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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.06.2017

Eine Romanze wie lauwarmer Kaffee

Hinter dem Café das Meer
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Auch mein Lebenstraum ist es, eines Tages ein eigenes Café zu besitzen. Der Hintergrund der rauen Natur in Cornwall spricht mich ebenfalls an und so habe ich mich sehr auf dieses Buch gefreut. Ich war ...

Auch mein Lebenstraum ist es, eines Tages ein eigenes Café zu besitzen. Der Hintergrund der rauen Natur in Cornwall spricht mich ebenfalls an und so habe ich mich sehr auf dieses Buch gefreut. Ich war sogar bereit, mich auf die Ich-Perspektive einzulassen, da zuletzt einige Bücher in dem Stil mich überzeugen konnten.

Leider war das hier nicht der Fall. Nicht nur, dass wir eine Ich-Perspektive haben, das Buch ist auch im Präsens geschrieben und ganz offenbar war die Autorin nicht in der Lage, mit diesem Stil eine fesselnde Geschichte zu erzählen, denn wir haben eine Aneinanderreihung von "Und dann tue ich das" und "Und dann tue ich das". Das wurde sehr schnell sehr langweilig und später hat es angefangen, mich wütend zu machen.

Die Geschichte und ihre Charaktere werden uns abwechselnd aus der Perspektive von Demi und Cal geschildert. Die Ich-Perspektive bietet viel Raum, die Protagonisten nachdenken und ihre Umwelt analysieren zu lassen. Hier jedoch bleiben diese Betrachtungen auf oberflächlichen Äußerlichkeiten beschränkt, erstaunlicherweise sogar dann, wenn diese Personen über sich selbst nachdenken. Das Ergebnis ist, dass wenige Figuren einen distinkten Charakter erhalten und jene, die herausragend, stereotype Abziehbilder von echten Menschen sind. Insbesondere die böse Antagonistin ist so extrem einem Klischee entsprungen, dass ich sie nie ernst nehmen konnte.

Cal hängt in Gedanken immer Isla hinterher und das ist tatsächlich gut beschrieben. Eine Jugendliebe, die für alles steht, was er mit der Heimat verbindet und was er liebt. Dass er sich nicht von ihr lösen kann, liegt nicht nur an seiner Liebe, sondern auch an der menschlichen Neigung, an Vergangenheiten festhalten zu wollen. Demi wiederum findet Cal von Anfang an attraktiv, was völlig in Ordnung ist. Sie ist mit 21 Jahren auch noch ziemlich jung, da erliegt man durchaus den Äußerlichkeiten. Aber selbst mit 21 Jahren ist man alt genug, um sich nicht nur aufgrund des Aussehens zu verlieben. Doch genau das tut sie. Warum? Niemand weiß es, sie stellt das einfach irgendwann in Gedanken fest, nachdem sie öfter über sein gutes Aussehen nachgedacht hat und auf Isla eifersüchtig reagiert. Doch was genau ihr an Cal gefällt? Warum sie ihn als Person mag? Niemand weiß es.

Generell entspricht Demi dem Trope der enthusiastischen, optimistischen Heldin, die mit ihrer Naivität und Gutmütigkeit die Menschen um sich herum von sich begeistern kann. Wenn sie eine emotionale Rede hält, hört man ihr zu und böse Menschen werden gut. Das lese ich in Liebesromane sehr oft, aber es wird weder realistischer noch origineller. Die Szene jedenfalls hat meinen positiven Gefühlen für dieses Buch endgültig den Rest gegeben. Schon zwischendurch gab es diverse Szenen, die übertrieben dramatisch und an den Haaren herbeigezogen wirkten, einige Dialoge machten gar keinen Sinn und manchmal war der Schreibstil so konfus, dass man nicht wirklich wusste, was genau gerade geschieht. Aber dass das Buch zum Ende hin wirklich noch mal schlechter werden konnte, ist fast schon eine Leistung.

 

Fazit:

Der Liebesroman "Hinter dem Café das Meer" von Phillipa Ashley konnte mich leider weder mit der Geschichte noch mit dem Schreibstil überzeugen. Die Figuren bleiben flach, viele Handlungen und Plot-Twists wirken an den Haaren herbeigezogen und unrealistisch sogar im Kontext einer Romanze. Einzig positiv ist, dass ich zumindest an Cals Entwicklung genug interessiert war, um immer weiterlesen zu wollen.

Veröffentlicht am 16.06.2017

Ein New Adult Roman, der hält, was er verspricht

Dirty, Sexy, Love
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Mit "Dirty, Sexy, Love" liefert Kylie Scott genau das, was ich von einem New Adult Roman erwarte: eine heiße Liebesgeschichte und jede Menge Drama. Bücher in diesem Genre laufen häufig nach demselben Rezept ...

Mit "Dirty, Sexy, Love" liefert Kylie Scott genau das, was ich von einem New Adult Roman erwarte: eine heiße Liebesgeschichte und jede Menge Drama. Bücher in diesem Genre laufen häufig nach demselben Rezept ab, und so ist es die Ausführung, die stimmen muss, um mich zu fesseln. In diesem Fall war die Ausführung überdurchschnittlich gut.

Mit Alex haben wir eine junge Frau, die zwar bereits auf eigenen Beinen steht, aber noch immer von Unsicherheiten und Ängsten geplagt ist. Sie scheut andere Menschen und verschließt sich lieber, als zu riskieren, verletzt zu werden. Dass sie sich überhaupt auf den Weg zum Mann ihrer Träume macht, ist vor allem ihrer Freundin Val geschuldet. Doch natürlich endet das erste Treffen mit dem Mann aus dem Internet nicht so, wie sie es sich gedacht hat. Er stellt sich als jemand anderer heraus und ist äußerlich eigentlich gar nicht ihr Typ. Die Tatsache, dass sie endlich all ihren Mut zusammen genommen hat, vollkommen entgegen ihrer sicheren Routine, und dann vor einem Haufen fremder Menschen bloßgestellt wird, sorgt dafür, dass sie Joe vom ersten Augenblick an hasst. All ihre Unsicherheiten, all ihre Ängste werden durch ihn bestätigt.

Doch obwohl Joe - zumindest angeblich - kein romantisches oder sexuelles Interesse an Alex hat, lässt er nicht locker. Er ist ein guter Kerl, das ganze Gegenteil von ihr. Er ist immer für andere Menschen da, hat viele Freunde und würde niemals Nein zu irgendjemandem sagen. Doch auf seine Weise ist er ebenso verschlossen wie sie. Denn obwohl er allen anderen hilft, lässt er sich selbst nicht helfen. Nach außen hin ist er selbstbewusst, stark und offen, aber in Wirklichkeit ist auch er verletzlich und unsicher.
Es ist spannend zu sehen, wie diese beiden Personen sich zusammenraufen und als Freunde beschließen, den anderen an seine Grenzen zu bringen. Sie erkennen sofort, dass die Neigungen des jeweils anderen auf Dauer nicht gesund sein können, und wollen helfen, zumindest ein Stück weit eine Änderung herbeizuführen. Alex und Joe funktionieren in jeder Szene zusammen. Dass ich persönlich auf große, stämmige Baumfäller mit langen Haaren und Bart stehe, hilft mir als Leserin natürlich noch.

Einige der anderen Figuren bleiben nur die Tropes, die sie eben erfüllen müssen - der schleimige Playboy, die eifersüchtige Ex, die beste Freundin - doch das ist in diesem Fall tatsächlich irrelevant. Bei einem Liebesroman ist es für mich wichtig, dass sich der Plot aus den Charakteren und ihren Entwicklungen heraus ergibt, nicht umgekehrt, dass die Charaktere stets dem Plot gehorchen. Und mit der Zusammenstellung der Figuren in diesem Roman ist genau das gegeben. Natürlich gibt es auch hier ein dramatisches Ereignis, das bestimmte Entwicklungen vorerst stoppt und alles aussichtslos erscheinen lässt. Doch auch das gehört zu dem bewährten Rezept eines New Adult Romans dazu und ist hier gut ausgeführt, zumal der Twist nur dazu dienst, bestimmte Charaktereigenschaften von Joe hervorzuheben und eine Weiterentwicklung des Charakters zu ermöglich.

Die Entwicklung nach dem Twist ist stets ein Tanz auf Messers Schneide: Manche Autoren rutschen dann plötzlich in gefühlsüberladene, an den Haaren herbeigezogene Szenen ab. Und obwohl auch hier der Leser perplex da steht und sich denkt "Was ist denn nur sein Problem?", ergibt es Sinn. Das Handeln der Figuren bleibt nachvollziehbar. Insbesondere Alex wird mir in diesen Momenten sehr sympathisch: Sie will sich nicht unterkriegen lassen, sie will um alles in der Welt daran arbeiten, nicht wieder in ihr Schneckenhaus zurückzukriechen, sie bleibt dran - aber am Ende fehlt die Energie. Für einen Menschen, der schlechte Erfahrungen in der Jugend gemacht hat und nichts mehr fürchtet als Zurückweisung, ist das, was Alex im letzten Drittel des Buches leistet, beinahe übermenschlich. Dass sie am Ende doch einbricht und wegläuft, ist verständlich. Irgendwann sind die Energiereserven, die den Kampf ermöglichen, aufgebraucht, wenn der Partner sie nicht regelmäßig auffüllt.

Die Sex-Szenen in diesem Buch sind gut eingepasst, sie ergeben sich aus dem Verlauf der Geschichte und tragen tatsächlich zur Charakterentwicklung bei - das ist auch nicht selbstverständlich. Leider empfand ich sie persönlich nicht als heiß und mitreißend, aber das ist tatsächlich extreme Geschmackssache, weswegen ich es dem Buch nicht wirklich negativ anrechnen kann.


Fazit:

Der New Adult Roman "Dirty, Sexy, Love" von Kylie Scott liefert genau das, was man von ihm erwartet, aber auch nicht mehr. Die beiden Protagonisten sind in einer dramatischen, mitreißenden Liebesgeschichte verwickelt, die umstehenden Figuren bleiben oberflächlich und entsprechen ihren Klischees. Die Tiefe, welche die Autorin ihren beiden Helden gibt, macht jedoch jegliche Oberflächlichkeit der anderen wett, denn insbesondere Alex ist so authentisch und von realistischen Ängsten und Unsicherheiten geplagt, dass man als Leser einfach mitfiebern muss. Es ist ein klassischer Genre-Roman mit angemessenen Sex-Szenen, bei dem es nicht ganz gereicht hat, außergewöhnlich zu sein. Trotzdem konnte ich ihn nicht aus der Hand legen und wurde besser des Nachts wach gehalten, als es so mancher Kaffee vermag.

Veröffentlicht am 15.06.2017

Ein Spiegel für uns alle

Marylin
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„Marylin“ ist im Jahr 1928 als Fortsetzungsroman in der „Neuen Freien Presse“ erschienen und liegt jetzt erstmals als Buch vor. Es ist gut, dass der Verlag „Edition Atelier“ diese Perle entdeckt und der ...

„Marylin“ ist im Jahr 1928 als Fortsetzungsroman in der „Neuen Freien Presse“ erschienen und liegt jetzt erstmals als Buch vor. Es ist gut, dass der Verlag „Edition Atelier“ diese Perle entdeckt und der Allgemeinheit zugänglich gemacht hat, denn es ist ein wundervolles Stück Geschichte.

Was dieses Buch so herausragend macht, ist für mich vor allem der Schreibstil. Schon zu Beginn werden uns Beobachtungen geschildert in einer simplen, naiven Art, die an ein Kind erinnert, das vollkommen unreflektiert seine Umwelt wahrnimmt. Gleichzeitig bemerkt man als Leser jedoch beim Fortschreiten der Handlung, dass gewisse eingestreute Wörter wie „selbstverständlich“ und „natürlich“ zeigen, dass der Autor eine große Distanz zu dem hat, was er beobachtend beschreibt. So selbstverständlich er also Handlungen und Normen der Zeit dem Leser auch präsentiert, so deutlich wird doch, dass ein negatives Werturteil darüber gefällt wird. Durch die klare, schlichte Sprache, die ganz selten nur auf Emotionen schließen lässt, wirkt das Werturteil nur umso stärker.

Natürlich wissen wir heutzutage, dass Rassismus schlecht ist. Und natürlich ist uns bewusst, dass das Amerika in seinen „goldenen zwanziger Jahren“ ein sehr, sehr großes Problem mit Rassismus hatte. Doch gerade durch die Sprache des Romans wird deutlich, dass Amerika sich seines Problems gar nicht bewusst ist. Man ist eben rassistisch. Jeder ist es. Menschen dunkler Hautfarbe sind „Zeug“, welches als Liftboy dienen kann oder als Boxer oder Sänger der Unterhaltung dient. Eine Freundschaft mit ihnen zu führen, ist ein sehr liberaler Zug, wie Philip, unser Protagonist, stolz feststellt, aber damit hausieren geht er dennoch nicht. Man ist lieber angepasst und macht mit beim Weg nach oben, beim sozialen Aufstieg, beim Gefühl, dass wir alles schaffen können, wenn wir nur wollen.

Und zunächst schafft Philip alles, was er will: Er will Marylin für sich gewinnen, das gelingt. Er will eine gut bezahlte Anstellung, das gelingt. Er will Marylin heiraten – auch das gelingt, wenn auch nur nach Mühen. Doch die Fassade des liberalen Mannes, dem gelingt, was immer er anfasst, bröckelt schon früh. Lange will Marylin nicht mir ihm zusammen ziehen, geschweige denn ihn heiraten. Dass sie einige Zeit ebenso viel verdient wie er, bereitet ihm Bauchschmerzen. Als ihr eine leitende Position angeboten wird, in der sie mehr verdienen würde als er, bricht er beinahe weinend zusammen. Und dann kommt der große Tag, an dem für ihn tatsächlich alles zusammenbricht.

An jenem Tag zeigen auch seine Freunde, wer sie wirklich sind. Der Rassismus ist so stark verwurzelt, dass die Freunde nicht einmal merken, dass ihre Gedanken und Aussagen von Rassismus geleitet werden. Sie sind so erfüllt von Hass und Abscheu, dass sie ohne zu zögern das Schlechteste von einem vormals geliebten Menschen denken. Und der liberale Philip ist zu schwach, um diesen Einflüsterungen zu widerstehen. Auch wenn er sich am Ende stärker und mutiger zeigt, als man es ihm zuvor zugetraut hat, bleibt er doch über lange Strecken schwach.

Und das ist auch das eine, einzige Problem, welches ich mit diesem Roman habe: Philip will Marylin, aber warum will sie ihn? Auch wenn wir manchmal in ihre Perspektive schlüpfen, so verstehe ich doch nie, was sie in ihm sieht. Er ist sturköpfig und trotzdem schwach, er gibt sich liberal, aber ist nicht mutig genug, das auch öffentlich zu tun. Er ist das perfekte Produkt der Zeit: Immer nach vorne, immer weiter, nie zurückblicken, keinen Gedanken verschwenden an Konflikte. Er kann bedenkenlos umziehen, ist nirgends gebunden, solange es nur immer weiter und weiter geht in seinem Leben, auswärts. Sein Ehrgeiz stammt daher nicht einmal aus dem Wunsch, reich zu werden. Nein, es ist das Ziel, mehr zu verdienen als die Ehefrau, um als Versorger der Familie gelten zu können. Eine Ansicht, die in dieser Zeit eigentlich schon überholt war und erst nach den beiden großen Kriegen zurückkehrte. Er ist liberal und stolz darauf, aber im Herzen ist er zugleich sehr konservativ. Was also sieht eine Frau wie Marylin in ihm? Wieso lässt sie sich mit ihrem Hintergrund auf ihn ein?

Trotz dieser Kritik ist das Buch sehr gut – und sehr wichtig. Auch wenn der offensichtliche Rassismus der Zeit überwunden ist, so hält uns das Buch doch auch heute noch einen Spiegel vor. Wie liberal sind wir wirklich, wenn wir gezwungen wären, für diese Werte einzustehen? Wie oft nehmen wir Dinge als selbstverständlich hin, die eigentlich grausam sind? Das Buch ist so nüchtern und sachlich geschrieben und genau deswegen gelingt es dem Autor, den Finger direkt in die Wunde zu legen.


FAZIT:

Mit „Marylin“ ist es Arthur Rundt gelungen, ein offensichtliches Problem in eine Sprache zu verpacken, durch welche es normalisiert und emotionslos wird. Genau dadurch aber schauen wir überhaupt erst hin, genau dadurch, dass uns ein Spiegel vorgehalten wird, dass uns gezeigt wird, wie gerne wir offensichtliche Probleme ignorieren, weil sie offensichtlich sind, bekommt der Roman ein scharfes Schwert. Das Buch verlangt Aufmerksamkeit und meine hat es mühelos erhalten. Es ist anspruchsvoll zu lesen und gewiss keine Unterhaltungslektüre, doch wenn man sich darauf einlässt, ist es aufweckender als jeder Kaffee. Über einige inhaltliche Mängel kann man da leicht hinwegsehen.

Veröffentlicht am 13.06.2017

Die coolsten Würfel der Welt

Der Nekromant - Totennacht
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Es ist schon eine Weile her, dass ich Fantasy gelesen habe, und dieses Buch ist für mich das erste aus dem Sub-Genre Urban Fantasy. Es hat die Messlatte für alle weiteren Bücher dieses Genres definitiv ...

Es ist schon eine Weile her, dass ich Fantasy gelesen habe, und dieses Buch ist für mich das erste aus dem Sub-Genre Urban Fantasy. Es hat die Messlatte für alle weiteren Bücher dieses Genres definitiv hoch gehängt, denn ich habe mich sehr gut unterhalten gefühlt. Auch die Übersetzung ist gelungen, zu keinem Zeitpunkt stolpert man über ungewöhnliche Sätze oder ungelenke Formulierungen.

Wie so viele Bücher unserer heutigen Zeit ist auch dieses in der Ich-Perspektive geschrieben, doch im Gegensatz zu vielen anderen Autoren gelingt es Forbes, den Leser mit diesem Stil vom ersten Moment an zu fesseln. Wir sehen die Welt durch die Augen von Conor Night, und wir erleben von Anfang an mit, dass Conor ein zynischer, aber nicht vollkommen des Lebens müder Mensch ist. Er will seine Familie ernähren, auch wenn er nicht bei ihr sein kann, und dafür nimmt er den furchtbaren Zustand seines Körpers gerne in Kauf. An Conors Seite steht Danelle, die wie er als Söldnerin für Geld so ziemlich alles tut. Sie ist der kluge Kopf des Duos, sie hat ihm alles beigebracht. Wir erleben sie nur aus der Sicht von Conor und so sind einige Details, die wir später erfahren, durchaus überraschend.

Die Welt, in der die beiden leben, ist finster. Obwohl es nur wenige Jahrzehnte in der Zukunft spielt, muss man sich doch immer wieder in Erinnerung rufen, dass alles auf der Erde ist wie gehabt - mal abgesehen von den mutierten Menschen und der Magie. Die Regierungen und Nationalstaaten bestehen fort, es gibt Internet und Fernsehen und Autobahnen und Flughäfen. Zwischen all dem Zauber, der veranstaltet wird, und all den Gestalten aus Sagen und Legenden wirken so kleine, beinahe nachlässig eingestreute Hinweise auf Normalität skurril. Und genau das ist die Stärke dieses Buches: Die Art, wie alles, was sich seit der "Umkehrung" geändert hat, beschrieben wird, ist so authentisch und plastisch, dass der Leser gar nicht auf die Idee kommt, es in Frage zu stellen. Das Andere ist normal und akzeptiert, das Normale wirkt fremd und lässt einen aufhorchen.

Der Fantasy-Roman streift auch immer wieder Fragen von Rassismus und der Gestaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens im Angesicht neuer Bedrohungen. Den Rassismus erleben wir regelmäßig und sehr ausdrucksstark in der Figur von Amos, der mir aber trotzdem am Ende ans Herz gewachsen ist. Es ist interessant zu sehen, wie die Regierungen (oder zumindest jene der Vereinigten Staaten) ohne zu zögern bewachte Lager einrichten, um dort jene mutierte Menschen, die durch Aggression geprägt und kaum zu kontrollieren sind, so genannte Wilde, einzusperren. Es sagt viel über das gesellschaftliche Klima der Welt aus, dass das allgemein akzeptiert wird. Doch obwohl sich der Roman Mühe gibt, auch diese politischen Aspekte der "Umkehrung" zu beschreiben, liegt seine Stärke woanders.

Was mich vom ersten Moment an die Geschichte gefesselt hat, waren die Würfel. Vielleicht liegt es daran, dass ich Rollenspielerin mit Leib und Seele bin, aber die Magie der Würfel ist faszinierend. Sie haben ein Eigenleben und sie müssen überredet werden, um zu wirken. Ihre Magie ist vielschichtig, tödlich und brutal. Nekromantie ist in dieser von Magie durchwirkten Welt verachtet, weil sie weniger elegant ist als die auf bspw. dem Wasserelement basierende Magie, aber wen kümmert elegant? Nekromantie ist cool. Und Conor ist cool. Er ist der Typ, der eine Explosion verursacht, aber nicht abwartet, um sie anzuschauen, sondern einfach davongeht, wohl wissend, dass sein Werk getan ist. Er kennt die Würfel und er weiß ohne hinzuschauen, was sie gewürfelt haben, wenn er die Effekte sieht. Als er später ein mächtigeres Artefakt erhält, dass ebenfalls einen hohen Preis für den Einsatz fordert, zögert er nur kurz. Er ist abgebrüht genug, um sich wenig um sein eigenes Leben zu kümmern.

Nur manchmal wackelt der Plot und zwar immer dann, wenn der Autor aus den Stärken der Ich-Perspektive ausbricht und uns eine ex-machina Entwicklung präsentiert, die nicht funktionieren kann. Manchmal tut Conor Dinge oder weiß Dinge, die aus dem Nichts kommen und wo es unlogisch ist, dass der Leser nicht eingeweiht war. Da gibt es bspw. eine Kampfszene, in der wir Conor bei der Planung beobachten, seine Gedanken zu allem mitbekommen - und plötzlich hat er einen Trumpf in der Hand, an den er die ganze Zeit während der Planung nicht gedacht hat. Die Szene gerät dadurch ins Wanken und verliert ihre Kraft, da die Präsentation leidet. Manche Dinge kann man mit der Ich-Perspektive einfach nicht tun, und solche Twists, die auf das Genie des Protagonisten zurückzuführen sind, gehören dazu.

Am Ende erhalten wir eine ordentliche, wenn auch unerwartete Aufklärung für die Geschehnisse des Romans, während zeitgleich klar ist, dass noch mehr folgen muss. Obwohl wir also keinen echten Cliffhanger haben, ist doch gekonnt Neugierde auf die Fortsetzung geweckt, was für den Mut und das Selbstbewusstsein des Autors spricht, nicht auf billige "abreißende Handlung" setzen zu müssen.



Fazit:

Der Roman "Der Nekromant - Totennacht" von M. R. Forbes ist ein gelungener Auftakt zu dieser Urban-Fantasy-Trilogie. Der Protagonist Conor Night ist ebenso cool wie liebenswert und die Welt, die ihn umgibt, ist meisterhaft aufgebaut. Der Autor schafft es auf herausragende Weise, bekannte Elemente des Fantasy auf neue Weise zusammenzumischen und so eine dunkle, spannende Welt zu kreieren, in der Nekromantie einfach das Coolste ist, was die Erde je gesehen hat.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Ein spannendes Gedanken-Experiment

Dark Universe - Der Aufbruch
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Achtung: Rezension enthält Spoiler!

Es ist lange her, dass ich Science Fiction gelesen habe. Ich bin mit Andreas Eschbach aufgewachsen, und seine Romane haben meinen Blick auf die wissenschaftliche Seite ...

Achtung: Rezension enthält Spoiler!

Es ist lange her, dass ich Science Fiction gelesen habe. Ich bin mit Andreas Eschbach aufgewachsen, und seine Romane haben meinen Blick auf die wissenschaftliche Seite des Universums geprägt. Mit "Dark Universe" bin ich in dieses Genre zurückgekehrt und obwohl das Buch über 50 Jahre alt ist, kann es auch heute noch faszinieren.

Von der ersten Seite an werden wir in die Welt der absoluten Dunkelheit geworfen, in der Jared lebt. Wir erfahren, dass die Menschen, welche sich Überlebende nennen (nunja, zumindest, nachdem sie einen Partner für die "Vereinigung" gefunden haben, nennen sie sich so), gelernt haben, ihre Umgebung durch Laute und Echo wahrzunehmen. Jared scheint darin begabter als die meisten anderen, er kann seine Umgebung erstaunlich detailreich wahrnehmen, solange es nur eine Laut-Quelle gibt. Er ist der Sohn des Anführers, doch ausgerechnet er tut sich schwer damit, den religiösen Leitfäden seiner Gesellschaft zu folgen. Das Licht wird als Gottheit angebetet, ohne dass jemand weiß, was das Licht ist, ebenso wie die Finsternis für das Böse steht, obwohl niemand weiß, was Finsternis ist. Einige wissenschaftliche Begriffe haben die Jahrhunderte überdauert - Strontium, Kobalt, Wasserstoff -, doch ihre eigentliche Bedeutung ging verloren, so dass sie jetzt nur noch als Dämonen bezeichnet und gefürchtet sind. Man spricht von einem Paradies, aus welchem die Menschen verbannt wurden, in welchem sie die Fähigkeit hatten, ganz ohne Laute über weite Entfernungen hinweg zu sehen.

Sehen. Ein Begriff, der den Überlebenden noch bekannt ist, aber der ebenfalls seine Bedeutung verloren hat. Niemand weiß, was sehen ist. Niemand weiß, wozu Augen da sind, weswegen die meisten sie ständig geschlossen halten. Dieses Konzept zieht sich konsequent durch den Text, auch das erzählende Wort spricht nie von sehen, sondern immer nur von hören. Am Anfang ist es absonderlich, bei Floskeln wie "Wir sehen später weiter" oder "Siehst du das dahinten?" das Wort auszutauschen und hören hinzuschreiben, doch es gestaltet die Welt und macht sie authentisch. Die gesamte Umgebung wird durch hören erschlossen.

Noch spannender wird dieses Konzept in jenem Moment, da wir auf Zivver stoßen, welche erst als andersartige Monster präsentiert werden, doch schnell lernen wir, dass auch sie lediglich Menschen sind, die jedoch keinen überragenden Gehörsinn entwickelt haben, sondern Infrarotsicht. Sie sind den Überlebenden überlegen, da sie immer "zivven", sie brauchen keine Laut-Quelle, um die Umgebung wahrnehmen zu können. Nur hohe Temperaturen sind ihr Feind, da dann die Wärmesicht versagt. Jared versucht verzweifelt herauszufinden, was zivven ist, doch da er das Konzept von Sehen nicht versteht, kann er nur erahnen, wie Zivver ihre Welt wahrnehmen.

Und noch verwirrter wird er, als die echten, bösartigen, überlegenen Monster auftauchen, welche eine Waffe bei sich tragen, die alle Sinne benebelt und teilweise Menschen in Ohnmacht fallen lässt. Dem Leser ist natürlich vom ersten Augenblick an klar, dass auch dies vermutlich nur Menschen sind, aber dass diese tatsächlich noch über Lichtquellen verfügen. Das "lautlose Geräusch", welches Jared wiederholt wahrnimmt, bereitet ihm und den anderen Überlebenden Schmerzen, und sie begreifen es nicht. Wie können sie etwas hören, das keinen Laut macht? Denn jede Sinneswahrnehmung, die ihnen ihre Umwelt enthüllt, ist für die Überlebenden hören. Und hören ist mit den Ohren und Geräuschen verbunden. Dass es die Augen sind, welche mit Hilfe von Licht die Umgebung wahrnehmen, versteht Jared erst viel, viel später.

So viel zum Konzept, kommen wir zur eigentlichen Geschichte: Jared will das Licht finden, er zweifelt an der Religion. Als die Monster auftauchen, beschuldigt sein Volk ihn, dass er das über sie gebracht hat, weil er gezweifelt hat. Es gibt eine längere Episode, in der Jared in Kontemplation versunken über das Licht und seinen Glauben nachdenkt. Ihn plagen Gewissensbisse. Das Problem daran ist: Der Leser kann nicht mitleiden. Die gesamte Religion wurde zu keinem Zeitpunkt so präsentiert, dass man ihr Bedeutung zumessen kann. Zumindest keine handlungsleitende Bedeutung. In Romanen, welche sich mit bspw. christlicher Religion beschäftigen, da kann man die Handlungsmotivation von bspw. Mönchen durchaus verstehen, auch wenn man selbst nicht gläubig ist. Hier jedoch wurde die Religion so konfus präsentiert und durch die Brille von Jared von Anfang an mit Zweifeln betrachtet, dass ich als Leser ihr einfach keinerlei Bedeutung für Jared beimessen konnte. Warum einige seiner Handlungen eine Zeit lang in diesem Glauben ihre Motivation fanden, bleibt leider unerklärlich, so spannend die Religion ansonsten auch ist.

Beeindruckt war ich auch vom Ende (erneuter Spoiler-Hinweis!): Jared war stets derjenige, der dachte, das Licht könnte eventuell etwas anderes als eine Gottheit sein, eventuell sogar etwas Physisches sein, doch als er durch Zufall die Außenwelt erreicht, ist er so von Panik erfüllt, dass er zurückkehrt und seine Mitmenschen, welche sich gerade gesammelt auf den Weg aus der Unterwelt hinaus machen, davor warnen will, die Außenwelt zu betreten. Plötzlich ist er derjenige, der am heftigsten dafür kämpft, dass der alte Glaube aufrecht erhalten wird und sich nichts ändert. So überraschend das im ersten Moment auch war, so einleuchtend war es doch, denn das Grauen, das Jared packt, als er die unendliche Weite der Außenwelt das erste Mal sieht und die Hitze der Sonne das erste mal spürt, ist eindringlich geschildert.

Leider gibt es zum Ende hin einige Mängel im Schreibstil, der bis dahin schön zu lesen war. Ich weiß nicht, ob es an der Übersetzung lag, doch bei einem längeren Gespräch die wörtliche Rede ausschließlich mit dem Namen der sprechenden Person und manchmal noch einem Adjektiv zu versehen, das gehört nicht in einen Roman. So schreibt man Theaterstücke. Das hat mich deutlich stolpern lassen. Abgesehen davon haben aber Autor und Übersetzer gute Arbeit geleistet.



Fazit:

Der Science-Fiction-Roman "Dark Universe - Der Aufbruch" ist ein spannendes Gedanken-Experiment, das vor dem Hintergrund des Horrors eines globalen Atomkrieges überlegt, wie Menschen ohne ihre Augen in der Welt zurecht kommen würden. Im Jahr 1962 hatte dieses Buch gewiss noch eine größere Schock-Kraft als heute, doch es bleibt spannend und interessant. Einzig der misslungene Aufbau des Religionssystems trübt die Freude ein wenig. "Dark Universe" erinnert streckenweise an "The Time Machine" von H. G. Wells und macht genau das, was Science Fiction (unter anderem) tun sollte: Zukunftsszenarien entwerfen und so fantasiereich wie möglich ausformulieren, wohin wissenschaftliche Errungenschaften uns führen und wie Menschen sich entwickeln könnten. Dieses Buch ist wie ein guter Kaffee: anregend und es hält wach!