Platzhalter für Profilbild

Venatrix

Lesejury Star
offline

Venatrix ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Venatrix über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.12.2022

Subjektiver Bericht aus dem Chaos

ZOV – Der verbotene Bericht
0

Seit dem 24. Februar 2022 tobt ein Angriffskrieg der russischen Armee gegen die Ukraine. Ein Krieg, der laut Wladimir Putin nur eine „Spezialoperation“ sein soll. Ein Krieg, den sich der Herr im Kreml ...

Seit dem 24. Februar 2022 tobt ein Angriffskrieg der russischen Armee gegen die Ukraine. Ein Krieg, der laut Wladimir Putin nur eine „Spezialoperation“ sein soll. Ein Krieg, den sich der Herr im Kreml anders vorgestellt hat.

Dieser verbotene Bericht des ehemaligen Soldaten und Kriegsteilnehmers Pawel Filjatjew zeigt das Menschen verachtende Regime Putins. Ohne Rücksicht auf Verluste werden schlecht bis gar nicht ausgerüstete Soldaten, die kaum eine ordentliche Ausbildung erhalten haben, ohne Verpflegung und Nachschub mit veraltetem schlecht funktionierenden Kriegsgerät in den Krieg geschickt.

Schonungslos berichtet Pawel Filatjew wie er stündlich mehr an der russischen Armeeführung zweifelt. Als Sohn eines Soldaten ist er in militärischem Umfeld aufgewachsen, war selbst Soldat, später dann Pferdezüchter und ist während der Corona-Pandemie aus finanziellen Gründen wieder zum Militär gegangen. Er kennt also den Unterschied des Heeres aus den früheren Jahren und dem aktuellen Zustand.

Filatjew erzählt als erster Soldat der russischen Armee, was er bei seinem Einsatz in der Ukraine erlebt hat. Dieses Buch zeigt plastisch, warum die russische Armee, in der Vetternwirtschaft und Korruption vorherrschen, so schlecht funktioniert. Wir Leser erfahren, dass die Soldaten über Ziel und Zweck ihres Einsatzes völlig im Unklaren gelassen worden sind.

Der Autor berichtet, dass die Soldaten den versprochenen Sold nicht erhalten, dass Verwundete nicht ausreichend medizinisch versorgt werden und die einzelnen Kommandierenden oftmals nicht wüssten, was als nächstes oder überhaupt zu tun sei. Eine Standardfloskel, der das Chaos durchaus gut um- und beschreibt lautet: „Die/wir haben sicher einen Plan“. Dieser Satz ist mehrmals zu lesen, jedes Mal zynischer.

Meine Meinung:

Für Nicht-Militaristen ist dieses Buch nicht ganz einfach zu lesen. Es wimmelt von militärischen Abkürzungen wie EPa, Javelin etc. und Bezeichnungen von russischen (Kriegs)Gerät (AGS-17, UAZ, KAMAZ etc.), das mühsam im Internet recherchiert werden muss. Manches erschließt sich durch aufmerksames Lesen aus dem Text, aber ein Abkürzungsverzeichnis wäre sehr hilfreich.

Ein bisschen mehr Struktur hätte diesem sehr subjektiven Bericht nicht geschadet. Es gibt häufige Zeitsprünge und Ortswechsel. Aber, vielleicht ist das auch ein Stilmittel, um sich die chaotischen Wochen von der Seele zu schreiben.

Dennoch kann ich mir es nicht verkneifen, die eine oder andere Aussage in Zweifel zu ziehen. So sollen die hungernden und schlecht ausgerüsteten russischen Soldaten „nur“ Verpflegung aus den zerstörten ukrainischen Geschäften gestohlen haben. Dass gefangengenommen, weil spionierende, Zivilisten nach halbherzigen Befragungen wieder unbehelligt entlassen worden sind, scheint mir ein wenig unwahrscheinlich.

Auch dass er straflos das Gewehr und den Stahlhelm verliert, kann ich mir kaum vorstellen. Gut, das Gewehr findet sich wieder, aber der Helm? Keine Sanktionen?

Fazit:

Es erfordert Mut, sich aus dem Chaos zu verabschieden und die subjektiven Erlebnisse überhaupt niederzuschreiben. Dafür muss man dem Autor Respekt zollen.
Trotzdem bleibt bei mir ein gewisses Unbehagen, was diesen Bericht betrifft. Die jahrelange Indoktrination lässt sich nicht schönreden. Gerne gebe ich hier 3 Sterne.

Veröffentlicht am 20.12.2022

Athmospärisch dichter hist. Krimi

Die Wilderin
0

Sophie Reyer entführt uns mit ihrem historischen Roman in sie karge und schroffe Bergwelt Tirols von 1900.

Um ihre Familie zu erhalten, muss Theres, die einen kleinen Bergbauernhof betreibt, wie weiland ...

Sophie Reyer entführt uns mit ihrem historischen Roman in sie karge und schroffe Bergwelt Tirols von 1900.

Um ihre Familie zu erhalten, muss Theres, die einen kleinen Bergbauernhof betreibt, wie weiland schon ihr Vater zur Bockbüchse greifen und das eine oder andere Stück Wild zu erlegen.

Als dann ein Mann erschossen aufgefunden wird, gerät Theres unter Verdacht, da man bei ihm ein rotes Tuch findet, das Theres gehört.

Die Dorfbewohner wollen es schon immer gewusst haben, denn wer wildert, schießt auch auf Menschen. Und so scheint das Urteil bereits festzustehen, denn auch für den Postenkommandanten ist Theres schuldig. Nur Inspektor Andreas Schmidt hat so seine Zweifel und sucht nach Beweisen für Theres‘ Unschuld.

Meine Meinung:

Wie wir es von Sophie Reyer gewöhnt sind, begibt sie sich mit ihren Romanen in eine mystische Ebene. Im Fall der „Wilderin“ sind die Tiroler Sagengestalten der Saligen sehr präsent. Die saligen Frauen werden als scheue, aber hilfsbereite und weise Frauen beschrieben, die in Not geratenen Menschen helfen. Das zeigt sich letztlich auch beim Prozess gegen die Theres. Es scheint als ob die Saligen der Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen, denn nun werden alte Konflikte aufgelöst und der wahre Täter meldet sich.

Obwohl das Leben auf der Alm mehr als karg ist und Theres zahlreiche Schicksalsschläge hinnehmen muss, verzagt sie nicht. Sie nimmt das Schicksal so an, wie es ist.

Sophie Reyer zeichnet ein Sittenbild des Tirols zu Beginn des 20. Jahrhunderts, das diesen Roman zu etwas Besonderem macht. Wir erleben Theres in ihrer ganz eigene Welt, die abgeschottet vom übrigen Weltgeschehen auf ihrer Alm ums Überleben kämpft. Theres lebt im Einklang mit der Natur und entnimmt nur das, was sie für das Überleben braucht. Diese Eigenständigkeit, dieses Anders sein ist den Dorfbewohnern ein Dorn im Auge.

Fazit:

Ein historischer Krimi nach einer wahren Begebenheit, der mehr Sittenbild einer Region als Kriminalroman ist, aber durch seine bildhafte Sprache besticht. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 20.12.2022

Eine gelungene Fortsetzung

Mord am Kehlsteinhaus
0

In seinem zweiten Fall als frischgebackener Leiter der Kripo Berchtesgaden bekommt es Bergpolizist Simon Perlinger mit einer Blut verschmierten Liftkabine des Kehlsteinhauses zu tun. Ein dazugehöriges ...

In seinem zweiten Fall als frischgebackener Leiter der Kripo Berchtesgaden bekommt es Bergpolizist Simon Perlinger mit einer Blut verschmierten Liftkabine des Kehlsteinhauses zu tun. Ein dazugehöriges Opfer fehlt allerdings. Zeitgleich wird Golo Gruber, einer der drei Geschäftsführer der Grubermilch AG, vermisst. Seine Ehefrau scheint nicht allzu besorgt über das Verschwinden zu sein.
Wenig später wird die Leiche eines am Mannlgrat verunglückten Bergsteigers gefunden, der sich als Gernot Gruber, Bruder des Vermissten, herausstellt. Zufall?

Simon Perlinger glaubt an vieles, aber nicht an Zufälle und beginnt zu ermitteln. Je tiefer er in die Familiengeschichte der Grubers eindringt, desto mehr Rätsel tauchen auf.

Als dann der vermisste Golo Gruber doch noch wohlbehalten auftaucht, müssen die Ermittlungsansätze neu überdacht werden ...

Meine Meinung:

Dieser Krimi besticht durch zahlreiche Wendungen und Unwägbarkeiten. Damit wird die Spannung aufrecht erhalten. Simon Perlinger und seine Kollegin Luisa Sedlbauer haben alle Hände voll zu tun. Mitunter schleifen sich auch kleine Konzentrationsfehler ein und Perlinger wirkt nicht immer souverän. Das macht ihn menschlich. Akribisch wird buchstäblich jeder Stein mehrmals umgedreht bis sich die Auflösung dem Leser erschließt.

Gut ist die Geschichte des Kehlsteinhauses in den Krimi eingeflochten.

Die Charaktere sind gut angelegt. Diesmal gibt es mehr „Personal“ und die Verstrickung vieler Personen in den Kriminalfall macht es weder Perlinger noch dem Leser leicht, die Übersicht zu bewahren. Da hilft das Personenverzeichnis am Anfang des Buches sehr.

Fazit:

Ein spannender Krimi bei dem wenig so ist, wie es scheint. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 20.12.2022

Leider nichts für mich

Bittersüße Weihnachtszeit
0

Der Klappentext verspricht einen fesselnden Weihnachtskrimi mit einer Prise Humor und Romantik. Leider ist davon wenig bis nichts zu spüren.

Der Dresdner Striezelmarkt mit seinen Punschständen sowie der ...

Der Klappentext verspricht einen fesselnden Weihnachtskrimi mit einer Prise Humor und Romantik. Leider ist davon wenig bis nichts zu spüren.

Der Dresdner Striezelmarkt mit seinen Punschständen sowie der Schneesturm in Prag sollen wohl für weihnachtliche Stimmung sorgen. Ob der Ereignisse kann dies allerdings nicht aufkommen.

Die Charaktere sind, entgegen der sonstigen Krimis von Andrea Nagele, außer nervig nur nervig. Das beginnt schon bei Emma, der alleinerziehenden Mutter, die sich von den Marotten der vierjährigen Lucy sowie von ihrem Ex-Mann tyrannisieren lässt. Wie kann man einer Vierjährigen das alles durchgehen lassen? Der Ex-Mann Josef ist ein Ekelpaket wie er im Lehrbuch steht. Seine Ex-Frau ständig - auch vor Fremden als „Dummerchen“ zu bezeichnen, ist wohl mehr als abscheulich. Da ist es plausibel, dass Lucy ihrer Mutter gegenüber ähnliche Töne anschlägt.

Josef ist auch seiner neuen Frau Mary gegenüber unmöglich. Sie ist höchstschwanger und muss mit ihm nach Prag fahren, wo die kleine Lucy nun verschwunden ist. Josefs Frauenbild ist einfach furchtbar. Dass Emma dann noch schnell für Mary Blut spenden muss, ist höchst unglaubwürdig. Blutgruppe Null (Universalspenderblut) sollte in jedem Krankenhaus in ausreichender Menge vorhanden.

Einzig die Wortspielerei mit Josef und Mary, die nun zu Weihnachten ihr gemeinsames Baby erwarten, das sie dann noch Jesus nennen, hat mir ein leichtes Schmunzeln entlockt.

Fazit:

Nein, das war leider nichts für mich, schade. Es reicht gerade einmal für 2 Sterne.

Veröffentlicht am 19.12.2022

Fesselnd bis zur letzten Seite

Fräulein Gold: Die Rote Insel
0

In diesem nunmehr 5. Band der Reihe rund um Hebamme Hulda Gold steht, neben den politischen Unruhen von 1926, ihr eigenes Schicksal als ledige Mutter im Fokus.
Nach dem Unfalltod ihres Verlobten Johann, ...

In diesem nunmehr 5. Band der Reihe rund um Hebamme Hulda Gold steht, neben den politischen Unruhen von 1926, ihr eigenes Schicksal als ledige Mutter im Fokus.
Nach dem Unfalltod ihres Verlobten Johann, lebt Hulda nun in Schöneberg, auf der sogenannten Roten Insel, einem Stadtteil, der hauptsächlich von der Arbeiterschaft bewohnt wird. Sie arbeitet bei Grete Fischer, einer Ärztin, die in Not geratene Frauen unterstützt. Allerdings geben Gretes politische Ansichten, die ihrem Freund, einem militanten Kommunisten, hörig ist, Anlass zu Sorge.

Hier, unter der Arbeiterschaft ist Hulda eine Außenstehende, die trotz ihres einnehmenden Wesens und der Hilfsbereitschaft scheel angesehen wird.
„Wo zum Teufel gehörte sie nun hin? Wo würde sie akzeptiert werden – und gleichzeitig sie selbst sein können?“ (S. 77)

Als ein Kohlenhändler in ihrer unmittelbarer Nähe erschlagen worden ist, ist für die Roten klar, dass die Mörder in den Reihen der Braunen zu finden sein werden. Doch Hulda zweifelt an dieser Theorie und stellt eigene Überlegungen und Nachforschungen an. Dabei trifft sie ihren früheren Freund Karl North wieder, der als Ex-Polizist und nunmehriger Privatermittler, Erkundigungen in Schöneberg einzieht.


Meine Meinung:

Anne Stern gelingt es auch im 5. Fall die Zeit der Weimarer Republik sehr gut einzufangen. Deutschland steuert langsam auf bürgerkriegsähnliche Zustände zu: Kommunisten und Sozialisten gegen die immer stärker werdenden Nationalsozialisten.

Gut gefallen hat mir, dass Karl North wieder eine größere Rolle spielen darf.

Hulda Gold macht eine langsame, aber unaufhörliche Wandlung durch. Sie ist zerrissen. Einerseits freut sie sich auf ihr Kind, andererseits weiß sie nicht, wie es weitergehen soll. Sie teilt nun das Schicksal zahlreicher lediger Mütter: kein Einkommen und nur eine feuchte Kellerwohnung. Letztlich springt sie über ihren Schatten und beginnt jene Brücken, die sie vor kurzem abgebrochen hat, wieder aufzubauen. So nimmt Kontakt mit Johanns Eltern auf und erneuert ihre Freundschaften am Winterfeldplatz. Und siehe da, die alten Freunde ihres früheren Lebens sagen ihr Unterstützung zu.

Man darf gespannt auf den nächsten Band sein, der im Herbst 2023 erhältlich sein wird. Eine kurze Leseprobe macht neugierig.

Anne Sterns Schreibstil ist fesselnd und mitreißend. Manche Leserinnen wird die genaue Schilderung des politischen Umfelds vielleicht nicht so interessieren, doch in meinen Augen macht genau das, neben dem Lokalkolorit Berlins, den Reiz dieser Reihe aus.

Fazit:

Wer diese Reihe einmal begonnen hat, wird Hulda Golds Lebensweg weiter verfolgen wollen. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.