Profilbild von Steff

Steff

aktives Lesejury-Mitglied
offline

Steff ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Steff über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.12.2021

Ein Mädchen das Gehört werden will

Das Mädchen mit der lauternen Stimme
0

“Das Mädchen mit der lauternen Stimme” ist ein Roman von Abi Dare und wurde 2021 durch den Eichborn-Verlag im Deutschen veröffentlicht. Dabei handelt es sich um die Geschichte eines Mädchens, das sich ...

“Das Mädchen mit der lauternen Stimme” ist ein Roman von Abi Dare und wurde 2021 durch den Eichborn-Verlag im Deutschen veröffentlicht. Dabei handelt es sich um die Geschichte eines Mädchens, das sich in einer patriarchalen Gesellschaft Gehör verschaffen will, welche Frauen aktiv versucht zu unterdrücken.

Wir verfolgen Adunni, welche in einem kleinen nigerianischen Dorf zur Welt gekommen ist und seit dem Tod ihrer Mutter nicht mehr zur Schule gehen darf.
Seit dem ist sie der patriarchalen und konservativen Diktatur ihres Umfelds schutzlos unterworfen - sei es durch ihre Zwangsehe, der gesellschaftliche Druck Kinder zu bekommen oder die Nötigung zu Sex. Dabei sehnt sie sich verzweifelt danach, die Schule besuchen zu dürfen und sich selbst durch Bildung Gehör zu verschaffen.
Dabei kommt Adunni auf ihrem Weg mit unterschiedlichen Lebensrealitäten in Kontakt - vom kleinen Dorf verliert sich Adunni in die Welt der nigerianischen superreichen Frauen und hinterfragt langsam ihre eigene Perspektive.

Der Wert von Frauen innerhalb der nigerianischen Gesellschaft wird schnell deutlich: Schon bei Heiratszeremonien werden Frauen auf ihre „Nützlichkeit“ und „Gebärfähigkeit“ reduziert, während sie meistens den Haushalt allein und ohne Hilfe des Ehemannes finanzieren und leiten müssen. Dabei sind Frauen auch selbst schuld, wenn sie keine Kinder gebären können - die Impotenz und die Unfähigkeit von Männern wird nicht als Möglichkeit betrachtet.

Adunni selbst ist absolut liebenswert: Sie ist hoffnungsvoll und respektvoll, während sie immer auf die Personen um sich herum achtet. Außerdem fällt ihr schwer den Mund zu halten und nicht ständig neue Fragen zu stellen, auf deren Antwort sie ausdauernd pocht. Dabei zeigt sich Adunni entsprechend ihres Bildungsstandes oft Naiv und versteht hin und wieder nicht welche Bedeutung sie haben.
Zielgerichtet versucht sie sich ihren Traum von Bildung zu erfüllen und wird mit dabei mit Gewalt, Vorurteilen und Boshaftigkeit, aber auch mit Liebe, Verständnis und Hilfsbereitschaft konfrontiert.
Sie wird durch die Hoffnung motiviert ihre Bildung ihre tote Mutter stolz zu machen.

Die Handlung selbst hat mich in ein Wechselbad der Gefühle gestoßen: Hin und wieder hätte ich am liebsten das Buch weggelegt, während ich an anderen Stellen das Buch gar nicht aus der Hand legen konnte und mich für Adunni freuen musste oder mit ihr mitleidete.
Das lag daran, dass Dare sich nicht davor gescheut hat Situationen und Handlungen in all ihrer Brutalität, Gewalt und Konsequenzialität zu beschreiben: Es wurde kein Halt davor gemacht gesellschaftliche Kritik, verschissene Abstellkammern, aber auch Vergewaltigungen darzustellen, wobei das immer durch die naive Brille Adunnis geschieht.
Welche Bedeutung die Handlung für Adunni und ihr Leben, aber auch auf ihr Selbstbild, hat wurde klar gezeigt: Sei es die Bedeutung ihrer Zwangsehe, aber auch ihre spätere Arbeit und Bildungsversuche haben sie klar geprägt, ohne dabei gewertet zu werden.
Die Handlung selbst wirkte dabei immer Glaubwürdig, obwohl ich mir gewünscht hätte, dass Adunnis Höhepunkt mehr Raum bekommen hätte, statt nur ein Seite dafür zu verwenden.

Der Schreibstil der Autorin war genial und zeigte, wie aufmerksam und sensibel Dare beim Schreiben war. Das wurde besonders an zwei Aspekten deutlich: Zum einen wurde Adunnis Naivität und Unwissen authentisch in die Geschichte eingewoben, ohne joval zu wirken und zum anderen hat sie ihren Schreibstil an Adunnis Englischkenntnissen angepasst - während am Anfang der Satzaufbau und die Verwendung der Zeitformen stark vereinfacht und holprig verwendet wurden, nahm ihre Komplexität mit Adunnis Erfahrungen zu.
Das war aber auch auf eine andere Weise symbolisch: Die Komplexität des Schreibstils nahm ab dem Zeitpunkt zu, ab dem Adunni begann ihre Stimme zu finden.
Außerdem war zu jedem Zeitpunkt klar, dass die Geschichte aus Adunnis Perspektive erzählt wurde: Beschreibungen wurden immer aus ihrer Sicht geschildert mit ihren Annahmen und Vorurteilen, weswegen es beim Leser lag, wie Erklärungen einzuordnen und zu bewerten waren. Das hat Adunnis Perspektive und Erfahrungen nochmals betont und führte zu sympathischen Vergleichen.

All diese Aspekte, von der Handlung bis hin zum Schreibstil, wirkten geschickt zusammen, um Adunnis Geschichte zu erzählen: Die Geschichte eines Mädchens, das gehört und ihren Wert zeigen will, während sie zu jeder Zeit bereit war alles zu tun, was dafür nötig ist.

Deswegen kann ich das Buch absolut jeder Person empfehlen, die Interesse an einer Character-Driven Geschichte hat und sich von einer starken Figur inspirieren lassen will.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.12.2021

Tipps für groß und klein

Klara und die Monster
0

Klara und die Monster

“Klara und die Monster” ist ein Kinderbuch von Elfi Sinn und wurde durch BooksonDemand veröffentlicht. Dabei verfolgen wir die ängstliche Klara auf ihrer Reise mutig zu werden.

Klara ...

Klara und die Monster

“Klara und die Monster” ist ein Kinderbuch von Elfi Sinn und wurde durch BooksonDemand veröffentlicht. Dabei verfolgen wir die ängstliche Klara auf ihrer Reise mutig zu werden.

Klara hat ihren Entschluss gefasst nachdem sie mit sich selbst nicht mehr zufrieden war und deswegen eine Veränderung herbei sehnte: Sie wollte sich nicht mehr durch ihre Angst einschränken lassen. Dabei lernt sie verschiedene Coping-Mechanismen kennen, die sie zum Schluss auch mit ihren Freunden teilen will. Langsam lernt Klara mit ihrer Angst umzugehen und zeigt dabei, dass ihr Ziel mutig zu werden sie bereits zu einer mutigen Person macht.

Bei diesen Mechanismen handelt es sich auch um Tipps, die vielen Erwachsen helfen könnten: Darunter gehört die Frage, wieso man denn überhaupt Angst hat, aber auch die Beratung durch erfahrene Personen, die sich mit der Thematik auskennen, sowie das selbstbestimmte Konfrontieren der eigenen Ängste.

Diese Lektionen werden dabei kindgerecht mit für Kinder Lebensnahen Erfahrungen vermittelt, ohne die Sorgen von Kinder kleinzureden.

Der Schreibstil selbst ist Kindergerecht, wirkt aber durch hin und wieder vorkommenden Fach- und Fremdwörter fördernd. Vorkommende Fach- und Fremdwörter werden entsprechend kindgerecht erklärt und auch angewendet, um ihre Bedeutung und Anwendung besser zu vermitteln. Außerdem wird durch die Kapitelüberschriften selbst eine kleine Geschichte erzählt, was ich absolut liebe und als aufmerksam empfand.

Wegen der tollen Tipps, der Lebensnahem Handlung und des fördernden Schreibstils kann ich dieses Buch Kindern und ihren Bezugspersonen absolut empfehlen - beide werden davon profitieren können!

Trotzdem möchte die Frage anstoßen ob das Buch in einer Passagen nicht Gender-Stereotypen verfestigt: Zum Schluss wurde Klara mit ihren Brüdern verglichen, welche durch ihren natürlichen Mut nicht auf ähnliche Hilfsmittel wie Klara zurückgreifen müssen. Ich frage mich, ob diese Unterscheidung auf den unterschiedlichen Gendern der Kindern beruht oder ob es einfach in den Persönlichkeiten der Kindern veranlagt sein soll - gerade der erste Fall wäre für mich problematisch, da Mädchen nicht von Natur aus Mutig oder nicht-Mutig sind, genauso wie Jungen nicht von Natur aus Mutig oder nicht-Mutig sind.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.12.2021

Hätte ich auch gelogen?

Die Lügen der Frauen
0

Der Roman “Die Lügen der Frauen” von Ljudmila Ulitzkaja wurde 2003 durch den Carl Hanser Verlag im Deutschen veröffentlicht und stellt die Frage, wieso Frauen lügen.

Dabei verfolgen wir die Figur Shenja, ...

Der Roman “Die Lügen der Frauen” von Ljudmila Ulitzkaja wurde 2003 durch den Carl Hanser Verlag im Deutschen veröffentlicht und stellt die Frage, wieso Frauen lügen.

Dabei verfolgen wir die Figur Shenja, der sich durch ihr offenes Ohr immer wieder Menschen anvertrauen und sie so auch mit vielen Lügen konfrontieren.

Nachdem ich das Buch gelesen hatte, habe ich mich aber eine Sache gefragt: War es denn überhaupt schlimm, dass diese Frauen logen? Denn beim Lesen habe ich mich immer wieder bei der Frage erwischt, ob ich wirklich anders als die Figuren gehandelt hätte.

Die Handlung beginnt mit einem Urlaub, in dem Schenja mit scheinbar beeindruckenden Frauen konfrontiert wird, ehe weitere Erlebnissen mit ihrer Familien und Freunden folgen, in denen wir mit unterschiedlichen Lebensrealitäten von Frauen in Berührung kommen. Darunter gehören Interviews mit Prostituierten, Gespräche mit Mentorinnen, aber auch die selbstgefälligen Illusionen von Freundinnen.
Die Geschichte endet damit, dass Schenja mit ihrer eigenen Lüge konfrontiert wird: Dass sie doch nicht so viel leisten kann, wie sie angenommen hat.

Während sich die Geschichten entfalten erleben wir Shenja mal schockiert, mal resigniert und manchmal gar ungläubig, denn sie kann nicht verstehen, wie sie sich in den entsprechenden Situationen wiedergefunden hat und wieso die Frauen lügen mussten.
Dabei wird schnell klar, dass die Frauen alle das gleiche Ziel verfolgten: Sie wollten als die Frauen betrachtet werden, die sie selbst gerne wären.

Die Handlungen der unterschiedlichen Figuren selbst gingen flüssig ineinander über und stellten Präzise die unterschiedlichen Facetten der Figuren dar. Gerade dieser Aspekt ist für das Buch wichtig, da die Geschichte sich um die Figuren und ihre Bedürfnisse und Ziele drehte, um die Antriebe der titelgebenden Lügen zu erkunden.

Deswegen erzählten die Lügen selbst viel über die Lebensrealitäten der Frauen und erlaubten Annahmen darüber, was sie wohl als Idealbild und erstrebenswert in ihrem Umfeld oder der Gesellschaft insgesamt empfanden.
Sie wollten sich als leidende und aufopferungsvolle Mutter, zukünftige ehrenvolle Braut, Powerfrauen mit Work-Life-Balance oder Heilige darstellen.

Diese Frauen schienen es zu genießen so behandelt zu werden, als wären sie diese Idealbilder die sie vorgaben zu sein. Sie wurden respektiert oder bemitleidet, schienen die tragischen Heldinnen ihrer Geschichten spielen zu wollen.

Die Lügen und Erzählungen der Figuren hatten durch den Schreibstil der Autorin immer wieder etwas gemeinsam: Sie projizierten eine schwermütige und selbstgefällige Ausstrahlung, die ja oft vielen russischen Autoren nachgesagt wird.

Trotzdem sind die Gespräche dynamisch geblieben und sorgten dafür, dass ich gespannt an den Zeilen hing - ich wollte unbedingt erfahren, wie sich die Gespräche entwickeln werden und welche Wendungen mich auf der nächsten Seite erwarteten.

Aber meine Frage bleibt offen: War es denn schlimm, dass die Frauen gelogen haben? In den meisten Fällen war es kein Problem, aber hin und wieder wurde deutlich, dass die Konsequenzen sich langsam anschlichen: Während manche sich zu Alkoholikerinnen entwickelten wurden andere, welche selber ihre eigenen Lügen geglaubt haben, bloßgestellt, und manchmal wurde nebenbei fast eine Ehe zerstört

Aber gerade wegen dieser Frage überzeugt das Buch. Es war weder urteilend noch überheblich während es sensible Themen wie Hoffnungslosigkeit, den Wunsch nach Anerkennung und Liebe thematisiert hat. Zu keiner Zeit wurden die Frauen gewertet, denn die Erlebnisse wurden so geschildert, dass man sich selbst immer in ihnen wiederfinden konnte.

Da das Buch so von den Figuren getragen wird überzeugt es nicht durch spannende Handlungen oder raffinierte Wendungen - es ist ein Buch, welches von den Lügen lebt und so zeigt, welche Gründe und Auswirkungen sie haben können. Dabei konnte ich nicht vermeiden mich in die unterschiedlichen Frauen und ihre Leben hineinzuversetze, denn ich musste mich fragen, ob ich so viel anders in ihren Situationen gehandelt hätte.
Deswegen kann ich das Buch jeder Person empfehlen, die gerne die Beweggründe von unterschiedlichen Figuren nachvollziehen will und Wert auf authentische Gespräche legt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.12.2021

Wichtige Themen mit schwacher Umsetzung

Drowning in Stars
0

Ich muss ehrlich sagen, dass ich nicht weiß, was ich von diesem Buch halten soll.
Mir wurde in den ersten Kapiteln schnell klar, dass das Buch von den Figuren und dem Thema getragen werden wird, aber ich ...

Ich muss ehrlich sagen, dass ich nicht weiß, was ich von diesem Buch halten soll.
Mir wurde in den ersten Kapiteln schnell klar, dass das Buch von den Figuren und dem Thema getragen werden wird, aber ich weiß nicht, ob das genug ist.

“Drowing in Stars” ist ein Jugendroman von Bebra Anastasia und wurde 2020 durch den Lyx-Verlag im Deutschen veröffentlicht.
Das Buch handelt davon, wie man mit Mut und Kraft seinem zerstörerischen Umfeld entfliehen und sein Leben selbst bestimmen kann - auch dann wenn die eigene Familie versucht einen klein zu halten.

Dabei werden Armut, häusliche Gewalt und sexueller Missbrauch offen thematisiert.

Die Hauptfiguren sind die zwölfjährigen Gaze und Pixi Rae, die sich sofort anfreunden und unzertrennlich werden. Sie geben sich gegenseitig halt während Gaze sich gegen die Schläge seines alkoholabhängigen Vaters wehren muss und Pixi Rae von ihrer abwesenden Mutter vernachlässigt wird.
Gemeinsam versuchen sie sich ein unbeschwertes Leben aufzubauen, in dem beide sich entfalten und sicher fühlen können.
Als Gaze umziehen muss, endet ihre gemeinsame Zeit.
Erst Jahre später treffen Pixi Rae und Gaze wieder aufeinander und müssen gemeinsam ihre Narben aufarbeiten, ehe sie das Leben leben können, nach dem sie sich gesehnt haben.

Ich habe mich sofort in Pixi Rae und Gaze verliebt.

Während Pixi Rae zielstrebig, diszipliniert und extrovertiert ist, zeigt sich Gaze meistens eher schüchtern, wobei seine großherzige und mutige Seite schnell deutlich werden.
Gemeinsam geben sie ein sympathisches und liebenswertes Team ab - man kann ihnen nur das Beste Wünschen.
Deswegen tut es umso mehr weh, wenn man erfährt, welche Lasten und Leiden diese Kinder tragen müssen: Während Pixi Rae durch die Vernachlässigung ihrer Mutter zu schnell erwachsen wird, muss sich Gaze täglich gegen die Gewalt seines alkoholabhängigen Vaters wehren.

Dabei hatte die Autorin ein tolles Gefühl dafür, die Figuren und ihre Wesensmerkmale herauszustellen: Es wurde schnell klar, welche Charakterstärken und -Schwächen die Figuren haben und es wurde eine authentische Perspektive darauf geboten, wie sich Menschen verhalten, wenn sie Schuld oder Reue empfinden und wie auch unterbewusste Gefühle an den Tag treten können.

Leider wurden viele Charaktere gut und ausführlich innerhalb des Romans vorgestellt, nur um sie dann wenige Kapitel später spurlos und ohne Grund verschwinden zu lassen. So hatte Pixi Rae vor Gaze eine Freundesgruppe, die ausführlich besprochen, aber in der zweiten Hälfte des Romans dann nie wieder aufgegriffen wurde.

Noch schlimmer war tatsächlich die Umsetzung der Handlung, die den tollen Charakteren leider nicht gerecht werden konnte.

Das Problem ist, dass die Schicksalsschläge und handlungstreibenden Reaktionen der Figuren nur dann von Bedeutung waren, wenn die Autorin ein Werkzeug braucht, um die Handlung weiterzuführen. Schicksalsschläge und Wendungen wurden einfach wie Steine zufällig in den Weg von Pixi Rae und Gaze geworfen, die entweder überspitzt wirkten oder keine Konsequenzen aus vorherigen Geschehnissen waren. Wendungen - wie etwa das plötzliche entdecken eines reichen Großvaters oder die zufällig freistehende Wohnung, die man als Rückzugsort nutzen kann - wirken aus der Luft gegriffen und haben mich genervt - gerade weil es genug Material innerhalb der Geschichte gab, das man hätte nutzen können: So hätte man zu Freunden fliehen oder einen auslaugenden Nebenjob anfangen können.

Ein Grund für die Verwendung solcher Mittel war, dass viele Handlungen zu schnell abgehackt wurden, ohne irgendwelche nennenswerte Konsequenzen haben zu können.

Außerdem wirkt das Buch auf mich so, als hätte die Autorin mitten im Buch die Geschichte gewechselt - während im ersten Teil der Kinder mit ihrem Schicksal im Vordergrund standenwurde der Roman im zweiten Teil eine Geschichte die zeigen soll, wie man mit sexualisierter Gewalt fertig werden kann. Weil beide Ideen so unausgereift wirken, wird keine der beiden Geschichten wirklich glaubhaft umgesetzt, obwohl beide Ideen interessant gewesen sind.

Auch das Tempo mit der die Geschichte präsentiert wurde hat nicht gepasst und mich immer wieder verloren. So gab es mehrere Kapitel die innerhalb eines Tages oder wenigen Wochen spielten, während plötzlich Jahre zwischen manchen Kapiteln lagen. Das Schlimmste daran: Wir haben dadurch viele Dinge verpasst, die Pixi Rae passiert sind und nur angeschnitten werden, wobei sie Pixi Rae maßgeblich beeinflusst haben sollen, während wir zeitweise nur Gazes´ Perspektive erlebt haben.
Für mich verursachte das auch einen schlechten Leseflow.

Hinzukommend wurden Situationen und Geschehnisse zu ausführlich erklärt, weswegen ich gerade im zweiten Teil des Buches oft das Bedürfnis hatte, die Zeilen zu überfliegen. Viele Zusammenhänge hätte ich mir selbst denken können und es wäre spannend gewesen, wenn Fragen strategisch offen geblieben wären, um sie später aufzulösen.
Außerdem wurden Trauma und negative Gefühle nicht authentisch wiedergegeben: Es wurde nicht deutlich, inwieweit diese Erlebnisse Pixi Rae und Gaze beeinflusst haben. Bei den beiden Figuren handelt es sich um sonnige Gemüter, aber ich finde es nicht überzeugend, dass sie so wenig durch ihre Trauma in ihrem Handeln und ihrer Entwicklung beeinflusst wurden. Es gab keine traumatischen Flashbacks, Wutausbrüche, Angewohnheiten oder Ängste, welche die Erlebnisse glaubhafter gemacht hätten.

Nichtsdestotrotz hat mich das Buch stellenweise berührt, denn die Figuren waren unglaublich liebenswürdig und divers dass ich gar nicht anders konnte als mit ihnen mitzufühlen. Aber die Figuren allein waren nicht genug: Es gibt genug Bücher, welche die gleichen Themen genauso berührend und authentischer umgesetzt haben: Sie erzählen ebenfalls die Geschichte von Kindern, die sich nicht an ihrem zerstörerischen Umfeld zerbrechen und währenddessen Liebe und Sicherheit finden.
Deswegen kann ich das Buch leider nicht weiterempfehlen, da die Figuren allein nicht über die mangelhaft umgesetzte Handlung hinwegtäuschen können.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Gefühl
Veröffentlicht am 26.11.2021

Zu leben ist nur für die wirklich Mutigen

Der Club der Lebensmutigen
1

“Der Club der Lebensmutigen” ist ein Roman von Josefine Weiss, der 2021 durch den FeuerWerke veröffentlicht wurde und handelt von dem Mut den man braucht um wirklich zu leben.

Dabei merkt man schnell, ...

“Der Club der Lebensmutigen” ist ein Roman von Josefine Weiss, der 2021 durch den FeuerWerke veröffentlicht wurde und handelt von dem Mut den man braucht um wirklich zu leben.

Dabei merkt man schnell, mit welchem Lebensmut und welcher Hoffnung die Geschichte geschrieben wurde. Die Liebe der Autorin zu ihren Figuren und der Geschichte wurde bereits in den ersten Kapiteln durch die liebevolle Beschreibung der Charaktere und der Umgang mit ihren Krankheiten deutlich. Anstatt Krankheiten zu stigmatisieren und die Betroffenen Menschen als Opfer darzustellen, wurde gezeigt, mit welcher Stärke sie ihre Aufgaben und Hindernisse bewältigen, ohne dabei Mitleid hervorrufen zu wollen.

Das ist umso wichtiger, da die Autorin uns direkt im Prolog mit einem Schicksalsschlag konfrontiert wurde, der mir erst mal den Atem geraubt hat.

So wird auch schnell das Thema der Geschichte klar: Wie kann man trotz schweren Schicksalsschlägen wie Trauer, Trauma und schwerwiegenden ärztlichen Diagnosen den Mut finden am Leben teilzunehmen und sogar eine unbeschwerte Zeit erleben? Gerade dann, wenn der Tod unausweichlich auf einen wartet?

Dabei verfolgen wir Marleen, welche durch den Verlust ihres Partners in einer Depression versunken ist und erst nach Jahren an Therapie zumindest mit dem Gedanken spielt, wieder mehr zu tun als zu arbeiten und in der Wohnung vor sich hin zu vegetieren.

Als Antithese steht ihr Hannes gegenüber, welcher es sich trotz, oder gerade wegen seiner Krebsdiagnose zum Ziel genommen hat, jede verbliebene Sekunde dazu zu nutzen, sich seinem Umfeld und insbesondere seinen Lieben zu widmen.

Dabei wird auch der “Club der Lebensmutigen” vorgestellt, der von Hannes gegründet wurde und ein Sammelsurium aus unterschiedlichen Charakteren mit unterschiedlichen Lebensgeschichten ist. Die Clubmitglieder werden durch ihre Liebe zum Leben und ihrer Liebe zueinander zusammengehalten und versuchen gemeinsam mit ihren unaufhaltsamen Schicksalen umzugehen und gemeinsam arbeiten sie daran, jeden letzten Augenblick auszukosten.

Der Schreibstil ist gut - Handlungen fließen flüssig ineinander ein, Gespräche sind dynamisch und ich hatte immer ein Gefühl davon wie es einer Figur ging und welche Mimik und Gestik sie verwendete.

Aber die Umsetzung der Geschichte und gerade der Figuren waren nicht so komplex, wie sie es hätte sein können und vielleicht hätten sein sollen.

Weiss konnte ihre Geschichte so erzählen, dass sie mich berührte und sogar hin und wieder fast zum Weinen gebracht hat. Aber an vielen Stellen hätte ich mir gewünscht, dass die Figuren nicht nur ihre dauer-positiven Fassaden zeigen, sondern auch Einblicke in ihre tiefere Gefühlswelt gezeigt hätten und sogar mehr über ihre Lebens- und Werdensgeschichte erzählen würden.

Denn so, wie die Figuren geschrieben und beschrieben wurden waren sie alle ausnahmslos Klischeehaft und nur auf eine Eigenschaft reduziert.

Dass die Freundin von Marleen Suse hieß, übergewichtig ist und immer Essen dabei hat, fande ich enttäuschend und billig.

Es hätte gezeigt werden sollen wie Eleanore langsam in ihrer Demenz versinkt und daran verzweifelt, oder wie Felix Panik davor bekommt zu ersticken und was es für Manni bedeutet, dass er sein altes Leben aufgeben musste. Und wie war es für Pauline, nicht wie andere 17-jährige Leben zu können?
Diese Aspekte wurden alle oberflächlich angeschnitten - aber meistens passierte das in dem Zusammenhang hoffnungsvolle Reden und Tiraden verkünden zu können oder Zusammenhalt darzustellen.

Aber rohe Emotionen wie etwa Wut, Angst oder Depression wurden nur idealisiert und verschönt wiedergegeben, ohne das Gefühl vermitteln zu können, wie zerreißend und überwältigend sich die Gefühle gerade vor dem nahenden Tod anfühlen.

Auch waren die Nebencharaktere, wie etwa die Familien und Freunde Klischeehaft in ihrer Ausarbeitung und haben keinerlei Tiefgang oder stärkere Emotionen gezeigt - außer wenn es darum ging den Hauptfiguren eine Art von “closure” zu bieten. So zeigte sich die Mutter erst zum Schluss in Bezug zu ihrem Kontrollzwang einsichtig, ohne eine Art von Konflikt zu bieten. Das fand ich schade, gerade weil besonders die eigenen Familie unsagbar viel Leid erfährt, wenn man selbst mit dem nahenden Tod konfrontiert wird.


Deswegen wirkte die Welt und die Menschen auf mich unrealistisch positiv - negative Gefühle wurden zu schnell aufgearbeitet, als dass diese tatsächlich die den Leser in ihrer Tragweite und Bedeutung irgendwie beeinflussen hätten können. Konflikte zwischen den Figuren waren selten vorhanden und konnten selbst dann schnell aufgelöst werden.

Deswegen denke ich, dass es der Geschichte geholfen hätte, wenn sie länger gewesen wäre - das am Besten als eine Reihe, die sich noch mal intensiver mit den einzelnen Nebencharakteren beschäftigt und auch Raum für Konflikt und Charakterentwicklung bietet. Das ist aber an die Hoffnung geknüpft, dass der Raum dazu genutzt wird, die Figuren Komplexer darzustellen. Es sollte gezeigt werden, wie schmerzhaft die Diagnosen für die Personen selbst und und ihre Lieben sind und wie schwer der Umgang mit Krankheiten für Betroffene und Angehörige tatsächlich sind.

In dem Zusammenhang sollte auch thematisiert werden, wie die Angst von Marleens Mutter Marleen in ihrer Entwicklung beeinflusst hat - so hätte deutlich werden könne, wieso sie so sehr unter Kontrollverlust leidet und der Tod ihres Partners sogar eine Angststörung hervorgerufen hat.

Außerdem sehe ich die dargestellten Liebesbeziehungen der Figuren kritisch, da diese sich dadurch auszeichneten stereotypische Rollen für Mann und Frau zu verfestigen - so wirkten Männer attraktiv, wenn sie gut mit Kindern umgehen konnte und Frauen zeichneten sich durch emotionale Intelligenz und sanftmütigkeit aus. Partner wurden darauf reduziert, “die erste Frau…” zu sein, die gewisse Reaktionen hervorrufen konnten, was die Menschen bloß auf ihr Geschlecht reduziert.

Insgesamt ist es ein schönes und schnell zu lesendes Buch, welches Hoffnung ausstrahlt und mit viel Liebe für die Figuren geschrieben wurde.
Ich kann es jedem empfehlen, der sich leichte Unterhaltung wünscht und ein wohliges Gefühl beim Lesen empfinden will.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere