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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.04.2022

Literarisch und geografisch durch die Schweiz

Durch die Schweiz
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Wie Daniel de Roulet wandere ich gerne, wenn auch vermutlich nicht so ausgiebig wie der Autor des Romans „Durch die Schweiz“. Wobei das schmale Büchlein – es hat gerade einmal 200 Seiten - auch eher ...


Wie Daniel de Roulet wandere ich gerne, wenn auch vermutlich nicht so ausgiebig wie der Autor des Romans „Durch die Schweiz“. Wobei das schmale Büchlein – es hat gerade einmal 200 Seiten - auch eher ein persönlicher Reisebericht ist und kein Roman. Der Autor hat dafür die Schweiz durchwandert von Genf nach Rorschach und von Porrentruy nach Chiasso. Als Wegbegleiter auf seinen Wanderungen hatte er immer ein Buch dabei, das einen Bezug zu der jeweiligen durchwanderten Gegend hatte. Eine tolle Idee, wie ich finde, denn so habe ich nicht nur Lust bekommen, die beschriebene Gegend auch einmal zu erwandern, sondern auch bei zukünftigen Wanderungen in anderen Gebieten auch nach passender Literatur zu suchen.
Ein sehr persönliches, ruhiges Buch, das einen auf eine geografische und literarische Reise mitnimmt.

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Veröffentlicht am 08.04.2022

Keine leichte, aber sich lohnende Lektüre

Jetzt ergebe ich mich, und das ist alles
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Next stop Mexico. Die literarische Weltreise führt endlich einmal wieder nach Lateinamerika. Der mexikanische Autor Álvaro Enrigue führt uns ins 1835. Die junge Witwe ist von Apachen entführt worden. Leutnant ...

Next stop Mexico. Die literarische Weltreise führt endlich einmal wieder nach Lateinamerika. Der mexikanische Autor Álvaro Enrigue führt uns ins 1835. Die junge Witwe ist von Apachen entführt worden. Leutnant Zuloaga soll sie mit seinem ungewöhnlichen Gefolge bestehend aus einem Showgirl, das irgendwann völlig in ihrer Rolle als Nonne aufgegangen ist, zwei ehemaligen Gefangenen aus dem Stamm der Yaqui und einem in die Jahre gekommenen Tanzlehrer. Der zweite Erzählstrang führt uns ins Jahr 2017. Ein in Amerika lebender mexikanischer Schriftsteller verbringt aus Sorge darüber, dass er nach einem Besuch in seiner Heimat nicht mehr in die USA einreisen kann, seinen Familienurlaub an der Grenze zu Mexiko, genau dort, wo sich einst der letzte große Häuptling der Apachen ergeben hat, mit den Worten, die dem Buch den Titel geben: „Einst war ich frei wie der Wind. Jetzt ergebe ich mich, und das ist alles“.
Ein Buch, das mich begeistert hat und dennoch eine Herausforderung für mich war. Es ist ganz sicher kein Buch, das man einfach so „weglesen“ kann. Zum einen liegt es an der Thematik. Àlvaro Enrigue, der mit der Figur des Schriftstellers 2017 sehr viele Parallelen aufweist, beschreibt eindringlich die Geschichte der Apachen und deren Völkermord und zeigt unbeschönigt das selbstgerechte Verhalten der „Eroberer“ auf. Aber auch der Umgang der Apachen mit ihren Geißeln ist nicht gerade zimperlich. Und dennoch muss ich gestehen, dass ich den Handlungsstrang um die entführte Witwe Camilla besonders interessant und spannend fand. Die große Herausforderung bei der Lektüre war für mich der Erzählstil. Nicht weil der Autor kein Talent hätte, ganz im Gegenteil. Es ist eher der Aufbau und wie er die Erzählstränge verflochten hat, die es mir manchmal etwas schwer gemacht haben, bei der Stange zu bleiben. Das Buch ist in zwei große Kapitel eingeteilt, innerhalb dieser wechselt Enrigue fast unmerklich zwischen den Erzählsträngen hin und her. Ich musste mich wahnsinnig konzentrieren, weil man unmerklich in die andere Handlung „hineinrutscht“.
Als Fazit würde ich sagen, ein großartiges Buch, das es mir nicht immer leicht machte, bei dem ich aber froh bin, dass ich bis zu Ende durchgehalten habe. Es lohnt sich wirklich.

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Veröffentlicht am 03.04.2022

Mehr als nur ein Krimi

Nebeltage
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Der Titel “Nebeltage” von Kaja Malankowska lässt einen nicht sofort an einen Krimi denken. Ich war auch gar nicht auf der Suche nach besonders spannender Lektüre, hatte ich doch in letzter Zeit so einige ...

Der Titel “Nebeltage” von Kaja Malankowska lässt einen nicht sofort an einen Krimi denken. Ich war auch gar nicht auf der Suche nach besonders spannender Lektüre, hatte ich doch in letzter Zeit so einige Thriller gelesen. Stattdessen war ich bei der Auswahl meines nächsten Romans erneut dem Prinzip “welterlesen“ gefolgt und hatte beschlossen, dass meine literarische Reise nach Polen gehen sollte. Dank meines neuen Auswahlverfahrens habe ich wieder einmal eine wahre Perle gefunden, die ich sonst wahrscheinlich nie entdeckt hätte.
Die Krimihandlung ist schnell erzählt:
Eine junge Frau wird ermordet aufgefunden. Für Nachbarn und die wenigen Freunde ist das mehr als überraschend, war das Mordopfer doch eine unauffällige, nette Person. Spuren führen in allerlei Richtungen, verlaufen meist jedoch im Sand. Bis hierhin solide Krimiunterhaltung, lesenswert und gut erzählt.
Was mich aber wirklich begeistert hat, ist wie die Autorin auf fast knapp 700 unterschiedliche Themen, die die polnische Gesellschaft (und nicht nur diese) bewegen, mit der Krimihandlung verflicht. Sexismus bei der Polizei wird ebenso verhandelt wie allgemeine Fremdenfeindlichkeit, psychische Krankheiten und fanatische Religiosität. In all diese Richtungen führen Spuren, denen Kommissar Marcin Sawicki, Macho mit Eheproblemen, und seine neue ehrgeizige, undurchschaubare Kollegin Ada Rochniewicz folgen.
Ein Krimi so hervorragend geschrieben, dass sogar die polnische Literaturpreisträgerin Olga Toarczuk eine Lesempfehlung gegeben hat. Ein Gesellschaftsroman so spannend, dass man ihn nicht aus der Hand legen kann.

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Veröffentlicht am 27.03.2022

Kochender Killer

Der grillende Killer
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Dieses Jahr möchte ich noch mehr als zuvor der Devise unseres Blogs „welterlesen“ folgen und mit Autoren aus möglichst vielen Ländern um die Welt reisen. Bisher habe ich durch dieses Auswahlprinzip schon ...

Dieses Jahr möchte ich noch mehr als zuvor der Devise unseres Blogs „welterlesen“ folgen und mit Autoren aus möglichst vielen Ländern um die Welt reisen. Bisher habe ich durch dieses Auswahlprinzip schon einige interessante Autoren entdeckt, die ich sonst wahrscheinlich übersehen hätte. Den Roman „Der grillende Killer“ habe ich zunächst in erster Linie ausgewählt, weil Chang Kuo-Li aus Taiwan kommt und ich meines Wissens noch nie einen taiwanesischen Autor gelesen habe. Gut, auch der Title „Der grillende Killer“ hat meine Aufmerksamkeit geweckt. Auch wenn sich dann schnell herausstellt, dass der Killer eher ein bratender Killer ist. Wenn er nicht gerade als Scharfschütze unterwegs ist, versorgt er nämlich die Einwohner und Touristen von Manarolo mit gebratenem Reis. Zugegebenermaßen hat die Übersetzerin sich beim Titel des Krimis einige dichterische Freiheit gestattet, und das ist auch gut so, der bratende Killer, so vermute ich, wäre allein des Titels wegen ein Ladenhüter geworden.
Der grillende Killer ist also der taiwanesischer ehemaliger Fremdenlegionär Alex, der sich nun seinen Lebensunterhalt abwechslungsweise als Koch und Scharfschütze verdient. Doch plötzlich ist er nicht mehr Schütze, sondern Ziel.
Gleichzeitig beschäftigen in Taiwan Kommissar Wu in seinen letzten Arbeitstagen vor seiner Pensionierung mit Mord im Militärmilieu. Dort möchte man aber lieber glauben, dass es sich um Selbstmorde handelt.
Bald schon stellt sich heraus, dass zwischen den Ermittlungen in Taiwan und den Vorfällen in Italien eine Verbindung besteht. Spielt eine hübsche junge Offizierin etwa eine Rolle?
Insgesamt spannende Krimiunterhaltung. Mir persönlich war es teilweise zu viel Information zu verschiedenen Waffen, aber das muss bei einem Scharfschützen-Krimi wohl so sein. An manchen Stellen fand ich den Krimi etwas „lost in translation“, obwohl mir, wie erwähnt, der Titel sehr gut gefiel. Vielleicht liegt das daran, dass die deutsche Übersetzung eine Übertragung der englischen Übersetzung aus dem Chinesischen ist und dadurch des öfteren ein bisschen vom Original verloren wurde. Besonders an einer Stelle fiel mir das auf, in der es um chinesische Stäbchen (kuaizi) und die Etymologie des Wortes ging: „Daher verwendeten sie ein anderes Wort: kuaizi. Klingt wie ‚schnell‘, nicht wahr?“ Bei einer Übertragung aus dem Original, hätte der/die Übersetzer*in sicher versucht, in irgendeiner Weise darauf hinzuweisen, dass „kuai“ im Chinesischen „schnell“ bedeutet. Ohne dieses Wissen, ergibt der oben genannte Satz für den Leser, der des Chinesischen nicht mächtig ist, wohl eher weniger Sinn.
Dennoch ein spannender Krimi, der auch eines gewissen Humors nicht entbehrt. Für Krimifans, die ein Faible für Waffen haben, ganz große Leseempfehlung. Alle anderen werden durchaus auch spannende, vergnügliche Lesestunden verbringen.

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Veröffentlicht am 26.03.2022

Tag des Umbruchs

Zukunftsmusik
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Es ist der 11. März 1985. Sowjetische Radiosender spielen Chopins Trauermarsch. Untrügliches Zeichen für die Bürger, dass jemand aus dem Politbüro gestorben ist. Es wird der Tag des Umbruchs sein, der ...


Es ist der 11. März 1985. Sowjetische Radiosender spielen Chopins Trauermarsch. Untrügliches Zeichen für die Bürger, dass jemand aus dem Politbüro gestorben ist. Es wird der Tag des Umbruchs sein, der Tag, an dem Michail Gorbatschow das Amt des Generalsekretärs übernimmt, der Tag, der letztendlich das Ende des Kalten Kriegs einläutet.
Doch die Protagonisten des Romans wissen das nicht. Auf engem Raum leben Großmutter, Mutter, Tochter und Enkelin in einer Kommunalka, einer Gemeinschaftswohnung mit fünf weiteren Mietparteien irgendwo in Sibirien, weit weg von Moskau. Große Hoffnungen auf Veränderung haben sie alle nicht, auch wenn sie ihren kleinen Träumen in ihrem Alltag nachhängen. Katerina Poladjan erzählt von ihren Protagonisten so warmherzig, dass sie einem alle ans Herzen wachsen, wie schrullig sie auch sein mögen. Fast schon möchte man den Tag mit ihnen in der Kommunalka verbringen. Man wird beim Lesen bzw. Hören dieser Geschichte fast ein wenig nostalgisch, auch wenn man diesen im Westen aufgewachsen ganz anders erlebt hat. Am 11. März 1985 wussten wir alle noch nicht, welche positiven Veränderungen dieser Tag bringen würde, welche Möglichkeiten sich insbesondere Deutschland und Europa eröffnen würde. Gerade deswegen stimmt es gerade traurig, dass die Zukunftsmusik von 1985 inzwischen fast schon eine Weise aus alten Tagen ist.
Eine wunderschöne Geschichte einer großartigen Autorin, hervorragend von Ulrich Noethen vorgetragen.
Uns bleibt im Moment nur zu hoffen, dass wir ganz bald einen Tag wie den 11. März 1985 erleben.

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