Profilbild von Tine

Tine

Lesejury Star
online

Tine ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Tine über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.07.2021

Schöne Geschichte über Selbstfindung mit einigen Schwächen

A Different Blue
1

Die 19-jährige Blue wurde als Kleinkind von ihrer Mutter verlassen und hat als junges Mädchen ihren Ziehvater Jimmy verloren, was man im Laufe der Geschichte immer wieder in Rückblenden erfährt. Ihre Einsamkeit ...

Die 19-jährige Blue wurde als Kleinkind von ihrer Mutter verlassen und hat als junges Mädchen ihren Ziehvater Jimmy verloren, was man im Laufe der Geschichte immer wieder in Rückblenden erfährt. Ihre Einsamkeit und Unsicherheit überdeckt sie mit ihrem forschen und provozierenden Verhalten. Unter der harten, abweisenden Schale hat sie das Herz am rechten Fleck. Dann trifft sie auf ihren neuen Geschichtslehrer Darcy Wilson. Der 21-jährige Wilson ist ein Überflieger, engagierter Lehrer und Brite. Er ist seit langem wieder eine Person, die sich wirklich für Blue zu interessieren scheint. Ich mochte es sehr, wie sich die beiden Stück für Stück näher kamen und schon ihrer Schüler-Lehrer-Beziehung sehr herzlich war.

Ich mag es lieber, wenn sich die Liebesgeschichte langsam entwickelt und auf Gefühlen basiert, als dass anfangs nur die körperliche Anziehungskraft besteht. In „A different Blue“ ist es auch gemächlich vorwärts gegangen, fast schon zu sehr, während Blue und Wilson so viele kleine süße Momente miteinander hatten. Zum Beispiel Wilsons abendliches Cello-Spiel hat Blue sehr berührt. Und die Geschichte, die Blue im Unterricht über sich selbst schreiben musste, hat Wilson auch immer wieder zerknittert aus dem Papierkorb gefischt. Die Augenblicke zwischen den beiden sind oft sehr berührend und romantisch, aber ich musste auch oft schmunzeln, wenn Blue mal wieder trotzig ist und Wilson neckt. Die Beziehung der beiden entwickelt sich aber erst recht spät. Um eine verbotene Schüler-Lehrer-Beziehung handelt es sich hier nicht, wie es im Klappentext angedeutet wird.

Im Mittelteil ist etwas geschehen, das mich sehr überrascht und auch direkt zu Spannung geführt hat. Leider hat Amy Harmon dieses Thema für mich etwas zu wenig ausgebaut. Ich konnte Blue irgendwie diesbezüglich verstehen, hätte aber sehr gerne ihre Gedanken dazu und den Prozess bezüglich ihrer Entscheidungen erfahren. Trotzdem ist der Schreibstil der Autorin wirklich gut, weil ich Blues anderweitige Gedanken und Entwicklung gut nachvollziehen konnte und viele Begebenheiten sehr intensiv geschildert wurden. Während dieser Zeit musste Blue sich weiterentwickeln, was sehr schön mitzuerleben war. „A different Blue“ ist vielmehr eine Geschichte über Selbstfindung und Erwachsenwerden, als eine Liebesgeschichte.

„Wir alle haben das Gefühl, ausgeschlossen zu sein, nichts als Zuschauer zu sein. Wir alle fühlen uns in die Welt geworfen. Aber ich glaube, dass es unsere Selbstwahrnehmung ist, die uns zu einem Jemand macht.“, Wilson, S. 86

So sehr mir das Buch bisher gefallen hat, so sehr hat mich das letzte Drittel aufgeregt! Ein Charakter der Geschichte hat sich um 180° gedreht, von der Zuvorkommenheit und Herzlichkeit konnte man nichts mehr sehen und dessen Handeln hat mich richtig wütend gemacht. Vieles hat hier einfach nicht mehr zur sonst schönen Geschichte gepasst und ging in eine ganz andere Richtung. Das Ende hat mir insgesamt ganz gut gefallen, aber die Entwicklung dahin und einige Details haben einfach nicht mehr gepasst.


Fazit:
„A different Blue“, die Neuauflage von „Für immer Blue“, schildert sehr schön, wie Blue erwachsen wird und zu sich selbst findet. Die Liebesgeschichte mit Wilson entwickelt sich eher langsam und ist meist sehr berührend. Eine Geschichte, die mein Herz schmelzen ließ, mich aber zum Ende hin sehr wütend und enttäuscht zurückgelassen hat. Amy Harmon hat tolle Ideen und einen schönen Schreibstil, aber zum Ende hin verliert ihre Geschichte zunehmend von dem, was sie so besonders macht (wie bei „Infinity plus one“ meiner Meinung nach auch).

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Gefühl
Veröffentlicht am 15.06.2021

Herzensbuch!

Beyond the Sea
1

Estellas Vater ist vor zwei Jahren verstorben, weshalb sie nun mit ihrer Stiefmutter Vee, die Estella nicht ausstehen kann, und deren kranke pflegebedürftige Mutter zusammen lebt. Vee macht Estella immer ...

Estellas Vater ist vor zwei Jahren verstorben, weshalb sie nun mit ihrer Stiefmutter Vee, die Estella nicht ausstehen kann, und deren kranke pflegebedürftige Mutter zusammen lebt. Vee macht Estella immer nieder, kommandiert sie herum, gibt ihr kaum Taschengeld, von dem sie aber auch ihr Essen zahlen muss, und verlegt ihr Zimmer in eine kleine Kammer. Vee ist Alkoholikerin und wie sie Estella behandelt, indem sie sie immer beschimpft und angiftet, ist schon psychische Misshandlung. Estella hält nur durch, bis sie in wenigen Monaten zum Schulabschluss das Erbe ihres Vaters ausbezahlt bekommt und ein neues Leben beginnen kann. Nun kehrt plötzlich Vees kleinerer Bruder Noah heim und, abgesehen von ihrer besten Freundin, scheint hier jemand zu sein, der sich für Estella interessiert.

Ich bin Fan davon, wenn sich Liebesgeschichten langsam entwickeln. Estella antwortet auf Noahs Fragen von Anfang an erschreckend ehrlich. Sie weiß, dass sie ihm vielleicht nicht trauen kann, dass er loyal zu seiner Schwester ist und Vee ihr das Leben noch mehr zur Hölle macht, als eh schon. Aber da ist dieser junge Mann, der sich für ihre Probleme und Wünsche zu interessieren scheint, deshalb ist sie direkt und offen. Noah versucht Estella wirklich zu helfen, obwohl er anfangs auf mich sehr aggressiv und von Gewalt besessen scheint. Mit der Zeit lernte auch ich ihn lieben, wobei er sein dunkles Geheimnis immer noch versteckte, aber Estella und ich sind überzeugt, dass er ein gutes Herz hat. Ich liebe es, wie er Estella stets mit kleinen Gesten aufzumuntern versucht.

Das Buch wird überall mit den Worten „Wer Jane Eyre mag, wird dieses Buch lieben! Ich habe jede Sekunde davon genossen.“ der bekannten Autorin Samantha Young beworben. Dies war der ausschlaggebende Grund dafür, dass ich diese Geschichte lesen wollte und ich kann jetzt schon vorwegnehmen: Sie hat Recht! Ich liebe das Buch „Jane Eyre“ und war sehr gespannt, wie „Beyond the Sea“ ihm ähneln würde. Zunächst liest sich die Geschichte mit Estellas böser Stiefmutter eher wie ein Märchen, aber irgendwann werden die Parallelen immer klarer. Alleine das große düstere Haus hoch oben auf den Klippen der irischen See, trägt zum Gothic-Roman bei. Die düstere Stimmung im Haus und Estellas bedrückendes Gefühl darin erwecken den Anschein, dass es dort spuken könnte. Estellas Leben bietet ein paar Parallelen zu Jane Eyres, wie ihre gewünschte Flucht vor tyrannisierenden Verwandten, ihr Sammeln von Erfahrungen bezüglich Liebe und ihr starker Glaube, den Noah auf den Prüfstand stellt, da er selbst nicht mehr glauben kann. Es gibt weiterhin einige Elemente aus dem klassischen Roman, die eine Rolle in „Beyond the Sea“ spielen, aber die Geschichten selbst sind eigenständig.

Nach zwei Drittel des Romans, als sich einiges schon zusammenspitz und zum Ende hindeutet, meint Noah, dass er nicht gut genug für Estella sei, dass sie ihn nicht mehr haben wollen würde, wenn sie wüsste, wer er wirklich wäre. Ich mag dieses klischeehafte Verhalten von Bad Boys nicht. Zuerst kommen die Protagonisten sich immer näher und wenn sie sich beide schon viel zu sehr verliebt haben, kommt der männliche Part mit dieser Aussage an. Rückblickend kann ich verstehen, warum Noah das gesagt hat und was er damit meinte. Dabei ist Noah überhaupt nicht der typische Bad Boy, auch wenn er ganz am Anfang so scheint; er wird eher von anderen so gezeichnet und sieht sich deshalb auch so. Schlussendlich hat mir das Ende dann gefallen. Es hat sich so einiges geklärt und für Estella zum Besseren gewendet. Der Schluss hat mich sehr überwältigt und berührt. Die Geheimnisse, die aufgedeckt wurden, sind wirklich erschütternd und meine Augen haben sich mit Tränen gefüllt.


Fazit:
„Beyond the Sea“ ist eine unglaublich schöne Geschichte! Ich mag die langsame Entwicklung der Liebesgeschichte und die Parallelen zum Klassiker „Jane Eyre“. Estellas und Noahs Geschichte hat mich besonders am Schluss sehr erschüttert und berührt. Definitiv ein Herzensbuch!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.06.2021

Feminismus? Nein danke!

Die Pension der gebrochenen Herzen
1

Max und seine Jugendliebe können keine Kinder bekommen und stecken nun ihre ganze Leidenschaft in die alte Schule in Paris, die sie als Pension umbauen möchten, bis Louise ihm alles vor die Füße wirft ...

Max und seine Jugendliebe können keine Kinder bekommen und stecken nun ihre ganze Leidenschaft in die alte Schule in Paris, die sie als Pension umbauen möchten, bis Louise ihm alles vor die Füße wirft und geht. Kurz darauf wird Paul von seiner großen Liebe rausgeschmissen, weil er sie betrogen hat und zieht bei Max ein. Später folgen noch Simon, Fabrizio und Théo, die ebenfalls von ihren Frauen bzw. Freundinnen verlassen wurden und tief verletzt sind. Gemeinsam helfen sie Max bei der Renovierung, stoßen aber auch oft aufgrund ihrer unterschiedlichen Charaktere aneinander an. Einige von ihnen möchten die große Liebe zurückgewinnen, der Rest der fünf verlassenen Männer kann sich nur die Wunden lecken.
Ich habe hier eine humorvolle Geschichte über die fünf Männer erwartet, wie sie versuchen ihre gebrochenen Egos wieder aufzupolieren, ihre verlorene Beziehung und Verhalten analysieren und vielleicht sogar die jeweilige Frau zurückerobern wollen. Mit jeder Seite hatte ich aber das Gefühl, dass die Männer nur in ihrem Ego verletzt sind und sich wenig für die Fehler in der Beziehung oder die Wünsche der Frauen interessieren. Sie mögen Frauen, sind teilweise noch in die eigene verliebt, aber sehr passiv, wenn es darum geht die Beziehung zu kitten. Erst am Ende wird die vergangene Beziehung hinterfragt, die Erkenntnisse kommen aber aus dem Nichts. Im Buch gibt es keine Entwicklung bezüglich ihrer Liebesbeziehungen. Trotzdem ist es stets kurzweilig zu lesen, weil in der Pension einiges drunter und drüber geht, die Männer lustige Dinge zusammen erleben und die/der Leser/in Einblicke in die Vergangenheit der Männer, und damit auch ihren Beziehungen und den Trennungsgrund, erhält.

"Das Leben ist voller kleiner Risse. Ohne dass man es merkt, werden sie mit der Zeit immer tiefer.", S. 87

Der größte Kritikpunkt an dem Buch ist, dass die Fünf oft sehr frauenfeindlich und anti-feministisch denken. Sie sind gekränkt in ihrem Ego, in ihrer Männlichkeit. „Ich bin ein Mann. Ich bekomme einen Ständer, also bin ich. Ich denke, also lebe ich“ (Fabrizio, S. 72). Die Männer sind gekränkt, dass die Frauen nicht auf sie angewiesen sind und eigenständig ihr Leben weiterführen, zwar verletzt, aber ohne ihnen hinterherzutrauern. Blöderweise gibt es auch genug Sextoys, wodurch die Männer befürchten gänzlich überflüssig geworden zu sein. „Als Jungs haben sie alle bei jeder Gelegenheit masturbiert. Entdeckung, Erforschung, Verheißung: Heute fühlt es sich an wie eine Strafe, auf diese eine Variante reduziert zu werden“ (S. 77). Wenn wir schon beim Thema sind: Paul wird rausgeschmissen, weil er seine Frau immer und immer wieder betrügt. Versteht er aber nicht, da er jedes „Maschinchen“ nur einmal trifft, nicht einmal den Namen kennt und ja nur seine Frau über alles liebt – ist ja eigentlich gar kein Betrug, denkt Paul. Tja, sein patriarchalisches und sexistisches Verhalten hat sie aber verletzt. Fabrizio beispielsweise wurde rausgeschmissen, weil seine Freundin ihn erst heiraten möchte, wenn er mit einem Putzlappen umgehen kann. Statt es zu erlernen, macht er sich mit seinen neugewonnen Freunden darüber lustig, dass sie mit ihrem Feminismus übertreibt. Ich frage mich, was an dem gerechten Aufteilen der Haushaltspflichten heutzutage noch so erschreckend ist. Einige Textstellen und Ansichten in diesem Buch haben mir den Atem geraubt und wütend gemacht. Und die Geschichte hat auch noch eine Frau geschrieben…

Andererseits akzeptiert Max aber gleichgeschlechtliche Liebe und die Männer haben sich darüber unterhalten, dass Frauen „nicht mit einem Wasch-, Spül- oder Koch-Gen auf die Welt“ kommen und sie „es genauso unangenehm wie Männer“ (S. 136) fänden. Auch wenn die eigenen Frauen und Freundinnen sie tief verletzt haben, haben die Fünf der Allgemeinheit der Frauen nicht abgeschworen und mögen diese immer noch. Dies kommt in einem offenen Brief an alle Frauen zum Ausdruck, der mir überraschenderweise wirklich gut gefallen hat. Der beste Punkt an dieser Geschichte! Leider sind die frauenfeindlichen Aussagen nicht nur von einem Protagonisten, der lernen müsste anders zu denken oder sich damit abzufinden, dass einige Frauen fortschrittlicher werden und das Patriachat durchbrechen, wodurch sie einfach keine geeignete Partnerin für ihn wären. Das hätte mir allerdings mehr zugesagt, mit einer schönen Selbsterkenntnis am Ende.

Fazit:
„Die Pension der gebrochenen Herzen“ ist eine sehr kurzweilige und zuweilen auch unterhaltsame Geschichte über die fünf Männer, die alle verlassen wurden und nun darunter leiden. Leider gibt es wenig Entwicklung in ihrem Liebesleben und zum Schluss kommen die Erkenntnisse aus dem Nichts. Sehr gestört hat mich, dass die Männer oft sehr frauenfeindlich sind, in dem sie kaum Verständnis für deren Wünsche zeigen und über Feminismus herziehen. Ich würde dieses Buch weder Frauen empfehlen, weil diese nur verletzt werden, weil sie eigenständig und gleichberechtigt leben wollen, noch Männern, da diese womöglich noch den Eindruck gewinnen, es sei okay so sexistisch zu denken. Von der Autorin bin ich schönere und gefühlvollere Geschichten gewohnt!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.12.2020

Ein schönes Debüt

Breakaway
1

Die Protagonistin Lia ist nach einem Vorfall total mitgenommen, stürmt mitten aus einer Klausur und setzt sich kurzerhand in einen Bus nach Berlin. Lange weiß der Leser nicht, was Lia in ihrer Universitätsstadt ...

Die Protagonistin Lia ist nach einem Vorfall total mitgenommen, stürmt mitten aus einer Klausur und setzt sich kurzerhand in einen Bus nach Berlin. Lange weiß der Leser nicht, was Lia in ihrer Universitätsstadt zugestoßen ist, aber man spürt von Anfang an, dass es sie immer beschäftigt und total runterzieht. Ich kann verstehen, dass es Dinge gibt, die einen so blockieren, dass man sogar nicht mal mehr Freude in seiner Leidenschaft findet. Die innere Gefühlswelt von Lia ist meiner Meinung nach richtig gut beschrieben. Lia nimmt nicht nur Abstand zu ihrem Wohnort und ihrer Leidenschaft dem Filmen, sondern auch von ihren Gefühlen. In Berlin angekommen trifft sie auf Noah, der versucht ein Familienproblem zu lösen, aber einfach nicht richtig dahinter kommt warum plötzlich der Rest seiner Familie zerstritten ist.

Nachdem man Lia und Noah und deren grundsätzliche Probleme kennengelernt hat, zieht sich das Geschehen langsam. Das Buch ist stets kurzweilig zu lesen, aber am Anfang hat es mich noch nicht richtig gefangen genommen und sich eher in Belanglosem festgefahren. Außerdem war es nicht hilfreich, dass ich den Zwist in Noahs Familie fast von Anfang an erahnen konnte und mich Noahs Bemühen wieder Frieden in seine Familie zu schaffen, mit der Zeit gelangweilt hat. Nach einem Drittel etwa spürte ich langsam Nähe zwischen den beiden Protagonisten und Lia hat sich etwas geöffnet. Ab dem Zeitpunkt fängt Lia an sich mit dem Geschehen in ihrer Heimat etwas auseinanderzusetze und ich konnte endlich mit den beiden mitfiebern.

Ebenfalls geholfen um Lia und Noah zu verstehen hat die Erzählweise, da beide mittels der Ich-Perspektive von dem Geschehen und insbesondere ihren Gefühlen berichten. Trotzdem bin ich nicht ganz überzeugt von Noah. Er ist zwar ein totaler Familienmensch und auch für seine Freunde stets zur Seite, aber er reagiert auch oft drüber, ist sehr impulsiv und egostisch. Das fand ich persönlich in einigen Momenten zu übertrieben, auch wenn das zu New Adult Romanen dazugehört. Apropos New Adult: Eher untypisch, aber dafür umso schöner für dieses Genre, spielt die Geschichte nicht wie sonst in Amerika, sondern in Deutschlands Hauptstadt. Obwohl es hauptsächlich um die beiden Protagonisten geht, werden doch ein paar Schauplätze in Berlin beschrieben, was es umso schöner macht, wenn man diese kennt. Die Autorin hat definitiv einen Blick für kleine Details. So haben mir einige Momente oder Schauplätze besonders gut gefallen, wie z. B. der kreative Film in einer Ausstellung und auch das Graffiti, das den Betrachter direkt gefangen nimmt.

Das Ende rundet die Geschichte gut ab und mir hat gefallen, wie sich vieles verbunden hat. Es ist nachvollziehbar und plausibel geschildert, wodurch ich Lia vollkommen verstehen konnte. Andererseits hat mich dabei trotzdem etwas enorm gestört. Dies sendet falsche Signale aus und insbesondere in der Realität wäre das für mich der falsche Weg. Eben weil die Autorin wichtige und ernste Themen angesprochen hat.


Fazit:
„Breakaway“ ist ein guter Debütroman, der ein paar kleine Schwächen hat, aber auch viele liebenswerte Details. Der Schreibstil von Anabelle Stehl erzählt empathisch von wichtige Themen, wobei das Ende aber eine falsche Richtung vermittelt. Trotzdem hat mir der Schluss gut gefallen und auch, dass die Protagonistin des zweiten Bandes, Kyra, kurz zu Wort gekommen ist.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Gefühl
Veröffentlicht am 15.10.2020

Taffe Frau in den Wirren Ende des 19. Jahrhunderts

Die Hafenschwester (1)
1

An Marthas 14. Geburtstag erkrankt ihre kleine Schwester und stirbt. Auch ihre Mutter überlebt kurz darauf die Krankheit nicht. Nun muss Martha Geld verdienen um die verbliebene Familie über die Runden ...

An Marthas 14. Geburtstag erkrankt ihre kleine Schwester und stirbt. Auch ihre Mutter überlebt kurz darauf die Krankheit nicht. Nun muss Martha Geld verdienen um die verbliebene Familie über die Runden zu bekommen, also beginnt sie am Krankenhaus als Schwester zu arbeiten, da es dort auch in der Ausbildung schon einen Lohn gibt.

Diese Aspekte des Arbeitslebens, die damals vorherrschten, wurden gut involviert. Vor allem der Hafenarbeiterstreik 1896 wurde anschaulich thematisiert. Gewerkschaften, finanzielle Not und auch das vermehrte Aufkommen der Sozialdemokratie bestimmten die Tage der Hansestadt. Neben politischen Themen nahm auch die Rolle der Frau einen wichtigen Aspekt in diesem Buch ein. Marthas beste Freundin Milli zum Beispiel war durch ihren Stiefvater gezwungen, Prostituierte zu werden. Obwohl sie ebenfalls aus dem ärmlichen Gängeviertel stammt, sank deren Ansehen nochmals rapide. Auch die vorherrschende Stellung von Männern und sexuelle Übergriffigkeiten, die damals vorherrschten, wurden thematisiert. Obwohl man schon weiß, dass die Bildung damals von der Geschellschaftsschicht abhing und die Frauen keine Rechte hatten und an den nächsten männlichen Verwandten gebunden waren, konnte man es in diesem Buch hautnah spüren. Als Leser kann man sich direkt in das Geschehen und die Buchfiguren hineinversetzen. Das Leben von damals wurde sehr realitätsnah dargestellt, weshalb ich oft wegen der Ungerechtigkeit oder Unterdrückung aufs Neue geschockt und empört war.

>> Jetzt begriff er, dass es keine Gabe, sondern eine Waffe war. Und ebenso wenig wie man eine abgefeuerte Pistolenkugel zurückhalten konnte, vermochte man, einmal ausgesprochene Worte zurückzunehmen. Sobald man sie abgefeuert hatte, waren Tatsachen geschaffen. Entweder verfehlte man, oder man traf.<< Paul, S. 320

Nebenbei kam jedoch nie das eigene Schicksal der Protagonistin zu kurz. Marthas Sorgen und Ängste, ihre Bedenken wurden immer durch ihre Arbeit, ihren alkoholabhängigen Vater und kleinen Bruder bestimmt. Trotzdem hat sie sich nie unterkriegen lassen. Martha ist eine taffe Frau, die zunächst für sich und ihre Familie, später auch für die Rechte der Frauen gekämpft hat.


Fazit:
Die ersten Seiten von "Die Hafenschwester" habe ich eigentlich nur zum Spaß meiner Schwester vorlesen wollen, aber die Geschichte hat mich direkt gepackt, sodass ich es mir von ihr ausleihen musste. Ein toller historischer Roman über Martha, die sich in den Wirren von Gesellschaft, Krankheiten, geschlechtsspezifische Ungleichheit, schlechten Arbeitsbedingungen und Sozialdemokratie nicht unterkriegen lässt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere