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Veröffentlicht am 29.05.2019

Napoleon und ich

Napoleon
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Bevor ich begann, mich mit dem kleinen großen Korsen, der es zumindest zeitweise schaffte, die Welt - bzw. Teile davon - zu malen, wie sie ihm gefällt, habe ich mir überlegt, was mir wichtig ist. Will ...

Bevor ich begann, mich mit dem kleinen großen Korsen, der es zumindest zeitweise schaffte, die Welt - bzw. Teile davon - zu malen, wie sie ihm gefällt, habe ich mir überlegt, was mir wichtig ist. Will ich alles erfahren oder gut unterhalten werden? Bei ersterem hätte ich mit Sicherheit zum Opus "Bonaparte" des französischen Historikers Patrice Gueniffey gegriffen und irgendwann, wenn ich gaaanz viel Zeit und Muße habe, werde ich das möglicherweise noch nachholen. Aber gut unterhalten über Napoleon und sein Umfeld wurde ich bereits im Alter von 12, 13 Jahren mit der Schmonzette "Désiree", dessen Inhalt ich zumindest ganz zu Beginn für bare Münze genommen habe.

Also schon eine "richtige" Biographie: da bot sich dann die des Journalisten (und studierten Historikers) Günter Müchler an. Er schreibt auf jeden Fall unterhaltsam und schafft es, den Blick des Rezipienten auch auf das Umfeld zu richten, also Napoleon und seine Geschicke in den welthistorischen Rahmen seiner Zeit einzubetten. Dies ist ein Punkt, der mir ganz besonders wichtig ist und da habe ich dann schon ein bisschen was zu beanstanden: denn Müchler stellt Napoleon schon ein bisschen als tollen Hecht dar, der mit manch einem Zeitgenossen - allen Voran Alexander I. - den Molly macht. Genauer gesagt, werden nur die Rahmeninfos eingefügt, die zu dem Gesamtbild, das Müchler von Napoleon vermitteln will, passen. Und das ist - so finde ich - nicht mehr ganz zeitgemäß.

Wenn ich es jemandem weitergeben würde, würde ich also durchaus den unterhaltsamen Stil, die Fülle an Informationen loben. Auf der anderen Seite würde ich aber genau das, nämlich das Fehlen gewisser Informationen bemängeln. Sowie auch das Fehlen einer Zeittafel zur Person Napoleons - für mich das Nonplusultra bei jeder Biographie.

Veröffentlicht am 29.05.2019

Auf der Schnauze

Hinterhaus
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landet Caro jäh und unvorhergesehen - bisher lebte sie ein privilegiertes Jet-Set-Leben an der Seite ihres Freundes, des attraktiven Orthopäden Jens, in einer schicken Wohnung in Prenzlauer Berg. Aus der ...

landet Caro jäh und unvorhergesehen - bisher lebte sie ein privilegiertes Jet-Set-Leben an der Seite ihres Freundes, des attraktiven Orthopäden Jens, in einer schicken Wohnung in Prenzlauer Berg. Aus der sieht sie sich nun unversehens hinauskatapultiert. Statt dass sie das Weite sucht, zieht Mandy, eine Nachbarin, die sie bisher nur vom Sehen kannte, zu sich herein und nimmt sich ihrer an.

So lernt Caro das Hinterhaus kennen, wo allerdings ein ganz anderer Wind weht als vorne. Von Schickimicki keine Spur! Im Gegenteil, noch nicht einmal ein Bad gibt es hier. Und ihre restlichen Nachbarn lernt Caro nun auch so langsam, aber sicher von einer ganz, ganz anderen Seite kennen. Und nicht nur das: ihr Minijob als gefeierte Radiosprecherin geht ebenso den Bach runter wie vorher schon Beziehung und Wohnung. Auf der anderen Seite kümmern sich Menschen um sie, von denen sie es nicht im Traum gedacht hätte.

Die Vielfalt der Vergangenheit und Gegenwart von Prenzlauer Berg: in diesem Regionalkrimi erhält man mehr als nur einen kleinen Happen davon und genau das hat mir ganz außerordentlich gefallen. Weniger allerdings die Fäkalsprache und -thematik wie auch einige weitere recht derbe Szenen, in denen es ausgesprochen deutlich zur Sache ging. So etwas muss ich in einem Krimi nicht habe und auch dieser hätte mir "ohne" noch um einiges besser gefallen.

Wenngleich - der Charme der vergangenen, teilweise noch bestehenden Welt im Berliner Osten, die teilweise grausam, teilweise aber auch berührerend ist und war, hat mich so richtig gepackt. Ich würde mich also über einen weiteren Prenzlauer-Berg-Krimi der Autorin Lioba Werrelmann freuen, wenn auch nicht unbedingt Caro im Fokus stehen muss. Aber es gibt auch noch andere, vielversprechende Figuren im Krimi, die sich durchaus nicht nur für Nebenrollen eignen. Ein ungewöhnlicher Krimi also in ansprechendem Setting, aber leider mit ein paar extremen - für mich zu extremen - Szenen und Worten.

  • Einzelne Kategorien
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  • Geschichte
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  • Figuren
Veröffentlicht am 22.05.2019

Ein Roman im Stakkato

Düsternbrook
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Der Schauspieler Axel Milberg hat einen Roman geschrieben - so zumindest steht es auf Schutzumschlag und Titel. Ein Buch über sein Leben ist es, denn Düsternbrook ist der Kieler Stadtteil, in dem er ...

Der Schauspieler Axel Milberg hat einen Roman geschrieben - so zumindest steht es auf Schutzumschlag und Titel. Ein Buch über sein Leben ist es, denn Düsternbrook ist der Kieler Stadtteil, in dem er aufwuchs. Ein "besserer" Stadtteil, wie man früher sagte, einer, in dem die Familien eigene Häuser besitzen. Und Gärten. Richtige Häuser und richtige Gärten, es ist also keine Siedlung von Reihen- oder Doppelhäusern, sondern ein Viertel, das über die Jahre gewachsen ist.

Auch wenn die Menschen hier nicht alle reich sind. Auch Axels Familie spart an dem ein oder anderen. Wir lernen Axel als ganz kleines Kind kennen, das sich in seiner Umgebung orientiert.

Der Autor hat sich ganz auf die Perspektive eingestellt - es ist wirklich die Sicht, auch das Begreifen eines kleinen Jungen und wir erleben mit Axel, wie er älter wird, die Dinge anders wahrnimmt. Es verschiebt sich nicht nur die Perspektive, auch die Werte sind nun andere.

Allerdings ist dies ein Roman im Stakkato, ich als Leserin habe ihn als Folge willkürlich aneinander gereihter Sequenzen begriffen, als Blitzaufnahmen eines Lebens und darüber hinaus, denn der Autor erzählt auch über andere.

Somit habe ich dies nicht als zusammenhängenden Roman wahrgenommen und musste zwischendurch auch mal pausieren, weil es mir zu viel wurde. Auch an Redundanzen, denn einiges wurde wieder und wieder erwähnt, bspw. dass Mutter Milberg Medizin studiert hatte, also Ärztin war.

Es gab viele dieser Wiederholungen, aber wenig übergreifende Zusammenhänge. Ein sehr persönliches Buch, was man schon am Cover - einem Kindheitsfoto des Autors erkennt. Es scheint, als hätte der Autor dies für sich selbst und für sein enges Umfeld geschrieben, nicht unbedingt für Leser. Diese können es annehmen oder auch nicht. Ich finde, das ist eine sympathische Haltung. Der sogenannte Roman hingegen hat mich lediglich in Teilen erreicht.

Veröffentlicht am 10.05.2019

Cheri Matzner und ihre Last(en)

Das wilde Leben der Cheri Matzner
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Cheri hat es nicht leicht als Adoptivkind eines komplizierten New Yorker Ehepaares: Sol Matzner hat seine Frau aus Italien in die Staaten geholt und ist ihr zuliebe vom Judentum zum Katholizismus ...

Cheri hat es nicht leicht als Adoptivkind eines komplizierten New Yorker Ehepaares: Sol Matzner hat seine Frau aus Italien in die Staaten geholt und ist ihr zuliebe vom Judentum zum Katholizismus konvertiert. Ihr zuliebe hat er Cheri als Baby in die Familie geholt. Irgendwann kann er nicht mehr alles anderen zuliebe tun und Cheri erlebt eine schwierige Jugend mit einer überbesorgten Mutter und einem eigenwilligen Vater.

Eigenwillig - das ist sie selbst auch. Und zwar auf ganz andere Art und Weise als ihre Eltern. Rebellisch vielleicht auch, aber wild? Es ist die Biographie einer häufig unglücklichen Frau, die nicht aus ihrer Haut kann, ohne zu wissen, wie genau diese ihre Haut eigentlich beschaffen ist. Woher sie kommt und wohin sie gehört. Eigentlich.

Ein etwas sperriger Roman, nicht im Hinblick auf Stil und Sprache, nein, diesbezüglich ist er gefällig und angenehm aufgebaut, sondern in Bezug auf die Botschaft. Was genau will uns diese Geschichte erzählen. Ich habe sie als ausgesprochen unterhaltsame, nicht allzu anspruchsvolle und an vielen Stellen ausgesprochen traurige Darstellung eines schwierigen Lebens in unserer Zeit aufgefasst: Geld ist das Letzte, was Cheri fehlt, ihr fehlen Anknüpfungspunkte an ihre eigene Vergangenheit.

Man sollte sich überlegen, wann man dieses Buch lesen möchte, denn es kann wirklich die Stimmung trüben - wenn das auch bei mir nicht lange angehalten hat, dafür ist die Botschaft einfach nicht kraftvoll genug!

Veröffentlicht am 29.04.2019

Bonn im Fokus

Rheinblick
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Bonn als Zentrum der Politik und damit der Macht in der Bundesrepublik Deutschland: das ist ein mittlerweile vergangenes Kapitel und Bonn ist fast zu seiner einstigen Beschaulichkeit zurückgekehrt.


Doch ...

Bonn als Zentrum der Politik und damit der Macht in der Bundesrepublik Deutschland: das ist ein mittlerweile vergangenes Kapitel und Bonn ist fast zu seiner einstigen Beschaulichkeit zurückgekehrt.


Doch in den Nachkriegsjahren und bis nach der Wende war es tatsächlich die politische Zentrale des Landes und als solche wird sie hier von Brigitte Glaser dargestellt: Wir schreiben das Jahr 1972 und Willi Brandt ist gerade als Kanzler bestätigt worden, was seine fortschrittliche Politik der vergangenen Jahre - er war bereits seit 1969 Kanzler - bestätigte.


Die Handlung des Romans spielt in den zwei Wochen ab der Wahl, in denen die Ereignisse einander jagen: mit Hilde Kessel, der Wirtin des "Rheinblick", der Logopädin Sonja und der Journalistin Lotti stehen drei Frauen im Fokus der Handlung, die in den Sog der damaligen politischen Ereignisse und auch Intrigen geraten.


Nachvollziehbar schildert die Autorin, wie die so unterschiedlichen Frauen; die mit beiden Beinen im Leben stehende Hilde, die mühsam versucht, die Nachwirkungen ihrer traumatischen Kriegserlebnisse aus dem Alltag herauszuhalten und die beiden jungen, nach dem Krieg geborenen Frauen auf vollkommen unterschiedliche Weise mit den politischen Ereignissen in Berührung kommen. Hilde führt seit langen Jahren den "Rheinblick", Treffpunkt der unterschiedlichsten politischen Player, die an Politik nicht sonderlich interessierte Sonja wird im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit vor eine ganz besondere Herausforderung gestellt und Lotti, die für eine süddeutsche Provinzzeitung tätig ist, tut fast alles, um ihren ersten großen Artikel platzieren zu können.


Ein wirklich interessanter Roman für mich, die ich mit Bonn - damals das politische Zentrum - von Kindesbeinen an vertraut bin und den Wandel der Stadt sozusagen hautnah miterlebt habe. Die Idee, verschiedenen Perspektiven "sprechen" zu lassen, ist wirklich gut, allerdings ist die Darstellung, vor allem, was das Personalgefüge anbelangt, etwas überladen. Zu viele Akteure, die in zu viele Ränke verwickelt sind, haben mich stellenweise verwirrt und beim Lesen aus dem Konzept gebracht. Ein Personalverzeichnis zu Beginn des Buches wäre hilfreich gewesen, die Konzentration auf weniger Charaktere und Ereignisse ebenfalls.


So hat mir das Buch nicht ganz so gut gefallen wie andere Bücher der Autorin, deren langjähriger Fan ich bin. Dennoch ist es wichtig, originell und lesenswert und ich lege es jedem auch nur halbwegs politisch und zeitgeschichtlich interessierten Leser ans Herz!