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Veröffentlicht am 08.03.2024

Helle Tage, dunkle Schuld

Helle Tage, dunkle Schuld
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1948 leiden die Deutschen nach wie vor unter den drastischen Folgen, die ihr Weltkrieg über die Menschen gebracht hat. Die Entnazifizierung durch die Alliierten ist noch nicht abgeschlossen und erweist ...

1948 leiden die Deutschen nach wie vor unter den drastischen Folgen, die ihr Weltkrieg über die Menschen gebracht hat. Die Entnazifizierung durch die Alliierten ist noch nicht abgeschlossen und erweist sich bereits jetzt als lückenhaft und inkonsequent. Ehemalige NS-Diener drängen zurück auf ihre alten Posten.

Damit muss sich auch Kriminalinspektor Carl Bruns auseinandersetzen, der wegen eines jüdischen Großvaters und des verbundenen (fehlenden) Arier-Nachweises für elf Jahre aus dem Polizeidienst entlassen worden war, stattdessen als Bergmann gearbeitet hat und erst nach Kriegsende wieder eingestellt wurde. In der Essener Polizeibehörde steht er tatsächlich eines Tages seinem ehemaligen Ausbilder gegenüber, der sich rehabilitieren möchte.

Doch nicht nur das beschäftigt Carl.

Er wird zu einem Tatort gerufen, dessen Opfer ihn mit der Vergangenheit verbindet. Bei der Toten handelt es sich um die Mutter eines gesuchten Naziverbrechers, der für eine Massenerschießung von Zwangsarbeitern verantwortlich zeichnet und sich auf der Flucht befindet. Außerdem ist der gesuchte Hoffmann mit Frieda, der Schwester von Carl erster großer Liebe Anna verheiratet. Die Frauen waren einst aus Angst vor den Grausamkeiten und Peinigungen des Mannes nach Köln geflohen. Nachdem das Testament der Toten ihren Enkel Emil als Haupterben bedenkt, kehrt die Familie nach Essen zurück.

Carl bezieht besonders Anna in die Ermittlungen mit ein. Zugleich flammen „alte“ Gefühle auf. Die verwitwete Krankenschwester scheint diese zu erwidern, so dass sowohl Carl als auch Anna Hoffnung schöpfen, dass ihnen nach all den Jahren etwas Glück zuteil werden wird. Wären da nicht weitere Tote und die Tatsache, dass sowohl Spuren zu den im Haus von Frau Hoffmann einquartierten Flüchtlingen und Ausgebombten sowie zu Frieda führen. Allesamt sind durchweg nicht gut auf die Ermordete zu sprechen und verhehlen ihre Abneigung nicht.

Wäre das nicht bereits schlimm genug, könnte Anna selbst in Gefahr sein ...


Eva Völler schreibt ohne Schnörkel und mit Intensität. Sie ist klar im Ausdruck der Schilderung der Verhältnisse und misslichen Lage in diesem Nachkriegsjahr und integriert in ihrem Roman „Helle Tage, dunkle Schuld“ gekonnt einen Kriminalfall mit dramatischen Handlungsablauf. In deutlicher Bildsprache beschreibt die Autorin eine Stadt, in der ganze Teile von Bomben zerstört wurden, so dass drei Jahre noch nicht genug Zeit waren, alle Trümmer und die gewaltige Menge des gesamten Schutts zu beseitigen. Aus diesem Grund sind die vorherrschenden Wohnsituationen mehr als beengt.

Deshalb leben die Bewohner des Mehrparteienhauses der toten Frau Hoffmann dicht an dicht zusammen, sie eint das jeweilige unterschiedliche Schicksal, jedoch auch die Antipathie gegenüber der Hausbesitzerin.

Die Deutschen befinden an einem Wendepunkt. Nach langen Jahren im Banne der Nazi-Herrschaft müssen sie erkennen, dass ihre Nation eine von Eva Völler betitelte „dunkle Schuld“ zu tragen und aufzuarbeiten hat, die für die meisten Menschen zwar unbegreiflich, hingegen unerlässlich im Verständnis ist, damit ein Wiederaufstehen möglich wird.

Es sind nicht ausschließlich die Vorgänge im Privaten, sondern daneben die gegenwärtigen politischen Gegebenheiten, beispielsweise in den Behörden wie der Polizei, die die Bemühungen erschweren, den Aufbau einer gerechten Gesellschaft voranzutreiben. Noch immer und bereits wieder gibt es all jene, die auf der Suche nach dem eigenen Vorteil sind und aus der Vergangenheit nichts gelernt haben und dies auch nicht wollen.

Hierdurch wirkt das Geschehen authentisch, in jeder Hinsicht nachvollziehbar und hat mir eine enge Teilhabe am Geschehen gestattet.

Eva Völler scheut sich nicht, Grautöne zu verwenden. Ihre Protagonisten sind nicht nur schwarz oder weiß gezeichnet. Sensibel beleuchtet die Autorin das Zusammensein der Menschen, die auf unterschiedliche Arten miteinander verbunden sind: Liebe, Freundschaft und Mitgefühl stehen Wut, Ablehnung und Hass gegenüber.

Carl wagt viel für seine erste Liebe Anna. Darüber hinaus muss er abwägen, wie er Wahrheit und Lüge voneinander abgrenzt, und vor allem, ob er das überhaupt will.

Anna stellt ihr Kraft völlig in den Dienst der Familie, zu der außer Frieda und Emil noch die jüngere Schwester Lotti gehört, und versucht, diese mit aller Macht zu schützen. Dabei trägt sie selbst schwer an vergangenen Ereignissen, geht indes mit ihrem Kummer nicht hausieren. Die echten Probleme behält sie für sich, sie funktioniert und will niemand anderen belasten.

Vorsichtig, aber stetig entwickeln Anna und Carl Empfindungen (neu), das selten gewordene Gefühl von Zusammengehörigkeit, so dass Sorgen und Ängste nebensächlich erscheinen – eine in meinen Augen sehr glaubwürdige Darstellung.

Eva Völler verdeutlicht, wie wichtig es ist, „aus der Vergangenheit zu lernen und es dann besser zu machen.“ Ihr Roman „Helle Tage, dunkle Schuld" ist ein hervorragendes Beispiel dafür.

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Veröffentlicht am 12.12.2023

Zerbrechlicher Frieden

Die Porzellanmanufaktur – Zerbrechlicher Frieden
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Die Porzellanmanufaktur der Familie Thalmeyer im oberfränkischen Selb hat eine lange Tradition. Zwei Jahre nach dem zweiten Weltkrieg ist es jedoch nicht einfach, die Produktion am Laufen zu halten, fehlt ...

Die Porzellanmanufaktur der Familie Thalmeyer im oberfränkischen Selb hat eine lange Tradition. Zwei Jahre nach dem zweiten Weltkrieg ist es jedoch nicht einfach, die Produktion am Laufen zu halten, fehlt es hauptsächlich am dafür notwendigen Rohstoff Kaolin, zumal ein Konkurrenzkampf um die Reserven mit dem mächtigen Papierfabrikanten Karl Metsch besteht.

Als Patriarch Ludwig Thalmeyer überraschend stirbt und es vom seit Ende 1944 in Russland verschollenen Sohnes Joachim keine Nachricht gibt, liegt es an Marie, der ältesten Tochter, die Geschicke der Fabrik in die Hand zu nehmen. Kein leichtes Unterfangen. Die Zeiten sind nach wie vor unruhig. Und als junge Frau scheint sie sich auf „verlorenem Posten“ zu bewegen. Denn die Männer haben das Sagen. Außerdem brauchen die Menschen andere Dinge als feines Porzellan.

Doch trägt Marie nicht allein Verantwortung für die Fabrik und die Arbeiter und deren Familien, sondern sie muss auch für die bei ihnen einquartierten Flüchtlinge sorgen.

Marie, wegen ihrer hellen makellosen Haut „Porzellankind“ genannt, hat sich schon immer mehr für die Manufaktur interessiert als ihr – für die Nachfolge vorgesehener – musikalischer Bruder. Darum stellt sie sich mit Ernsthaftigkeit der Herausforderung, den damit verbundenen Aufgaben und neuen Verpflichtungen. Hilfe erhält sie einerseits von ihrer vier Jahre jüngeren Schwester Sophie, die aber zugleich das neue Leben in vollen Zügen genießen möchte, und andererseits von der amerikanischen Besatzungsmacht. Es ist besonders Militärgouverneur John McNarney, auf dessen Unterstützung sie zählen kann. Und nicht nur das …


Mit „Zerbrechlicher Frieden“ startet die Reihe „Die Porzellanmanufaktur“ von Stefan Maiwald, in deren Mittelpunkt mit Marie und ihrer Schwester Sophie zwei Frauen stehen, die sich in einer von den Männern regierten Welt behaupten und trotz aller widrigen Umstände und Niederlagen versuchen, ihren Traum von einem eigenständigen Leben zu verwirklichen.

Das ist mit einiger Mühsal verbunden. Deutschland und seine Menschen erholen sich nur langsam von den Folgen des Zweiten Weltkrieges und setzen alles daran, den Verlust von Angehörigen zu verarbeiten und den Wiederaufbau des Landes voranzutreiben. Obwohl seit Mitte 1947 die Versorgungslage in den von den besetzten Zonen spürbar besser wird, ist der Mangel allgegenwärtig und Schwarzmarktgeschäfte blühen. Daneben gibt es immer noch jene, die ihr eigenes Fortkommen im Sinn haben und sich selbst am nächsten sind.

Dem Autor gelingt sprachlich klar und verständlich unter Einbindung historischer Informationen und Ereignisse eine authentische Darstellung, die vor allem von Schilderung des Alltags mit den Problemen profitiert. Unbedingt muss in dem Zusammenhang die Schneiderei von Frau Helgard hervorgehoben werden, in der der Dorfklatsch immer neue Nahrung erhält. Das ist mit einem Augenzwinkern erzählt und nimmt der herrschenden Situation mit etwas Humor die Schwere.

Stefan Maiwald macht deutlich, dass in manchen Köpfen der Krieg noch nicht vorbei ist. was sich in Aggressionen und Vorurteilen gegen Flüchtlinge äußert, obwohl diese vielfach die fehlenden Arbeitskräfte in der Landwirtschaft ersetzen.

Hinsichtlich seiner Figuren ist es dem Autor geglückt, sie vielfältig zu charakterisieren und die Beziehungen zueinander aufzuschlüsseln. Einige Positionen von Gut und Bösen sind sehr offensichtlich verteilt, wobei gerade die „Feinde“ deutliche Strukturen erfahren, wenn sie geblendet von Hierarchie, Ideologie und Machtgelüsten moralisch verdorben agieren oder Intrigen spinnen. Wiederum befinden sich andere Personen in Grauzonen und machen einen gewissen Reiz in der Geschichte aus.

Während des Verlaufs der Handlung wechseln die Schauplätze, und Stefan Maiwald gewährt Rückblicke in die facettenreiche Vergangenheit einzelner Figuren. So erhalten wir Einsicht in ihre Motivationen und Gefühle und werden in Entwicklungen eingebunden.

Es sei allerdings auch angemerkt, dass im gegenwärtigen Geschehen das eine oder andere Mal intensive Emotionen im Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen herausgefiltert werden müssen.

Insgesamt ist „Zerbrechlicher Frieden“ ein gelungener und unterhaltender Auftakt einer Trilogie, bei der der nächste Band mit Freude zur weiteren Lektüre erwartet werden kann.

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Veröffentlicht am 01.12.2023

Das Erbe derer von Thurn und Taxis

Das Erbe derer von Thurn und Taxis
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1618 werden die königlichen Statthalter der katholischen Habsburger vom böhmischen Adel in der Prager Burg aus dem Fenster geworfen, nachdem die Beschlüsse des Augsburger Religionsfriedens von 1555 mehr ...

1618 werden die königlichen Statthalter der katholischen Habsburger vom böhmischen Adel in der Prager Burg aus dem Fenster geworfen, nachdem die Beschlüsse des Augsburger Religionsfriedens von 1555 mehr und mehr unterlaufen worden waren und die Auflösung der Versammlung der protestantischen Stände das Fass zum Überlaufen gebracht hatte.

Seitdem herrscht nicht nur in Böhmen Krieg, sondern auch im Süden Deutschlands. Deshalb steht die erste, rein zufällige Begegnung von Silas von Maringer und Gräfin Alexandrine von Taxis im Jahr 1623 unter keinem guten Stern. Abgesehen davon, dass Alexandrine verheiratet ist, gilt Silas als Sohn des Oberstallmeisters des Kurfürsten von Mainz von niederem Adel und ist zudem vierzehn Jahre jünger. Indes soll dieses Treffen für beide von Bedeutung für ihr restliches Leben haben, denn beide spüren die gegenseitige Anziehung und beginnende Zuneigung.

Als Alexandrines Ehemann Leonhard stirbt, übernimmt sie das Amt der Generalpostmeisterin, um ihrem Sohn Lamoral das Erbe bis zu dessen Volljährigkeit zu sichern, allerdings unter der Bedingung, dass sie sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht erneut vermählt. Damit scheint schon allein aus diesem Grund eine gemeinsame Zukunft der beiden in weiter Ferne zu liegen.

Während sich Alexandrine um den Erhalt der Poststationen und Routen sowie deren Ausbau kümmert, verlässt Silas seine Familie und die Heimat, geht seinen eigenen Weg und stellt sich neuen Herausforderungen, bis er eines Tages endlich als Reiter in Alexandrines Dienstes tritt. Doch dann kehrt er von einem Auftrag nicht zurück, und Alexandrine bemerkt in Bangen und Ängsten, wie viel ihr der junge Mann tatsächlich bedeutet …


Mit „Das Erbe derer von Thurn und Taxis“ rückt Johanna von Wild eine ungewöhnliche Thematik in den Mittelpunkt: das damalige Postwesen und die Probleme und Herausforderungen, die während des Dreißigjährigen Krieges und der hiermit verbundenen, sich häufig ändernden Situation einhergingen.

Darüber hinaus vermittelt die Autorin in verständlicher Weise, erzählerischer Dichte und sprachlicher Gewandtheit einen detaillierten Abriss der historischen Ereignisse, die nicht nur eine allumfassende Recherche offenbaren, sondern auch Grundlage für die Einbindung ihrer Figuren in das Geschehen bilden.

Verschiedene Wechsel erlauben Einblicke in die Leben der Hauptfiguren während der Zeit des Krieges mit seinen diversen Schlachten anlässlich der Auseinandersetzungen um den wahren Glauben zwischen Katholischer Liga und Protestantischer Union und die Machtkämpfe der gekrönten Häupter. Insofern gelingt es der Autorin, im Handlungsverlauf Episoden voller Anschaulichkeit, Kontraste und Emotionen wiederzugeben. Besonders in der Schilderung der persönlichen Schicksale der Menschen inmitten der großen Umwälzungen, die Tod, Hunger, Krankheiten und folglich Leid und Elend brachten, sind die Ausführungen äußerst bildwirksam und intensiv, ja zum Teil drastisch. Die nachhaltige Darstellung trifft so das Innere des Lesers, im Wesentlichen allem bei der Beschreibung von Grausamkeiten.

Neben den realen Persönlichkeiten hat Johanna von Wild facettenreiche Charaktere erdacht und mit Stärken und Schwächen ausgestattet, so dass sie in ihrer Entwicklung bei der Verwirklichung der Ziele manchmal Fragen aufwerfen, jedoch gerade aus diesem Grund authentisch wirken. Hier sind vorrangig auch die Nebenfiguren zu erwähnen, denen sich die Autorin mit gleichwertiger Begeisterung gewidmet hat wie ihren Hauptprotagonisten.

Gräfin Alexandrine von Taxis ist eine historische Persönlichkeit, die – für ihre Zeit ungewöhnlich – Unterstützerin ihres Ehemannes gewesen ist und deswegen auch von ihm mit der Sicherung des Erbes für den Sohn Lamoral betraut wurde. Schon allein das ist bemerkenswert. Es eröffnet uns die Aussicht auf eine Frau der Willenskraft und des Könnens sowie des Vermögens, Augenmerk auf die entscheidenden Dinge zu legen. Eine Frau und Mutter, die sich nicht zu schade dafür ist, für das Erbe ihres Sohnes alles auf sich zu nehmen.

Alexandrines Spur in der Historie verliert sich, nachdem Lamo die Geschicke der Post weiterführt. Somit ist der Autorin möglich gewesen, ihre Fantasie spielen und Alexandrine eine Liebe zum fiktiven Silas erleben zu lassen.

Überhaupt Silas. Es fällt beileibe nicht schwer, ihn zu mögen. Er liebt Pferde, und vor allem mit Nabil, seinem treuen Begleiter auf den wahrlich abenteuerlichen Wegen, bildet er eine Einheit. Sein Selbstbewusstsein und Loyalität zeichnen ihn aus und erlauben es uns, für ihn trotz seines gelegentlichen Wagemuts das Beste zu hoffen.

Johanna von Wild überzeugt mit der Liebesgeschichte zwischen Alexandrine und Silas, weil sie sie sehr zurückgenommen, aber mit feiner Zartheit innerhalb der dramatischen Vorkommnisse erzählt. So wird „Das Erbe derer von Thurn und Taxis“ zu einem historischem Roman, der mit seiner ungewöhnlichen Geschichte ausgezeichnete Lesestunden bietet.

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Veröffentlicht am 05.11.2023

Die Mission des Goldwäschers

Die Mission des Goldwäschers
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Das Leben des Goldwäschers Frieder wird zu einem Abenteuer besonderer Art, als er sich im Jahr 1771 gemeinsam mit seinen Freunden Armin und Ruedi, dem Buchhändler Magnus von Auenstein und dessen Tochter ...

Das Leben des Goldwäschers Frieder wird zu einem Abenteuer besonderer Art, als er sich im Jahr 1771 gemeinsam mit seinen Freunden Armin und Ruedi, dem Buchhändler Magnus von Auenstein und dessen Tochter Eleonore sowie dem Mönch Melchior auf die Suche nach dem legendären Schatz der Nibelungen begibt. Eine alte Handschrift mit versteckten Zeichen soll ihnen die Richtung weisen. Doch das Ziel ist in Rätseln verschlüsselt, und obwohl Bruder Melchior mit Hilfe von Eleonore die Buchstaben erscheinen lassen kann, bedarf es der Zusammenarbeit aller, um die Lösungen zu finden. Außerdem sitzt ihnen die Zeit im Nacken. Schließlich kann der Schatz nur am längsten Tag des Jahres gehoben werden.

Bald bemerken sie, dass die Reise nicht arm an Hindernissen ist und zu einem lebensgefährlichen Wagnis wird. Söldner eines französischen Baron heften sich an ihre Fersen und schrecken auch nicht vor Mord zurück,um ihrerseits des Buches habhaft zu werden.

Unerwartete Unterstützung erhalten die Schatzsucher von einem Student, der sich später als Dichter einen großen Namen machen wird: Johann Wolfgang Goethe. Und eine ungewöhnliche "Amazone" kreuzt ebenfalls ihren Weg ...


„Die Mission des Goldwäschers“ von Ralf H. Dorweiler ist ein historischer Roman mit einer originellen Idee: Eine Gruppe bunt zusammengewürfelter Menschen startet eine abenteuerliche Schatzsuche nach dem sagenhaften Gold der Nibelungen. Die dadurch miteinander verbundene Truppe könnte nicht unterschiedlicher sein.

Goldwäscher Frieder und seine Freunde, Schmied Armin und Vergolder Ruedi, treffen auf den Buchhändler Magnus von Auenstein und seine Tochter Eleonore, den Mönch Melchior und später den Studenten Wolfgang, der die Gemeinschaft nicht nur mit seinem Frohsinn bereichert. Jede dieser Personen hat ihren eigenen Charakter, den der Autor mit Präzision ersonnen hat und darstellt. Im Verlauf des Geschehens wachsen sie uns ans Herz, und ihre Gegner lassen unsere Ablehnung in die Höhe schnellen. Auf jeden Fall rufen sie mannigfaltige Emotionen hervor: Zuneigung, Freude, Rührung, Verwunderung, Bangen, Hoffen, Ärger, Empörung, Trauer ...

Ralf H. Dorweiler bedient sich einer ruhigen und mit bildhafter Nachvollziehbarkeit beschreibende Erzählweise, die ich schätze. Sie konzentriert sich auf das Wesentliche, ohne dabei karg zu sein und vermeidet Ausschweifungen. Der Wechsel von Perspektiven und einige schwungvolle Wendungen frischen die Szenerie auf. Der Autor vermag es, die Lokalitäten des Geschehens im Detail und folglich sichtbar zu schildern, ohne dass ich jemals vor Ort war. Deshalb habe ich mich von Beginn an beim Lesen wohlgefühlt und bin der Handlung, die von einer sich steigernden Dramatik begleitet wird, und den Protagonisten mit Aufmerksamkeit begegnet.

In der Geschichte wird die Schreibarbeit des Autors von seiner ausgezeichneten Recherche ergänzt und führt tatsächlich als Erstes zu einem Überraschungsmoment. Denn wer hätte gedacht, dass es in deutschen Landen möglich ist, aus einem Fluss wie dem Rhein Gold zu waschen. Es ist erstaunlich und ferner beachtlich, mit welcher Fertigkeit das einst passiert ist. Ralf H. Dorweiler bringt uns die Arbeit von Frieder, die durchaus schwer und auch gefährlich gewesen ist, auf eine unkomplizierte, aber zugleich beeindruckende Art näher, so dass wir nicht das Gefühl haben, eine wissenschaftliche Abhandlung zu lesen.

Ebenso weit entfernt von der Sachlichkeit ist die Lehre, die wir aus dieser Geschichte ziehen können: Was bedeuten uns die wirklichen Werte im Leben. Sind es die materiellen Dinge, denen wir nachjagen. Oder wartet am Ende nicht ein wahrer Goldschatz dort auf uns, wo wir ihn gar nicht vermuten ...

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Veröffentlicht am 26.06.2023

Alles behalen für immer. Ruth Rilke

Alles behalten für immer. Ruth Rilke
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Ruth Rilke hat die Erinnerungen an ihren Vater, den Dichter Rainer Maria Rilke, immer hochgehalten, obwohl die Zeit, die sie – auch wegen der frühen Trennung der Eltern – gemeinsam mit ihm verbrachte, ...

Ruth Rilke hat die Erinnerungen an ihren Vater, den Dichter Rainer Maria Rilke, immer hochgehalten, obwohl die Zeit, die sie – auch wegen der frühen Trennung der Eltern – gemeinsam mit ihm verbrachte, gering bemessen war.

Überhaupt wissen recht wenige, dass Rilke eine Tochter hatte. In der öffentlichen Betrachtung ist ihr Bild blass geblieben, und es ist der Literaturwissenschaftlerin Erika Schellenberger zu verdanken, dass dies in „Alles behalten für immer. Ruth Rilke“ mittels behutsamer und aufklärender Annäherung korrigiert und Ruth Rilke als Hüterin des Nachlasses ihres Vaters die ihr zustehende Aufmerksamkeit und Anerkennung verschafft wird.

Doch Ruth Rilke ist nicht nur die Tochter eines bedeutenden Vaters, sondern auch einer ebensolchen Mutter: die bekannte Bildhauerin und Malerin Clara Westhoff. Diese lernt Rilke 1900 in der Künstlerkolonie Worpswede kennen und lieben. 1901 wird geheiratet, und die Tochter kommt im Dezember desselben Jahres zur Welt.

Bereits im August 1902 begibt Rilke nach Paris, wohin ihm Clara nach Auflösung des Haushaltes in Westerwede folgt. Ruth bleibt bei den Großeltern Westhoff in Oberneuland, einem ländlich gelegenen idyllischen Stadtteil von Bremen.

Denkbar ist, dass Rilke einem (klein)bürgerlichen Familienleben nichts abgewinnen kann, so dass die Ehe zerbricht. Clara trennt sich von ihrem Mann, kehrt zur Tochter zurück und siedelt mit ihr nach Fischerhude über, wo sie bis zu ihrem Tode 1954 lebt.

Gleichwohl verbinden Clara Westhoff und Rainer Maria Rilke bis zum frühen Tod des Dichters 1926 freundschaftliche Bande, und ebenso die Beziehung zwischen Vater und Tochter bleibt einander zugewandt, vertrautvoll und herzlich, wenn „Väterchen" sich Zeit für Ruth nimmt. So erscheint er auch zur Hochzeit der Tochter 1922 mit dem Juristen Carl Sieber.

In Todesjahr der Mutter zieht Ruth dann zurück in das Dorf an der Wümme. Drei Jahre später erinnert sie sich an die verschiedenen Stationen in ihrem Leben.


Sieben Jahre lang hat sich Erika Schellenberger auf die Spurensuche begeben, in den Rilke-Archiven in Bern und Marbach recherchiert sowie Gespräche mit Ruth Rilkes Stieftochter Uta Addicks geführt, die ihr zudem das Familienarchiv in Fischerhude zugänglich machte. Dadurch erhielt sie für ihr Anliegen beachtenswerte neue Einblicke in bisher unveröffentlichtes Material.

„Alles behalten für immer. Ruth Rilke“ ist als autobiografischer Roman in auf Assoziationen beruhender Erzählweise konzipiert und mit vielen Originalzitaten versehen. Die Autorin rückt hierin einerseits persönliche Lebensstationen der Tochter eines berühmtes Dichters und einer Pionierin der Bildhauerei in Deutschland in den Mittelpunkt und ermöglicht es außerdem, an sehr privaten Szenerien und aufschlussreichen Anekdoten teilzuhaben, die die Eltern nahbar illuminieren. Lediglich die gewählten Zeitsprünge aus der gewählten Rahmenhandlung heraus – Ruth sitzt 1957 hinter ihrem Haus, in dem ihr zweiter Ehemann und Stieftochter Uta am Werk sind, erinnert sich und führt Gespräche mit einem Radiojournalisten – hemmen manchmal eine stringente Lektüre.

Sind allerdings die kleinen Hürden solcher Wechsel genommen, gelingt ein Betrachten des Geschehens und der Ereignisse in durchdringender Weise und Intensität. Die Darstellung fängt die Stimmung ein, in der Ruth das Werk ihres Vater in lebenslanger Hingabe und tiefer Verbundenheit angemessen bewahrt hat. Dafür sei ihr zu danken und Erika Schellenberger, ohne die diese Würdigung nicht stattgefunden hätte.

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