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Veröffentlicht am 14.02.2022

Ungewöhnlich

bitterer zucker
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Gleich der erste Satz des Buchs ‚knallt‘: „Zu behaupten, ich hätte mich niemals über das Leid meiner Mutter gefreut, wäre eine glatte Lüge.“
Beziehungen zwischen Müttern und Töchtern sind zwar nicht immer ...

Gleich der erste Satz des Buchs ‚knallt‘: „Zu behaupten, ich hätte mich niemals über das Leid meiner Mutter gefreut, wäre eine glatte Lüge.“
Beziehungen zwischen Müttern und Töchtern sind zwar nicht immer einfach.
Dass aber jemand Gefühle gegenüber seiner Mutter in einer solchen Radikalität äußert, ist dann doch etwas ungewöhnlich.
Und so begann ich die Lektüre von Avni Doshnis Debütroman „bitterer zucker“ mit einer ganz bestimmten Erwartungshaltung. Gleich vorweg. Der Roman erwies sich für mich nicht als das Psychogramm einer schwierigen Mutter-Tochter-Beziehung und schon gar nicht als Liebesgeschichte, wie der Klappentext zum Buch suggeriert.
Im Mittelpunkt steht natürlich die komplizierte Beziehung zwischen Antara und ihre Mutter Tara. Diese brach in jungen Jahren aus ihrer arrangierten Ehe aus und flüchtete in einen Ashram, wo sie die Geliebte des Gurus wurde, ihre kleine Tochter sich mehr oder weniger selbst überlassen ist. Später lebt sie mit Tara als Bettlerin auf der Straße. Das birgt natürlich erhebliches Konfliktpotenzial, als die Mutter immer vergesslicher wird und die Tochter sich um die Frau kümmern muss, die ihrer Mutterrolle nie so richtig gerecht wurde.
Ich fand das Buch sehr interessant und hatte auch das Gefühl, streckenweise in Indien einzutauchen, besonders an den Stellen, an den Indien durch Taras in Amerika aufgewachsenen Mann der westlichen Welt gegenübergestellt hat. Seltsamerweise hat mich die Geschichte die ersten ¾ des Buchs emotional nicht so gepackt, wie ich bei dem Stoff vermutet hätte. Ich fand die Darstellung der Autorin doch etwas distanziert.
Insgesamt finde ich, dass es ein interessantes, lesenswertes Buch ist, das aber meine Erwartungen nicht immer ganz erfüllen konnte. Aber muss ein Buch das?

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Veröffentlicht am 06.02.2022

Der zweite Streich der entzückenden Rentnergang

Der Mann, der zweimal starb (Die Mordclub-Serie 2)
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Im zweiten Teil der Mordclub-Serie von Richard Osman hat unser entzückendes Rentnerquartett gleich zwei Fälle zu lösen. Wobei die rüstigen Senioren in ersterem Fall den jugendlichen Delinquenten, der Clubmitglied ...

Im zweiten Teil der Mordclub-Serie von Richard Osman hat unser entzückendes Rentnerquartett gleich zwei Fälle zu lösen. Wobei die rüstigen Senioren in ersterem Fall den jugendlichen Delinquenten, der Clubmitglied Ibrahim seines Handys beraubt und ihn mit einem Fußtritt etliche Verletzungen zugefügt hat, schnell gefunden haben. Doch muss hier noch ein Plan ausgeheckt werden, wie er die ihm angemessene Strafe bekommen soll.
Im anderen Fall müssen sich unsere charmanten Rentnerdetektive mit allerlei Morden auseinandersetzen. Und das beginn alles damit, dass sich ein längst Verflossener Elizabeths, der eigentlich gar nicht mehr unter den Lebenden weilen soll, bei der ehemaligen MI5-Mitarbeiterin.
Die ganzen Verstrickungen und Wendungen sind vielleicht nicht immer ganz logisch, aber um das geht es beim Donnerstags-Mordclub doch nicht wirklich. Oder hat jemand schon mal mitten in einem James Bond Film gerufen, das ist doch total unlogisch. Ok, ich gebe zu: ich. Und dennoch haben die Filme mich jedes Mal aufs Neue amüsiert. Genauso geht es mir bei „Der Mann, der zweimal starb“: durchaus spannend, nicht immer ganz logisch und schlüssig, aber extrem unterhaltsam geschrieben und mindestens genauso amüsant vorgetragen von Beate Himmelstoß und Johannes Steck.

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Veröffentlicht am 06.02.2022

Mit Mona Ameziane auf der Dachterrasse ihres Großvaters (Basidi)

Auf Basidis Dach
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Ins geheimnisvolle Marokko soll es also heute gehen. Da hat man doch gleich Bilder von farbenprächtigen Märkten und Basaren und betörenden Landschaften vor Augen. Dort nennt man Tante-Emma-Läden übrigens ...

Ins geheimnisvolle Marokko soll es also heute gehen. Da hat man doch gleich Bilder von farbenprächtigen Märkten und Basaren und betörenden Landschaften vor Augen. Dort nennt man Tante-Emma-Läden übrigens Hanout. Und wie einen kleinen Gemischtwarenladen im positivsten aller Sinne empfand ich „Auf Basidis Dach, Über Herkunft, Marokko und meine halbe Familie“, mit dem uns die Autorin und Journalistin Mona Ameziane ihre zweite Heimat etwas näher bringen möchte. Basidi ist im marokkanischen die Bezeichnung für Großvater und über ihn und ihre Lalla (Großmutter) geht es in diesem wunderbaren Buch. Aber nicht nur. Ein bisschen erfahren wir natürlich auch von Mona Amezianes Familie in Deutschland und ihr Leben hier. Im Mittelpunkt steht jedoch Marokko, schon allein, weil die Autorin uns mit auf die Suche nach ihrer marokkanischen Seite mitnimmt. Ich habe das Buch unglaublich gerne gelesen und gleich große Lust auf einen Besuch in Marokko bekommen, obwohl es ganz und gar kein Reiseführer ist. Mona Ameziane berichtet von Erlebnissen, die sie bei Besuchen in Marokko hatte und bringt uns ein wenig die marokkanische Kultur näher. In Deutschland sozialisiert betrachtet sie vieles zwar eher von außen, ist aber doch näher dran, als wir es wären. Was mir besonders gut gefallen hat, ist wie ausgeglichen sie über ihre beiden Welten versucht zu berichten. Da wird auf beiden Seiten nichts geschönt, aber auch nicht anklagend der Finger erhoben. (Alltags)-Rassismus in Deutschland wird genauso thematisiert, wie das Leben der sehr privilegierten marokkanischen Oberschicht, in das sie in ihrem Auslandsjahr in Marokko hineinschnuppern konnte. Ein Buch, das sich leicht liest und das wirklich Lust auf Marokko macht, um auf einer Terrasse wie der Basidis noch mehr das über die Kultur dieses ebenso spannenden wie märchenhaften Landes zu erfahren und Einblicke zu gewinnen, wie es sich mit zwei Kulturen lebt.

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Veröffentlicht am 05.02.2022

Interessante Stimme aus Kolumbien

Drei weiße Särge
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Drei Dinge großer Tragweite berichtet unser Protagonist und Ich-Erzähler in Antonio Ungars Roman „Drei weiße Särge“ von jenem Tag: Eine Saite seiner Bassgeige reißt, sein Vater beschließt, fortan unbeweglich ...

Drei Dinge großer Tragweite berichtet unser Protagonist und Ich-Erzähler in Antonio Ungars Roman „Drei weiße Särge“ von jenem Tag: Eine Saite seiner Bassgeige reißt, sein Vater beschließt, fortan unbeweglich im Bett zu verharren und Pedro Akira, Kandidat der Opposition für das Präsidentenamt im fiktiven lateinamerikanischen Staat Miranda wird erschossen.
Wie es der Zufall so will, sieht unser Held dem tödlich angeschossenen Oppositionsführer zum Verwechseln ähnlich und kennt dessen Leibwächter schon seit Schultagen. Und so wird er aus einem relativ ziellosen Leben direkt in die Rolle des Oppositionsführers katapultiert und nimmt diese auch erstaunlich schnell und gut ein.
Doch eine Diktatur wäre keine, wenn man deren Machthaber so leicht stürzen könnte, und schon ist unser Held nicht mehr nur damit beschäftigt, den Umsturz der politischen Verhältnisse voranzutreiben, sondern auch damit, sein Leben und das der ihm Nahestehenden zu verteidigen. Dass sich die Situation zunehmend verschärft, zeigt sich auch daran, dass der anfänglich humorvoll ironische Grundton des Buches immer in den Hintergrund tritt. Eine Lektüre, die man zunächst amüsiert liest, die aber zunehmend spannender wird, einen etwas desillusioniert zurücklässt und einem vor Augen führt, dass in den “Republiken Miranda“ dieser Welt Machtverhältnisse nicht so sind, weil es die Bürger*innen dort nicht anders wollen, wie manche ewig gestrigen Zyniker hier oft so gerne behaupten.
Vielleicht sollten wir alle versuchen, etwas mehr Literatur lateinamerikanischer Autoren zu lesen und unsere „single stories“ von diesem großen Kontinent mit weiteren anreichern. Mehr Verständnis durch mehr Wissen sozusagen. Bleibt nur zu hoffen, dass auch mehr Verlage Bücher unbekannterer lateinamerikanischer Autoren entdecken und dem deutschen Publikum zugänglich machen. Denn jenseits der allseits bekannten großen Autoren dieses Kontinentes ist es selbst für den interessierten Leser nicht leicht, fündig zu werden. Und das ist sehr schade, wie mir die Lektüre dieses absolut empfehlenswerten Romans, der bereits 2012 bei S. Fischer Verlage erschien, zeigt.

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Veröffentlicht am 05.02.2022

Interessante Stimme aus Kolumbien

Drei weiße Särge
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Drei Dinge großer Tragweite berichtet unser Protagonist und Ich-Erzähler in Antonio Ungars Roman „Drei weiße Särge“ von jenem Tag: Eine Saite seiner Bassgeige reißt, sein Vater beschließt, fortan unbeweglich ...

Drei Dinge großer Tragweite berichtet unser Protagonist und Ich-Erzähler in Antonio Ungars Roman „Drei weiße Särge“ von jenem Tag: Eine Saite seiner Bassgeige reißt, sein Vater beschließt, fortan unbeweglich im Bett zu verharren und Pedro Akira, Kandidat der Opposition für das Präsidentenamt im fiktiven lateinamerikanischen Staat Miranda wird erschossen.
Wie es der Zufall so will, sieht unser Held dem tödlich angeschossenen Oppositionsführer zum Verwechseln ähnlich und kennt dessen Leibwächter schon seit Schultagen. Und so wird er aus einem relativ ziellosen Leben direkt in die Rolle des Oppositionsführers katapultiert und nimmt diese auch erstaunlich schnell und gut ein.
Doch eine Diktatur wäre keine, wenn man deren Machthaber so leicht stürzen könnte, und schon ist unser Held nicht mehr nur damit beschäftigt, den Umsturz der politischen Verhältnisse voranzutreiben, sondern auch damit, sein Leben und das der ihm Nahestehenden zu verteidigen. Dass sich die Situation zunehmend verschärft, zeigt sich auch daran, dass der anfänglich humorvoll ironische Grundton des Buches immer in den Hintergrund tritt. Eine Lektüre, die man zunächst amüsiert liest, die aber zunehmend spannender wird, einen etwas desillusioniert zurücklässt und einem vor Augen führt, dass in den “Republiken Miranda“ dieser Welt Machtverhältnisse nicht so sind, weil es die Bürger*innen dort nicht anders wollen, wie manche ewig gestrigen Zyniker hier oft so gerne behaupten.
Vielleicht sollten wir alle versuchen, etwas mehr Literatur lateinamerikanischer Autoren zu lesen und unsere „single stories“ von diesem großen Kontinent mit weiteren anreichern. Mehr Verständnis durch mehr Wissen sozusagen. Bleibt nur zu hoffen, dass auch mehr Verlage Bücher unbekannterer lateinamerikanischer Autoren entdecken und dem deutschen Publikum zugänglich machen. Denn jenseits der allseits bekannten großen Autoren dieses Kontinentes ist es selbst für den interessierten Leser nicht leicht, fündig zu werden. Und das ist sehr schade, wie mir die Lektüre dieses absolut empfehlenswerten Romans, der bereits 2012 bei S. Fischer Verlage erschien, zeigt.

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