und erfordert bei der Lektüre hohe Konzentration.

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