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Veröffentlicht am 15.09.2016

Kümmere dich!

Liebe auf drei Pfoten
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Federica Mazzanti ist eine junge, zurückhaltende Frau mit nur wenigen sozialen Kontakten. Eigentlich hat sie nur zwei Freunde, ihren Nachbarn Mimmo und Giordano Bruno. Letzterer war ein Philosoph des 16. ...

Federica Mazzanti ist eine junge, zurückhaltende Frau mit nur wenigen sozialen Kontakten. Eigentlich hat sie nur zwei Freunde, ihren Nachbarn Mimmo und Giordano Bruno. Letzterer war ein Philosoph des 16. Jahrhunderts und die Freundschaft ist dementsprechend etwas einseitig, dennoch liebt Federica die Zwiesprache mit seiner Statue auf dem Campo de Fiori. Sie hat zwei Jobs, die sie jeden Morgen absolviert und so bleibt ihr nachmittags und abends Zeit, die verwaiste kleine Bibliothek aufzubauen, die sie eines Tages durch Zufall entdeckt hat, auch wenn es bisher noch an Besuchern und Ausleihenden fehlt und sie kurz davor steht, das Projekt aufzugeben.

Bisher war ihr dieses Leben völlig ausreichend und sie hatte nicht das Gefühl, dass etwas fehlt. Doch dies ändert sich, als die von fast allen als verrückt betrachtete alte Flavia Buonacuore eine halbtote dreibeinige Katze am Straßenrand aufsammelt und zu Federica bringt, da sie sie nicht mit in ihre eigene Wohnung nehmen darf.

"Kümmere dich!" lautet ihre Anweisung und Federica kommt gar nicht auf die Idee, sich zu wiedersetzen. Sie bringt den kleinen Kater zum Tierarzt, der ihr wenig Hoffnungen macht. Aber Federica lässt sich nicht entmutigen. Und irgendetwas, ein ganz besonderer Duft, bringt Bruno, wie sie den Kater nennt, dazu, das letzte seiner sieben Katzenleben doch noch nicht aufzugeben, sondern weiterzuleben.

Bruno wird ein treuer Begleiter für Federica, sein wahres Zuhause findet er aber in der Bibliothek. Und schnell spricht sich herum, dass die kleine Bücherei nun einen ganz besonderen Wächter hat. Nach und nach kommen ganz verschiedene Menschen zu Federica und ihren Büchern, bekommen Hilfe und helfen einander. Die Bibliothek wird zum Treffpunkt des Viertels.

Ich mag keine Tiergeschichten, in denen das Tier zu sehr vermenschlicht wird. Das ist hier nicht der Fall, Bruno spricht und denkt nicht in Worten, aber die Autorin beschreibt, was wahrnehmen und fühlen könnte und das kann man sich so durchaus vorstellen.

Es ist eine wunderschöne, warmherzige Geschichte über Hilfsbereitschaft und Freundschaft. Das Buch umfasst nur gute 200 Seiten, dennoch werden die Geschichten mehrerer Personen so bildlich und anschaulich erzählt, dass ich sie alle genau vor Augen hatte. In vielen Aspekten ist es eine traurige Geschichte, doch gleichzeitig macht sie auch Hoffnung und zeigt, was mit Mut, Vertrauen und Zusammenhalt alles möglich ist. Rom und seine Bewohner, Eigenheiten und Stimmungen werden herrlich anschaulich beschrieben. Ich mochte das Buch kaum aus der Hand legen und war gleichzeitig traurig, weil es so schnell gelesen war!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Zu viel Drama und Schicksalsschläge

Die dunklen Mauern von Willard State
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Die 17jährige Isabelle, genannt Izzy, hat schon viel durchgemacht im Leben. Vor 10 Jahren hat ihre Mutter ihren Vater im Schlaf erschossen und sitzt seitdem im Gefängnis. Izzy hat ihren Vater geliebt und ...

Die 17jährige Isabelle, genannt Izzy, hat schon viel durchgemacht im Leben. Vor 10 Jahren hat ihre Mutter ihren Vater im Schlaf erschossen und sitzt seitdem im Gefängnis. Izzy hat ihren Vater geliebt und verweigert den Kontakt zur Mutter, da sie sich deren Tat nur damit erklären kann, dass die Mutter wahnsinnig geworden sein muss. Nach dem Tod ihrer Großeltern kam Izzy von einer Pflegefamilie in die nächste. Nun ist es nur noch ein Jahr bis zu ihrer Volljährigkeit und sie ist fest entschlossen, dieses letzte Schuljahr unauffällig hinter sich zu bringen. Aber ihre neue Pflegemutter Peg ist Kuratorin eines Museums und fest entschlossen, ausgerechnet die Gebäude der alten Psychiatrie Willard State vor deren Abriss noch einmal genauer anzuschauen, wobei Izzy sie begleiten soll. In einem verlassenen Schuppen finden sie die Koffer von hunderten von Insassen, eine einmalige Gelegenheit, das Leben einiger früherer Patienten zu rekonstruieren. Insbesondere der Schrankkoffer einer jungen Frau namens Clara entpuppt sich als wahre Fundgrube und Claras Schicksal zieht Izzy mehr und mehr in seinen Bann.

Dies ist die Rahmenhandlung, die 1995 spielt. Das Willard State Projekt und die Koffer gibt es übrigens wirklich.
Parallel hierzu erzählt die Autorin die Geschichte der damals 18jährigen Clara im Jahr 1929. Clara verliebt sich unstandesgemäß in einen italienischen Einwanderer und als sie ihrem Vater den Gehorsam verweigert, wird sie in die Psychiatrie eingewiesen. Zu Beginn geht sie noch davon aus, dass er ihr nur eine Lektion erteilen will und ihr Aufenthalt nach wenigen Tagen wieder beendet sein wird, doch sie irrt sich und hat keinerlei Vorstellung, was für ein Martyrium auf sie zukommt.

Abwechselnd auf beiden Zeitebenen erzählt die Autorin die Geschichte. Claras Abschnitte sind schockierend und aus heutiger Sicht kaum vorstellbar. Doch damals herrschte natürlich eine völlig andere Meinung über Geisteskrankheiten, deren Definition und den Umgang mit den Kranken. Allerdings bleibt die Autorin doch sehr in Stereotypen verhaftet, die Bösen sind böse, die Guten gut, Zwischentöne gibt es nur bei einigen ganz wenigen Figuren. Dennoch fand ich Claras Schicksal sehr fesselnd, auch wenn ich nicht alles wirklich realistisch fand – die Behandlungsmethoden und der Umgang mit Patienten wurde wohl schon recherchiert und richtig beschrieben, die Autorin kratzt hier aber nur vorsichtig an der Oberfläche und schildert keine Details. Ich kann mir außerdem einfach nicht vorstellen, dass so ein Klinikleiter auch in Bezug auf andere Personen tun und lassen konnte, was er will.

Etwas zu sehr übertrieben waren mir aber vor allem die schweren Schickale in der Rahmenhandlung. Hier wäre weniger für mich mehr gewesen. Die Geschichte mit Izzys Eltern ist schlimm genug, da müsste nicht auch noch Mobbing in der Schule mit der Hintergrundgeschichte ihrer fiesen Klassenkameradin Shannon dazukommen. Ebenso fand ich am Ende die Entwicklung mit Izzys Mutter einfach zu viel, vor allem was das Timing angeht, inhaltlich hatte ich mir da schon gedacht, was damals wohl passiert ist.

Auch einige andere als Überraschung gedachte Enthüllungen am Ende waren mir zu viel Zufall und Kitsch und zu wenig Überraschung, das konnte man sich größtenteils schon längst denken und es war dann einfach zu passend, auch wenn ich grundsätzlich durchaus für schöne, versöhnliche Enden zu begeistern bin.

Veröffentlicht am 15.09.2016

RAF Terrorismus und seine Aufarbeitung

Schlaf der Vernunft
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Nach 20 Jahren Gefängnis wird die ehemalige RAF Terroristin Martina Müller begnadigt und entlassen. Diese Nachricht trifft viele Personen wie ein Schlag ins Gesicht, insbesondere natürlich die Hinterbliebenen ...

Nach 20 Jahren Gefängnis wird die ehemalige RAF Terroristin Martina Müller begnadigt und entlassen. Diese Nachricht trifft viele Personen wie ein Schlag ins Gesicht, insbesondere natürlich die Hinterbliebenen des Anschlags, an dem Martina beteiligt gewesen ist. Damals wurde ein Staatssekretär ermordet, seine Leibwächter und sein Fahrer kamen ebenfalls ums Leben. Nur Steffen Seidel, einer der Personenschützer, hat mit schweren Verletzungen überlebt und leidet bis heute an den körperlichen und psychischen Folgen des Attentats. Er hat sich mit seinem Lebensgefährten ein ruhiges Leben aufgebaut und hat Angst davor, dass nun alles wieder aufgewühlt wird, vor allem, weil er sich selbst nicht mehr genau an die Geschehnisse von damals erinnern kann. Dann sind da noch Michael Werder, der Sohn des ermordeten Staatssekretärs, der selbst in die Politik gegangen ist sowie Alex Gschwindner, der Sohn des Chauffeurs, der heute Journalist ist. Aber auch Martina Müller hat eine Tochter, die bei den Großeltern aufgewachsen ist und sich nun ihrer Mutter stellen muss. Angelika ist glücklich verheiratet, selbst Mutter von zwei kleinen Söhnen und hat nie verstanden, was Martina damals dazu getrieben hat, der RAF beizutreten und gegen den Staat zu kämpfen.

Durch die verschiedenen Figuren hindurch zeigt Autorin Tanja Kinkel die Geschichte der RAF und der Bundesrepublik Ende der 60er und in den 70er Jahren aus verschiedenen Perspektiven. Sie schildert den Weg einer ganz normalen jungen Frau aus bürgerlichem Elternhaus in die Radikalität. Sie zeigt den aus heutiger Perspektive kaum mehr nachvollziehbaren Wahnsinn der damaligen Zeit, genauso wie die schwierige Aufarbeitung gute 20 Jahre später.

Aufgrund der vielen Figuren und des Stoffes, der zumindest mir nicht so wirklich bekannt ist, war das Buch keine ganz einfache Lektüre. In meiner Schulzeit endete der Geschichtsunterricht mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, deutsche Geschichte danach war kein Thema mehr. Dabei lesen sich die Geschehnisse, die ja nicht erfunden sind, wie ein Krimi. Der Autorin gelingt es meiner Meinung nach hervorragend, diese Zeit und vor allem den Zeitgeist damals darzustellen. Ich habe bei der Lektüre einiges gelernt und wurde angeregt, vieles nachzulesen, um wenigstens ein paar Wissenslücken zu schließen. Im Buch wird aber auch deutlich, wie komplex und vielschichtig die damalige Situation war.

Gerade deswegen wieder finde ich es auch immer wieder faszinierend, wie Tanja Kinkel mit jedem Buch einen ganz neuen Stoff angeht. Ob es nun um eine Mongolenkaiserin geht oder um den deutschen Herbst, man spürt die genaue Recherche und das Einfühlen in die jeweiligen Personen und Gegebenheiten und hat beim Lesen das Gefühl: so könnte es gewesen sein. Ich bin jetzt schon sehr gespannt, welcher Zeit und Region sie sich als nächstes literarisch widmen wird!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Träume wagen – Träume teilen!

Kräuter der Provinz
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Maierhofen ist ein Dorf im schwäbischen Allgäu. Es liegt in einer wunderschönen Landschaft, aber eben nicht direkt in der Nähe der Berge und so taucht es nicht in den Tourismusprospekten auf. Seit Jahren ...

Maierhofen ist ein Dorf im schwäbischen Allgäu. Es liegt in einer wunderschönen Landschaft, aber eben nicht direkt in der Nähe der Berge und so taucht es nicht in den Tourismusprospekten auf. Seit Jahren ziehen die jungen Leute lieber in die Stadt, um dort zu leben und zu arbeiten, und Maierhofen wird immer kleiner und verliert immer weiter an Attraktivität. Bürgermeisterin Therese beobachtet diesen Teufelskreis schon seit längerem mit Sorge. Und nun hat sie auch noch eine schlimme ärztliche Diagnose bekommen und muss ins Krankenhaus. Wer soll sich um ihr geliebtes Maierhofen kümmern, wenn sie nicht da ist und falls sie nicht wiederkommt? Durch Zufall erinnert sie sich an ihre Cousine Greta, die in ihrer Kindheit einige Sommer in Maierhofen verbracht hat und die inzwischen eine erfolgreiche Frankfurter Werbefachfrau ist. Unter einem Vorwand lockt sie Greta nach Maierhofen, damit diese sich eine Image-Kampagne ausdenkt.

Greta kommt dieses Angebot aber auch gerade recht. Sie ist ausgelaugt und sieht immer weniger Sinn darin, absurde Produkte mit noch absurderen Werbestrategien zu vermarkten. Obwohl sie es sich zuerst kaum vorstellen kann, hat das Landleben eine wohltuende Wirkung auf sie. Sie genießt die frische Luft, das leckere Essen, die ruhigere Gangart. Und schließlich kommt ihr eine Idee, wie Maierhofen zu retten sein könnte.

Auch die Nebenfiguren spielen eine wichtige Rolle, nach und nach lernt man die Dorfbewohner besser kennen und einige davon schließt man besonders ins Herz! Man fiebert mit ihnen und drückt ihnen die Daumen, dass sie ihre Träume erkennen und wahrmachen!

"Kräuter der Provinz" ist der erste zeitgenössische Roman der Bestseller-Autorin Petra Durst-Benning, die bisher im historischen Genre zuhause war. Wer ihre Romane kennt, wird die zentralen Motive aber auch hier schnell wiederfinden: es geht um starke Frauen, die aus ihren üblichen Rollen ausbrechen und etwas wagen. Es geht um Freundschaft und Zusammenhalt, egal welche Probleme dabei im Wege stehen. Es geht um den Mut zur Veränderung, etwas zu tun anstatt nur darauf zu warten, dass es passiert.

Mir persönlich ist die Geschichte fast zu positiv, auch wenn es natürlich Schwierigkeiten und Rückschläge gibt. Dennoch ist es eine schöne Unterhaltung, die auf jeden Fall Spaß macht und viel Freude beim Lesen bringt!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Zweiter Teil der Tuchvilla-Saga

Die Töchter der Tuchvilla
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Augsburg, im Ersten Weltkrieg. Die Männer sind größtenteils an der Front, die Frauen müssen daheim dafür sorgen, dass der Haushalt weiterläuft. In der Tuchvilla der Melzers funktioniert dies trotz diversen ...

Augsburg, im Ersten Weltkrieg. Die Männer sind größtenteils an der Front, die Frauen müssen daheim dafür sorgen, dass der Haushalt weiterläuft. In der Tuchvilla der Melzers funktioniert dies trotz diversen Einschränkungen recht gut, da Herrschaft und Dienstboten sich kennen und schätzen und größtenteils alle ein eingespieltes Team sind.

Nicht so gut steht es um die Melzersche Tuchfabrik. Vater Melzer ist Neuerungen gegenüber nicht besonders aufgeschlossen und wehrt sich lange gegen jede Veränderung. Doch Schwiegertochter Marie bringt ihn mit sanfter Beharrlichkeit dazu, sich den neuen Notwendigkeiten zumindest teilweise zu beugen.

Nachdem der erste Band mit der Dreifach-Verlobung aller drei Melzer-Kinder endete, erleben wir nun den weiteren Verlauf der Familie sowie des ganzen Haushalts. Paul ist an der Front, Marie aber inzwischen völlig in die Familie integriert. Auch die Ehemänner von Elisabeth und Kitty sind im Krieg, der eine wird mehr, der andere weniger vermisst.

Nicht nur die Herrschaft, auch die Diener können sich nicht vor der Wehrpflicht drücken und zu Beginn des Krieges will dies in der allgemeinen Begeisterung ja auch kaum einer. Aber schnell holt die Realität sie alle ein. Insbesondere der feingeistige Humbert leidet unendlich an der Front, hat Panikattacken und bringt sich selbst in immer noch schlimmere Situationen.

Die Autorin schildert die Kriegsjahre aus vielen unterschiedlichen Perspektiven, spart dabei das Grauen an der Front nicht aus, der Fokus liegt aber auf dem Leben der Daheimgebliebenen. Besonders interessant finde ich hierbei, wie im ersten Teil, dass die Geschichte einmal nicht in Berlin, München oder Hamburg, sondern eben im eher beschaulichen Augsburg spielt. Aber auch hier passieren gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Umwälzungen wie überall im Land zu jener Zeit.

Gut gelungen finde ich das Verhältnis in der Handlung zwischen dem Leben der Herrschaften und dem der Dienerschaft. In beiden Schichten geschieht viel, es wird geliebt und gehasst, verzweifelt und gehofft, es gibt aufrichtige und liebenswerte Charaktere genauso wie unsympathische Fieslinge und Intriganten, alles in und um den Mikrokosmos der Tuchvilla herum!

Anne Jacobs ist ein geschlossenes Pseudonym, das heißt, wir Leser wissen leider nicht, welche Autorin dahintersteckt. Ich persönlich finde das schade, denn gerne würde ich mehr aus ihrer Feder lesen!

Zum Glück hat die Autorin im Rahmen einer Leserunde angekündigt, dass es einen dritten Band der Tuchvilla-Saga geben wird. Das ist auch gut so, denn am Ende dieses Buches bleiben doch einige Fragen offen und einige Handlungsstränge sind noch nicht zu Ende geführt. Daher freue ich mich sehr auf die Fortsetzung!

Auch wenn man den zweiten Teil sicher auch ohne Vorkenntnisse lesen und genießen kann, empfehle ich doch vorher die Lektüre des ersten Bandes, um ein umfassenderes Bild der Figuren von Anfang an zu haben!