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Veröffentlicht am 06.07.2022

Es ist nie zu spät!

Frauen, an die ich nachts denke
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“Es ist nie zu spät!“ und „Einfach machen!“ sind die wichtigsten Erkenntnisse, die ich aus der Lektüre des autofiktionalen Romans „Frauen, an die ich nachts denke“ der Finnin Mia Kankimäki ziehe.
Mia ...

“Es ist nie zu spät!“ und „Einfach machen!“ sind die wichtigsten Erkenntnisse, die ich aus der Lektüre des autofiktionalen Romans „Frauen, an die ich nachts denke“ der Finnin Mia Kankimäki ziehe.
Mia ist Anfang 40, kinderlos, unverheiratet. Ihren Beruf hat sie erst einmal an den Nagel gehängt, um als Schriftstellerin durchzustarten. Doch ist es dazu nicht eh zu spät? Sollte ihr Leben nicht längst geordnet sein?
Mia sucht Antworten bei historischen Frauenfiguren, ihren Nachtfrauen. Frauen wie Karen Blixen, deren Leben in Afrika oft härter war, als uns „Jenseits von Afrika“ vermuten lässt und die im Übrigen erst mit 46 zu schreiben anfing. Aber auch weniger bekannte Frauen wie die Forschungsreisende Nellie Bly, die mich besonders beeindruckt hat. Reiste sie doch 1889 in 72 Tagen um die Welt und schlug damit Pileas Foggs‘ Rekord aus „In 80 Tagen um die Welt“. Und das machte sie mit beneidenswert leichtem Gepäck. Gerade einmal ein Kleid und das Wenige, das in eine Handtasche (!) passte, nahm sie mit auf ihre Weltreise.
Bei vielen ihrer eigenen Reisen lässt sich Mia Kankimäki den Weg von ihren historischen Vorbildern weisen. Oder sie sucht an Orten, die sie bereist, eben jene Nachtfrauen, um zu sehen, welchen Rat sie ihr in ihrer jeweiligen Situation geben können. So zum Beispiel in Florenz, wo sie nach langer Suche auf Künstlerinnen wie Sofonisba Anguissola, Lavinia Fontana und Aremtisia Gentilieschi stößt, deren mir bis dahin unbekannte Lebensläufe sich unglaublich interessant lesen.
Ich war bisher immer etwas zögerlich, was autofiktionale Literatur betrifft, fragte mich immer, ob ich die Befindlichkeiten des oder der Schreibenden so genau wissen möchte. Schließlich haben mir meine Deutschlehrerinnen jahrelang eingebläut, dass Autorin und Erzählerin nicht identisch sind. Mia Kankimäkis Ansatz hat aber dann doch meine Neugier geweckt. Wir erfahren ein wenig, wo die Autorin gerade selbst im Leben steht, ein bisschen mehr hören wir von bemerkenswerten, häufig leider eher vergessenen historischen Frauenfiguren und vor allem, welche Ratschläge diese der Autorin und letztendlich auch uns geben können.
Die Auswahl scheint manchmal etwas willkürlich, manchen Frauen wird sehr viel Platz eingeräumt, während wir von anderen kaum etwas erfahren. Vielleicht ist das autofiktionalen Texten bzw. deren Autor
innen ja vorbehalten. Dennoch hatte ich den Eindruck, dass ein Ungleichgewicht herrscht. Karen Blixen ist das erste Drittel des Buchs gewidmet, die anderen Frauen werden teils sehr schnell abgehandelt. Ein bisschen wirkt das, als ob Mia Kankimäki bei ihrer Idee zum Buch zunächst nur Blixen im Kopf hatte und dann noch irgendwie andere Beispiele finden wollte.
Dennoch für mich ein lesenswertes Buch, auch wenn es mich nicht vollends begeistern konnte, aus dem ich aber durchaus die eine oder andere Lebensweisheit für mich ziehen konnte und die mich mit beachtenswerten historischen Frauenfiguren bekannt gemacht hat.

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Veröffentlicht am 28.06.2022

Vergnügliche Lesestunden

Fishergirl's Luck
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Maeve Binchy trifft Rosamunde Pilcher in einem idyllischen, winzig kleinen Ort an der schottischen Küste.

Die Starköchin Anna stand jahrelang im Schatten ihres geltungssüchtigen Ex-Freunds. Nach dem Tod ...

Maeve Binchy trifft Rosamunde Pilcher in einem idyllischen, winzig kleinen Ort an der schottischen Küste.

Die Starköchin Anna stand jahrelang im Schatten ihres geltungssüchtigen Ex-Freunds. Nach dem Tod ihres Vaters kauft sie von ihrem Erbe ein Häuschen in Crovie und wagt dort einen Neuanfang. Gewürzt ist die Geschichte mit ein paar Rückschlägen in Gestalt eines missgünstigen Nachbarn und dem Wiederauftauchen des eitlen Ex, mit etwas Dramatik und einer neuen Liebe, zu der erst durch ein paar Umwege gefunden wird.

Das Buch bietet vergnügliche Lesestunden, bei denen man mehr als einmal den Wunsch verspürt, diesen verträumten Ort am Meer zu besuchen. Große Überraschungen vom Plot sollte man sich allerdings nicht erwarten, aber ein bisschen heile Welt schadet manchmal ja auch nicht. Beim Lesen hatte ich für die Anna immer die junge Muriel Baumeister vor Augen, die in den frühen 2000ern ganz sicher für diese Rolle ausgewählt worden wäre.

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Veröffentlicht am 24.06.2022

Umfangreich, unterhaltsam, lesenswert!

Venedig
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“Venedig – Biographie einer einzigartigen Stadt” von Peter Ackroyd , das sind fast 600 Seiten geballtes Wissen zu Venedig. Offen gestanden bin ich erst am Anfang meiner Lektüre und es wird auch noch eine ...

“Venedig – Biographie einer einzigartigen Stadt” von Peter Ackroyd , das sind fast 600 Seiten geballtes Wissen zu Venedig. Offen gestanden bin ich erst am Anfang meiner Lektüre und es wird auch noch eine Weile dauern, bis ich das Buch fertig gelesen habe, denn die Fülle an Informationen muss ich erst einmal verarbeiten. Zu rudimentär ist mein Geschichtswissen im Allgemeinen. Zu Venedig, so dachte ich, wisse ich eigentlich schon so einiges. Und tatsächlich waren mir beispielsweise die Geschichten ums venezianische Ghetto nicht ganz neu. Und beim Thema Essen in Venedig bin ich in meinem Bekanntenkreis durchaus der Top-Ansprechpartner, weshalb ich, so nebenbei gesagt, der Aussage des Buchs, dass das Essen in Venedig „einfach“ sei, ganz und gar nicht zustimme. Dennoch habe ich im Laufe der Lektüre mein Wissen zu Venedig schon immens vertieft. Die Informationen, das Ackroyd zur Lagunenstadt zusammengetragen hat, lesen sich (häppchenweise genossen) äußerst interessant. Den Stil des Autors lese ich gerne, zumal der Text sich nicht trocken liest, wie man es von geschichtlichen Büchern oft kennt. Ein empfehlenswertes Buch, in dem, so glaube ich zumindest, auch historisch versiertere Menschen als ich noch so einiges Neues lernen können.

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Veröffentlicht am 17.06.2022

True Crime

Cooper
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Der Autor Jens Eisel hat in seinem kurzen Roman „Cooper“ einen True Crime von 1971 fiktionalisiert. Und dass das unglaublich spannend und lesenswert ist, liegt nicht nur daran, dass die Flugzeugentführung, ...

Der Autor Jens Eisel hat in seinem kurzen Roman „Cooper“ einen True Crime von 1971 fiktionalisiert. Und dass das unglaublich spannend und lesenswert ist, liegt nicht nur daran, dass die Flugzeugentführung, um die es geht, so unglaublich ist, dass man sich nur schwer vorstellen kann, dass sie so tatsächlich passiert ist, sondern auch daran, dass Jens Eisel unglaublich gut schreibt und auf wenigen Seiten ohne Schnörkel so viel Spannung erzeugt, dass man das Buch nur schwer aus der Hand legen kann.
Was war also am 24. November 1971 passiert. Ein als Dan Cooper oder auch D.B. Cooper bekannt gewordenen Flugzeugentführer erpresste 200.000 US-Dollar Lösegeld und entkam, indem er über bergigem Gelände mit einem Fallschirm aus dem Flugzeug sprang. Das allein ist ja schon kaum zu glauben, aber tatsächlich so passiert. Und dass der Entführer nie gefunden wurde und ebenso wenig das Lösegeld, ist natürlich der Stoff, aus dem Mythen entstehen.
Im Mittelpunkt der Geschichte stehen neben Cooper noch die Stewardess Kate, ein Pilot und ein FBI-Agent. Auch wenn die Geschichte nicht in der Form von wechselnden Ich-Erzählern berichtet wird, so kommt man als Leser jeweils doch der Person, die gerade im Mittelpunkt steht, sehr nah. So muss die Arbeit als Stewardess 1971 doch ungleich interessanter gewesen, als die einer Flugbegleiterin heute. Vielleicht wurde der Name ja deshalb angeglichen und klingt jetzt etwas langweilig. Damals ging es beim Fliegen noch viel lässiger zu, auch in der Economy, die damals bestimmt auch einen hübscheren Namen hatte, konnte man sich noch ein Whiskey vor dem Start wünschen. Und ein Plausch der Stewardessen mit den Passagieren war keine Seltenheit. Und so fällt es in der Geschichte den anderen Gästen, die bis zu einer Zwischenlandung mit an Bord sind, zunächst auch nicht auf, dass sich Kate zu einem Gast setzt und ausgiebig mit ihm unterhält. Wer kann den schon ahnen, dass dieser Passagier eine Bombe im Koffer zwischen seinen Füßen hat und im durchaus netten Gespräch mit der Stewardess auch die eine oder andere Anweisung bezüglich des Lösegelds einfließt.
Mehr soll jetzt auch gar nicht verraten werden. Was nämlich mit Cooper nach dem Fallschirmsprung im wahren Leben passierte, weiß man nicht. Literarisch hat Jens Eisel den Fall natürlich aufgeklärt.

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Veröffentlicht am 14.06.2022

Positiv denken allein hilft auch nicht!

Ich möchte lieber nicht
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In einer Welt, in der uns verkauft wird, dass positives Denken Berge versetzen kann, dass wir alles schaffen können, wenn wir es nur wirklich wollen, emfpand ich „Ich möchte lieber nicht“ keineswegs ...



In einer Welt, in der uns verkauft wird, dass positives Denken Berge versetzen kann, dass wir alles schaffen können, wenn wir es nur wirklich wollen, emfpand ich „Ich möchte lieber nicht“ keineswegs so negativ, wie der Titel es suggerieren könnte, sondern einfach nur herzerfrischend anders.
Als, so glaube ich zumindest, grundsätzlich positiv optimistisch eingestellter Mensch, stimme ich Julia Marie Schreiber aus tiefstem Herzen zu, dass eine positive Grundeinstellung das Leben nicht automatisch zum Besseren wendet und auch nicht in jeder Situation möglich oder gar hilfreich ist.
Einem schwer erkrankten Menschen beispielsweise zu wünschen, immer positiv zu bleiben, ändert nämlich ganz und gar nichts an dessen Situation und ist vielmehr ein Schlag ins Gesicht, weil dieser sich nun vorwerfen muss, möglicherweise nicht positiv genug durchs Leben gewandelt zu sein und somit seine Krankheit gar selbst verschuldet zu haben und sich jetzt auf jeden Fall mal ordentlich anstrengen muss beim Optimistischsein. Der (gut) gemeinte Ratschlag „Bleib positiv“ ist in diesem Fall eher ein Magenschwinger für Erkrankten, auch wenn er „positiv“ gemeint oder auch nur ein Ausdruck von Hilflosigkeit ist.

Wenn ich mir das vom Verlag veröffentlichte Foto der Autorin ansehe, so habe ich auch nicht den Eindruck, eine pessimistische Miesepetra zu sehen. Ihr äußerst amüsanter, ironisch-humorvoller Schreibstil - im Hörbuch von Ulrike Kapfer übrigens herrlich süffisant vorgetragen - legt das auch gar nicht nahe. Die Autorin zeigt einfach auf, dass an vielen Stellen das „richtige“ Mindset nicht immer positives ist, dass im Gegenteil ein negatives Mindset, ein sich über den Statusquo-Aufregen eher zu den gewünschten Veränderungen führen kann.
Denn manchmal ist eben nicht unser Mindset, sondern die Situation verkehrt.
Wer eine fundierte wissenschaftliche Abhandlung sucht, ist hier sicherlich falsch. Viele von Schreibers Thesen lassen sich wahrscheinlich ebenso leicht widerlegen wie die Autorin jene der Daueroptimisten widerlegt. Es ist vielmehr ein amüsanter Ratgeber, bei dem ich vielen der Thesen zustimmen konnte und den ich überhaupt nicht schlecht gelaunt aus den Händen gelegt habe.

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