Profilbild von Tine

Tine

Lesejury Star
offline

Tine ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Tine über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.05.2022

Eine Prise Poesie und Magie garniert auf einer atmosphärischen Insel

Der vergessene Geschmack von Glück
0

Leif hat die Nase voll von seiner Arbeit im Bistro, wo er tagein tagaus die gleichen anspruchslosen Gerichte kochen muss und kündigt. Daraufhin nimmt er eine Stelle als Hotelkoch auf der Insel Fjärranö ...

Leif hat die Nase voll von seiner Arbeit im Bistro, wo er tagein tagaus die gleichen anspruchslosen Gerichte kochen muss und kündigt. Daraufhin nimmt er eine Stelle als Hotelkoch auf der Insel Fjärranö in der Ostsee Schwedens an. Dort geschehen aber seltsame Dinge, denn die Köche vor ihm haben immer wieder gekündigt. Circa hundert Jahre zuvor hat sich die Hotelbesitzerin Anna-Greta von den Klippen der Insel gestürzt. Weshalb? Hat dies etwas mit den seltsamen Geschehnissen in der Hotelküche zutun?

Das Buch wird hauptsächlich aus der personalen Erzählperspektive von Leif erzählt, der in der Hotelküche auf Fjärranö versucht ansprechende Gerichte zu kochen. Dabei wird auch der Prozess des Kochens und der Lebensmittelauswahl ausführlich beschrieben, wodurch Leifs Leidenschaft dafür verdeutlicht wird. Am Ende des Buches ist sogar ein Rezept abgedruckt, das in der Geschichte enthalten ist. Ab und zu gibt es auch Kapitel aus Anna-Gretas Sicht von Anfang des 20. Jahrhunderts. Man lernt die junge, ambitionierte Frau immer besser kennen und erfährt somit, warum sie sich damals das Leben nahm. Im letzten Drittel nähern sich die beiden Zeitebenen dann auch an.

Etwas gestört hat mich, dass die Hotelbetreiber und deren Tochter Smilla immer wieder erwähnen, dass man „in der Küche einfach nicht kochen kann“, aber oft erwartungsvoll über Leifs Kochkünste reden. Manchmal hatte ich den Eindruck, sie glauben zwar an einen Fluch, wollen es aber nicht wahrhaben. Bzw. hat nie jemand der Besitzer oder Angestellten aktiv versucht mehr über den vermeintlichen Fluch herauszufinden oder gar zu bekämpfen, das alles hat sich irgendwann einfach ergeben. Auch wenn sich diesbezüglich anfangs eher weniger tut, war die Geschichte jedoch nie langweilig. Dafür haben unter anderem auch die verschiedenen Hotelbesucher beigetragen, die alle ein unterschiedliches Alter und eigene Beweggründe haben, dort Urlaub zu machen.

>>Die Sonne thronte so erhaben auf ihrer himmelblauen Leinwand, als habe sie nicht vor, sich je wieder von dort zurückzuziehen. Es war einer dieser Sommertage, die in der Lage waren, alle möglichen Arten von Sehnsucht mit sich zu bringen: Fernweh, Träume von einer erfüllten Zukunft und von der Liebe und auch nach vergangenen, glücklichen Momenten.<< S. 178

Besonders schön an der Geschichte ist die Atmosphäre des Buches. Die Insel Fjärranö ist durch einen kleinen Wall mit dem Festland verbunden und beherbergt nur das viktorianische Hotel. Das Meer und die Landschaft der Insel, insbesondere die beeindruckende Klippe, haben fast schon etwas Magisches. Lars Simons Schreibstil ist sehr poetisch, bildhaft und beschreibt die Gefühle und Situationen sehr anschaulich. Ich liebe seine Art zu schreiben!


Fazit:
„Der vergessene Geschmack von Glück“ ist ein weiteres wunderbares Buch von Lars Simon. Die Geschichte ist zwar etwas übernatürlich angehaucht, dies macht sie aber neben dem poetischen Schreibstil und der beeindruckenden Atmosphäre erst zu etwas ganz Besonderem.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.04.2022

Gute Tipps für ein glücklicheres Leben

Super Gefühle
0

Die Autorin steckte in einem Tief, als sie sich überlegte, wann wir Menschen am glücklichsten sind: währen wir frisch verliebt sind. Also hat sie sich intensiv damit auseinandergesetzt (die 11 Seiten Quellen ...

Die Autorin steckte in einem Tief, als sie sich überlegte, wann wir Menschen am glücklichsten sind: währen wir frisch verliebt sind. Also hat sie sich intensiv damit auseinandergesetzt (die 11 Seiten Quellen und ihre medizinische Tätigkeit bestätigen es), welche neurochemischen Prozesse dabei im Menschen vorgehen und Möglichkeiten gesucht, wie wir diesen Zustand der Zuneigung eigenständig bewirken können. Daraus entstanden ist das „Rezept für beständige Liebe“.

Hierfür unterscheidet Dr. Emilia Vuorisalmi den Kern und die Hülle. Zum Kern gehören die Hormone Dopamin, Serotonin und Oxycotin, die während der Verliebtheit ausgeschüttet werden. Im ersten Drittel des Buches wird darauf eingegangen, was diese Hormone im Körper bewirken und wie wir ihre Produktion selbst beeinflussen können. Die wissenschaftliche Erklärung der Zusammenhänge und Hormonausschüttung im Körper finde ich sehr interessant und bestätigt auch, dass die Tipps im Buch wirklich wirksam sind. Zu jedem Liebeshormon gibt es verschiedene Themenbereiche, die zunächst erklärt werden und danach jeweils eine Seite mit Aufgaben haben. Bei diesen Aufgaben handelt es sich um Fragen, durch die man sich selbst reflektieren und die individuelle Sicht auf den Themenbereich lenken kann. Die Autorin hat durch ihr eigenes Leben und einigen Beschreibungen die Themen gut dargestellt, wobei ich mir bei einem (erste Dopaminquelle) mehr Ausführlichkeit und Differenzierung gewünscht hätte. Genau dieser Punkt wird später öfter aufgegriffen, was für mich kontraproduktiv war. Alle anderen Themen konnte die Autorin aber gut darstellen. Am Ende der Erklärungen zu den drei Hormonen gibt es jeweils eine kurze Zusammenfassung und Tipps um deren Ausschüttung zu unterstützen. Das macht es hilfreich auch weiterhin mit dem Buch zu arbeiten und sich immer mehr Glücksmomente zu schaffen, um ein zufriedenes und erfülltes Leben zu entwickeln. Ich finde die Mischung aus der persönlichen Entwicklung der Autorin, die wissenschaftliche Beschreibung der Funktionsweise der Hormone kombiniert mit den Fragen zur Selbstreflexion und Tipps und Methoden zur Umsetzung eine gute Darstellung der drei Liebeshormone.

"Dankbarkeit vermehrt das Glück spürbar, sie ist eine Form von Liebe." (S. 156)

Im letzten Drittel des Buches wird auf die Hülle eingegangen, also alles, was die Ausschüttung der Hormone verhindern könnte. Hier wird beschrieben, wie Bewegung, Ernährung und Stressbewältigung die Bildung der Liebeshormone positiv beeinflussen. Dieses Kapitel hat mir eher weniger mitgegeben. Nicht, weil es nicht hilfreich oder aufschlussreich wäre, denn die Autorin hat hier auch hilfreiche Tipps und Methoden aufgezeigt, aber insgesamt sind es Basics. Dieses Kapitel ist der Grundbaustein für das Rezept der beständigen Liebe, ohne den die Glückshormone nicht immer wirken können, und liefern hier Input, mit dem man sich dann separat und vermehrt beschäftigen kann, wenn man diesbezüglich Probleme hat.


Fazit:
„Super Gefühle“ ist ein super Ratgeber, um seine Liebeshormone selbst positiv beeinflussen zu können. Zu den drei Liebeshormonen werden ihre neurochemische Wirkung im Körper, persönliche Erfahrungen der Autorin und gute Tipps zur Hormonausschüttung gegeben. Schon beim ersten Durchlesen konnte ich mich selbst reflektieren und einige hilfreiche Methoden mitnehmen.

  • Einzelne Kategorien
  • Thema
  • Umsetzung
  • Cover
Veröffentlicht am 02.04.2022

Schöne Erzählung über einen Teil der Geschichte des Tiergarten Schönbrunns

Die Frauen von Schönbrunn (Die Schönbrunn-Saga 1)
0

er Roman startet 1914, als Emma beginnt im Tiergarten Schönbrunn als Tierpflegerin zu arbeiten, um Geld für ihren Traum zu sparen: Ein Studium der Veterinärmedizin. Doch bald beginnt der Krieg und ihr ...

er Roman startet 1914, als Emma beginnt im Tiergarten Schönbrunn als Tierpflegerin zu arbeiten, um Geld für ihren Traum zu sparen: Ein Studium der Veterinärmedizin. Doch bald beginnt der Krieg und ihr Traum liegt auf Eis. Nach dem Prolog, während dem man bereits Emmas Familie kennenlernt und ihre Liebe zu den Zootieren erlebt, befinden wir uns um Jahr 1917 und begleiten Emma, ihre schwangere Schwester Greta und den Tierpark über den harten, letzten Kriegswinter. Zu dieser Zeit wird im Zoo ein Tierarzt eingestellt, Julius, der vom Krieg psychisch angeschlagen ist, und bald Gefühle in Emma weckt.

>> Wir haben die Tiere in Käfige und Gehege gesteckt, damit sie uns erheitern und erfreuen. Es ist unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass sie nicht elend zugrunde gehen.<< 62 %

Die Geschichte rund um Emma lässt sich sehr gut lesen, da der Schreibstil sehr flüssig und mitreißend ist. Die Erzählung hat alles, was ein guter Roman braucht: Emotionen, eine starke Protagonistin, die sich für ihre Werte einsetzt, Leid, etwas Drama und natürlich die Liebe. Als Leser/in erfährt man z. B. durch den Tierarzt Julius, wie er die Zeit an der Front empfunden hat und nun schlimme Erinnerungen daran mit sich trägt, die er oftmals in Alkohol ertränkt. Währenddessen setzt sich Emma für das Wohl der Zootiere ein, nicht nur aufgrund des zu wenigen Futters, sondern auch für eine artgerechte Haltung, statt den kargen und langweiligen Käfigen. Auch um ihren Schwager und Vater machen sich Emma und ihre Schwester Sorgen und freuen sich über jedes Lebenszeichen von der Front. Die Lage spitzt sich immer mehr zu, denn die Lebensmittel werden für die Zootiere und die Bevölkerung Wiens knapp. Außerdem gibt es in dieser Geschichte zusätzlich zum 1. Weltkrieg und dessen Schrecken noch einen weiteren Antagonisten.

Deshalb hab ich die Geschichte sehr gerne gelesen, aber trotzdem hat das gewisse Etwas gefehlt. Ich möchte nicht sagen, dass eine Distanz zwischen mir und den Protagonisten stand, weil das zu extrem wäre, aber trotzdem habe ich ihre Sorgen und Nöte nicht direkt nachempfunden oder wurde während des Lesens gar emotional. Dafür war zu wenig Fokus auf ihren Gefühlen oder die Ausführlichkeit der Themen gelegt. Die Autorin hat alle angesprochenen Themen gut umgesetzt, aber sie haben mich leider nicht ganz so betroffen gemacht, wie erwartet.

Das Ende des Buches schließt bei diesem Mangel an und löst vieles zu schnell in Wohlgefallen auf. Nichtsdestotrotz bin ich sehr zufrieden mit dem Ende und möchte unbedingt wissen, wie es mit den Buchfiguren im zweiten Band weitergeht.

Mir hat zudem gefallen, dass man durch diese Geschichte und Emmas Engagement erfährt, wie vor ca. 100 Jahren Zoos geführt wurden. Denn Emma setzt sich dafür ein, dass das Gehege der Orang-Utan-Dame nicht mehr so karg ist und Beschäftigung für den Affen bietet. Artgerechte Haltung hat damals erst ihren Anfang gemacht. Auch die historische Darstellung des Wiener Zoos an sich wurde schön beschrieben und das Nachwort zeigt, dass die Autorin für dieses Buch intensiv recherchiert hat.



Fazit:
„Die Frauen von Schönbrunn“ ist eine tolle, von wahren Begebenheiten inspirierte Geschichte über den Tiergarten Schönbrunn und dessen Schwierigkeiten während des 1. Weltkrieges aufrecht erhalten zu werden. Auch die Schicksale der Protagonisten wurden schön geschildert, wenn mich auch manches emotional eher wenig berührt hat.

Veröffentlicht am 27.03.2022

Faszinierende Idee, aber fehlende Erklärungen

Athos 2643
0

Im Jahr 2643 leben die Menschen mittlerweile im All, wo KIs für ihr Wohl sorgen. Auch im Kloster auf dem Jupitermond Athos befindet sich eine KI, die die Anlage steuert, damit die Bewohner dort überleben ...

Im Jahr 2643 leben die Menschen mittlerweile im All, wo KIs für ihr Wohl sorgen. Auch im Kloster auf dem Jupitermond Athos befindet sich eine KI, die die Anlage steuert, damit die Bewohner dort überleben können. Doch nachdem ein Mensch gestorben ist, wird Rüd auf Athos geschickt um den Todesfall zu prüfen und die KI des Mondes auf eine andere Einstellung zu ändern, da sie den Tod nicht verhindert hat. Dabei hat Rüd seine eigene KI, Zack, die ihm bei technischen Belangen, Wissen und sogar zur sexuellen Befriedigung dient. Bei seiner Arbeit scheint nicht nur die KI Athos‘ den wahren Grund des Todesfalls zu verheimlichen, auch die Mönche erscheinen zuweilen suspekt. Doch als noch ein Mönch stirbt, ist Eile angesagt und Rüd braucht Zack leistungsstärker, als sie bisher war.

Bis ich in die Geschichte gefunden hatte, hab ich etwas länger gebraucht. Wegen der komplexen Beschreibungen und einigen Details im Weltenaufbau hatte ich anfangs gar keine Lust mehr zu diesem Buch zu greifen. Hat man aber erstmal viele Seiten in dem Buch verbracht, wird es zunehmend spannender. Der Autor verwendet viele physikalische und philosophische Begriffe, die ich nicht kenne und einige neue spezifisch für diese Welt. Am Ende des Buches befindet sich zwar ein Glossar mit wichtigen Wörtern und Geschehnissen in dieser Welt, aber meinem Empfinden nach hätte man sie ruhig mehr ausbauen können. Im Mittelteil geschieht etwas, dem ich zwar folgen konnte, aber nicht nachvollziehen. Ich bin froh, dass ich das Buch in einer Leserunde gelesen habe, wo alle Leser/innen zusammen dem Geschehen auf den Grund gehen bzw. auch den Autor selbst fragen konnten. Dass ich mir die Geschehnisse am Ende weitestgehend selbst erklären konnte, hat mich schon etwas stolz gemacht, trotzdem wäre das Buch für mich ohne Leserunde ein viel minderes Lesevergnügen gewesen. Ein Buch muss sich selbst erklären können, was hier leider nicht immer der Fall war.

Eine Besonderheit des Buches ist, dass die gesamte Geschichte aus Sicht der KI Zack erzählt wurde. Dadurch ist der Schreibstil vielleicht emotionsloser, aber da Zack selbst auch Mimik und Gestik beherrscht und diese von Rüd auch beschreibt, ist dies ein faszinierendes Detail der Geschichte. Die sprachliche Entwicklung zum Ende hin hat mich leider mehr gestört.

>> Gegenwart […] ist eine Grenze, zur Unendlichkeit hin dünn, eine Grenze, die nur existiert, weil es einen physikalischen Unterschied zwischen Vergangenheit und Zukunft gibt. Sie ist etwas, das es zugleich gibt und zugleich nicht gibt, wie ein Horizont, der fortweicht, wenn man sich ihm nähert.<<, S. 165

Im letzten Drittel (Teil 2 der Geschichte) wurde ich zunehmend faszinierter von der Geschichte. Als sich einige Puzzleteile zusammengesetzt haben, es überraschende Wendungen gab und die Geschichte stets spannend ist, habe ich langsam die einfallsreiche Idee dahinter erkannt. Von Anfang an hat mich die KI MARFA als lebenserhaltendes System fasziniert, vor allem die Gespräche mit Rüd. Auch die Fleischproduktion für den Verzehr oder das Überwinden der fehlenden Gravitation sind tolle Ideen des Autors. Außerdem wurde hier natürlich auch auf den Unterschied einer KI zu Menschen thematisiert. Wobei ich finde, dass nicht nur auf die ethische Frage eingegangen wird, ab wann eine KI als menschlich angesehen werden kann, sondern dass Zack hier wegen ihres Hologramms und erlernten Kommunikation von den Mönchen z. B. als Wesen mit Seele angesehen wurde und ich oft auch vergessen habe, dass sie quasi nur eine Maschine ist. Ich habe mich beim Lesen häufiger darüber aufgeregt, wie Zack sexuell belästigt wurde, aber sie verspürt diesbezüglich nunmal keine Gefühle. Ich habe ihr auch öfter Charaktereigenschaften zugesprochen, als sie Schlussfolgerungen trifft, die zu Rüds Wohl beitragen.


Fazit:
Dieses Buch könnte richtig toll sein! Ein faszinierender Weltenaufbau mit KIs als wichtige Rolle, geniale Ideen und ein spannender Plot; doch leider muss eine Geschichte ihre Geschehnisse selbst erklären können, was hier bei wichtigen Situationen nicht immer der Fall war. Ein wenig mehr Erklärungen und ein längeres Glossar hätten dieses Buch für mich besser verständlich und damit grandios gemacht.

Veröffentlicht am 27.03.2022

Keine Romantik und vermittelt falsches Bild

Jeder Tag für dich
0

Vor sieben Jahren verschwand Marys Freund Jim. Seitdem hängt sie ihrer Liebe nach und steht jeden Abend auf dem Bahnhof in London und wartet auf ihn. Was ist passiert? Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen ...

Vor sieben Jahren verschwand Marys Freund Jim. Seitdem hängt sie ihrer Liebe nach und steht jeden Abend auf dem Bahnhof in London und wartet auf ihn. Was ist passiert? Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt, wodurch man erfährt, wie sich Mary und Jim kennengelernt haben, und dann kontinuierlich Rückblicke erhält bis zu seinem Verschwinden. Somit bekommt der/die Leser/in einen guten Einblick in deren Charaktere und Beziehung. Dagegen begleitet man in der Gegenwart Mary jeden Abend zu dem Bahnhof, wo sie ihr Schild auspackt, „Komm nach Hause, Jim“ stundenlang auf Blickhöhe hält und zweimal die Woche bei dem Kummertelefon NightLine ehrenamtlich arbeitet.

Dieser Liebesroman befasst sich weniger mit Verlieben oder Beziehungen, als mit der Tatsache, dass Jim Mary fehlt. Dieses Gefühl hat die Autorin sehr gut vermittelt, man liest erschüttert von der Beklemmung und Traurigkeit Marys, was ziemlich intensiv ist. Schließlich waren die beiden sechs Jahre zusammen, nun wartet Mary schon sieben Jahre (länger als deren Beziehung!) darauf, Jim wieder in die Arme schließen zu können; ihr ganzes Leben wird vom Vermissen beherrscht. Liebesgeschichten hingegen kann die Autorin gar nicht glaubhaft schreiben, so hart es klingen mag. Von Romantik fehlt jede Spur! Obwohl man Mary und Jims Liebe von Anfang an verfolgen kann, konnte ich zwar erkennen, dass sich die beiden Hals über Kopf ineinander verliebt haben, aber nie nachvollziehen, weil Abbie Greaves deren Liebe nie so beschrieb, dass ich die Gefühle direkt hätte nachempfinden können. Außerdem lief die Kennenlernphase zwischen den beiden sehr schnell ab, sodass ich mir viel mehr beschriebene Emotionen oder Gespräche gewünscht habe, um dies miterleben zu können. Die anderen beiden Beziehungen, die sich erst später im Buch anbahnen, konnte ich noch weniger nachempfinden.

Alice, aus deren Sicht bald schon die Geschichte erzählt wird, ist mir extrem unsympathisch gewesen. Sie ist rücksichtslos, aufdringlich, egoistisch und verhält sich einfach unmöglich! Sie behauptet zwar, dass sie Mary auch aus persönlichen Gründen helfen will, der Hauptgrund ist aber definitiv der, ihre langweilige Karriere zu retten. Ich hab sie im ganzen Buch nie verstehen können, noch wurde sie mir je sympathisch. Dadurch, dass sie immer mehr Raum in der Geschichte einnimmt, hat mir das Buch immer weniger gefallen. Ein anderer Charakter wurde als eher eklig beschrieben. Erst zum Schluss erfährt man, warum Kit so ist, aber das ist für mich nur ein sehr negatives Vorurteil.

>> Ihr wurde plötzlich klar, dass sie [...] die Höhenflüge im Blick gehabt [hatte]. Bei Liebe ging es nicht um die Augenblicke, in denen man gemeinsam tanzte, es ging darum, dem anderen aufzuhelfen, wenn er am Boden lag.<<, S. 274

Und dann kam das Ende! Was soll ich sagen? Der Grund, warum Jim verschwunden ist, zeichnet sich nach und nach immer mehr ab, ist also nie ein überraschender Knall. Aber ich finde die gesamte Erzählung und den Grund für Jims Verschwinden eine schöne Geschichte, jedoch wurde sie meiner Meinung nach kaum ansprechend umgesetzt. Die negativen Gefühle konnte die Autorin immer gut darstellen und auch am Ende habe ich die Beklemmung gefühlt, war erschüttert und konnte die Buchfigur verstehen. Aber ich finde den Schluss der Geschichte ziemlich schlecht gemacht. Für eine Liebesgeschichte hätte man Marys Situation am Ende viel emotionaler und romantischer gestalten können. Und das allerschlimmste ist, dass ein ernstes Thema zum Schluss völlig falsch dargestellt wurde. Wenn ich mir vorstelle, dass Leute, die keine Ahnung von der Thematik haben, das Geschehen aus diesem Buch als real annehmen… nein, einfach nur nein! Die Autorin vermittelt hier diesbezüglich ein völlig falsches Bild.



Fazit:
"Jeder Tag für dich“ hätte eine romantische, emotionale Geschichte über Marys Verlust ihrer Beziehung werden können. Stattdessen kann die Autorin keine Liebe glaubhaft vermitteln und stellt zudem noch ein völlig falsches Bild von einem ernsten Thema dar. Ich bin leider enttäuscht von der Geschichte!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere