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Veröffentlicht am 13.03.2019

Die Frauen der Villa Fiore. Giulias Geschichte

Die Frauen der Villa Fiore 1
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Die Italienerin Giulia Massinelli kehrt aus dem kalten, nassen und beklemmenden New York, das all seinen Reiz für sie verloren hat, zurück in ihre Heimat. Jahre hat sie das Weingut ihrer Eltern in der ...

Die Italienerin Giulia Massinelli kehrt aus dem kalten, nassen und beklemmenden New York, das all seinen Reiz für sie verloren hat, zurück in ihre Heimat. Jahre hat sie das Weingut ihrer Eltern in der Toskana nicht besucht, weil sie dieses im Zwist mit ihrem Vater verlassen hatte und entgegen der Wünsche des Vaters, im Familienbetrieb zu arbeiten, eigene berufliche Wege gegangen und Wirtschaftsprüferin geworden ist.

Nach dem Scheitern ihrer Beziehung und dem drohenden Verlust ihres beruflichen Ansehens, steckt Giulia in finanziellen Schwierigkeiten und ist gezwungen, bei ihrer Familie unterzukommen, um sich über ihren weiteren Weg klarzuwerden.

Giulias Vater Lorenzo hadert immer noch mit der zurückliegenden Entscheidung seiner Tochter, und schnell wird deutlich, dass er es Giulia nicht einfach macht, seine Anerkennung zu erlangen.

Lorenzo Massinelli hat seinen Betrieb vor einigen Jahren auf biologischen Weinbau umgestellt. Mit Hilfe des kalifornischen Flying Winemakers Paul, der mit Hingabe seinen Beruf ausübt, ist es gelungen, einen ausgezeichneten Chianti heranzuziehen. Ein Durchbruch ist auch dringend nötig, damit das Weingut wirtschaftlich besser dasteht. Nach anfänglicher Skepsis erkennt Giulia, welch wertvoller Mensch Paul ist, und mit ihm gemeinsam entwickelt sie Strategien zur Vermarktung und zum Vertrieb des vielversprechenden Weines.

Alles könnte so perfekt sein. Dann verunfallt der Kellermeister, Wein wird verunreinigt, die Vorfälle häufen sich. Wer neidet den Massinellis einen möglichen Erfolg? Und können weiteres Unglück verhindert und die Verursacher enttarnt werden?


Constanze Wilken ist als Autorin für mich eine Entdeckung. Ihre Geschichte, oder vielmehr "Giulias Geschichte", erzählt sie mit sehr viel Atmosphäre, einprägsamen Bildern, Wärme und einem hohen Wohlfühlfaktor.

In „Die Frauen der Villa Fiore“ spielt die Liebe eine große Rolle. Allerdings nicht nur die zwischenmenschliche Liebe. Es ist die Liebe zum Land, zur Heimat, zum Wein, zu dem, was man tut. Und dabei beschränkt Constanze Wilken sich nicht allein auf das Leben in der Toskana. Nein, auf das Weingut von Pauls Großvater Noah im Napa Valley in Kalifornien habe ich mich ebenfalls gern einladen lassen und in Gedanken den Zinfadel „gekostet“.

Auch wenn die Autorin die Grazie und Anmut der Toskana mit ihrer bezaubernden Landschaft in schönsten Farben schildert, vergisst sie nicht, auf das Widersprüchliche hinzuweisen: Armut und Reichtum, Leidenschaft und Gleichmut, Brutalität und Charme liegen dicht beieinander.

Darum gefällt es mir, dass in den Roman Hintergrundinformationen einfließen. Hier hat Constanze Wilken umfangreiche Recherchearbeit geleistet, und sie versteht es meisterhaft, Wissenswertes - beispielsweise über den Weinanbau - so zu vermitteln, dass dies nicht zu einer langweiligen Lehrstunde wird.

Ihr Schauplatz ist ein toskanisches Weingut, das auf den biologischen Anbau der Früchte setzt. Dabei thematisiert die Autorin, dass sich die Weinlandschaft verändert und inzwischen Klasse statt Masse gefragt ist. Der Markt ist hart umkämpft, und viele Menschen sind abhängig vom Erfolg des Weines. Und für einen guten, einen hervorragenden Wein braucht es neben Geduld, Leidenschaft und besten Zutaten, viel Arbeit, sorgfältige Planung, das Abwägen zahlreicher Risiken und Glück mit dem Wetter.

Mitzuerleben, wie die Menschen gemeinsam etwas schaffen, hat mich begeistert. Dafür tragen die Figuren dieser Geschichte einen erheblichen Teil bei, denn ich habe in kurzer Zeit (fast) alle ins Herz geschlossen.

An erster Stelle Giulia und Paul. Dann Manuela und Lorenzo. Und Milena und Bianca und Dario. Ja, auch Nonna Teresa. Die gesamte schwierige, liebenswerte, sture, vereinnahmende, herzliche Familie.

Guilia lernt, nicht mehr davonzulaufen, wenn es heikel wird. Ihr liegt mit jedem Tag, den sie auf dem Land der Massinellis verbringt, mehr daran, dass sich Erfolg einstellt. Ihre Verbundenheit zu ihrer Familie, zur Villa, den Menschen, die hier tätig sind, wächst, und sie begreift die große Bedeutung des Ganzen.

Paul mag ich einfach, seine offene Natur, ohne oberflächlich zu sein, die direkte und gelassene Art, die Dinge zu betrachten. Sein Humor und die Tatsache, dass er sich nicht so leicht etwas vormachen lässt, zeichnen seine Persönlichkeit aus. Er ist von Giulias schroffem Gehabe wenig beeindruckt und geht immer wieder auf sie zu, und er verliebt sich in die schöne, starke, eigensinnige, ja auf ihre faszinierende Art komplizierte Italienerin.

Und auch Giulia entdeckt ihre Gefühle für Paul. Aber gibt es für beide eine Zukunft? Denn Paul wird in Kalifornien bei seinem kranken Großvater dringend erwartet...

Und so belasse ich es bei einem Schlusswort von Manuela, Giulias Mutter, und freue mich auf ein "Wiedersehen": „Man kann sich nicht aussuchen, wann man dem richtigen Menschen begegnet. Doch wenn man überhaupt das Glück hat, ihn zu finden, muss man den Mut für die richtige Entscheidung aufbringen.“ (Seite 381)

Veröffentlicht am 10.03.2019

Das Ambrosia/Experiment

Das Ambrosia-Experiment
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Für Jule Rahn ist dieser 2. November kein gewöhnlicher Tag. Zwar beginnt er wie jeder andere, und wie immer setzt sie auf dem Weg von der Bushaltestelle zu ihrem Arbeitsplatz in einem Koblenzer Labor den ...

Für Jule Rahn ist dieser 2. November kein gewöhnlicher Tag. Zwar beginnt er wie jeder andere, und wie immer setzt sie auf dem Weg von der Bushaltestelle zu ihrem Arbeitsplatz in einem Koblenzer Labor den linken Fuß 923-mal vor den rechten. Zum ersten Mal möchte sie allerdings von ihrer exakt berechneten Route abweichen. Jule liebt die Ordnung, und das Flüstern der Zahlen sieht sie als Hilfe für das Vermeiden von Panikattacken an. Bereits ein Umweg von fünfhundert Metern bedeutet für sie ein Abenteuer.

Unmittelbar darauf bereut sie, dem eigenen Verlangen nach Herausforderung nachgegeben zu haben. Denn sie erlebt mit, wie ein schwerer Gegenstand neben ihr in den Rhein fällt, es ist ein Mensch, der von der Horchheimer Brücke geworfen wurde. Sie ahnt, dass sie etwas gesehen hat, das nicht für ihre Augen bestimmt ist, und flüchtet, verfolgt von einem Mann mit einer feuerroten, dünnen Narbe im Gesicht.

Zur gleichen Zeit beginnt Lucas Prinz seinen ersten Arbeitstag in Koblenz. Die alte Stadt, die den Menschen, die hier aufgewachsen sind, vertraut ist, vermittelt dem Polizist, der aus der Großstadtmetropole Frankfurt am Main versetzt wurde, überhaupt kein Wohlgefühl. Hinzu kommt, dass er an seinem letzten Arbeitsplatz vorurteilsfrei auch gegen die eigenen Kollegen ermittelt hat und bei einigen deshalb als „Netzbeschmutzer“ gilt. Nun will Prinz das Beste aus seiner Situation machen und sich zukünftig trotz der Aussicht auf Langeweile ausschließlich an die Devise „Dienst nach Vorschrift“ halten, statt alles bis zur eigenen Zufriedenheit ins Detail aufzuklären.

Von dem Plan bleibt schnell nichts mehr übrig. Als ein toter alter Mann am Rheinufer gefunden wird und der Hinweis einer aufmerksamen Passantin zu Jule Rahn als Zeugin führt, stellt sich bei Prinz im Nacken ein Prickeln ein, das ihn zu einer Spurensuche zwingt. Aber ist der Aussage von Jule Rahn, die sich seit Jahren in psychiatrischer Behandlung befindet, auch eine Bedeutung zuzumessen, oder ist sie lediglich eine sonderbare, mit Zwangsneurosen behaftete junge Frau?

Der Fall erhält eine verzwickte Seite, als Jule Rahn außerdem von dem „Verschwinden“ zweier Nachbarn berichtet. Und die alten Leute sind nicht die einzigen, die plötzlich ins Pflegeheim übersiedeln, ohne eine Spur zu hinterlassen. Hat eine Schönheitsklinik in den Alpen damit zu tun?

Jule Rahn und Lucas Prinz schlittern gemeinsam in eine Sache hinein, die ihnen alles abverlangt. Denn ihre Gegenspieler wollen sich nicht nur nicht in die Karten schauen lassen, sondern auch verhindern, dass ihre Machenschaften aufgedeckt werden. Dabei setzten sie alle Mittel ein, über die sie verfügen, und sie schrecken auch nicht davor zurück, unleidige Mitwisser aus dem Weg zu räumen...


Mit „Das Ambrosia-Experiment“ hat Volker Dützer einen stimmungsvollen Thriller geschrieben, der unterschiedliche Themen anspricht: Korruption und Machtmissbrauch, Manipulation und Beeinflussung sowie die daraus resultierende Abhängigkeit von Menschen in sogenannten religiösen Glaubensgemeinschaften (Sekten), die Sehnsucht nach Alterslosigkeit und Unsterblichkeit, soziale und emotionale Zwänge und Störungen.

Volker Dützer folgt mit seiner gut aufgebauten Geschichte einem stringenten Ablauf, der bis auf wenige wiederholende und langmütige Momente stetig an Tempo und Brisanz zunimmt.

Er entwirft einen bemerkenswerten Plot, in dem er die Frage aufwirft, ob ein Mittel wie Ambrosia, die Nahrung der unsterblichen Götter des Olymp, tatsächlich existieren könnte, und stellt die damit verbundenen Risiken dar. Es sind wieder einmal Menschen, die ihren eigenen Interessen folgen und zu Lasten anderer agieren. Ein erschreckend realistische Zukunftsvision, von der im Grunde zu hoffen ist, dass sie niemals wirklich eintritt.

Auf die Ausarbeitung seiner Hauptfiguren hat Volker Dützer augenscheinlich viel Wert gelegt. Lucas Prinz und Jule Rahn könnten nicht unterschiedlicher sein. Trotzdem schafft es der Autor, ihre Persönlichkeiten und die Annäherung der beiden auf einleuchtende Art und Weise zu schildern. Dabei versteht er es, Emotionen verständlich und nachvollziehbar zu gestalten und zu transportieren, so dass sie beim Leser ankommen.

Lucas Prinz ist eher der Typ Mann, der keine Freundschaften pflegt und Gefühle zeigt. In seinen fünfzehn Jahren als Polizist hat er einen Sinn darin gesehen, mit Energie und Enthusiasmus Verbrechen aufzuklären und Täter vor Gericht zu bringen. Mit Ergebnis, das seine Ermittlungen in den eigenen Reihen zu Tage brachte, ist er nicht unbedingt glücklich.

Die Begegnung mit Jule bewegt etwas in Prinz und seiner stumpf gewordenen Seele. Er spürt ihre Beklemmung, Verzweiflung, Misstrauen und Unsicherheit. Alles soll so bleiben, wie ist und sich nicht verändern. Dadurch kann Jule die Kontrolle behalten, auch wenn dies Einsamkeit und verpasste Chancen bedeutet. Im Grunde möchte Jule nicht vor der Wirklichkeit fliehen, sondern am Leben draußen teilhaben. Als Sechsjährige gehörte sie zur Sekte der Jünger des Lichts und überlebte als einzige den Massenselbstmord von 158 Mitgliedern, unter denen sich auch Jules Eltern befanden, und sie leidet unter Schuldgefühlen.

Im Verlauf der Ereignisse lässt Jule eine herausragende Entwicklung erkennen. Nicht nur, dass sie die sie umgebende spröde Schale durchbrechen kann. Jedoch wird das Erreichen einer ihr bislang unbekannten Freiheit von dauerhaftem Erfolg gekrönt sein?

Veröffentlicht am 08.03.2019

Moses und das Schiff der Toten

Moses und das Schiff der Toten
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Stefan Moses sticht aus der Masse hervor, und sein Erscheinen sorgt für Irritationen. Hieran hat sich in fast fünfzehn Dienstjahren bei der Kriminalpolizei Hamburgs nichts geändert. Denn der elegant gekleidete ...

Stefan Moses sticht aus der Masse hervor, und sein Erscheinen sorgt für Irritationen. Hieran hat sich in fast fünfzehn Dienstjahren bei der Kriminalpolizei Hamburgs nichts geändert. Denn der elegant gekleidete Mann wurde in Afrika geboren, und nicht wenige begegnen ihm mit einer Mischung aus Anspannung und Misstrauen. Moses reagiert darauf mit einer gewissen Seelenruhe und Nonchalance.

Für einen neuen Fall werden er und seine Kollegen auf einen Spielplatz gerufen. Dort sitzt ein nackter Mann auf einer Bank, als würde er zur Schau gestellt werden. Auch die Todesursache gibt Rätsel auf. Offensichtlich ist der Mann im Meer ertrunken und dann nach Hamburg transportiert worden. Warum macht sich jemand die Mühe? Und was sind das für durchsichtige Kreaturen, die sich aus seinen Körperöffnungen herauswinden?

Moses ist ein akribischer Ermittler. Je schwieriger eine Nuss zu knacken ist, je raffinierter der Täter zu Werke geht, desto mehr genießt er die Jagd. Doch bei diesem Fall passt irgendwie nichts zusammen, und trotz einiger Spuren erweist sich deren Verfolgung als Sackgasse. Wenn es nur das wäre. Zurechtkommen muss Moses auch damit, dass sein Chef ihm höchstpersönlich eine neue Mitarbeiterin aufs Auge drückt.

Und noch etwas beunruhigt Moses: Eine innere Stimme sagt ihm, dass ihn dieser Fall an seine persönlichen Grenzen führt…


„Moses und das Schiff der Toten“ ist eine klassische Kriminalgeschichte, die von einem Zusammenspiel aus Ermittlungsarbeit und privaten Gegebenheiten der agierenden Personen lebt.

Ortwin Ramadan baut den Fall gekonnt auf, bietet eine durchdachte Handlung an realen Hamburger Schauplätzen und unter anderem einen wirklichkeitsnahen Einblick in die tägliche Routine der Kriminalkommissare, die oft von einer eintönigen Spurensuche geprägt ist. Der Autor schlägt einen wohltuend ruhigen Ton an, der zur Hansestadt und ebenso zum Ermittlerteam passt. Ferner wird der Roman sprachlich in annehmbar menschlicher Weise erzählt, mit wenigen Abstrichen wegen einiger Wiederholungen und grammatikalischer Fehler.

Moses und seine Kollegen sind trotz mancher Reibungen untereinander ein eingespieltes Team. Frischen Wind erhält das Ganze durch die Neue, Katja Helwig, die sich nach drei Jahren beim Mobilen Einsatzkommando (MEK) versetzen ließ und auffällt, nicht nur weil sie sich das eine oder andere Mal im Ton vergreift oder mit schnellen Urteilen reagiert.

Mit fortschreitenden Ereignissen erhöht Ortwin Ramadan den Spannungsfaktor und setzt auch in Puncto Emotionalität eine Schippe drauf. Das kommt genauso gut an wie das Ringen von Moses um Bekenntnisse in seiner Beziehung zu Juliane und die Auseinandersetzung mit einer Vergangenheit, von der er Albträume hat.

„Nichts war grausamer als die Stille davor. Wenn die Welt in einem einzigen stummen Schrei erstarrte und die Angst seine Seele fraß, bis allein das rasende Tier in ihm übrig blieb.“

Der Autor offeriert insbesondere mit Stefan Moses und Katja Heil interessante und ungewöhnliche Ermittler. Es ist die dunkle Hautfarbe von Moses, die bei einigen unverhohlene Abneigung hervorruft. Damit hat er gelernt umzugehen, und es gibt wenig, was ihn in Rage versetzt. Fehlende Loyalität beispielsweise.

Nach dem Unfalltod seiner Adoptiveltern ist er über Nacht zu einem wohlhabenden Mann geworden, der sich im Grunde nichts aus materiellen Dingen macht, lediglich das in den 1920er-Jahren erbaute Mietshaus am Ende der Forsmannstraße in Winterhude kaufte. Keiner der Mieter ahnt allerdings, dass dem schwarzen Polizist aus der Dachwohnung das Haus gehört.

Auch Katja Helwig entspricht so gar nicht dem Bild einer herkömmlichen Kriminalbeamtin, trägt sie doch Piercings und rappelkurze Haare. Zudem ist ihr familiärer Hintergrund – das Aufwachsen im Plattenbau bei alkoholkranken Eltern – äußerst prekär. Sie neigt in Fällen, in denen sie das subjektive Gefühl hat, ungerecht behandelt zu werden, zu diffusen Aggressionsschüben, etwas, das Moses überhaupt nicht gebrauchen kann. Entsprechend lässt sich die Zusammenarbeit zunächst nicht optimal an.

Die Nebenfiguren haben Potential, allein beim Polizeidirektor überzieht der Autor. Als Mann, der sich überaus wichtig nimmt, großspurig verhält und vor allem am eigenen Erfolg interessiert ist, wird er in ein stereotypes Bild gepresst, auf das eher verzichtet werden kann.

Insgesamt aber legt Ortwin Ramadan einen lesenswerten, traditionellen Kriminalroman vor, der mit Lokalkolorit und unkonventionellen Protagonisten punktet, die sich für den nächsten Fall noch ein paar ungelöste Geheimnisse bewahren.

Veröffentlicht am 03.03.2019

Friends. Küssen unmöglich

Friends
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Judith ist Anfang Dreißig, als sie das Schicksal doppelt trifft. Erst stirbt ihr Mann bei einem Lawinenunglück, zur gleichen Zeit erleidet ihr Vater einen Herzanfall und fällt ins Koma. Die junge Frau ...

Judith ist Anfang Dreißig, als sie das Schicksal doppelt trifft. Erst stirbt ihr Mann bei einem Lawinenunglück, zur gleichen Zeit erleidet ihr Vater einen Herzanfall und fällt ins Koma. Die junge Frau vergräbt den Kummer in sich und verbannt jegliche Gefühle, die über die zu ihrer Tochter Vicky hinausgehen. "Eiskönigin" nennen sie die Menschen in ihrem Heimatort.

Doch da ist noch ihr bester Freund Leon, den sie bereits ihr halbes Leben kennt und mit dem sie die Begeisterung für den Skisport teilt. Er gibt ihr Halt und sich sehr viel Mühe, den Frohsinn wieder in Judys Dasein zu bringen.

Und plötzlich spürt Judy mehr als nur freundschaftliche Verbundenheit. Ja, vielmehr zieht ihr Herz sehnsuchtsvoll zu Leon. Aber kann sie ihrem Verlangen nachgeben? Oder ist Küssen unter Freunden unmöglich?


Tina Eugen schlägt in „Friends – Küssen unmöglich“ einen einfachen Erzählton an und umreißt mit detaillierten Bilder von einem winterlichen Skigebiet die vorhandenen Örtlichkeiten und Gegebenheiten. Beides ermöglicht es dem Leser, sich schnell in die Ereignisse hineinzufinden.

Bedauerlicherweise gewinnt die Geschichte nur langsam an Fahrt, hält sich im ersten Drittel mit vielen eher unwichtigen Beschreibungen auf und wirkt auch später an manchen Stellen etwas ausschweifend. Hingegen sind die Protagonisten von glaubhafter Natur und verschaffen dem Geschehen eine solide Basis.

Es gelingt der Autorin gut, ein Bild von Judith als Frau zu vermitteln, die das Schicksal gebeutelt hat. Während sie viele traurige, bange, ja wütende Momente heimsuchen und sie mit der Hilflosigkeit und Verzweiflung ebenso zurechtkommen muss, den der Tod eines geliebten Menschen mit sich bringt, beherrscht sie ihre Trauer durch ein erhöhtes Arbeitspensum. Obwohl der Wunsch von Judith, ihr altes, fröhliches Leben wieder zurückzubekommen, in ihr schlummert, fehlt es an einem Durchbruch, wieder die beschwingte und ein wenig verrückte Judith zu werden. Auch wenn ihre Tochter Vicky und ihr bester Freund Leon zu den wichtigsten Bezugspersonen gehören und ihr Kraft geben, weiterzumachen.

Tina Eugen findet eine wunderbare Beschreibung: Leon ist Judiths Lebensmensch. Tatsächlich kann Leon mit seiner Geduld, Sanftmut und gleichzeitigen Unbeschwertheit Judith ohne Drängen aus ihrer selbst gewählten Eishöhle locken und an tief greifende Gefühle rühren. Etwas, worauf er schon viele Jahre gewartet hat.

Während die Emotionen, die bei Judith in Bezug auf Leon entstehen und intensiviert werden, eine nachvollziehbare Darstellung erfahren, mangelt es daran, Verständnis zu entwickeln, warum Judith sich nach dem Tod ihres Mannes zunächst zur Eiskönigin wird und zehn Monate danach zweifelt, eine Beziehung mit Leon eingehen zu können. Denn so eitel Sonnenschein war die Ehe zwischen ihr und Peter nicht. Vielmehr liegen in der Vergangenheit so einige Geheimnisse verborgen.

Sind alle Hürden „umfahren“, bieten die Geschichte trotz einiger Stolpersteine eine lebendige, kurzweilige, manchmal mit Humor versetzte Unterhaltung.

Veröffentlicht am 26.02.2019

Deine Stimme in meinen Träumen

Deine Stimme in meinen Träumen
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Um in der Nähe ihres Freundes Stefan zu sein, der ein Küchenstudio seiner Eltern leitet, zieht Christine wieder nach Schutzingen, obwohl sie in ihre Heimatstadt, die sie als als provinziell und kleingeistig ...

Um in der Nähe ihres Freundes Stefan zu sein, der ein Küchenstudio seiner Eltern leitet, zieht Christine wieder nach Schutzingen, obwohl sie in ihre Heimatstadt, die sie als als provinziell und kleingeistig empfindet, nie zurückkehren wollte. Aber seit sie Stefan kennt, hat sich einiges verändert. Sie genießt das Zusammensein mit ihm, weil sie sich auf ihn verlassen kann und endlich Wurzeln schlagen will. Trotzdem hat sie manchmal das Gefühl, in einem Wartesaal zu sitzen und noch nicht wirklich angekommen zu sein.

Die Rückkehr nach Schutzingen ist jedoch von Vorteil, kann sie so des Öfteren ihre Großmutter Elisabeth besuchen, die in einem ortsansässigen Pflegeheim lebt. Denn Christine ist ihrer Großmutter innig verbunden, war diese ihr in der Kindheit und Jugend vielmehr Mutter als ihre eigene und hat sie bei der Verwirklichung ihrer Träume immer unterstützt.

Viel gemeinsame Zeit erhält Christine indes nicht, Elisabeth stirbt und hinterlässt in den Unterlagen, die sie ihrer Enkelin vermacht, niemals abgeschickte Briefe an ihre große Liebe Wilhelm mit der Bitte, eben jene Briefe dem Empfänger zu übergeben und wenn das nicht möglich ist, an seinem Grab abzulegen. Wie sich herausstellt, müsste Christine dazu allerdings nach Kanada reisen.

Zu Christines Bedauern zeigt sich Stefan überhaupt nicht begeistert. Gerade jetzt ist Christine als Mitarbeiterin im Küchenstudio fest eingeplant, zumal Stefans Eltern von der potentiellen Schwiegertochter angetan sind.

Doch entgegen der an sie gerichteten Erwartungen entscheidet sich Christine, den Wunsch ihrer Großmutter zu erfüllen. Sie beweist gegenüber Stefan Rückgrat und fliegt für zwei Wochen nach Montreal. Auf der Suche nach Wilhelm lernt sie dessen Enkelsohn Robert, einen Schriftsteller und Maler, kennen. Um aber die Briefe auf das Grab des bereits verstorbenen Wilhelms legen zu können, muss Christine nach Vancouver und folglich viertausend Kilometer durch Kanada reisen...


Joanna Martin hat für „Deine Stimme in meinen Träumen“ einen sehr ruhigen Erzählton gewählt. Die Geschichte, die zwei Handlungssträngen folgt, ist mit leicht zu lesenden Sätzen und Worten aufgebaut und lässt nur langsam die Zurückhaltung im Tempo hinter sich. Erst als Christine in Kanada ist, entwickelt sich das Geschehen mit zunehmender Geschwindigkeit und Intensität. An dieser Stelle gelingt es der Autorin, dank ihrer eingehenden Beschreibungen auf die Schönheit Kanadas aufmerksam zu machen.

Es fällt auf, dass Christine zunächst eine äußerst unsichere, unaufdringliche, fast kleinbürgerliche Frau ist, die sich an solide und feste Konstante klammert und keinesfalls das Abenteuer sucht. Im Verlauf der Ereignisse wird mehr Schwung sichtbar, und Christine taut insbesondere nach der Begegnung mit Robert auf. Sie beginnt ihr bisheriges Leben und vor allem auch die angestrebten Ziele zu hinterfragen. Leider ist dies immer wieder von Zweifeln, Hemmungen und einer Unentschlossenheit begleitet, die sich in ihrer Bündelung als Herausforderung für den Leser darstellen. Auch wenn unschlüssige Heldinnen durchaus ihre Berechtigung habe, braucht es Geduld, um mit der fehlenden Entscheidungsfähigkeit von Christine zurecht zu kommen.

Leider bleibt auch die Entwicklung der Gefühle insgesamt hinter den Erwartungen zurück und berührt in reduziertem Maße. Recht schnell ist klar, dass Christine sich zwischen zwei Männern und damit zwei Welten befindet. Einerseits Stefan, bodenständig zwar, aber auch ein wenig pedantisch und eintönig. Andererseits Robert, ein Künstler und Freigeist ohne den Hang zur Vergeistigung, der Christines eigene Träume des Schreibens unterstützt.

In die Haupthandlung hat Joanna Martin die Briefe eingegliedert, die die Liebesgeschichte von Elisabeth und Wilhelm schildern. Zwar tritt die eine oder andere Ungenauigkeit auf, dafür erhalten die beiden schnell einen Platz im Leserherz. Hier vermag es die Autorin, Emotionalität gut zu transportieren.

„Deine Stimme in meinen Träumen“ ist unaufgeregte Unterhaltung, die zu einem entspannten Leseerlebnis beiträgt.