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Veröffentlicht am 15.09.2016

Achtung Sadist! Sehr spannend, ungewöhnliches „Ermittler“-Duo, unnötige Schwächen bei der Umsetzung

Post Mortem - Tränen aus Blut
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Zur Handlung möchte ich wie immer bei Krimis und Thrillern möglichst wenig verraten, nur das, was für einige Leser die Kaufentscheidung beeinflusst:
es gibt einige sehr harte Szenen mit willkürlicher ...

Zur Handlung möchte ich wie immer bei Krimis und Thrillern möglichst wenig verraten, nur das, was für einige Leser die Kaufentscheidung beeinflusst:
es gibt einige sehr harte Szenen mit willkürlicher sadistischer Folter im Buch, dabei sind als Opfer sowohl Frauen als auch – sehr heftig – Kinder betroffen. Es gibt Verluste im Tierreich, wenn auch eher als „Kollateralschaden“. Es gibt eine berufstätige alleinerziehende Mutter als Ermittlerin, deren Teenie-Tochter unter der Woche im Internat ist wegen der beruflichen Einbindung der Mutter (das störte einige Leserinnen, ich erwähne das nur deshalb). Für mich persönlich hätte gelangt, wenn die Lektüre „nur“ den Tod des Kindes vermittelt hätte; die Details hätte es nicht gebraucht, um darzustellen, mit was für teuflischen Gegenspielern es das ungleiche Ermittler-Team hier zu tun hat.

Mark Roderick, so das Pseudonym des deutschen Autors, kann definitiv spannend schreiben. Ich hatte das Buch in drei Abenden durch und wäre noch schneller gewesen, wenn ich nicht gelegentlich schlafen müsste…Die Kaufentscheidung wurde bei mir durch die Idee eines recht ungewöhnlichen „Ermittler“-Duos bewirkt: Das Verschwinden einer Familie, das Auftauchen einer Leiche wollen eine Interpol-Agentin und ein Profi-Killer aufklären, dieser Ansatz wurde auch glaubhaft umgesetzt. Dabei verhält sich der Profi-Killer eher wie ein Polizist, er sichert, durchsucht, befragt… - die Parallelen zur Vorbereitung eines Profikiller-Einsatzes und im Polizei-Einsatz sind eigentlich so offensichtlich (einmal die Intentionen ganz außen vor gelassen), dass es eigentlich verwundert, dass das noch kein anderer Autor aufgenommen hatte. Für mich ist diese Grundsituation wirklich das, was den Roman für mich trägt.

Allerdings gibt es für mich auch einige Mängel, erst mit dem zweiten Band wurde ich richtig „warm“ mit Autor und Geschichte (ich habe den zweiten Band nach dem ersten gelesen, ihn bewusst gekauft angesichts meiner Einwände - aber vorher rezensiert, weil ich ihn einfach um einiges besser, schlüssiger finde):
Einige Handlungsstränge wirken im Band 1 nicht stimmig oder werden nicht aufgelöst. So war ich nicht die einzige, der die Entwicklung des privaten Liebesglücks von Emilia etwas zu schnell, zu „süß“ war – ohne dass hier in Band 1 ein Cliffhanger aufgebaut würde, mit Band 2 wird klar, wozu es das gebraucht hat (also wollte wohl der Autor „schnell dahin“). Auch die Sache mit Ludwig Botts Fingern wird erst im zweiten Band aufgelöst (nicht, dass man das wirklich in Band 1 bräuchte – aber es wird halt deutlich hier erwähnt).
Da der Film „Pretty Woman“ recht bekannt ist, nehme ich den als Beispiel dafür, dass auch ziemlich oft NICHT aufgepasst wurde von einer Szene zur nächsten: so ist einer der bekannteren Anschlussfehler, die Szene mit Julia Roberts und Richard Gere auf einer Picknickdecke, sie zieht ihm die Schuhe aus. In der nächsten Szene liest er ihr etwas vor – und hat die Schuhe wieder an…. (soll wohl Filmminute 88 sein lt. Internetrecherche). Ungefähr in dieser Art sind mehrere Stellen im Buch: keine wirklich groben Fehler, eher Dinge, die man recht leicht hätte korrigiert haben können, spätestens im Lektoriat. So nimmt Avram das Smartphone von Emilia an sich und wirft es aus dem Fenster seines Autos. Später im Hotel hat sie es und schaut darauf Unterlagen durch, die vorher drauf waren (o.k., da gibt es so Backup-Tools via Cloud, über die man sich Unterlagen sichern kann und sie könnte ganz schnell ein neues gekauft haben – das ist auch alles nur in der Theorie so schön einfach und jemand mit Verstand speichert wohl keine Ermittlungsunterlagen in der Cloud…). Zum Beispiel hätte stattdessen Avram einfach das Phon in den Fußraum werfen und losfahren können und später findet man es im abgestellten Auto.
Diesmal also ein etwas schrägeres Fazit: Band 2 unbedingt kaufen. Und dann nach Wunsch eventuell Band 1 danach lesen. Das fände ich weniger „sperrig“ im Lesegenuss.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Von der Solidarität mit dem Profikiller

Post Mortem - Zeit der Asche
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Welchen Wein würde ich dazu wählen, wenn ich dabei zusehen dürfte, wie das Wesen, das auf dem Supermarktparkplatz meinen nagelneuen Gebrauchten mit einem Kratzer verunstaltete und dann verschwand, so richtig ...

Welchen Wein würde ich dazu wählen, wenn ich dabei zusehen dürfte, wie das Wesen, das auf dem Supermarktparkplatz meinen nagelneuen Gebrauchten mit einem Kratzer verunstaltete und dann verschwand, so richtig übel an der Ausfahrt-Schranke hängenbliebe?

Wer so oder noch schlimmer schon einmal Phantasien gepflegt hat, darf sich hier über sich selbst erschrecken: auch Claus Thalinger, von dem wir schon im ersten Kapitel erfahren, dass er die Dienste des brutalen Folterers Belial gerne in Anspruch nahm, weiß um die Bedeutung des passenden Weins zum Folter-Video-Genuß.

Mark Roderick schreibt in „Post Mortem – Zeit der Asche“ so spannend, dass ich das Buch in einem Tag durchgelesen habe. Ich kannte zwar den Vorgänger „Post Mortem – Tränen aus Blut“, denke aber, dass man aufgrund der im Buch gegebenen Erklärungen diesen zweiten Teil auch ohne den ersten mühelos lesen kann – tatsächlich finde ich den zweiten Band sogar noch einen guten Touch besser, spannender.

Den Leser erwartet nicht die klassische Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse, nein, einer der „Guten“ ist Avram Kuyper, der die grausamen Verluste innerhalb seiner Familie rächen möchte – als Profikiller hat er dazu durchaus andere Mittel als die ebenfalls ermittelnde Polizistin Emilia Ness. Der Autor schafft sehr geschickt eine permanente Folge von Cliffhangern, indem er fortgesetzt zwischen den Perspektiven von Avram und Emilia wechselt und auch etliche Kapitel einstreut, in denen wir direkt über die Schultern des perfiden Thalinger blicken. Dass wir dadurch zum allwissenden Leser werden, senkt das Spannungslevel mitnichten. Der Autor wendet den Kunstgriff an, die meisten der härteren Szenen im Rückblick zu schildern, indem sich zum Beispiel die Ermittler ein Video ansehen, oder indem jemand zwar mit einem Hammer auf jemandes Knie zugeht, dann aber quasi ausgeblendet wird, indem wir den Raum verlassen oder ähnliches. Da ich Sadismus-Folter-Szenen nicht wirklich mag, wird das so für mich ertragbar auf das Kopfkino reduziert.

Auch wenn ein Profikiller und die Polizei dabei ja doch recht unterschiedliche Ziele und Möglichkeiten haben, schafft es Roderick, bei beiden eine praktisch konstant hohe Spannung aufgrund der beschriebenen Ermittlungsarbeit zu vermitteln. Dabei durchläuft Profikiller Avram einige Erfahrungen, die sowohl seine innere Moral („keine Kinder“) und sein Verständnis von Ehre und Loyalität, aber auch seinen „Berufseinstieg“ nachvollziehbar machen.

Als einzigen Wunsch hätte ich noch an den Autor gehabt, dass er das eher implizit vorhandene Dilemma von Ermittlerin Emilia herausgearbeitet hätte, als sie selbst ins Visier des Bösen gerät – bis dahin war für sie ein Vorgehen mit persönlicher Rache oder nur abseits der Dienstvorschriften nach dem Vorbild vom moralisch und beruflich weniger eingeschränkten Avram nicht vorstellbar gewesen. Was macht das mit so einer Persönlichkeit (Avram war in diesem Band wesentlich komplexer dargestellt)? Aber die Leseprobe am Buchende macht ja schon wieder Appetit auf Band 3….

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein klassischer Frauen-Liebesroman für Liebhaberinnen des Genres

Die Zeit der Apfelblüten
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Ein klassischer Frauen-Liebesroman für Liebhaberinnen des Genres
Bei mir war dieses Buch in einem Überraschungs-Gewinnpaket, daher versuche ich, die ich sonst dieses Genre eher bei Entzugs-Erscheinungen ...

Ein klassischer Frauen-Liebesroman für Liebhaberinnen des Genres
Bei mir war dieses Buch in einem Überraschungs-Gewinnpaket, daher versuche ich, die ich sonst dieses Genre eher bei Entzugs-Erscheinungen lese (= nichts anderes da), es hier fair zu beurteilen (nur, weil ich Oliven nicht mag, kann ich einen Oliven-Salat nicht einfach als „schlecht“ beurteilen, sondern muss versuchen, „durch die Oliven hindurch zu schmecken“).
Der Schreibstil ist angenehm locker leicht und das Buch liest sich so herunter – wer einen klassischen Liebesroman sucht, wird hier bestens bedient, kleines Drama und Komplikationen inklusive (vor dem für mich etwas vorhersehbaren Ende mit etwas zu viel Versöhnung, wenn auch mit einer unerwarteten Pointe zum Großvater).

Ich mag da, wenn schon leichteres Genre, dann eher Bücher, die doch noch so etwas wie eine Botschaft, ein Auseinandersetzen mit einem Thema mit sich führen – hier geht es zwar auch um Verantwortung gegenüber den jeweiligen Familien im Kontrast mit den eigenen Wünschen und Träumen und um Ängste und Hindernisse, die an der Umsetzung derselben hindern, aber das tritt doch schon sehr hinter der Romanze zurück (nicht böse sein, aber da finde ich „Morgen kommt ein neuer Himmel“ von Lori Nelson Spielman eindeutig tiefgründiger, dadurch berührender und weniger vorhersehbar, trotz des extrem kitschigen deutschen Titels für das Original „The Life List“).

„Die Zeit der Apfelblüten“ (im Original passender „Family Trees“, da es sowohl um „Stammbäume“ im Sinne der Familientraditionen als auch um die Familien-Bäume auf der Apfelplantage von Shelbys Familie geht) ist vom Verlag und der Übersetzung auf ein wirklich angenehmes Deutsch gebracht worden - keine groben Schnitzer wie leider inzwischen häufig, einzig einige ganz wenige Stellen, an denen ich das amerikanische Englisch bzw. eher die US-Kultur in für Deutsche nicht notwendigerweise nachvollziehbaren Bezeichnungen durchschimmern merkte (so hält „graues Klebeband“ zusammen, was im Original wohl das inzwischen auch hier bekannte „Duct Tape“ fixiert haben dürfte – graues Gewebeband hätte mir besser gefallen).

Dafür gibt es leider ein paar heftige Klischees:
Shelby ist ein Kleinstadtmädchen mit tragischer Vergangenheit aus liebevoller Familie und Ryan kommt aus der Stadt und ist unglücklich in seiner auf Profit und Prestige orientierten reichen Familie – und völlig überraschend für den Leser verlieben sie sich ineinander – erst ziert sie sich, dann passiert ein tragischer Unfall, dann…
Ihr bester Freund seit Kindertagen liebt sie schon ewig, alle wissen das, nur sie nicht
Ihre große Liebe ist gestorben und über drei Jahre lang kapselt sie sich komplett ab

In Shelbys Familie findet Ryan „…eine Familie, die seinen Segeln Auftrieb gab, und kein[en] Anker, der ihn am Boden festhielt.“ (S. 288). Neben so einem schönen Satz irritiert mich die Autorin dann mit so etwas wie „Lake Superior war so lieblich und launisch wie eine Frau“…. (S. 13) – irgendwie aus der Alt-Herren-Schublade.

Aus einem seltsamen Grund wird in US-Büchern immer versucht, jemanden als weltmännisch zu charakterisieren, indem man ihn von irgendwelchen Weinsorten reden lässt (Shelby pariert Ryan hier wunderbar, redet vom „Roten“). Sie weiß gar nicht, wie hübsch sie ist, er hat einen super durchtrainierten Körper, schlank… Interessanter gezeichnet fand ich die Nebenfiguren, irgendwann hätte ich Lust gehabt, Shelbys Mutter und Ryans Vater zusammenzubringen – irgendwie zwei „Bitches“.

Als Fazit ein Buch, dass ich so sofort denen empfehlen würde, die das Genre schätzen, sprachlich gut und alle typischen Erwartungen erfüllend – wenn ich auch persönlich mehr Überraschungsmoment, weniger Klischee und etwas mehr Gedankenanstoß für’s eigene Leben bevorzugen würde.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Verstörend! Der ganz eigene Stil ist leicht lesbar, das Thema ist harter Tobak

Liebesgeschichte
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Die Rückseite des Schutzumschlages vermerkt „Liebesgeschichte – eine irritierende, beunruhigende Versuchsanordnung über Entfremdung und Begehren“. Thomas Jonigk arbeitet auch als Theaterregisseur und –dramaturg, ...

Die Rückseite des Schutzumschlages vermerkt „Liebesgeschichte – eine irritierende, beunruhigende Versuchsanordnung über Entfremdung und Begehren“. Thomas Jonigk arbeitet auch als Theaterregisseur und –dramaturg, und wenn ich an die generelle Tendenz seiner Branche denke, viele Stücke zu inszenieren in dem Bestreben, das Publikum zu schockieren, so passt das hier zusammen.

Der Arzt Alexander Wertheimer ist der Ich-Erzähler dieser Geschichte. Nein, kein sympathischer Held, niemand, mit dem sich auch nur im Ansatz jemand zu identifizieren versuchen sollte. „Vom Terror, nicht geliebt zu werden“ steht noch auf der Rückseite: Wertheimer ist ein Besessener, er scheint zu Stalking zu neigen, wirkt grenzwertig zwangsneurotisch. Er verwechselt Wissen mit Überheblichkeit, glaubt, durch die Lektüre von kulturell relevanter Lektüre kultiviert zu sein.

Trotzdem liest sich „Liebesgeschichte“ leicht und ist stilistisch nicht unangenehm, zeigt eher sprachliche Kompetenz des Autors. Problematisch wird es beim Inhalt, den zu beschreiben fast unmöglich ist, ohne automatisch zu viel zu verraten, bereits der Klappentext geht eigentlich zu weit. Daher so viel: Wertheimer erkennt an sich „dieses Gefräßige, das keinen Raum für zwei lässt, weil ich mir alles einverleibe, das ich zu lieben glaube.“ (S. 54f) Sein Einverleiben ist nicht zart, verstörend sind seine Phantasien wie seine Handlungen. Gegenüber den Gefühlen und Bedürfnissen seiner Mitmenschen – speziell Frauen – ist er blind und taub, leider nicht stumm, was er sagt, klingt wie eine Gebrauchsanweisung, so in den Gedanken über seine Nachbarin: „…dazu kommen z.B. Gewebeschwächen im Bereich der Brust und der Oberarme, Pigmentstörungen (Dekolleté), starke Hornhautbildung (beide großen Zehen sowie Fersen), Zahnfleischrückgang (beim Gähnen sichtbar) sowie Andeutungen von Krampfadern in der linken Wade.“ (S. 73). Na danke! Bisweilen wirkt Jonigk hiermit komisch, der Klappentext spricht von „subversiv“. In Sätzen wie „ich sehe, wie Vergeblichkeit aus mir herausquillt“ (S. 15) hingegen wird er doch sehr vorhersehbar.
Alles in allem ist mir dieser Roman zu sehr (wenn auch technisch gut) konstruiert, zu kalkuliert. Sein Antiheld bietet so wenig Identifikationspotential wie das weitere Personal des Romans. Das Thema ist wichtig, die Darstellung verstört – das „passt“, aber lässt mich darüber hinaus unbewegt. Eine Rezension, die ich aus Ratlosigkeit konsultierte, zog den Vergleich zu Nabokovs „Lolita“. Vielleicht Lolita auf der Bühne mit nackten Schauspielern, Statisten aus dem Obdachlosen-/Flüchtlingsheim und irgendwie rennt dabei jemand herum und sagt.
WEITER.

zu Stilmitteln:
Jonigk nutzt wiederholt ganz eigene stilistische Mittel ein, jedoch nicht in ähnlicher Persistenz wie der aktuelle Walser:
„Ihr seid doch über jedes Detail informiert, ihr Staatsoberhäupter und Familienväter, ihr Frauenhasser, Mädchenhändler und Kinderschänder, ihr Zyniker und Rechtsverdreher, meine hochverehrten Richter und Mörder: Ihr alle heuchelt Korrektheit/Gesetzestreue/Betroffenheit, aber ich weiß, DASS KEIN EINZIGER VON EUCH FREI VON SCHULD IST.
WEITER.“
(S. 94).
• Mehrfach erscheinen Aufzählungen, die die „Wahrer des Rechts und der Gesellschaft“ in einem Atemzug nennen mit denen, die diese verletzen.
• Häufig stehen „Begriffe zu Auswahl“, getrennt mit Schrägstrich – Jonigks Hauptperson ringt um den korrekten Wortgebrauch, er redet / denkt (ja, das steckt an) wie im Rausch, mag sich vielleicht auch nicht festlegen (lassen).
• Einige Sätze oder Satzteile oder Worte sind komplett in Großbuchstaben, was für mich die Assoziation von „Schreien“ in SMS-Darstellung hervorruft.
• Jonigk arbeitet auch damit, Handlung mit dem Zeilenvorschub darzustellen – die Lesefolge wirkt dadurch gepresst, stockend, ausweichend.
• „WEITER“ leitet mehrfach einen Gedankensprung im „stream of consciousness“ des Ich-Erzählers ein.
Was einzig noch fehlt im obigen Beispiel, kann man darstellen anhand von
„…ein bewegungsunfähiger Querschnittsgelähmter (Anm.: Pleonasmus? Überprüfen!).“ (S. 68) – häufige Nutzung von Klammern, oft in einer Art, als rezensiere der Arzt sich selbst, um vielleicht beim nächsten Sprechen oder Denken sich korrekter ausdrücken zu können. Dabei ist ihm Sprache wichtig wie auch Literatur oder generell Wissen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Schnell lesbar, mir zu derb in Inhalt und Sprache und als Roman zu unfertig

Das kalte Licht der fernen Sterne
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Das kalte Licht der fernen Sterne ist ein Episodenroman, die Hauptperson Nastja berichtet als Ich-Erzählerin über ihr Dorf im Vor-Wende-Russland. Die Episoden hängen lose zusammen und sind chronologisch ...

Das kalte Licht der fernen Sterne ist ein Episodenroman, die Hauptperson Nastja berichtet als Ich-Erzählerin über ihr Dorf im Vor-Wende-Russland. Die Episoden hängen lose zusammen und sind chronologisch grob fortschreitend, wobei es einige übergreifende Kapitel gibt, etwa zu den Jahreszeiten im Dorf oder zu bestimmten Orten und Personen. Die Geschichten handeln von Mangel (Nastja kommt in den Kindergarten, weil das Essen knapp ist) und Strenge (Prügelstrafe und psychische Gewalt sind gängig), von Verwahrlosung (Väter fehlen oder prügeln, die Menschen saufen, es wird betrogen, gestohlen, beneidet), vom Plumpsklo und der sonstigen Infrastruktur des Mangels (kein fließendes Wasser, Stromausfälle, desolate Straßen, Dreck). Das Buch wirkt unfertig, als wären Glossen aus einem Periodikum nur zusammengefasst worden, da in teils aufeinanderfolgenden Kapiteln wieder dasselbe erklärt wird, was schon einmal geschildert wurde (das Plumpsklo, die Brotfabrik,…).
Einige Bereiche verstören regelrecht, so die alptraumhafte Bestrafung von Lena in einer Missbrauchs- und Gewaltorgie, die generelle Gleichgültigkeit und Lieblosigkeit selbst innerhalb von Familien. Auch manche Handlungen sind nicht nachvollziehbar, so flieht Nastja zu den sich prostituierenden Schulkameradinnen oder übernachtet in den Wohnungen völlig Fremder.
Um für mich als Schilderung eines tatsächlichen Zustandes zu gelten, bleibt der Roman zu oberflächlich. Einen literarischen Wert mag ich ebenso wenig erkennen. Bei sonst ähnlichem Inhalt hätten andere Ansätze mich deutlich stärker überzeugt: Am ehesten würde ich es für sinnvoll halten, zum Beispiel Schilderungen mehrerer Zeitgenossen zusammenzustellen, um so ein runderes, authentischer wirkendes Bild zu liefern, sollte es um eine Schilderung gehen. Alternativ schafft es Andrei Mihailescu, für sein Heimatland Rumänien einen Vor-Wende-Roman zu schreiben, der desolate Zustände literarisch nachvollziehbar macht und das (sehr wenige) Vulgäre in die wörtliche Sprache einiger Handelnder verbannt. Somit bleiben für mich auf der Positiv-Seite nur Ansatz und Thema, die wirklich originelle und passende optische Aufmachung im Stil von bestempeltem und bekritzelten Packpapier beim Einband und der generelle unprätentiöse Erzählstil der Autorin jenseits von anstößigen Themen und Worten. Mir reicht das leider nicht.