Profilbild von VerenaM

VerenaM

Lesejury Profi
offline

VerenaM ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit VerenaM über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.07.2019

Am Ende das Leben - Oder: wer darf leben?

Am Ende das Leben
0

Ava ist erst 13, als bei einer Flugshow in ihrer Stadt Stone Tempel ein Flugzeug abstürzt und sie und ihren besten Freund Wash unter Trümmern begräbt. Wash ist schwer verletzt und er hat kaum eine Chance ...

Ava ist erst 13, als bei einer Flugshow in ihrer Stadt Stone Tempel ein Flugzeug abstürzt und sie und ihren besten Freund Wash unter Trümmern begräbt. Wash ist schwer verletzt und er hat kaum eine Chance diesen Unfall zu überleben. Doch als Ava ihre Hände auf die Wunde legt, um die Blutung zu stillen, geschieht ein Wunder. Die schwere Wunde von Wash wird kleiner und verschwindet letztendlich ganz. Ava dagegen verfällt daraufhin in eine tagelang andauernde Bewusstlosigkeit. Als sie endlich wieder erwacht, ist ihr Leben nicht mehr wie vorher. Jemand hat die Wunderheilung von Wash gefilmt und in den Medien verbreitet. Journalisten, Prediger und verzweifelte Menschen belagern daraufhin erst das Krankenhaus und dann ihr Zuhause und schrecken auch trotz Polizeischutz nicht vor Einbrüchen zurück, um Ava zu sehen. Die Familien der beiden Kinder müssen sich entscheiden. Können sie Ava beschützen? Darf man so eine Begabung der Menschheit vorenthalten, ungeachtet aller Konsequenzen? Am Ende trifft Ava dann ihre ganz eigene Entscheidung.

Ein sehr berührender Roman um die ganz konkrete Frage, was ein Mensch wert ist und ob jemand dazu verpflichtet ist, sich für das größere Wohl zu opfern. Eine sensible Frage, die gar nicht so einfach zu beantworten ist und die aktueller ist, als man im ersten Moment meinen könnte. Eigentlich ist es wahnsinnig, überhaupt eine Antwort finden zu wollen. Doch genau vor diesem Dilemma stehen die Menschen in dieser Geschichte. Und auch wenn die Einstellung einzelner Personen festzustehen scheint, geraten fast alle ins Wanken, wenn es um das persönliche Schicksal geht.

Mich hat der Roman an vielen Stellen aufgewühlt und auch sprachlos gemacht. Auch wenn es natürlich nur eine Fiktion war, so war sie doch so realistisch erzählt, dass ich mir leider mehr als gut vorstellen kann, dass dies auch in unserer realen Gesellschaft jederzeit so passieren könnte. Denn die anfängliche Frage nach dem Wert eines Menschen und damit auch seinen Rechten, lässt sich auf so viele Bereiche unseres modernen Lebens anwenden. Jason Mott hat mit „Am Ende das Leben“ auf jeden Fall einen Nerv getroffen. Das Buch regt zum Nachdenken und vielleicht auch Überdenken grundlegender Einstellungen an und sollte nicht einfach als nette Geschichte abgetan werden.

Veröffentlicht am 26.07.2019

Freetown - Überzeugt auf den zweiten Blick

Freetown
0

Maria vermisst Ishmael, einen Flüchtling aus Sierra Leone. Er kam vor 7 Jahren zu ihr, als Zeitungsbote und ist geblieben. Als er eines Tages urplötzlich wieder verschwindet, ist Maria verwirrt und sucht ...

Maria vermisst Ishmael, einen Flüchtling aus Sierra Leone. Er kam vor 7 Jahren zu ihr, als Zeitungsbote und ist geblieben. Als er eines Tages urplötzlich wieder verschwindet, ist Maria verwirrt und sucht Hilfe bei ihrer alten Affäre Vincent, der Psychologe von Beruf ist. Maria möchte über Ishmael sprechen und verstehen, warum er gegangen ist, bevor sie, wie sie selbst sagt, verrückt wird. Vincent dagegen konnte Maria nie ganz vergessen und mit ihrem Besuch kommen die alten Erinnerungen wieder hoch.

Ich muss gestehen, dass ich die Geschichte zuerst etwas ernüchternd fand und auch nicht genau wusste, was ich mit dem Gelesenen anfangen sollte. Im Prinzip hatte ich gerade einen Austausch von Monologen zweier Personen mitverfolgt, welcher sich auch gegen Ende nicht spürbar in ein Ergebnis auflöst. Gegen Ende behauptet Maria zwar, dass es ihr jetzt besser ginge und sie das Verschwinden von Ishmael verstehen würde, nur habe ich selber keine Anhaltspunkte dafür gefunden. Ishmael selbst tritt schon sehr bald in den Hintergrund und die vergangene Beziehung der beiden Charaktere tritt mehr und mehr hervor. Dieser erste Eindruck von der Handlung widersprach sich für mich mit dem sehr feinen und detaillierten Schreibstil des Autors, denn seine Sätze sind nie konstruiert, sondern unglaublich lebendig und menschlich. Wie passte dieser Stil mit der etwas unfertigen wirkenden Geschichte zusammen?

Bevor ich mir daher ein endgültiges Urteil erlauben wollte, habe ich zusätzlich eine seiner Lesungen von „Freetown“ besucht, wo ich mir eine zweite, vielleicht auch bessere Meinung über das Buch bilden wollte, was erfreulicherweise geglückt ist. Ich konnte zuerst einmal feststellen, dass nicht nur für mich der Kern der Geschichte auf Anhieb nicht ganz greifbar war. In seiner Präsentation des Buches, erklärte Otto de Kat auch, was seine Idee für die Geschichte war und wie diese sich dahin entwickelt hat, was sie jetzt ist. Nämlich kein Roman über einen Flüchtling, und wie wir Europäer, in relativem Wohlstand lebend, mit der neuen Situation umgehen. Keine Auseinandersetzung mit der fremden Kultur und den Widersprüchen zu der Eigenen. Und auch keine klassische Liebesgeschichte mit Happy End.

Der Roman ist was er ist, ein Auszug aus dem Leben zweier Menschen, die auch mal eine Zeit lang einen Weg gemeinsam gegangen sind und sich nun nach langer Zeit wiedersehen. Ishmael ist dabei tatsächlich nur der Auslöser für das, was auf sein Verschwinden hin folgt. Was das genau ist, bleibt der Interpretation eines Jeden selber überlassen. Sollten sich Maria und Vincent vielleicht einfach noch einmal sehen, nach so langer Zeit? Ist es vielleicht die Erinnerung an ihre gemeinsame schöne Zeit oder die Erkenntnis, dass das, was man bereits hat, auch gut ist? Oder womöglich weckt das Kennenlernen einer fremden Kultur sogar den Wunsch nach neuen Abenteuern? Es gibt daher meiner Meinung nach auch ganz bewusst keine Auflösung der Geschichte. Denn sie soll einladen, seine eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Der Roman ist eine kleine aber feiner Geschichte über zwei Menschen gegen Ende ihres Lebens und ihrer eigenen Erkenntnis, dass man im Alter nicht immer auch weiser geworden ist. Bestimmt werde ich mich auch noch an den einen oder anderen Roman von Otto de Kat wagen, denn „Freetown“ hat mich zumindest soweit überzeugt, seine Werke noch ein bisschen besser kennen zu lernen.

Veröffentlicht am 26.07.2019

Gewohnt gut, aber schon besser gewesen

Die Glocke von Whitechapel
0

Der gesichtslose Magier ist endlich identifiziert und Constable Peter Grant setzt alles daran, ihn zu fassen zu bekommen. Denn Martin Chorley hat eine Vision von einem vermeintlich besseren London und ...

Der gesichtslose Magier ist endlich identifiziert und Constable Peter Grant setzt alles daran, ihn zu fassen zu bekommen. Denn Martin Chorley hat eine Vision von einem vermeintlich besseren London und ist bereit, alles dafür zu tun. Das hat inzwischen auch die Metropolitan Police mitbekommen und quasi eine Fachbereich übergreifende Operation gestartet, um London vor einer großen Katastrophe zu bewahren. Mit Hilfe seiner Kollegen und mit Unterstützung von Londons Flüssen kommt Peter der Wahrheit immer näher. Für Martin Chorley eindeutig zu nah.

Der Klappentext klang wieder sehr vielversprechend und ich konnte daher die Fortsetzung der beliebten Romanreihe kaum erwarten. Das Buch ist wie gewohnt witzig geschrieben, mit genau der richtigen Menge trockenem, britischem Humor. Wie auch bei dem einen oder anderen Vorgänger der Reihe ist die Handlung sehr erlebnisreich und baut sich, zum großen Finale hin, auf. Leider ist der Schluss dieses Mal nicht so fulminant, wie ich es erwartet hatte, denn ich finde, die Handlung versprach mehr. Auch wenn das Böse nun bekannt ist und man jetzt die große Verfolgungsjagd beginnen kann, hätte ich doch noch eine interessante Wendung erwartet. So war die Geschichte leider sehr vorhersehbar bzw. einfach nicht sehr überraschend. Gerne hätte ich auch noch ein paar neue magische Charaktere kennengelernt, die unverhofft auftauchen. Aber die Geschichte bleibt auch hier sehr geradlinig beim Altbekannten und auch die, dem Leser bereits geläufigen Personen, erfahren keine nennenswerte Entwicklung. Für mich scheint es daher ein bisschen, als sei die Entdeckung der magischen Welt in Peter Grants London abgeschlossen. Interessant dagegen bleibt die zukünftige Rolle von „Fingerhut“ und den Mitgliedern der Little Crocodiles. Da lasse ich mich gerne noch von dem nächsten Buch überraschen. Als etwas unpassend empfinde ich den, in diesem Buch etwas Überhand nehmenden, romantischen Teil. Aber das ist nur mein persönlicher Geschmack.

Insgesamt lässt sich sagen, dass Ben Aaronovitch auch dieses Mal auch wieder einen qualitativ guten Roman geliefert hat. Dieses Mal allerdings mit ein paar Schwächen im Spannungsverlauf. Ich hoffe, dass im nächsten Roman der Fokus wieder mehr auf der Weiterentwicklung der magischen Welt liegt.

Veröffentlicht am 24.07.2019

Der Wal und das Ende der Welt

Der Wal und das Ende der Welt
0

Joe Haak wird bewusstlos am Strand des kleinen Fischerdorfes St. Piran gefunden, nach dem die Flut ihn dort angespült hat. Gerettet von den Bewohnern des Dorfes, kommt er erst einmal bei dem Dorfarzt Malory ...

Joe Haak wird bewusstlos am Strand des kleinen Fischerdorfes St. Piran gefunden, nach dem die Flut ihn dort angespült hat. Gerettet von den Bewohnern des Dorfes, kommt er erst einmal bei dem Dorfarzt Malory Books unter. Er stellt schnell fest, dass Joe irgendetwas belastet und dieser öffnet sich nur langsam ihm und den anderen Bewohnern gegenüber, die natürlich, wie auf einem Dorf durchaus üblich, schon die verschiedensten Theorien über Joe und sein plötzliches Auftauchen angestellt haben. Eines Tages bringt die Flut noch ein weiteres Lebewesen aus dem Meer. Ein riesiger Wal ist an der Küste gestrandet. Mit vereinten Kräften schaffen es Joe und die Bewohner von St. Piran den Wal wieder ins Meer zurück zu schieben. Die Freude darüber ist groß und Joe ist der Held des Tages. Doch es scheint sich bereits ein weiteres Unglück anzukündigen und nur Joe, der weiß, wie vieles auf der Welt zusammenhängt, erfasst das ganze Ausmaß. Nur kennt er eben nicht alle Zusammenhänge.

Nach einer kurzen Einleitung, beginnt direkt die eigentliche Handlung und man kann sehr gut in die Geschichte eintauchen. Der Autor schafft es die mystische Stimmung des Ortes und der Ereignisse einzufangen und nach außen zu transportieren. Mir hat es ein schönes Bild der Gegend und der Charaktere vermittelt, welches mich auch oft schmunzeln lies. Ohne zu viel verraten, möchte ich doch erwähnen, dass auch Fachwissen in dem Roman eine große Rolle spielt aber wiederum nicht vonnöten ist, da dieser Teil wunderbar, auch für Nicht-Experten, beschrieben und in den Kontext eingebunden ist, so dass auch hier der Lesefluss nicht unterbrochen wird. Besonders gefallen haben mir die Rückblenden in Joes Leben, in welchen man Stück für Stück mehr über ihn und seine Situation erfährt. Die Dialoge in den einzelnen Abschnitten waren jeweils der Situation und den handelnden Personen angepasst, was mir ebenfalls positiv aufgefallen ist.
Die ganze Geschichte hat eine sehr reale Komponente, was den Roman in meinen Augen noch interessanter und vielleicht auch vielseitiger macht. Es ist eben nicht nur eine Geschichte über einen Wal und einem Dorf in Cornwall.

Als einzigen Kritikpunkt habe ich das Ende des Buches, was in meinen Augen etwas gemacht erscheint und ich die Entscheidung des Autors, für diese Art des Endes, nicht ganz nachvollziehen kann. Aber das ist natürlich Geschmacksache.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass mich dieser Roman positiv überrascht hat, da ich mit dieser thematischen Tiefe (vielleicht auch emotionalen Tiefe) nicht gerechnet hatte, als ich mich entschieden habe, das Buch zu kaufen. Auch hier wieder ein Roman, der zum Nachdenken anregen sollte. Über unsere Erde und welche Rolle wir darin spielen.

Veröffentlicht am 10.07.2019

Deckname Flamingo - Spionage mit Witz

Deckname Flamingo
0

In "Deckname Flamingo" geht es um Julia, welche während des 2. Weltkrieges vom MI5 als Agentin rekrutiert wird. Anfänglich soll sie nur Protokolle von geheimen Treffen einer Gruppe Nazi-Sympathisanten ...

In "Deckname Flamingo" geht es um Julia, welche während des 2. Weltkrieges vom MI5 als Agentin rekrutiert wird. Anfänglich soll sie nur Protokolle von geheimen Treffen einer Gruppe Nazi-Sympathisanten abtippen. Doch schon bald wir sie von ihrem Vorgesetzten Perry auch als Spionin eingesetzt, um Informationen von weiteren Kriegsbefürwortern zu sammeln. Natürlich ist beides nicht ohne Gefahr und unvorhersehbare Ereignisse führen dazu, dass auch Menschen sterben.
Nach Kriegsende arbeitet Julia bei der BBC an einer Radiosendung für Schüler mit und möchte mit dem MI5 und ihren Spionagetätigkeiten eigentlich nichts mehr zu tun haben. Doch auch zehn Jahre später kreuzen immer noch alte Bekannte ihren Weg und sie muss erkennen, dass man sie, einmal dabei gewesen, nicht mehr so einfach in Ruhe lässt, denn es gibt mehr als eine Person, die mit der Vergangenheit noch nicht abschließen kann.

Der Roman spielt hauptsächlich in zwei Zeitabschnitten, den Jahren 1940 und 1950, zwischen denen aber nur selten gewechselt wird, was es einfach macht der Handlung zu folgen. In sich sind die einzelnen Abschnitte jedoch nicht chronologisch aufgebaut. Das kann vielleicht am Anfang etwas verwirren, aber wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, macht es die Geschichte, in meinen Augen, noch unterhaltsamer zu lesen, da man immer wieder kleine Aha-Erlebnisse hat. Da so auch auf bereits vergangene Geschehnisse immer wieder Bezug genommen wird, ist die Geschichte stets präsent und man bekommt ein wunderbares Gesamtbild.
Spannend ist auch, dass man nie sagen kann, wer auf welcher Seite steht. Wer gehört zum MI5? Wer sympathisiert tatsächlich mit den Nazis? Keiner ist das, was er vorgibt zu sein. Oder vielleicht doch? So ist auch die Wendung am Schluss des Romanes kaum vorhersehbar. Zuerst dachte ich, dass diese Wendung etwas abrupt kommt. Aber wenn man etwas darüber nachdenkt, erinnert man sich an unterschiedliche Begebenheiten, die man vielleicht einfach falsch eingeordnet oder als weniger wichtig bewertet hat, die aber entscheidend für den Ausgang der Geschichte sind.

"Deckname Flamingo" war mein erster Spionageroman in diesem Stil und ich war trotz anfänglicher ´Orientierungsprobleme´ doch positiv überrascht, wie gut mir diese Form des Schreibens gefällt. Zusammen mit einer kleinen Portion Witz und englischer „Teatime“ (Frei nach dem Motto: „A cup of tea solves everything“) ist Kate Atkinson hier ein gleichwohl spannender wie unterhaltsamer Spionageroman gelungen. Ich werde mich bestimmt nach weiteren Werken von ihr umsehen.