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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.09.2021

Ein Australier in London

Elf Leben
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Xavier hat ein Geheimnis: er lebt mit einer großen Schuld. Diese belastet sein nach außen hin angenehmes Leben als Radiomoderator und Scrabble-Turnierspieler in London. Nach und nach erst eröffnet sich ...

Xavier hat ein Geheimnis: er lebt mit einer großen Schuld. Diese belastet sein nach außen hin angenehmes Leben als Radiomoderator und Scrabble-Turnierspieler in London. Nach und nach erst eröffnet sich Xaviers Welt: vor allem durch die Kommunikation mit seinen Mitmenschen in Vergangenheit und Gegenwart.

Er und seine nächtliche Sendung stehen im Zentrum des unterhaltsamen Romans, um den sich die restlichen 10 Leben ranken? Aber sind es tatsächlich elf Leben(swege), um die es in diesem Buch geht? Die Darstellung ist durch zahlreiche Rückblenden ein wenig wirr und unübersichtlich. Abgerundet wird dies durch Vorausschauen, die auf Ereignisse verweisen, die irgendwann in der Zukunft der Figuren eine Rolle spielen werden. Sie gemahnen an den wunderschönen Roman "Die Kunst des Lokomotivführens" des Australiers Steven Carroll. Im vorliegenden Roman trägt dieser Erzählstil, obwohl durchaus originell, eher zur Verwirrung bei. Wessen Leben gehört zu den "Elf" dazu? Zahlreiche Figuren aus Xaviers früherem australischen und gegenwärtigen Londoner Leben geben sich quasi die Klinke in die Hand. Diese fehlende klare Struktur und der somit nicht vorhandene rote Faden sind der stringenten Handlung des recht kurzen Romans ausgesprochen abträglich.

Mein Fazit: Obwohl eigentlich gefällig und nett geschrieben und sowohl von einem gewissen Unterhaltungswert als auch nicht ohne Anspruch, reißt mich dieses Buch nicht vom Hocker. Ich habe den Eindruck, der Autor müsste noch ordentlich üben, bevor er mit seinem Werk in der Öffentlichkeit reüssieren kann. Aber Potential ist durchaus da!

Veröffentlicht am 17.09.2021

Ein gestörtes Hinn... oder vielmehr eine gestörte Nation...

Das Einstein-Mädchen
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Von tochteralice
Einsteins Mädchen wird in Caputh in der Nähe der Einsteinschen Sommerresidenz aufgefunden - im Herbst 1932, also quasi am Vorabend der Machtergreifung Hitlers. Sie ist bewusstlos und ...

Von tochteralice
Einsteins Mädchen wird in Caputh in der Nähe der Einsteinschen Sommerresidenz aufgefunden - im Herbst 1932, also quasi am Vorabend der Machtergreifung Hitlers. Sie ist bewusstlos und bleibt nach dem Erwachen ohne Erinnerung - alles, was sie bei sich hat, ist ein Faltblatt mit der Ankündigung einer Vorlesung von Einstein - so hat sie ihren Spitznamen weg. Der zuständige Arzt an der Charité, wohin die Patientin eingewiesen wird, Dr. Martin Kirsch, ist fasziniert von der Schönheit der Patientin und von ihrem geheimnisvollen Fall und verstrickt sich immer tiefer hinein. Kirsch trägt selbst an schweren Lasten: am Verlust seines Bruders im 1. Weltkrieg sowie an einer kaum heilbaren Krankheit, an der er sich in ebendiesem Krieg angesteckt hat. Zudem hadert er mit seiner Zukunft: sowohl der privaten als auch der beruflichen.

Spannend? Könnte es sein, doch der gewisse "Klick" fehlt. Mir als Leserin erscheinen die Figuren seltsam konturlos, der Geschichte fehlt aus meiner Sicht der rote Faden. Ich habe mich zwar nicht gerade durch das Buch gequält, doch von einem Lesegenuss war es ebenso weit entfernt. Für Thrillerfreunde ist es schon gar nicht geeignet: ausser der Spannung fehlen auch die entsprechenden Effekte. Wissenschafts-Fans und Leser, die Romane über die Nazi-Zeit mögen, sind eher der Zielgruppe zuzuordnen, zumal der Wahnsinn in den Anfängen des Dritten Reiches, der Weg zur gestörten Nation, durchaus herausgearbeitet ist: Für mich eine der wenigen Stärken des Buches!

Veröffentlicht am 12.09.2021

Ziemlich träge - und sehr griechisch!

Zikadensommer
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Mira, eigentlich in den USA aufgewachsen und sozialisiert, kehrt nach dem Tod ihrer Eltern zurück in deren Heimat, wo sie während ihrer Kindheit viel Zeit verbracht hat und wo ihr Liebster und einige enge ...

Mira, eigentlich in den USA aufgewachsen und sozialisiert, kehrt nach dem Tod ihrer Eltern zurück in deren Heimat, wo sie während ihrer Kindheit viel Zeit verbracht hat und wo ihr Liebster und einige enge Freunde auf sie warten. Wirklich? Mira muss erleben, dass vieles anders ist als erwartet, anderens sich jedoch offenbar nie ändern wird.

Und wenn Sie sich wundern, wie das zusammenpasst, lassen Sie sich versichern, dass das in Griechenland kein Problem ist.

Dies ist ein wirklich träger Roman, man könnte ihn auch als statisch oder bequem bezeichnen: die Figuren, obwohl meist in der Megacity Athen, wenn nicht gleich weltweit unterwegs, kennen sich alle untereinander und treffen sich ständig durch Zufall. Die Protagonistin kommt ja eigentlich aus den USA, aber auch sie hat ständig irgendwelche zufälligen Treffen bzw. Beobachtungen von Freunden und Bekannten.

Ein bisschen dreht sich hier alles im Kreis, man könnte auch sagen, es liegt dort. Denn die Griechen erwischt man oft in der Horizontale. Und das beileibe nicht deswegen, weil sie dem so bezeichneten Gewerbe nachgehen. Nein, irgendwie erfordert das Griechischsein eine Menge Abschalten und das tut nicht nur der klassische Grieche am liebsten längs ausgestreckt. Allen voran in den überlangen Mittagspausen, aber auch am Strand und in den eigenen Gärten. Auch im übertragenen Sinne liegt Griechenland oft still, ich habe noch nie einen Staat erlebt, in dem so viele Pausen gemacht werden.

Und das wird in diesem Roman sehr deutlich, wenn das wohl auch nicht in der Absicht der Autorin lag. Aber sie trifft den Zeitgeist - wobei auch die Zeit in Griechenland scheinbar oft stillsteht. Für Leser, die die griechische Mentalität nicht so verinnerlicht haben, ist das verständlicherweise schwer nachzuvollziehen. Aber wenn man erfahren will, wie die Griechen so ticken und ein bisschen Geduld hat, dann ist dieser Roman genau das Richtige!

Veröffentlicht am 09.09.2021

Afrikanisches Familienepos

Der Ort, an dem die Reise endet
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Ein afrikanisches Buddenbrooks? Oder gemahnt es doch eher an "Korrekturen", den (fast) zeitgenössischen großen Roman von Jonathan Franzen? Nichts von beidem, finde ich: es ist eine weitere eindringliche ...

Ein afrikanisches Buddenbrooks? Oder gemahnt es doch eher an "Korrekturen", den (fast) zeitgenössischen großen Roman von Jonathan Franzen? Nichts von beidem, finde ich: es ist eine weitere eindringliche Familiengeschichte, eine sehr spezielle. Eine aus einer absolut fremden, fernen Welt, eine, die mich zunächst neugierig werden ließ. Doch aufgrund des fahrigen, nicht stringenten Erzählstils war für mich der Zauber rasch verflogen, als mühselig empfand ich es, mir diese Geschichte von einem fernen Kontinent, einem mir gänzlich unbekannten Land, zu erarbeiten, mich auf die Charaktere und ihre Schicksale einzulassen.

Die Geschichte, in deren Mittelpunkt zwei Generationen und zwei Familien, nein: eigentlich eine Familie in der Hauptrolle, eine in der Nebenrolle und eine Freundschaft, die aber auch beide Familien über beide Generationen berührt, stehen, ist sehr fahrig und - man möge es mir verzeihen - aus meiner Sicht wirr erzählt, immer wieder wird die Zeit und das Setting gewechselt. Und es kommen - eigentlich überaus interessant und spannend - eine Menge kenianische Persönlichkeiten (und auch solche aus den Nachbarstaaten) vor. Eigentlich mag ich so etwas, im vorliegenden Kontext empfand ich es einfach nur als verwirrend. Es ist eine tragische Geschichte, in die ich mich aber nicht so einfinden konnte, dass sie mich tiefer berührt, in mir das Interesse an weiteren Nachforschungen zu Kenia geweckt hat.

Der Stil ist anspruchsvoll, eindringlich, dabei nicht unanstrengend, nicht zuletzt aufgrund der vielen fremdartigen Namen von Personen und Ortschaften, die eine Rolle spielen oder auch nur erwähnt werden, denn auch das passiert ständig. Wobei diejenigen, die sich darauf einlassen, durchaus Unterstützung erfahren, nämlich in Form eines ausführlichen Glossars am Ende des Buches.

Die Autorin Yvonne Adhiambo Owuor ist sicher eine gewaltige Stimme ihres Landes, aber leider eine, die mich nicht so ganz erreichen konnte!

Veröffentlicht am 06.09.2021

Ein Ort ohne Seele

Der Sucher
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Oder mit einer sehr kleingehaltenen Seele, einer in dem die Menschen - auch wenn sie einander lange kennen - mit Mißtrauen begegnen. Wärme ist Mangelware, danach muss man lange suchen in diesem ...

Oder mit einer sehr kleingehaltenen Seele, einer in dem die Menschen - auch wenn sie einander lange kennen - mit Mißtrauen begegnen. Wärme ist Mangelware, danach muss man lange suchen in diesem kleinen irischen Dorf irgendwo zwischen Dublin und Sligo, in das sich der Amerikaner Cal, ehemals Ermittler in Chicago, seit einigen Monaten zurückgezogen hat.

So richtig warmherzig begegnet ihm hier eigentlich niemand. Wer öfter kommt, der will etwas von ihm - und nicht gerade wenig. Er wird immer wieder von einem Kind namens Trey besucht - oder auch heimgesucht, beides könnte passen. Als sie einander näher kommen, macht Trey ihm sein Anliegen klar: Cal soll herausfinden, was mit seinem großen Bruder passiert ist, der seit einigen Monaten abgängig ist.

Es ist nicht unbedingt so, dass Cal diesbezüglich mit dem Entgegenkommen seiner Mitmenschen rechnen kann, im Gegenteil: eigentlich interessiert Brendan alle außer Trey einen feuchten Dreck - sogar seine eigene Mutter. Scheinbar jedenfalls.

Und es scheint, als hätte jeder im Dorf etwas zu verbergen...

Langsam entwickelt sich die Handlung voran, quasi in Minischritten - und genauso ist es auch mit der Spannung. Tana French beweist einmal mehr, dass sie eine Meisterin des Atmosphärischen ist, das hier jedoch auf Kosten von Spannung eingesetzt wird.

Ich lese die irische Autorin ausgesprochen gern und hatte mich sehr auf das neueste Werk gefreut. Aber es hat mich doch ziemlich enttäuscht, muss ich sagen, ich empfand den hauptsächlichen Handlungsstrang als ziemlich dünn.

Schade drum, aber so richtig aus vollem Herzen kann ich diesen Roman nicht empfehlen. Fans von Tana French werden enttäuscht sein und neue wird sie damit eher weniger gewinnen - so zumindest meine Meinung.