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Veröffentlicht am 02.03.2019

Viele Informationen, keine gute Gewichtung, oft viel zu trocken

Meilensteine der deutschen Geschichte
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Das Buch verspricht, über die Meilensteine der deutschen Geschichte "von der Antike bis heute" zu informieren. Dies tut es durchaus, allerdings nicht durchweg gut.

Positiv ist zunächst die Gestaltung ...

Das Buch verspricht, über die Meilensteine der deutschen Geschichte "von der Antike bis heute" zu informieren. Dies tut es durchaus, allerdings nicht durchweg gut.

Positiv ist zunächst die Gestaltung zu vermerken, es gibt zahlreiche qualitativ gute Abbildungen, viele Karten und Übersichten. Sehr schön die Übersichten der jeweiligen Landesherrscher, auch wenn man diese immer etwas in den jeweiligen Abschnitten suchen muß. Alle diese Übersichten zusammen in einem Anhang hätte ich übersichtlicher gefunden.
Relevante Begriffe, Geschehnisse oder Persönlichkeiten erhalten in den Außenmargen des Buches Zusammenfasungen in farbiger Schrift, bei Persönlichkeiten auch immer mit einem kleinen Bild der Person. Leider werden nie die Lebensdaten angegeben, was ich schade finde. Diese Zusammenfassungen sind übersichtlich und thematisch gut gewählt.
Jedem Zeitabschnitt ist eine Zeitleiste und eine zusammenfassende EInführung vorangestellt, die für einen schnellen Überblick sehr nützlich ist.

Ebenfalls positiv hervorzugeben ist, daß neben den geschichtlichen Ereignissen auch fast immer ein Überblick über Alltag, Kultur, Bevölkerungsgruppen gegeben wird. Viele Zusammenhänge und Erklärungen späterer Entwicklungen werden informativ und klar dargestellt, das habe ich nicht oft so gut erlebt. Thematisch gibt es eine gute Vielfalt, allerdings variiert auch die Tiefe, mit der diese Themen betrachtet werden, sehr.

Was mich ganz erheblich gestört hat, war die ungleiche Gewichtung der Epochen. Der erste Abschnitt (1. Jh - 919) ist ganze 9 Seiten lang (inkl 2 Seiten Einführung), bzw kurz! Römerzeit, Germanen, Kelten, Völkerwanderung, Frankenreich...alles auf 7 Seiten Text abgehandelt. Das ist für ein 500seitiges Geschichtswerk, welches die gesamte deutsche Geschichte abdecken möchte, einfach indiskutabel. Das Mittelalter erhält etwas über 40 Seiten, die faszinierenden 200 Jahre der Staufer werden darin in gerade mal 2 Seiten beschrieben. Wie soll man über solch wichtige und interessante Epochen denn hier etwas erfahren? Ungefähr die Hälfte des gesamten Buches ist der Zeit ab 1914 gewidmet. Dieses Ungleichgewicht ist ärgerlich und für ein seriöses Geschichtswerk inakzeptabel.

Vom Schreibstil her hat mich das Buch nicht überzeugt. Es wurde von verschiedenen Autoren verfaßt und so ist auch der Schreibstil unterschiedlich. Manche Bereiche sind recht gut und angenehm lesbar, andere so unglaublich trocken und langweilig, daß ich mich zwingen mußte, weiterzulesen. Richtig begeistert hat mich keiner der Texte. Geschichte ist so spannend, so lebendig, oft aufregend wie ein toller Roman. Davon spiegelt dieses Buch überhaupt nichts wider. Man kann seine Fakten hier entnehmen, sich über manche (aber eben nicht alle!) Meilensteine unserer Geschichte recht ausführlich informieren, Spaß an der Geschichte bekommt man hier aber nicht.

So gehört dieses Buch trotz mehrerer guter Aspekte insgesamt leider zu den Geschichtsbüchern, die mir wenig Freude bereitet haben.

Veröffentlicht am 15.02.2019

Interessante Geschichte, unangenehmer Stil

Gretchen
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In Gretchen erzählt Ruth Berger die Geschichte der Susanna Margaretha Brand (1746 - 1772), indirekt berühmt geworden als Inspiration für Gretchen in Goethes Faust. Durch die Gretchentragödie ist es Goethe ...

In Gretchen erzählt Ruth Berger die Geschichte der Susanna Margaretha Brand (1746 - 1772), indirekt berühmt geworden als Inspiration für Gretchen in Goethes Faust. Durch die Gretchentragödie ist es Goethe gelungen, die jahrhundertealte Sage um Faust um eine wesentliche Komponente zu bereichern und Gretchens letzte Szene im Kerker gehört zu den eindringlichsten des ganzen Stückes. Susanna Margaretha Brand hätte auf diesen Ruhm sicher gerne verzichtet, begründet er sich doch darin, daß sie als Kindsmörderin verurteilt und hingerichtet wurde.

In Ruth Bergers Buch erwacht Susanna zum Leben, wird dem Leser gelungen nahegebracht. Wir lernen eine junge Frau kennen, die sich nicht so leicht etwas sagen läßt, die auch mal Widerworte gibt, einen starken Willen hat. Das ist im späten 18. Jahrhundert schon ausreichend für einen schlechten Ruf und so ist sie auch ständig im kritischen Blickfeld ihrer zwei älteren Schwestern und gleich mehrerer Frankfurter. Susanna arbeitet in einer Herberge und ihr Umfeld, ihr Leben werden detailreich und gut beschrieben. Man bemerkt das fundierte historische Wissen der Autorin und ihre sogfältige Recherche zu Susanna. Zahlreiche Informationen über Arbeit, Lebensumstände und überhaupt das alte Frankfurt werden meist gut in die Geschichte eingeflochten. Manchmal wirken die Informationen leider auch etwas hineingezwungen, als ob nun dieses Detail unbedingt erwähnt werden mußte, auch wenn es mit der Geschichte überhaupt nichts zu tun hat. Im Ganzen aber hat es mir gefallen, wie viel ich hier auch über Frankfurt lernen konnte. Susanna ist ein interessanter Charakter; diese junge Frau, die sich ständig gegen ihren schlechten Ruf beweisen muß, die einerseits hofft, endlich ein wenig zur Ruhe zu kommen, andererseits aber auch von einem aufregenderen Leben träumt. Ruth Berger bringt sie uns gut nahe, und auch wenn man weiß, welch schreckliches Ende Susanna nehmen wird, drückt man ihr gegen besseres Wissen ständig die Daumen, weil sie den Leser anrührt.

Leider aber hatte das Buch einige - jedenfalls für mich so empfundene - Schwächen. Eines ist die Einbindung für die Geschichte nicht relevanter Charaktere, die das eigentliche Geschehen unterbrechen und nichts zum Buch beitragen. Dies sind zum einen die Gebrüder Senckenberg, denen hier viel Raum gewidmet wird, obwohl sie allerhöchstens marginal mit dem Fall zu tun. Lesern, denen die Senckenbergs nicht bekannt sind, werden zudem wesentliche Hintergrundinformationen fehlen, um überhaupt zu verstehen, worum es hier geht. Die Abschnitte gehörten zu den uninteressantesten Passagen des Buches und wie bei manchen historischen Details hatte ich auch hier das Gefühl, als ob die Senckenbergs eben unbedingt erwähnt werden sollten, obwohl sie eigentlich keine Rolle in der Geschichte spielen.
Ähnlich empfand ich ausgerechnet bei den Szenen um die Familie Goethe. Nun lese ich als Goethefan eigentlich immer mit Vergnügen über ihn, und hatte mich auch gefreut, ihm hier als Romanfigur zu begegnen. Leider war dies enttäuschend. Goethe selbst taucht erst zum Ende des Buchs auf, weil er erst in Frankfurt eintraf, als die Ermittlungen gegen Susanna Brand begannen, der Roman aber auch ihre Vorgeschichte behandelt. Um aber die Familie Goethe schon vorher einzubinden, greift Ruth Berger auf nichtssagende Szenen rund um Goethes Schwester Cornelia zurück, die wenig mehr tut, als zu überlegen, welcher der Männer in ihrem Umfeld noch zu haben ist, und auf Spaziergängen nichtssagend mit Freundinnen zu plaudern. Hier erfolgt dann eine konstruierte Szene, in der Susanna Brand an ihr vorbeigeht. Die Szene hat keinen Sinn, außer wohl die Goethes hier schon krampfhaft in die Geschichte einzubinden. Auch nach Erscheinen des künftigen Dichterfürsten bleiben die Goetheszenen eine Schwäche des Buches. Goethes Situation zu dieser Zeit wird in lieblosen Passagen geschildert, seine Erleuchtung, daß Susannas Geschichte sich gut im Faust machen würde, kommt uninspiriert und plötzlich. Weitaus mehr Raum wird Cornelias beginnender Romanze mit ihrem späteren Ehemann gewidmet. Das lenkt von der Geschichte der Susanna Brand ab (sogar in der Hinrichtungsszene geht es immer wieder um Cornelia Goethe).
Es hätte dem Roman wesentlich besser zu Gesicht gestanden, wenn er sich auf die eigentliche Geschichte konzentriert hätte, ohne dauernd auf diese Seitenschauplätze abzuschweifen. Die Inspiration für Goethe hätte man dann auch kurz in einem Nachwort erwähnen können.

Mein anderes Problem mit diesem Buch liegt im Schreibstil. Fast durchweg ist dieser ausgesprochen betulich. Es sollte wohl der volkstümliche Charakter Susannas und ihrer Umwelt widergespiegelt werden. Anstatt dies auf die wörtliche Rede zu beschränken, was ein gelungenes Mittel gewesen wäre, lesen sich die meisten Passagen nun wie von einem Menschen ohne literarisches Können geschrieben. Susanna ist durchweg „die Susann“, sowie ihre Schwester „die Dorette“ ist, der Hausdiener „der Bonum“, und da haben wir dann Sätze wie „Die Dorette redet immer noch auf die Susann ein“. Da geht „das Ännchen“ mit „der Ursel“ und hat Sorge, daß „der Niklaus“ schimpfen wird mit ihr (auch solche etwas seltsame Satzstellungen sind im Text üblich). Ein „sie“ oder „er“ wird häufig unnötig erklärt, so daß man sehr viel „sie, die Susann,“, „sie, die Dorette,“ und ähnliche Einschübe liest, auch wenn aus dem Text ohnehin hervorgeht, wer mit „sie“ gemeint ist. Das ist richtig schlechter Stil. All dies hat mir zumindest das Lesevergnügen ziemlich verdorben. Die Autorin kann es durchaus anders, das klingt immer wieder mal durch. Es gibt sehr schön und eindringlich formulierte Sätze, die mich erahnen ließen, wie gut dieses Buch hätte sein können.

Der Stil und überhaupt die Erzählweise sorgen dann auch an manchen Stellen dafür, daß es sich albern liest. Wenn die Angewohnheit mancher Charakter, Sätze mit „gelle“ zu beenden, dann auch in den Erzähltext einfließt, zieht es den Text ins Alberne. In der doch eigentlich traurigen Szene, kurz bevor Susanna gefaßt wird und ihr Leben verwirkt, wird beschrieben, wie der Wachsoldat Susanna erblickt „…ei, da passt ja glatt die Beschreibung von der gesuchten Mörderin drauf auf das Mädel hier! Eigentlich müsst er die jetzt anhalten, gell. Andererseits, lächerlich will er sich auch nicht machen.“ Und so geht es dann weiter und nimmt der Szene, dem Schicksal Susannas den Ernst. Dies kommt immer wieder vor. Nachdem Susanna ihr Baby bekommen hat, beginnt eine langwierige alberne Szene, in der ihre beiden Schwestern (die ohnehin etwas lächerlich dargestellt werden) wie in einer 70er Jahre Komödie hysterisch immer wieder zwischen drei Schauplätzen hin und her rennen, um herauszufinden, was eigentlich genau passiert ist. Ich hätte von einem guten Buch erwartet, mir nahezubringen, wie Susanna gerade körperlich und seelisch leidet, welche Angst sie hat, welche Sorgen die Schwestern sich um die Implikationen machen. Es sind traurige Geschehnisse um den Tod eines Neugeborenen und einer jungen Frau, die völlig ohne Unterstützung einer bigotten Gesellschaft ausgeliefert ist, aber ihnen wird durch den Stil der Ernst genommen. Später im Buch steht „So mancher allerdings fand die frivole Formulierung dem Anlass nicht angemessen,“ und ich fragte mich, ob die Autorin die Ironie dieser Bemerkung eigentlich erkannt hat. Denn auch hier sehen wir, daß sie es durchaus besser kann - in späteren Szenen wird Susannas Angst, Verzweiflung, Ausweglosigkeit ausgezeichnet geschildert. Die Hinrichtungsszene ist eindringlich und sehr gut. Diese Würde hätte man der Geschichte Susannas das ganze Buch über zugestehen sollen.

So bleibt ein Buch, das uns Susanna als Mensch und in ihrer ausweglosen Situation, die damalige Gesellschaft und Lebensumstände gut nahebringt, dies aber leider an vielen Stellen durch den Stil und Unnötiges wieder verdirbt.

Veröffentlicht am 03.02.2019

Sehr trocken geschriebene Übersicht

Die Staufer
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Man erhält in diesem Staufer-Büchlein auf rund 120 Seiten eine gute Übersicht über die Jahre der Staufer-Herrschaft und ihrer Könige und Kaiser. Knapp, wie es dem Format der Reihe entspricht, werden die ...

Man erhält in diesem Staufer-Büchlein auf rund 120 Seiten eine gute Übersicht über die Jahre der Staufer-Herrschaft und ihrer Könige und Kaiser. Knapp, wie es dem Format der Reihe entspricht, werden die wichtigsten Geschehnisse und ihre Hintergründe erläutert. Knut Görich schafft es gut, auch relevante Hintergründe zu erläutern. Die Bedeutung und sorgfältige Planung sowie Choreographie der damals so beliebten symbolträchtigen Unterwerfungsgesten werden gut dargestellt, ebenso wie der ständige Balanceakt, den die Kaiser zwischen ihren eigenen Interessen, denen des Papstes und denen der Reichsfürsten vornehmen mußten. Man erfährt hier schon einiges darüber, wie dieses Kaiserreich angelegt war, wie es funktionierte, was relevant war. Auch weist Knut Görich gut darauf hin, daß unser heutiger Blick und unser Verständnis nicht anzuwenden sind, wenn man die Aktionen und Entscheidungen der Staufer-Herrscher verstehen möchte. Das unterschiedliche Verständnis des italienisch geprägten Friedrich II und der deutsch geprägten anderen Staufer-Herrscher wird ebenfalls gut erklärt und trägt zum Verständnis mancher Konflikte und Entscheidungen bei.

Leider aber ist das Buch enttäuschend trocken geschrieben. Ich lese die meisten geschichtlichen Werke mit Freude und Spannung, denn Geschichte ist spannender als jeder Roman. Wenn sie aber so dargestellt wird wie hier, dann ist die Wirkung leider eine andere. Recht zäh wird hier chronologisch abgearbeitet, was zur Stauferzeit geschah, es liest sich manchmal fast wie eine kommentierte Zeittafel. Die einzelnen Herrscher bleiben völlig blaß, erst bei Friedrich II kommt endlich ein wenig Leben und Persönlichkeit zum Vorschein, während alle anderen, inklusive Barbarossa, blasse und bloße Namen bleiben. Die stur chronologische Vorgehensweise reißt auch manche Themen auseinander, die vielleicht besser in einem Stück behandelt worden wären. So hat es viel von "Im Jahre x machte y das und im Jahre z machte y dies." Es gehen interessante Themenkomplexe in der Aufzählung unter oder werden zerstückelt. Viele Themen - Kunst und Kultur zB - finden kaum Erwähnung, was aber auch dem knappen Format geschuldet sein mag.

So wurde hier den Staufern und ihrer Zeit, die so viel Vielfältiges zu
bieten hat, kaum Leben eingehaucht, ich habe mich ohne viel Vergnügen durch das Buch gearbeitet. Als reine Informationsquelle ist es nicht schlecht, aber Geschichte ist doch so viel mehr und das kam hier nicht einmal ansatzweise zum Vorschein.

Veröffentlicht am 03.02.2019

Ungewöhnlich, aber auch unentschlossen und etwas halbherzig

Die Leuchtturmwärterin
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Die Geschichte ist ungewöhnlich, dies schon alleine daher, daß sie Anfang des letzten Jahrhunderts auf einem abgelegenen Leuchttum spielt - das war vielversprechend, denn das ist eine Welt, von der ich ...

Die Geschichte ist ungewöhnlich, dies schon alleine daher, daß sie Anfang des letzten Jahrhunderts auf einem abgelegenen Leuchttum spielt - das war vielversprechend, denn das ist eine Welt, von der ich gar nichts weiß. Natürlich wird auf dem Klappentext noch ein "Geheimnis" angekündigt - ohne Geheimnis scheint es bei historischen Romanen kaum noch zu gehen.

Es läßt sich alles recht vielversprechend an - die Protagonistin Trudy berichtet als Ich-Erzählerin und das in einem flotten Schreibstil, durch den immer wieder mal intelligenter, gut beobachtender Humor durchblitzt. Man merkt schnell, Trudy ist ein helles Köpfchen, offen für Ungewöhnliches. In der ersten Hälfte des Buches erfahren wir abwechselnd von Trudys neuem Leben auf dem Leuchtturm und in Rückblenden von ihrem Hintergrund als Tochter aus gutem Hause. Das ist abwechslungsreich und der stetige Wechsel ist gut gemacht und liest sich angenehm. Wie diese aufgeweckte aber behütete junge Frau sich mit ihrem neuen Ehemann auf dieser einsamen Leuchttuminsel und mit den dort wohnenden Kollegen zurechtfindet, ist interessant, auch die Lebensumstände sind gut erklärt. Bei Trudys Rückblicken auf ihr früheres Leben merkt man dann aber schon das, was letztlich das Lesevergnügen immer mehr beeinträchtigt: die Geschichte plätschert ein wenig unentschlossen vor sich hin. Man liest ein wenig über Trudys Collegedasein, ein wenig über das Leben mit ihren Eltern, ein wenig über ihre Pläne, aber alles kommt nicht richtig in Gang, nirgendwo wird wirkliches Interesse geweckt. Was sie genau möchte, was sie antreibt, erfahren wir eigentlich nicht. In einer Szene möchte sie ganz dringend lernen, wie man ein Schiff fährt - warum sie das möchte, erfährt oder spürt man nicht. Als sie auf dem Schiff ist, langweilt es sie eigentlich und man fragt sich während der ganzen Szene, welchen Sinn diese nun eigentlich hat (abgesehen von dem, daß man erfährt, daß Trudy eine gute Beobachtungsgabe hat).

Trudy hat einen Verlobten, aber man weiß schon aus den Leuchtturmkapiteln, daß sie diesen letztlich nicht geheiratet hat. Nun sind aber sowohl ihr Verlobter als auch der Mann, den sie letztlich heiratet so blaß gestaltet, daß man weder sieht, warum sie den einen verläßt, noch warum sie sich zu dem anderen hingezogen fühlt. Den Charaktern fehlt das Leben, sie sind halbherzig gestaltet. Auch der Wechsel von einem Mann zum andren geschieht nebenbei - vorher wird zwar angedeutet, was für einen furchtbaren Skandal Trudy damit ausgelöst hat, aber beim Lesen merkt man davon nichts.
Weitere Erlebnisse Trudys auf dem Weg zum Leuchtturm, wo ihr Ehemann arbeiten wird, werden zwar ausführlich erzählt, eine lange Zugfahrt, einig Tage Aufenthalt in San Francisco, aber auch hier geschieht letztlich nicht viel, alles plätschert vor sich hin und trägt auch zur eigentlichen Geschichte sehr wenig bei.

In der zweiten Hälfte des Buches findet die Handlung nur noch auf der Leuchttuminsel statt. Hier sind nun aber die neuen Lebensumstände auch schon hinreichend geschildert und es schleicht sich auch hier dieses Halbherzige, Unentschlossene ein. Trudys Ehemann bleibt blaß, ihre Beziehung zueinander ebenfalls. Trudy macht ein wenig hiervon, ein wenig davon. Sie beginnt, sich für die Meereslebewesen zu interessieren, was eine große Leidenschaft von ihr werden soll, aber auch hier merkt man diese Leidenschaft überhaupt nicht. Sie erleidet eine Fehlgeburt, auch dies eigentlich nebenbei. Dann wird allmählich das so groß angekündigte Geheimnis aufgedeckt und auch hier liest man und denkt "Aha. Und nun? Das ist jetzt das Geheimnis?" Der blasse Ehemann ist plötzlich Feuer und Flamme und zeigt im letzten Viertel des Buches endlich etwas Profil, aber auch hier kann man seine plötzliche Leidenschaft für ein Thema nicht wirklich nachempfinden. Man bekommt mitgeteilt, welche Emotionen die Charaktere haben, aber man fühlt sie nicht. Ganz zum Ende kommt tatsächlich dann mal für einige Seiten ein wenig Spannung auf, aber so richtig fühlt man auch da nicht mit. Wenn man das Buch schließt, denkt man nur, daß hier eine Geschichte mit Potential so halbherzig erzählt wurde, daß die Möglichkeit verschenkt ist. Das ist besonders schade, da der Schreibstil zeigt, daß hier eigentlich mehr möglich gewesen wäre.

Veröffentlicht am 03.02.2019

Informativ, aber von Stil und Gewichtung her nicht so überzeugend

Schillers Doppelliebe
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"Schillers Doppelliebe" enthält zweifellos eine Fülle an Informationen und man erfährt viel über die von Lengefeld-Schwestern, über die es sonst eher wenig Literatur gibt. Es wurden - worauf im Vorwort ...

"Schillers Doppelliebe" enthält zweifellos eine Fülle an Informationen und man erfährt viel über die von Lengefeld-Schwestern, über die es sonst eher wenig Literatur gibt. Es wurden - worauf im Vorwort sehr explizit hingewiesen wird - sehr viele Quellen studiert und dies merkt man auch, vom reinen Informationsgehalt ist sehr viel vorhanden. Schade fand ich es allerdings, dass die Gewichtung der Informationen manchmal nicht meinen Erwartungen entsprach. Dass die Rezeptliste der Lengefeld-Mutter und das Hauhaltsinventar der Familie mehr Raum einnimmt als die Beschreibung von Schillers Tod, ist schon etwas seltsam. Auch ist eine ausführliche Auflistung von Bettlaken und Tischdecken nicht sonderlich aufschlussreich oder interessant zu lesen und wäre vielleicht in den Anmerkungen besser aufgehoben. Dies ist nur ein Beispiel von mehreren Momenten, in denen Nebensächlichkeiten sehr ausführlich behandelt wurden, während Themen, die für die Schiller-Charlotte-Beziehung relevant und interessant waren, in einem Nebensatz abgehandelt wurden. Überhaupt ist für ein Buch, welches sich sicher auch verkaufswirksam "Schillers Doppelliebe" nennt, relativ wenig Schiller drin. Es wird im Vorwort schon erwähnt, dass es vorwiegend um die Schwestern geht, nicht um Schiller, und letztlich ist es auch eine Biographie der Schwestern, deren Leben nicht nur aus Schiller bestand. Trotzdem fand ich auch hier die Gewichtung manchmal etwas unausgeglichen, und die meisten werden eben vorwiegend wegen der Schiller-Beziehung Interesse an den Schwestern haben.

Die Erzählweise ist natürlich Geschmacksache, mir sagte es nicht sehr zu, dass die Autorinnen teilweise sehr subjektiv waren und auch häufig ihre kleinen tadelnden Kommentare mit Ausrufezeichen einstreuten, wenn ihnen ein berichtetes Verhalten nicht zusagte. Ferner liest sich das Buch an einigen Stellen nicht flüssig, es wird viel aneinandergestoppelt. Ich habe direkt danach noch einmal Safranskis wundervolles "Goethe und Schiller" begonnen und den Unterschied gemerkt - jenes liest sich wie aus einem Guß und dadurch viel angenehmer (auch Safranskis Objektivität fällt nun besonders angenehm auf).

Weitere Punkte, die mir nicht unbedingt zusagten, waren die teilweise doch häufigen Spekulationen, die zwar nicht als bewiesen behauptet wurden, aber auch wieder sehr deutlich die Meinung der Autorinnen durchscheinen liessen. Die Sympathien und Antipathien waren mir ebenfalls zu spürbar. Auch blieb die Schiller-Charlotte Beziehung seltsam blass - hier habe ich aus anderen Büchern tatsächlich mehr erfahren. Unerfreulich fand ich, wie kurz Schillers Tod abgehandelt wurde, wie wenig über Charlottes Reaktion / Gefühlen darüber erwähnt wird, gerade eben im Vergleich zu den vielen detailliert behandelten Nebensächlichkeiten.

Interessant war es, mehr über das Leben von Charlotte und ihren Kindern nach dem Tod Schillers zu erfahren, und auch die allgemeinen Verhältnisse und die Gesellschaft in Weimar und Jena wurden sehr gut und informativ geschildert. Wie Schiller und Charlotte sich in diesen Kreisen jeweils einfügten - oder eben nicht einfügten - habe ich sonst noch nicht so detailliert und interessant gelesen.

Es ist sicher für jeden, der an Schiller und seiner Charlotte, am Jena und Weimar der Schiller-und-Goethe-Zeit interessiert ist, ein empfehlenswertes Buch. Nur haben die erwähnten Mankos für mich das Lesevergnügen doch sehr vermindert.