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Veröffentlicht am 26.07.2019

Freetown - Überzeugt auf den zweiten Blick

Freetown
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Maria vermisst Ishmael, einen Flüchtling aus Sierra Leone. Er kam vor 7 Jahren zu ihr, als Zeitungsbote und ist geblieben. Als er eines Tages urplötzlich wieder verschwindet, ist Maria verwirrt und sucht ...

Maria vermisst Ishmael, einen Flüchtling aus Sierra Leone. Er kam vor 7 Jahren zu ihr, als Zeitungsbote und ist geblieben. Als er eines Tages urplötzlich wieder verschwindet, ist Maria verwirrt und sucht Hilfe bei ihrer alten Affäre Vincent, der Psychologe von Beruf ist. Maria möchte über Ishmael sprechen und verstehen, warum er gegangen ist, bevor sie, wie sie selbst sagt, verrückt wird. Vincent dagegen konnte Maria nie ganz vergessen und mit ihrem Besuch kommen die alten Erinnerungen wieder hoch.

Ich muss gestehen, dass ich die Geschichte zuerst etwas ernüchternd fand und auch nicht genau wusste, was ich mit dem Gelesenen anfangen sollte. Im Prinzip hatte ich gerade einen Austausch von Monologen zweier Personen mitverfolgt, welcher sich auch gegen Ende nicht spürbar in ein Ergebnis auflöst. Gegen Ende behauptet Maria zwar, dass es ihr jetzt besser ginge und sie das Verschwinden von Ishmael verstehen würde, nur habe ich selber keine Anhaltspunkte dafür gefunden. Ishmael selbst tritt schon sehr bald in den Hintergrund und die vergangene Beziehung der beiden Charaktere tritt mehr und mehr hervor. Dieser erste Eindruck von der Handlung widersprach sich für mich mit dem sehr feinen und detaillierten Schreibstil des Autors, denn seine Sätze sind nie konstruiert, sondern unglaublich lebendig und menschlich. Wie passte dieser Stil mit der etwas unfertigen wirkenden Geschichte zusammen?

Bevor ich mir daher ein endgültiges Urteil erlauben wollte, habe ich zusätzlich eine seiner Lesungen von „Freetown“ besucht, wo ich mir eine zweite, vielleicht auch bessere Meinung über das Buch bilden wollte, was erfreulicherweise geglückt ist. Ich konnte zuerst einmal feststellen, dass nicht nur für mich der Kern der Geschichte auf Anhieb nicht ganz greifbar war. In seiner Präsentation des Buches, erklärte Otto de Kat auch, was seine Idee für die Geschichte war und wie diese sich dahin entwickelt hat, was sie jetzt ist. Nämlich kein Roman über einen Flüchtling, und wie wir Europäer, in relativem Wohlstand lebend, mit der neuen Situation umgehen. Keine Auseinandersetzung mit der fremden Kultur und den Widersprüchen zu der Eigenen. Und auch keine klassische Liebesgeschichte mit Happy End.

Der Roman ist was er ist, ein Auszug aus dem Leben zweier Menschen, die auch mal eine Zeit lang einen Weg gemeinsam gegangen sind und sich nun nach langer Zeit wiedersehen. Ishmael ist dabei tatsächlich nur der Auslöser für das, was auf sein Verschwinden hin folgt. Was das genau ist, bleibt der Interpretation eines Jeden selber überlassen. Sollten sich Maria und Vincent vielleicht einfach noch einmal sehen, nach so langer Zeit? Ist es vielleicht die Erinnerung an ihre gemeinsame schöne Zeit oder die Erkenntnis, dass das, was man bereits hat, auch gut ist? Oder womöglich weckt das Kennenlernen einer fremden Kultur sogar den Wunsch nach neuen Abenteuern? Es gibt daher meiner Meinung nach auch ganz bewusst keine Auflösung der Geschichte. Denn sie soll einladen, seine eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Der Roman ist eine kleine aber feiner Geschichte über zwei Menschen gegen Ende ihres Lebens und ihrer eigenen Erkenntnis, dass man im Alter nicht immer auch weiser geworden ist. Bestimmt werde ich mich auch noch an den einen oder anderen Roman von Otto de Kat wagen, denn „Freetown“ hat mich zumindest soweit überzeugt, seine Werke noch ein bisschen besser kennen zu lernen.

Veröffentlicht am 26.07.2019

Am Ende das Leben - Oder: wer darf leben?

Am Ende das Leben
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Ava ist erst 13, als bei einer Flugshow in ihrer Stadt Stone Tempel ein Flugzeug abstürzt und sie und ihren besten Freund Wash unter Trümmern begräbt. Wash ist schwer verletzt und er hat kaum eine Chance ...

Ava ist erst 13, als bei einer Flugshow in ihrer Stadt Stone Tempel ein Flugzeug abstürzt und sie und ihren besten Freund Wash unter Trümmern begräbt. Wash ist schwer verletzt und er hat kaum eine Chance diesen Unfall zu überleben. Doch als Ava ihre Hände auf die Wunde legt, um die Blutung zu stillen, geschieht ein Wunder. Die schwere Wunde von Wash wird kleiner und verschwindet letztendlich ganz. Ava dagegen verfällt daraufhin in eine tagelang andauernde Bewusstlosigkeit. Als sie endlich wieder erwacht, ist ihr Leben nicht mehr wie vorher. Jemand hat die Wunderheilung von Wash gefilmt und in den Medien verbreitet. Journalisten, Prediger und verzweifelte Menschen belagern daraufhin erst das Krankenhaus und dann ihr Zuhause und schrecken auch trotz Polizeischutz nicht vor Einbrüchen zurück, um Ava zu sehen. Die Familien der beiden Kinder müssen sich entscheiden. Können sie Ava beschützen? Darf man so eine Begabung der Menschheit vorenthalten, ungeachtet aller Konsequenzen? Am Ende trifft Ava dann ihre ganz eigene Entscheidung.

Ein sehr berührender Roman um die ganz konkrete Frage, was ein Mensch wert ist und ob jemand dazu verpflichtet ist, sich für das größere Wohl zu opfern. Eine sensible Frage, die gar nicht so einfach zu beantworten ist und die aktueller ist, als man im ersten Moment meinen könnte. Eigentlich ist es wahnsinnig, überhaupt eine Antwort finden zu wollen. Doch genau vor diesem Dilemma stehen die Menschen in dieser Geschichte. Und auch wenn die Einstellung einzelner Personen festzustehen scheint, geraten fast alle ins Wanken, wenn es um das persönliche Schicksal geht.

Mich hat der Roman an vielen Stellen aufgewühlt und auch sprachlos gemacht. Auch wenn es natürlich nur eine Fiktion war, so war sie doch so realistisch erzählt, dass ich mir leider mehr als gut vorstellen kann, dass dies auch in unserer realen Gesellschaft jederzeit so passieren könnte. Denn die anfängliche Frage nach dem Wert eines Menschen und damit auch seinen Rechten, lässt sich auf so viele Bereiche unseres modernen Lebens anwenden. Jason Mott hat mit „Am Ende das Leben“ auf jeden Fall einen Nerv getroffen. Das Buch regt zum Nachdenken und vielleicht auch Überdenken grundlegender Einstellungen an und sollte nicht einfach als nette Geschichte abgetan werden.

Veröffentlicht am 10.07.2019

Deckname Flamingo - Spionage mit Witz

Deckname Flamingo
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In "Deckname Flamingo" geht es um Julia, welche während des 2. Weltkrieges vom MI5 als Agentin rekrutiert wird. Anfänglich soll sie nur Protokolle von geheimen Treffen einer Gruppe Nazi-Sympathisanten ...

In "Deckname Flamingo" geht es um Julia, welche während des 2. Weltkrieges vom MI5 als Agentin rekrutiert wird. Anfänglich soll sie nur Protokolle von geheimen Treffen einer Gruppe Nazi-Sympathisanten abtippen. Doch schon bald wir sie von ihrem Vorgesetzten Perry auch als Spionin eingesetzt, um Informationen von weiteren Kriegsbefürwortern zu sammeln. Natürlich ist beides nicht ohne Gefahr und unvorhersehbare Ereignisse führen dazu, dass auch Menschen sterben.
Nach Kriegsende arbeitet Julia bei der BBC an einer Radiosendung für Schüler mit und möchte mit dem MI5 und ihren Spionagetätigkeiten eigentlich nichts mehr zu tun haben. Doch auch zehn Jahre später kreuzen immer noch alte Bekannte ihren Weg und sie muss erkennen, dass man sie, einmal dabei gewesen, nicht mehr so einfach in Ruhe lässt, denn es gibt mehr als eine Person, die mit der Vergangenheit noch nicht abschließen kann.

Der Roman spielt hauptsächlich in zwei Zeitabschnitten, den Jahren 1940 und 1950, zwischen denen aber nur selten gewechselt wird, was es einfach macht der Handlung zu folgen. In sich sind die einzelnen Abschnitte jedoch nicht chronologisch aufgebaut. Das kann vielleicht am Anfang etwas verwirren, aber wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, macht es die Geschichte, in meinen Augen, noch unterhaltsamer zu lesen, da man immer wieder kleine Aha-Erlebnisse hat. Da so auch auf bereits vergangene Geschehnisse immer wieder Bezug genommen wird, ist die Geschichte stets präsent und man bekommt ein wunderbares Gesamtbild.
Spannend ist auch, dass man nie sagen kann, wer auf welcher Seite steht. Wer gehört zum MI5? Wer sympathisiert tatsächlich mit den Nazis? Keiner ist das, was er vorgibt zu sein. Oder vielleicht doch? So ist auch die Wendung am Schluss des Romanes kaum vorhersehbar. Zuerst dachte ich, dass diese Wendung etwas abrupt kommt. Aber wenn man etwas darüber nachdenkt, erinnert man sich an unterschiedliche Begebenheiten, die man vielleicht einfach falsch eingeordnet oder als weniger wichtig bewertet hat, die aber entscheidend für den Ausgang der Geschichte sind.

"Deckname Flamingo" war mein erster Spionageroman in diesem Stil und ich war trotz anfänglicher ´Orientierungsprobleme´ doch positiv überrascht, wie gut mir diese Form des Schreibens gefällt. Zusammen mit einer kleinen Portion Witz und englischer „Teatime“ (Frei nach dem Motto: „A cup of tea solves everything“) ist Kate Atkinson hier ein gleichwohl spannender wie unterhaltsamer Spionageroman gelungen. Ich werde mich bestimmt nach weiteren Werken von ihr umsehen.

Veröffentlicht am 04.07.2019

Ich kann dich hören - eine Geschichte über die Kraft der Kommunikation

Ich kann dich hören
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Klappentext:

Osman spielt Cello. Er soll es regnen lassen, doch seine Musik lässt sich nicht erweichen. Und daran ist er nicht allein schuld. Sehr vieles gerät in Bewegung, als er hört, was nicht für ...

Klappentext:

Osman spielt Cello. Er soll es regnen lassen, doch seine Musik lässt sich nicht erweichen. Und daran ist er nicht allein schuld. Sehr vieles gerät in Bewegung, als er hört, was nicht für seine Ohren bestimmt war.

In dem Roman „Ich kann dich hören“ begleiten wir Osman, einen Musikstudenten, der auf den ersten Blick ein sorgenfreies Leben lebt. Dieses ist geprägt von seinem Studium und den damit verbundenen Übungseinheiten und verschiedenen Konzerten. Als Ausgleich dazu spielt Osman Fußball oder kocht Nudeln mit seiner WG-Mitbewohnerin. Nichts deutet auf seine Probleme und Sorgen hin, die ihn aber schon bald einholen.
Denn eines Tages ruft seine Tante Elide an und möchte, dass er zu Besuch kommt. Sie brauch seine Hilfe mit dem Vater, der sich die Hand gebrochen hat. Mit diesem Besuch holt ihn die Vergangenheit ein, die er bisher vermeintlich so erfolgreich zu verdrängen versucht hat. Eine Kindheit mit einem Vater, der fast nie für ihn da war, weil er sich in die Musik geflüchtet hat und einer Tante, die ihm Mutter und Vater zugleich sein musste. Doch Osman kann und will Elide nicht helfen. Er flieht so schnell es möglich zurück nach Hamburg.
Doch auch zuhause lässt ihn seine Geschichte nicht los und sie nimmt zunehmend Einfluss auf sein Leben und seine Musik. Gleich zu Beginn beschreibt er Musik als etwas, das er zum Atmen braucht und welche er zum Atmen bringen will. Jetzt fällt es ihm schwer, überhaupt etwas mit seinem Spiel auszudrücken, was auch seinem Lehrer nicht verborgen bleibt. „Sie sind nicht bereit, es nieseln zu lassen, ich merke das schon.“

Kurz darauf findet Osman ein verlorenes Diktiergerät und steckt es ein. Anfangs nur aus Interesse, hört er sich die Aufnahmen darauf an und ist fasziniert. Er hört Ella und ihre Versuche, sich mit ihrer Schwester zu verstehen, die taubstumm ist. Die Aufnahmen bringen ihn zum Nachdenken und zu guter Letzt auch zum Umdenken.

Kommunikation ist ein großes Thema in dieser Geschichte. Sei es der kaum vorhandene Austausch mit seiner Familie, seine vorrübergehende Unfähigkeit, sich durch die Musik auszudrücken oder die manchmal etwas schwierige Verbindung zweier Schwestern.
Es gibt viele Wege, miteinander zu Sprechen oder in Kontakt zu treten und genau das ist die Essenz dieses wunderbaren Romans.
Auch der Sprachstil selber greift immer wieder das Thema auf. Die Wahl der Sprache, im wahrsten Sinne des Wortes, passt sich im Laufe der Geschichte immer mehr an die Situation des Charakters an und unterstützt somit zusätzlich die Handlung. Selbst die Aufnahmen auf dem Diktiergerät entsprechen, so vermute ich, einer Unterhaltung in Gebärdensprache. Ein schönes Detail.
Auch wenn ich zwischendurch etwas hin und hergerissen war, überzeugten mich solche Kleinigkeiten und die unterschiedlichen Perspektiven, die die Handlung wie ein Puzzle zusammensetzen, schnell von diesem Buch. Gerne hätte ich noch mehr über Ella erfahren und ihre Reaktion auf Osman gelesen. Es offen zu lassen, hat aber auch seinen Reiz.

Zum Schluss möchte ich auch das Cover nicht unerwähnt lassen, denn es greift das Thema wunderbar auf. Es ist sehr neutral in Grau und Weiß gehalten und zeigt im Hintergrund den Ausschnitt einer Handinnenfläche. Für mich steht sie stellvertretend für die verschiedenen, bereits erwähnten Möglichkeiten der Kommunikation, wie z.B. der Gebärdensprache. Aber auch ein Musikinstrument wird mit den Händen gespielt und die so erzeugte Melodie erzählt jedem Menschen etwas anderes.

Ich freue mich über den gelungenen Einstieg der Autorin und freue mich über mehr Geschichten wie Diese.

Veröffentlicht am 08.07.2021

Möderisches Urlaubsfeeling

Trüffelgold
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Marie ist eine erfolgreiche Kommissarin in Paris. Doch sie benötigt dringend eine Auszeit von der stressigen Verbrecherjagd. Wo geht das besser als im wunderschönen Périgord, wo sie früher bereits ihre ...

Marie ist eine erfolgreiche Kommissarin in Paris. Doch sie benötigt dringend eine Auszeit von der stressigen Verbrecherjagd. Wo geht das besser als im wunderschönen Périgord, wo sie früher bereits ihre Sommerferien bei der Großmutter verbracht hat. Während eines Spazierganges in dem malerischen Örtchen trifft sie auf Franck, dem Freund ihrer Bekannten aus Kindertagen, Helene. Noch weiß sie nicht, dass Franck nur wenig später erschossen aufgefunden wird. Wer war Franck wirklich und wer hatte ein Motiv ihn zu töten. Trotz Auszeit ist Maries Spürsinn geweckt und sie nimmt, zusammen mit dem sympathischen Kommissar Leblanc, die Ermittlungen auf.

Der Roman hat einen sehr flüssigen Erzählstil und die Ereignisse bauen logisch aufeinander auf. Der Leser kann so tief in die Geschichte eintauchen und sich in der schönen Landschaft des Périgord verlieren. Diese ist zudem sehr schön beschrieben und auch die Charaktere passen sehr gut in die Szenerie. Jede Figur für sich ist einzigartig und gibt der Geschichte ihren ganz persönlichen Anstrich.

Das Buch gehört definitiv in das Genre des Cozy-Crimes. Dennoch hat es mit persönlich etwas an Spannung gefehlt. Damit müssen nicht immer blutige Details gemeint sein. Dennoch wäre ein bisschen mehr Geheimniskrämerei schön gewesen. Leider merkte man allzu oft schon vorab, ob eine Situation gut ausgeht oder nicht.

Auch der eigentliche Täter wird für meinen Geschmack dann etwas zu unspektakulär aus dem Hut gezogen, besonders dafür, dass er bis dahin gar keine so große Rolle in der Geschichte gespielt hat. Ich habe mir nur gedacht: ´Ah, ok, die Person also. Nun gut. ´ Es fehlte doch ein bisschen der Wow-Faktor. Die Aufklärung anschließend war dann allerdings wieder sehr stimmig und es blieben keine Fragen offen.

Insgesamt empfand ich diesen Krimi sehr unterhaltsam zu lesen, gefesselt im kriminalistischen Sinne hat er mich leider dennoch nicht. Dafür lag der Fokus meiner Meinung nach zu sehr auf anderen Dingen, wie das Leben in dem schönen Dorf und das Leben der Hauptfiguren. Beides war toll erzählt und auch so interessant zu lesen, dass man sich fragt, wie es wohl weitergeht. Doch die Gewichtung sollte in einem Krimi, finde ich, anders gewählt werden.

Trotz allem empfehle ich dieses Buch gerne weiter. Als unterhaltsame Lektüre zwischendurch oder im Urlaub und um sich damit an einen noch sehr ursprünglich, romantischen Teil Frankreichs entführen zu lassen, wenn man selbst gerade nicht reisen kann (oder darf).

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