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Veröffentlicht am 08.08.2017

Friede, Freude, Zungenkuss - Die Wiederauferstehung der Waltons

True North - Wo auch immer du bist
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An True North ist in letzter Zeit ja wohl kaum einer in den Social Medien vorbeigekommen, deswegen freute es mich um so mehr, dass ich über Netgalley.de ein Rezensionsexemplar erhalten habe. An dieser ...

An True North ist in letzter Zeit ja wohl kaum einer in den Social Medien vorbeigekommen, deswegen freute es mich um so mehr, dass ich über Netgalley.de ein Rezensionsexemplar erhalten habe. An dieser Stelle möchte ich mich bei Netgalley.de und LYX dafür bedanken.

Coverbild

Die schnörkelige Handschrift pass wunderbar in den Holzschnitt der Berglandschaft. Farblich dezent und passend zu den Schnitzspuren. Das ganze wirkt wie eine altes Bild zu einem Alpen-Heimatfilm. Das Cover finde ich persönlich super.

Handlung

Die ausgebildete Köchin Audrey Kidder arbeitet in Boston für den Gastronomie Großbetrieb BGP, der für seine Restaurants in Vermont frische Produkte einkaufen will. Als Praktikantin muss sie nun zu den Bio-Farmern und für einen Spottpreis die Produkte einkaufen. Gleich bei ihrer ersten Anlaufstelle trifft sie auf August Griffin Shipley (Griff), dem sie während der Studienzeit in einer heißen Romanze schon näher gekommen ist. Doch die Vermonter Farmer sind auf die BGP nicht gut zur sprechen und stellen sich quer. Seltsamerweise fühlt sie sich aber ausgerechnet auf der Shipley Farm wohl und heimisch. Was nicht nur an der Anziehungskraft zwischen ihr und dem grummeligen Griff liegt. Denn Audrey musste eine bittere Kindheit mit ihrer übermächtigen Mutter erleben, die zum totalen Widerspruch zu der harmonischen Farmerfamilie steht.

Buchlayout / Haptik

Die Kapitel haben eine angenehme Länge, das gesamte Buch ist in 3 Teile unterteilt: Juli, August und Oktober und werden mit einem prosaischen Zitat über Essen eingeleitet. Man kann sich beim Lesen immer gut von Kapitel zu Kapitel hangeln, ohne aus dem Takt zu treten.

Idee / Plot

Eine Stadtpomeranze trifft auf grantigen Farmer. Beide begehren sich, beide machen Fehler aber am Schluß ist doch alles Friede - Freude - Eierkuchen. Abgedroschen ohne wirklich eine neuartige Idee dahinter. Klar, Bio ist im Moment in aller Munde, aber ob das nun als Aufhänger für eine romantisch-erotische Story herhalten kann? Wo ist das Alleinstellungsmerkmal?

Emotionen / Protagonisten

In Sachen körperlicher Befriedigung weiß Audrey, was sie will und holt es sich auch. Aber dennoch leidet sie unter extremen Minderwertigkeitsklomplexen, ausgelöst durch das Leben mit ihrer dominante Mutter. Sie ist ehrgeizig und will mit allen Mitteln an ihr Ziel, ist aber zu stolz um sich einzugestehen, dass sie sich auf den falschen Arbeitgeber eingelassen hat. Besonders nachvollziehen kann ich das nicht.

Griff soll wohl den Bad-Boy Love-Interest darstellen und ist immer besonders "grummelig". Auch wenn die Autorin mir das durch die ständige Wiederholung dieses Adjektivs weis machen möchte, nehme ich ihm das einfach nicht ab. Schwanzgesteuert lässt er sich von Audrey ziemlich um den Finger wickeln und leistet sich dabei einen groben Fehler.

Es gibt nur ein Begriff, mit der man die Shipley-Farm und ihre Bewohner umschreiben kann: Die Waltons. Meine Generation wird mit Rührseligkeit sich an diese alte Serie erinnern. Dort ist einfach alles perfekt und traumhaft idyllisch. Klar hat die Farmersfamilie ihre Probleme und steht immer kurz vor dem Ende. Aber alle Hoffnung steckt in John-Boy - äh August Griffin.

Audreys Mutter ist die böse Hexe in diesem Schauspiel. Welch Antagonistin! Jahrelang unterdrückte sie das arme Kind und konnte ihr keine geborgene Kinderstube bieten. Die Ausgeburt des Bösen treibt das schutzlose Mädchen ausgerechnet in die Arme des ebenso ausbeuterischen Megakonzern, an dem sie selber die mehrheitlichen Anteile besitzt - wie ausgebufft.

Handlungsaufbau / Spannungsbogen

Ei ei ei, was ist denn da passiert. Gleich zu Anfang begrapschen sich Audrey und Griff, als gäbe es keinen Morgen und rammeln wie die Karnickel - in ganzer Ausführlichkeit beschrieben. Doch schon zur Mitte werden die erotischen Szenen mau und am Ende wird nur noch von triefender Liebe geschlonzt, dass es das Ganze nicht glaubwürdiger macht.

Da passt das ganze Konzept nicht mehr. Es wirkt eher auf mich, als hätte die Marketing-Abteilung gesagt: "Mädels, so 'ne Farmerschmonzette verkauft sich nicht - nur »Sex sells«!" - "Okay, dann lassen wir sie auch Zungenreiten". Ehrlich? Ist das die Wunderwaffe gegen prüde Hausfrauen-Literatur?

Der "gigantische" Plottwist ist von Anfang an so vorhersehrbar, dass es mich nicht ein mal aufgeregt hat (Ich hab's ja gleich gesagt!). Na, da passt es doch, dass die gute Nachricht auch postwendend auf den Fuß folgt und das drohende Bad End wieder retten kann. Da kann dem Dénouement auch nichts mehr im Wege stehen und der kommt in geballter Wucht: Friede - Freude - Zungenkuss, wir klatschen uns in die Hände und haben uns alle lieb ("Kumbaya My Lord"). Der Teufel in Prada mutiert zu Mutti Beimer und kann vor lauter rührseligen Eingeständnissen an Glaubwürdigkeit noch weniger gewinnen, die Waltons feiern in persona die Wiederauferstehung auf der Shipley Farm.

Szenerie / Setting

Die Farm wird bildlich und hübsch dargestellt. Aber von Anfang an brannte sich mir das Haus der Waltons in meine Netzhaut ein. Die Umgebung passt wie die Faust aufs Auge zu der Geschichte: Idyllisches Farmerleben, weite Apfelplantagen, die netten Nachbarn, die wöchentlich zum Abendessen vorbeikomme und alle Farmbewohner haben sich lieb. Hach, in dieser Welt würde ich auch gerne leben.

Sprache / Schreibstil

Sprachlich habe ich nichts auszusetzen. Der Schreibstil ist flüssig und gut lesbar, ohne aber außerordentlich zu sein. Die erotischen Szenen werden auch ausführlich dargestellt ohne g'schamiger Umschreibung. Die Kapitel wechseln sich zwischen den Perspektiven von Audrey und Griffin im Stile von Tagebucheinträgen ab. So bekommt man von beiden Seiten einen Einblick in die Handlung.

FAZIT

Bauer sucht Frau im nicht jugendfreien Setting von "Die Waltons". Leider passt es hinten und vorne nicht zusammen und hat mich ziemlich unbefriedigt zurück gelassen. Die letzten Seiten habe ich nur noch quer gelesen, die nur noch vor lauter Kitsch triefen. "Gute Nacht, John-Boy!"

Veröffentlicht am 30.07.2017

Vielversprechender Anfang verliert zum Schluß sein Feuer

In der Liebe ist die Hölle los
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Coverbild
Zum Cover kann ich nur sagen, dass ich es nicht so aufregend finde. Es ist sehr simpel mit einfachen Zeichnungen. Der Schriftzug ist aber gelungen. Insgesamt ist es aber austauschbar und hat ...

Coverbild
Zum Cover kann ich nur sagen, dass ich es nicht so aufregend finde. Es ist sehr simpel mit einfachen Zeichnungen. Der Schriftzug ist aber gelungen. Insgesamt ist es aber austauschbar und hat kein Alleinstellungsmerkmal. Ich glaube nicht, dass ich das Buch anhand des Covers in einer Buchhandlung in die Hand genommen hätte.

Handlung
Catalea ist die Tochter des Teufels, lehnt aber alles "teuflische" an ihr ab. Doch ihr Vater nötigt sie in der Firma zu arbeiten. Sie muss die verlorenen Seelen einsammeln und zum Torhaus in Köln bringen, sie ist ein Totenhändler. Aber Cataleas Fähigkeiten lassen zu wünschen übrig, sie ist etwas unbeholfen und passt so gar nicht in die "High-Society" der Firma. Als ein Auftrag missglückt muss der in der dunklen Welt geächtete Totenanwalt Timur sie aus den Fängen der Polizei befreien. Die dunkle Welt schwört Rache gegen Catalea. Sie flüchtet mit Timur und gemeinsam versuchen sie aufzuklären, wer ihr diese Falle gestellt hat.

Buchlayout / Haptik
Die Länge der Kapitel ist sehr angenehm und einige werden mit einem Auszug aus dem "Ratgeber für die Toten“ eingeleitet. Das handliche Format der LYX-Bücher mit der Klappbroschur ist sehr angenehmen und gefällt.


Idee / Plot
Die Vorstellung, dass sich die Hölle in unserer heutigen Zeit - allein durch die demographische Entwicklung und daraus resultierenden höheren Anzahl an gefallenen Seelen - inzwischen zu einem Megakonzern mit hohem Verwaltungsaufwand entwickelt hat, ist im Grunde nicht neu. Auch die Ähnlichkeit mit der Mafia.

Trotzdem ist hat der Autor Benne Schröder hier eine interessante Idee aufgefasst und in einen vielversprechenden Plot gepackt. Catalea als halb Mensch und halb Dämon kämpft zunächst stark gegen ihre dunkle Seite an. Erst der Verrat und die Flucht mit Timur lässt ihren ablehnenden Panzer aufbrechen und ihre Bestie stiehlt sich ihren Weg nach außen.

Weiter flechtet der Autor in seinen Plot ziemlich heftige brisanten Zündstoff bezüglich Religion und Kirche ein. Das hat mir an der Idee besonders gut gefallen.

So erfahren wir nun in einem Auszug aus dem "Ratgeber für Tote", dass zwar die Seelen aller Religionen im "Dunkel" ankommen, sich das Jenseits aber an den Glauben der Seele anpasst. Freche Spitzen peppen dieses eigentlich heikle Thema sehr gekonnt auf.
"Muslime blättern direkt zu Kapitel3, und alle christlichen Strömungen orientieren sich in Kapitel4 bei den jeweiligen Unterpunkten. Radikal evangelische Freikirchenwarten bitte auf den Totenarbeiter.“
S. 15, Benne Schröder: "In der Liebe ist die Hölle los" (© 2017 LYX Verlag).

Das gipfelt im Auftritt von Judas, der durch den Verrat an Jesus in den Augen des Teufels die größte Sünde begangen hat und von ihn in der Hölle deswegen auch zum Dämon gemacht hat.
Leider verschwindet dieser Gedanke im Laufe des Buches und wird nicht weiter intensiviert.

Emotionen / Protagonisten
In Catalea konnte ich mich zunächst gut einfühlen. Sie ist total sympathisch. Reflektiert und schätzt sich ganz gut ein. Ich mag es lieber, wenn die Protagonistin nicht alles perfekt kann und weiß, sondern einfach ihre Ecke und Kanten hat. Aber im Laufe der Geschichte verwehrt sich mir der Zugang durch recht viele Wiederholungen ihrer Gedanken und Grübeleien. Das wird mit der Zeit nervig. Sie verabscheut Timur und fühlt sich gleichzeitig extrem zu ihm hingezogen. Die Wandlung vom bockigen Menschen zum bestialen Dämon im Laufe der Geschichte kommt gut hervor, ist mir aber nicht eindringlich genug.

Timur wird von Catalea ständig als das "Arschloch" dargestellt. Dabei ist mit Timur tatsächlich zu mau, er hat kaum Kanten oder Ecken. Anfangs fand ich ihn sehr mysteriös-sympatisch. Ja, er frotzelt Catalea recht häufig und gerne, doch das reicht für mich noch nicht zum Bad-Boy. Dafür ist er mit dann zu harmlos und oberflächlich. Ich kann in ihm kaum den geächteten Dämon erkennen, den der Autor mir weis machen möchte.

Die Lovestory zwischen den beiden kann ich demnach auch mit der Zeit nicht mit empfinden. Sie fühlen sich von Anfang an zueinander angezogen, da hat mir aber das Gefühls-Ping-Pong gefehlt. Die erotische Szene lässt mich etwas unzufrieden zurück. Für einen Akt zwischen Dämonen passierte zu wenig und Benne Schröder hat sich hier in den Äußerungen viel zu bedeckt gehalten. Da hätte ich viel mehr dämonisches Feuer erwartet! Zum Ende hin wird sie sogar etwas schlonzig und kitschig.

Handlungsaufbau / Spannungsbogen
Der Spannungsbogen ist gut erdacht, doch zu wenig ausgebaut. Es gibt anfangs eine pfeffrige Kampfszene, doch die weiteren Höhepunkte, auf dem Friedhof und beim Tribunal, sind mir zu schwach. Als Showdown zu mau und ohne wirklicher Steigerung gegenüber dem Anfang. Ab Mitte des Buches häufen sich die Längen und insgesamt fällt es mit dem schwachen Spannungsverlauf zum Schluss hin zu sehr ab. Bei Dämonen hätte ich mir hier einfach mehr erwartet. Aber kein dämonischer Kampf oder unterirdische List haben den Antagonisten zu Fall gebracht, sondern eher eine Schubserei unter Jungs auf dem Pausenhof.


Szenerie / Setting
Ein bisschen verwirrt es mich schon, dass die 7 Häuser des Jenseits sich auf Deutschland konzentrieren. Die Zentrale, ist wie man von der Mafia erwartet, in Italien auf Sizilien. Doch ein wenig vermisse ich schon die weltumfassendere Sicht. Von dem her kann ich das Setting nur teilweise akzeptieren. Trotzdem werden die Szenerien gut beschrieben und ich kann mir die Umgebung gut vorstellen.

Der Korridor mit den Portal-Türen erinnert mich stark an den Traumkorridor aus Kerstin Giers Trilogie „Silber“. Vielleicht könnte das die ersehnte Erklärung sein?

Gefreut habe ich mich über die Erwähnung des Teufelsabdruck in der Frauenkirche von München. Als geborene Münchnerin ist man mit dieser Geschichte natürlich vertraut.

Sprache / Schreibstil
Sprachlich bin ich wirklich überrascht. Flotte Sprüche, viel Wortwitz und teilweise triefender Sarkasmus passen gut zusammen und lassen das Buch gut lesen. Benne Schröder hält sich nicht ausschweifenden Erzählungen auf. Die Sprache ist direkt, aber für mich sehr schön bildlich.

FAZIT:
Anfangs eine vielversprechende Story mit viel Pfeffer, die aber zum Schluß hin an Feuer verliert und mich doch eher enttäuscht hat. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich den zweiten Teil lesen möchte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Figuren
  • Humor
  • Spannung
  • Thema
Veröffentlicht am 12.06.2017

Eine tolle Idee die aber ihr Potenzial verschenkt hat, das "Gewisse Etwas" hat mir einfach gefehlt.

Stormheart 1. Die Rebellin
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Die Leseprobe dieses Romans auf Vorablesen.de hatte mich zunächst wirklich überrascht und magisch angezogen. Um so erfreuter war ich, dass ich für dieses Buch bei Vorablesen.de aus dem Lostopf gezogen ...

Die Leseprobe dieses Romans auf Vorablesen.de hatte mich zunächst wirklich überrascht und magisch angezogen. Um so erfreuter war ich, dass ich für dieses Buch bei Vorablesen.de aus dem Lostopf gezogen wurde. Vielen Dank noch mal für die tolle Möglichkeit, dieses Buch lesen und rezensieren zu dürfen!

Cover:
Von Carolin Liepins kenne ich vor allem die Gestaltungen für Marah Woolfs Bücher, die eher illustrativer Natur sind und ich persönlich sehr schön finde. Hier sehen wir das Foto-Porträt der Sturmprinzessin, das mit der Edelsteinkrone und einem Umhang bestückt ist. Und wenn man genau hinsieht, sieht man auch das Photo-Composing der einzelnen Bilder. Das stört mich nicht so sehr. Was ich aber ein bisschen komisch finde, sind die "fliegenden Haare", die hinter der Prinzessin "zu Berge" stehen. Auch die kleinen Edelsteine an der Augenbraue entlang finde ich etwas merkwürdig. Ich bin von dem Cover nicht ganz überzeugt, zumal ich Gesichter auf Cover auch immer etwas problematisch finde.

Handlung:
Die Sturmlingsprinzessin Aurora wird ohne Sturmmagie geboren und kann ihr Volk Pavan nicht vor den zerstörerischen Stürmen schützen. Um das Gesicht und den Thron zu wahren, gaukelt die Mutter ihrem Volk seit Auroras Geburt vor, sie hätte eine sehr starke Magie. Der einzige Ausweg aus dem Lügenkonstrukt scheint die Vermählung mit dem Sturmprinzen aus dem mächtigen Reich Lock zu sein. Aurora flüchtet aber kurz vor ihrer Hochzeit in das Wildland und trifft dort auf Sturmjäger, die ihr eine vollkommen andere Sicht auf die Dinge vermitteln. Sie begreift, dass ihr bisheriges Leben nicht nur aus einer Lüge bestand und fasst den Entschluss sich die Magie anzueignen, um ihr Volk später als würdige Sturmlings-Königin beschützen zu können.

Buchlayout / Haptik:
Das gesamte Buchlayout ist durchdacht und einheitlich konzipiert. Eine geschnörkelte aber symmetrische Linie ziert zum einen das Cover, das Titelblatt und visualisiert innerhalb von Kapiteln einzelne Sinnabschnitte und Perspektivenwechsel. Kleine Textpassagen führen jedes Kapitel an, wobei sich mir der Zusammenhäng aus dem Inhalt dieser Texte mit dem Geschehen im Kapitel nicht ganz erschließt. Insgesamt erscheint das Buch hochwertig und mit seinen 464 Seiten doch recht dick. Mir hat die Ausführung gut gefallen.

Idee / Plot:
Eine fantastische Welt, in der Stürme und Naturgewalten nicht nur reine Erscheinungen und naturgegeben sind, sondern ein Herz und vielleicht auch einen eigenen Willen besitzen, hat mir sehr gut gefallen. Die bis zur Vermählung von der Außenwelt abgeschottete Aurora muss erst ihre Heimat verlassen um einen eigenen Blickwinkel auf die Stürme und Zusammenhänge zu erfassen. Und lernt dabei den von sich überzeugten Sturmjäger Lock kennen. Aurora ist gefangen zwischen ungewohnten Gefühlen und der Verzweiflung keine gute Thronerbin für ihr Volk sein zu können. Ein wirklich interessanter Ansatz einer neuen Welt mit der Mischung aus Fantasy und Romantik, wobei die Idee des "Sturmkönigs" nicht ganz neu ist.

Emotionen / Protagonisten:
Aurora wirkt zunächst trotzig und willensstark. Sie war mir anfangs recht sympatisch, da sie nicht nur aus purem Egoismus geflüchtet ist, sondern sich ihrem Volk sehr verbunden fühlt und einen Ausweg aus ihrer Misere gesucht hat. Ich konnte ihr gut nachempfinden und fand den Grund ihrer Flucht auch schlüssig. Im Laufe des Buches beginnt sie mich aber zu nerven. Sie wirkt immer naiver und obwohl sie sehr hart trainiert, um eine Sturmjägerin zu werden, hat sie manche Anwandlungen, die ich nicht nachvollziehen kann. Sie bleibt trotzig, aber auf eine sehr anstrengende Art und Weise.

Der Sturmprinz Cassius ist im ersten Abschnitt stark präsent und hat mir sehr gut gefallen. Er strahlt eine unergründliche und mysteriöse Art aus, die mich gleich gefesselt hat. Er ist eher der Bad-Boy, der aber seine eigenen Geheimnisse hat, was ihn für mich wesentlich interessanter macht. Doch nach Auroras Flucht taucht Cassius so gut wie gar nicht mehr auf und verblasst leider total. Von ihm hätte ich gerne mehr gehabt. Er war auch der Magnet, der mich am Anfang angezogen hat und mir deswegen die Leseprobe auch so gut gefallen hat.

"Das Bedürfnis, hinter all ihre Geheimnisse zu kommen, war um so stärker, weil sie bald ihm gehören würde. Sie zu erobern würde wahrscheinlich aufregender sein als jeder Sieg, den er je über einen Sturm errungen hatte."



Cora Carmack: "Stormheart - Die Rebellin", S. 23 (Gebundene Ausgabe © 2017 Friedrich Oetinger Verlag)

Hingegen wirkt der Sturmjäger Lock, der Aurora als Mentor trainiert, anfangs ebenfalls mysteriös und geheimnisvoll, ist aber dann sehr schnell aalglatt und langweilig. Da ist kaum was Überraschendes an ihm, und wirkt eher liebeskrank und ferngesteuert. Die ganze Liebesgeschichte, die sich zwischen Aurora und Lock anbahnt, empfand ich zuerst ganz nett, später aber wurde es mir zu kindisch und beide Protagonisten blieben für mich einfach oberflächlich. Lock wirkt auf mich auch ziemlich arrogant und von sich selbst sehr überzeugt. Er ist dann auch so liebesblind, dass er Auroras mehr als verdächtiges und merkwürdiges Verhalten nicht hinterfragt und nicht einmal eine gesunde Portion Skepsis aufbringt. Das ist für mich nicht authentisch.

Handlungsaufbau / Spannungsbogen:
Die Spannung hat sich über die ersten Abschnitte sanft aufgebaut und man wurde in die Handlung allmählich eingeführt. Die Mischung zwischen mystischer Fantasy und Romantik fand ich gut ausgewogen. Doch über den Verlauf des Buches konnte der Spannungsbogen nicht weiter ausgebaut werden. Die Handlung bleibt vorhersehbar ohne wirklich spürbare Wendungen, geschweige denn aufregende Plottwists. Die magischen Momente wurden immer weniger, es gab kaum Höhepunkte und erst recht keinen Showdown. Nicht einmal einen Cliffhanger (welcher bei einer Trilogie ja inzwischen schon Usus ist), haben wir erleben dürfen. Das Buch endet einfach flach, ohne dass die Handlung wirklich abgeschlossen ist. Einige Fragen sind mehr als offen geblieben und ungereimte Stellen lassen mich ziemlich unglücklich zurück.

Szenerie / Setting:
Cora Carmack beschreibt die Umgebung schön bildhaft und die einzelnen Szenen sind gut vorstellbar. Das schon fast dystopische Setting passt gut zu den Fantasy-Elementen mit den zerstörerischen Stürmen und der Sturmmagie. Es gab ein paar schöne magische Momente zwischen den Stürmen und den Protagonisten, die mir aber dann zu kurz abgehandelt wurden.
Die ellenlangen Seiten mit dem Liebesgeplänkel „Fang mich doch“ ist mir dann einfach zu kindisch und zu doof. Das letzte Kapitel besteht nur noch daraus (schon fast bis hin zu sehr erotischen Beschreibungen) und die Fantasy ist für mich total verflogen. Die ganze Geschichte hat für mich deswegen auch kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Das hätte sich genauso auch in einem anderen Setting abspielen können.

Es ist weder eine prickelnde Lovestory mit ordentlichen Funkenschlag und Dramatik, noch eine mystische Fantasy-Story mit ausgefallener Magie und fesselnder Phantasie. Beides kommt mir zu kurz.

Sprache / Schreibstil:
Der anfängliche, für Fantasy typische Sprachstil hat mir gut gefallen. Es war flüssig und angenehm zu lesen. Obwohl ich bei dieser „gestelzten“ Sprache oft meine Probleme habe, fand ich sie hier ganz ausgewogen und nicht übertrieben. Der Schreibstil nimmt aber kontinuierlich über das Buch ab und wird zum Schluss hin doch sehr gewöhnlich. Vor allem arbeitet Cora Carmack dann vermehrt mit wörtlicher Rede, was ich immer als sehr problematisch finde, weil das immer die Geschichte langatmig wirken lässt. Viele Unterhaltungen hätte man sich sparen können.

Cora Carmack lässt uns die Geschichte in der Multiperspektive erleben. Durch den recht häufigen Perspektivenwechsel habe ich auch den Zugang zu den Protagonisten schlecht vertiefen können. Was ich anfangs gut fand und auch passend für die Einführung in die Geschichte war, empfand ich am Ende eher als lästig. Ich musste auch immer erst ein paar Zeilen lesen, um zu kapieren, aus welcher Sicht das gerade erzählt wird. Das hat mich im Lesefluss gestört. Man hätte sich hier auf eine Hauptsicht (die von Aurora) beschränken sollen, und diese dann vielleicht auch abgesetzt zur Multiperspektive in der Ich-Perspektive erzählen können.

In den letzten Abschnitten fand ich den Perspektivenwechsel mehr als unglücklich. Da hat sich Cora Carmack keinen Gefallen getan (oder es sich zu einfach). Denn es gab einige Stellen, die ich gerne aus der anderen Perspektive gelesen hätte. Zum Beispiel, als Aurora mit dem Nebel spricht. Das hätte eine sehr schöne magische Stelle werden können.

Fazit:
Mich hat die Geschichte zum Ende hin nicht mehr mitnehmen können. Die Spannung wurde über das gesamte Buch auch nicht wirklich aufgebaut. Es hat mich nicht so gefesselt und ich bin mir nicht sicher, ob mich der weitere Verlauf auch interessiert. Zu viel unglaubwürdiges und kindisches Liebesgeplänkel, und zu wenig Fantasy. Eine tolle Idee die aber ihr Potenzial verschenkt hat, das "Gewisse Etwas" hat mir einfach gefehlt.

Veröffentlicht am 01.06.2017

Herrlich ironisch aber gefühlvoll, zwischen Emotionen und Vergangenheitsbewältigung

Wer weiß schon, wie man Liebe schreibt
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Dank der Bücherplattform Lesejury.de durfte ich mit diesem Buch an einer Leserunde teilnehmen. Der LYX-Verlag hat mir ebenfalls über Netgalley.de ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Ich möchte ...

Dank der Bücherplattform Lesejury.de durfte ich mit diesem Buch an einer Leserunde teilnehmen. Der LYX-Verlag hat mir ebenfalls über Netgalley.de ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Ich möchte mich hiermit beim Verlag LYX - Bastei Lübbe noch mal herzlichst dafür bedanken. Die Leserunde auf Lesejury.de hat es mir allerdings schwer getan, da ich durch die langen Leseabschnitte gezwungen war, das Buch 2 mal für mehrere Tage zur Seite zu legen. Ich kann deswegen nur empfehlen das Buch in einem Rutsch zu lesen und sich von Beas Gefühlschaos mitreissen zu lassen.

Cover:
Ein schönes und lustiges Cover. Die schöne handgeschriebene Schrift ziert in der Mitte das Cover, drumherum Kringel, die Telefonkritzeleien sein könnten, oder wenn ein Autor gedankenverloren an seinem Plot arbeitet. Bei den gelben Tupfen bin ich mir nicht sicher, was sie darstellen sollen, goldene Konfetti? Ich finde es verspielt, aber trotzdem schlicht und schön.

Handlung:
Um den kleinen Verlag zu retten, muss Bea mit dem rüpelhaften Starautor Tim Bergmann auf Lesereise gehen. Nur wenn er einen wichtigen Leserpreis gewinnt, für den sie während der Reise viel Werbung machen müssen, kann der Verlag weiter existieren. Aber Tim schreibt Dystopien und passt so gar nicht in das Konzept eines Verlages für Liebesromane. Er ist launisch und expulsiv. Aber Bea muss die 4 Wochen kreuz und quer durch Deutschland mit diesem Mann überstehen, vor allem weil er doch immer wieder ungewohnte Gefühle in ihr hervorruft, die sie ziemlich aus dem Konzept bringen.

Buchlayout/Haptik:
Die 37 Kapitel sind recht kurz, was ich als ganz angenehm empfunden habe, zumindest hat es mich im Lesefluss nicht gestört. Zu jeder Kapitelnummer gibt es auch noch einen kurzen, aber prägnanten Titel.

Idee/Plot:
Beide Protagonisten haben eine sehr ähnliche Vergangenheit. Wobei Tim damit offener umgeht und diese Vergangenheit auch in seinem Buch verarbeitet. Bea hingegen flüchtet in akribische Kontrolle. Diese beiden Menschen prallen nun aufeinander und müssen unter erhärteten Bedingungen miteinander auskommen. Sie werden durch die Anwesenheit des anderen mit ihrer Vergangenheit konfrontiert, was natürlich dann auch zu einigen Konfliktmomenten führt.

Handlungsaufbau/Spannungsaufbau:
Die Handlung wird sanft aber stetig aufgebaut. Wir bekommen zunächst nur häppchenweise was von Beas und Tims Vergangenheit mit, erhalten aber im Laufe des Buches immer mehr Einblick. Die Spannung und das Prickeln werden auch sehr schön über das Buch aufgeteilt und steigt von Abschnitt zu Abschnitt, bis es in einen tollen Gänsehautmoment gipfelt.

Szenerie/Setting:
Kristina Günak versteht die Umgebung knackig aber prägnant zu umschreiben. Sie hält sich nicht mit ausladenden Beschreibungen auf und setzt den Fokus vielmehr auf die Gefühls- und Gedankenwelt. Da wir uns auch in Deutschland befinden ist es für den Leser leicht, sich die Szenerien vorzustellen. Es passt auch gut zusammen: die Welt rund um Bücher, der Alltag in einem ums Überleben kämpfenden Verlag, der dystopische Schreiberling Tim und die selbstbeherrschte Bea. Eine gute Mischung, nicht zu viele Nebenschauplätze aber geschickte Nebenhandlungen.

Sprache/Schreibstil:
Das Buch lässt sich wunderbar locker und leicht lesen. Die Sprache ist absolut flüssig und herrlich spritzig und frech. Die Geschichte wird uns ausschließlich in der Ich-Perspektive von Bea präsentiert und gibt uns einen tiefen Einblick in ihre Gedanken und Gefühle. Witzige und ironische Sprüche wechseln sich ab mit immer wieder recht reflektierenden Gedankenblitzen.

„Sein Blick wird stechender, und ich halte mich unauffällig mit einer Hand an der Tischkante fest. Diana weiß, wo ich bin, Wenn ich nicht zurückkomme, wird irgendwann sicherlich jemand nach mir suchen. Spätestens wenn die Besprechungskekse alle sind, wird ihnen auffallen, dass der böse Autor mich erlegt hat.“


S. 53 (Kristina Günak: „Wer weiß schon, wie man Liebe schreibt“, Taschenbuch © 2017 LYX by Bastei Lübbe AG, Köln)

Emotionen/Protagonisten:
Bea hat es in ihrer Kindheit nicht leicht gehabt. Es wird schnell klar, dass sie ein Pflegekind war und durch Glück an ihre Pflegeeltern gekommen ist, die sie aus dem „Ursumpf“ gezogen haben. Ihre bittere Erfahrungen von ihren leiblichen Eltern verbirgt sie hinter einer steinernen Maske aus Kontrollzwang und strengen To-Do-Listen. Ihr Schicksal ist ihr großes Geheimnis. Zusätzlich hat sie das enorme Problem, dass sie niemals „nein" sagen kann, und so an den Rand ihrer Kräfte gelangt.
Sie ist ihrer Pflegefamilie extrem zu Dank verpflichtet und hat ihren Geschwistern gegenüber ein sehr weiches Herz. Trotzdem kann sie ganz schön gepfefferte Sprüche loslassen und steht Tim in Sachen Ironie kaum nach. Aber, sie ist auch unheimlich reflektiert, denkt viel über die Geschehnisse nach und beginnt sich aus ihrer Kontroll-Isolation zu befreien.

Tim ist zunächst der undurchschaubare Typ à la Bad-Boy. Tätowiert, schwarze Klamotten und ein absoluter Stinkstiefel. So wie man sich auch einen typischen Schriftsteller vorstellt, der nur dystopische Handlungen im Kopf hat. Und dazu ist er auch noch der begehrteste und heißeste Junggeselle auf dem Planeten. Aber sein Buch ist ganz klar die Verarbeitung seiner Vergangenheit, mit der er Bea gegenüber immer offener umgeht. Er ist oft unbeherrscht und aufbrausend, damit macht er Bea zusätzlich des öfteren auch Angst. Diese Angst spürt er, und beginnt zu verstehen, dass etwas mit Bea nicht stimmt.

Aber Tim kann hinter Beas Fassade gucken und hält ihr auch ziemlich oft den Spiegel vor:

„Tim Bergmann berührt mein Herz. Auf eine sonderbare, nicht fassbare Art und Weise. Dabei tut er gar nichts, um seine Gunst auch nur im Ansatz zu verdienen.“


S. 102 (Kristina Günak: „Wer weiß schon, wie man Liebe schreibt“, Taschenbuch © 2017 LYX by Bastei Lübbe AG, Köln)

Durch die vielen inneren Dialoge, ihre Gedanken und Reflektionen konnte ich mit Bea unheimlich gut mitfühlen. Sie ist für mich absolut authentisch. Ihre Handlungen kann man zwar manchmal als etwas übertrieben sehen, aber sind dennoch nachvollziehbar. Und auch Tim ist für mich kein typischer Buchheld. Er ist oft ein Kotzbrocken, lebt in seiner eigenen Welt, und trotzdem blitzen immer wieder sanftmütige Momente durch, die einem das Herz zum Prickeln bringen.

Meine Meinung:
Es ist toll mit zu erleben, wie reflektiert Bea Tims Verhalten aufnimmt. Anfangs noch sehr verunsichert erkennt sie die Gleichheit zwischen ihnen. Beide, Tim und Bea, vollziehen während der Geschichte eine wunderbare Wandlung, die ich ganz wichtig finde. So baut sich das Buch auch wirklich gut auf und nimmt uns immer weiter in das Gefühlschaos der beiden. Wir selber lernen immer mehr die Protagonisten zu verstehen, so wie sie sich selber auch.

Der trockene Humor hat mir sehr gut gefallen. Es ist nicht nur ein Klamauk oder ein triefend rührendes Buch. Nein, ironisch komische Situationen und gefühlvolle Momente geben sich wirklich gekonnt die Hand. Ganz großartig geschrieben und wirklich sehr erheiternd!

Vor allem möchte ich die Messages, die Kristina Günak uns mit diesem Roman mitgibt, hervorheben. Eine wahre und ehrliche Beziehung beruht auf Vertrauen und Wahrheit. Es geht darum, den wahren Kern des Menschen zu erkennen und ihn so anzunehmen, egal welche Vergangenheit er durchlebt hat. Die wahre Liebe ist Sicherheit geben aber auch Hilfe einfordern. Und für sich selber auch Grenzen setzen und die Grenzen des anderen zu akzeptieren.

Eine tolle Idee einer Liebesgeschichte, die erst durch die gemeinsame Reise der Beiden in sehr emotionalen Szenen zu entstehen beginnt. Ab dem letzten Drittel des Buches hat es mich dann noch mal sehr bewegt und mitgenommen, es war ein stetiger Wechsel zwischen Weinen und Lachen.

Fazit:
Ich hatte rundum ein tolles Leseerlebnis und habe mich mit diesem Buch auf niveauvolle Art und Weise unterhalten gefühlt. Von mir gibt es dazu eine klare Leseempfehlung

  • Einzelne Kategorien
  • Charaktere
  • Handlung
  • Humor
  • Gefühl
  • Cover
Veröffentlicht am 06.05.2017

tzzzzz… Anfangs lustig, aber stereotypisch und Spaß schnell verpufft

Man lernt nie aus, Frau Freitag!
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Von Frau Freitag kannte ich bisher noch kein Buch, deswegen bin ich ziemlich unvoreingenommen an dieses Büchlein rangegangen.

Die Handlung:
In ihrem Sabbatical-Jahr möchte Frau Freitag mit ihren über ...

Von Frau Freitag kannte ich bisher noch kein Buch, deswegen bin ich ziemlich unvoreingenommen an dieses Büchlein rangegangen.

Die Handlung:
In ihrem Sabbatical-Jahr möchte Frau Freitag mit ihren über 40 Jahren endlich ihren Führerschein machen. Dazu muss die Lehrerin einer Mittelschule die Seiten wechseln und wird nun selber wieder zur Schülerin. Doch dabei sieht sie sich den typischen Vorurteilen in der Männerdomäne gegenüber und muss sich entgegen den Erwartungen ihrer Fahrlehrer besonders behaupten.

Buchlayout / Haptik
Das kleine Taschenbüchlein mit seinen nicht ganz 200 Seiten kommt ganz schlank daher. Der Schriftsatz ist eng, jedes Kapitel ist mit der Wochenzahl betitelt und dem Geld, den Frau Freitag bis dahin ausgegeben hat. Das finde ich eine witzige Idee.

Idee / Plot
Die Idee, als über 40 Jährige noch den Führerschein zu machen und sich als Lehrerin nun selber die Seiten zu wechseln und Schüler eines Fahrlehrers zu werden, fand ich ganz nett und lustig. Jeder sollte nach einer gewissen Zeit in seinem Beruf die Perspektive wechseln und damit vielleicht mal über seinen Tellerrand schauen.

Handlungsaufbau / Spannungsbogen
Zunächst geht es natürlich schon sehr witzig los, und wir begleiten Frau Freitag nach ihrer Anmeldung in der Fahrschule erst mal in den Erste Hilfe Kurs. Auch die anschließenden Fahrstunden mit ihrem ersten Fahrlehrer sind ulkig und erinnern mich sehr an meine eigene Zeit, als ich den Führerschein gemacht habe. Aber nach der ersten verpatzten Prüfung, und nachdem Frau Freitag nun schon zwei mal den Lehrer gewechselt hat, plätschert die Handlung nur noch so im gleichen Geplapper dahin. Das Ende, die Suche nach dem perfekten Auto interessiert mich dann auch schon irgendwie nicht mehr.

Szenerie / Setting
Frau Freitag erzählt nach ihrer Schnauze, und so werden die Personen und Fahrschulen ziemlich authentisch rüber gebracht. Auch wenn bei mir der Führerschein schon eine Weile her ist, ich habe plötzlich wieder alles exakt vor Augen. Und das Grauen, die theoretischen Stunden in dem muffigen Raum, oh Gott!

Emotionen / Protagonisten
Ich kann aber Frau Freitag nicht ganz so gut nachvollziehen. Sie ist ständig darauf erpicht sich ein Lob ihrer Fahrlehrer einzuholen, dass sie schon richtig besessen davon ist. Das hat mich dann im Laufe des Buches etwas gestört.

Sprache / Schreibstil
Wehe wenn Frau Freitag losgelassen, dann schimpft sie wie ein Rohrspatz. Amüsant beschrieben, mit ehrlicher und authentischer Sprache. Ohne große Raffinesse oder komplizierten Wortgeflechten. Es sind eher kurze Sätze, Gedankenblitze, mit denen die Situationen beschrieben wird. Das kann dann auch mal ganz schön deftig werden. Aber es passt gut zu der ganzen Geschichte und liest sich schnell und flüssig.

Meine Meinung:
Ihr merkt es bestimmt schon am meiner zurückhaltenden Beschreibung der einzelnen Kriterien. Es geht wirklich gut los, habe auch oft viel schmunzeln müssen und empfand es zunächst als erfrischen authentisch und lustig. Aber das geht mit der Zeit einem auch auf die Nerven, bzw. wird schon viel Humor am Anfang verpulvert und der Rest plätschert dann auch so in gleicher Manier vor sich hin und vieles wiederholt sich dann auch.

Ich weiß nicht, ob Frau Freitag hier reale Personen beschreibt oder doch einiges aus ihrer Phantasie hinzudichtet. Aber ihre Fahrlehrer Harald und Dieter erscheinen mir doch sehr stereotypisch. Woran Frau Freitag sehr zu knabbern hat, und das glaube ich ihr auch, dass sie aufgrund ihres Alters schon gleich in die entsprechende Schublade „Alte Frauen lernen das fahren nie“ zu kämpfen hat. Neben den Klischeedenken ihrer Fahrlehrer, merkt Frau Freitag auch wie wichtig das richtige Feingefühl für die Balance zwischen motivierendem Lob und dekonstruktiver Kritik ist - und wie hauchdünn. Schön, ist, dass sie dies reflektiert und auch erkennt, dass sie eigentlich genauso zu ihren Schülern ist:

"Ich sage doch viel öfter, was die Schüler machen sollen und was sie unterlassen sollen. Das ist nicht nur kein Loben, das ist vielleicht sogar das Gegenteil von Lob. Am Ende bin ich Harald und Dieter ähnlicher, als ich dachte. Vielleicht regen sie mich deshalb so auf."
Frau Freitag „Man lernt nie aus, Frau Freitag!" S. 92 (Taschenbuch, © 2017 Ullstein Buchverlage GmbH)

Fazit:
Guter und humorvoller Start, der mich aber über das gesamte Buch nicht weiter mitreissen konnte. Gut für Zwischendurch ohne hohe literarische Ansprüche. Ein weiteres Frau Freitag Buch werde ich mir aber nicht mehr antun.

(2,4)